Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12)

Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12) Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12)

kirchlichedienste
von kirchlichedienste Mehr von diesem Publisher
13.02.2013 Aufrufe

Eine andere Weihnachtsgeschichte: Die Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12) Predigt von Franziska Müller-Rosenau beim Deutschen Frauenrat in Berlin am 12.11.2006 Liebe Frauen, ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Johannesevangelium nicht mit einer Weihnachtsgeschichte beginnt? Bei Johannes hören wir nichts von einer Volkszählung, nichts von einer Szene in Bethlehem, nichts von Josef und seinem vertrauten Weibe …nichts von alledem. Jetzt – in der Advents- und Weihnachtszeit möchte ich ein wenig bei dieser Beobachtung verweilen und der Frage nachgehen, auf welche Weise denn das Johannesevangelium von der Geburt Jesu, von der Geburt des göttlichen Menschensohnes erzählt. Εν Άρχή – so hebt es im ersten Kapitel an: am Anfang, „im Anfang war die Weisheit… so wird es in der neuen „Bibel in gerechter Sprache“ übersetzt. Hören Sie, wie der Anfang hier vorgestellt ist als ein Raum: gerade so wie im ersten Buch der hebräischen Bibel, mit dem der Tanach beginnt: „im Anfang, bei Beginn, zu Anfang, durch einen Anfang, am Anfang“ – bereschit – „ Auf seine Weise kreist also auch das Johannesevangelium um die Frage, wie denn ein Anfang zu finden ist mitten in einer bereits vorhandenen und gestalteten Welt. – Das ist in meinen 1 Augen die Kernfrage eines jedes Lebens, im persönlichen, wie im politischen Sinn: wie denn ein Anfang zu finden ist, damit ich etwas gestalten und bewirken kann mitten in all dem Vorfindlichen. Schauen wir uns an, wie Johannes davon erzählt: Joh 2,1-12Die Hochzeit zu Kana 1 Am übernächsten Tag fand eine Hochzeit in Kana in Galiläa statt, und die Mutter Jesu war dort. 2 Zur Hochzeit eingeladen waren auch Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger. 3 Als der Wein ausgegangen war, sagte die Mutter Jesu zu ihm: „Sie haben keinen Wein!“ 4 Jesus aber sagte ihr: „Was haben wir miteinander zu tun, Frau? Meine Zeit ist noch nicht gekommen.“ 5 Seine Mutter sagte den Bediensteten: „ Was auch immer er euch sagt, das führt aus!“ 6 Nun standen dort sechs steinerne Wasserkrüge – entsprechend der jüdischen Reinigungsvorschrift –, die jeweils zwischen 80 und 120 Liter fassten. 7 Jesus sagte ihnen: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!“ Und sie füllten sie bis oben. 8 Und er sagte ihnen: „Schöpft jetzt etwas davon und bringt es dem Küchenchef!“ Sie brachten es ihm. 9 Als aber der Küchenchef das Wasser, das Wein geworden war, kostete und nicht wusste, woher es war – die Bediensteten aber, die das Wasser geschöpft hatten, die wussten es –, rief der Küchenchef den Bräutigam 10 und sagte ihm: „Alle Menschen schenken zuerst den guten Wein aus, und erst dann, wenn die Leute betrunken sind, den schlechteren. Du aber hast den guten Wein bis jetzt aufgehoben!“ 11 Dies tat Jesus als Anfang der Wunderzeichen in Kana in Galiläa und zeigte seinen göttlichen Glanz, und seine Jüngerinnen und Jünger glaubten an ihn. 12 Danach ging er hinab nach Kafarnaum, er und seine Mutter und seine Geschwister und seine Jüngerinnen und Jünger, und sie blieben einige Tage dort.

Eine andere Weihnachtsgeschichte:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Hochzeit</strong> <strong>zu</strong> <strong>Kana</strong> (<strong>Joh</strong> 2,1-<strong>12</strong>)<br />

Predigt von Franziska Müller-Rosenau<br />

beim Deutschen Frauenrat<br />

in Berlin am <strong>12</strong>.11.2006<br />

Liebe Frauen,<br />

ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das <strong>Joh</strong>annesevangelium<br />

nicht mit einer Weihnachtsgeschichte beginnt? Bei <strong>Joh</strong>annes<br />

hören wir nichts von einer Volkszählung, nichts von einer<br />

Szene in Bethlehem, nichts von Josef und seinem vertrauten<br />

Weibe …nichts von alledem.<br />

Jetzt – in der Advents- und Weihnachtszeit möchte ich ein wenig<br />

bei dieser Beobachtung verweilen und der Frage nachgehen,<br />

auf welche Weise denn das <strong>Joh</strong>annesevangelium von der<br />

Geburt Jesu, von der Geburt des göttlichen Menschensohnes<br />

erzählt.<br />

Εν Άρχή – so hebt es im ersten Kapitel an: am Anfang, „im<br />

Anfang war die Weisheit… so wird es in der neuen „Bibel in<br />

gerechter Sprache“ übersetzt. Hören Sie, wie der Anfang hier<br />

vorgestellt ist als ein Raum: gerade so wie im ersten Buch der<br />

hebräischen Bibel, mit dem der Tanach beginnt: „im Anfang, bei<br />

Beginn, <strong>zu</strong> Anfang, durch einen Anfang, am Anfang“ – bereschit<br />

– „<br />

Auf seine Weise kreist also auch das <strong>Joh</strong>annesevangelium um<br />

die Frage, wie denn ein Anfang <strong>zu</strong> finden ist mitten in einer bereits<br />

vorhandenen und gestalteten Welt. – Das ist in meinen<br />

1<br />

Augen die Kernfrage eines jedes Lebens, im persönlichen, wie<br />

im politischen Sinn: wie denn ein Anfang <strong>zu</strong> finden ist, damit ich<br />

etwas gestalten und bewirken kann mitten in all dem Vorfindlichen.<br />

Schauen wir uns an, wie <strong>Joh</strong>annes davon erzählt:<br />

<strong>Joh</strong> 2,1-<strong>12</strong> – <strong>Die</strong> <strong>Hochzeit</strong> <strong>zu</strong> <strong>Kana</strong><br />

1 Am übernächsten Tag fand eine <strong>Hochzeit</strong> in <strong>Kana</strong> in Galiläa statt,<br />

und die Mutter Jesu war dort. 2 Zur <strong>Hochzeit</strong> eingeladen waren auch<br />

Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger. 3 Als der Wein ausgegangen<br />

war, sagte die Mutter Jesu <strong>zu</strong> ihm: „Sie haben keinen Wein!“<br />

4 Jesus aber sagte ihr: „Was haben wir miteinander <strong>zu</strong> tun, Frau?<br />

Meine Zeit ist noch nicht gekommen.“ 5 Seine Mutter sagte den Bediensteten:<br />

„ Was auch immer er euch sagt, das führt aus!“ 6 Nun<br />

standen dort sechs steinerne Wasserkrüge – entsprechend der jüdischen<br />

Reinigungsvorschrift –, die jeweils zwischen 80 und <strong>12</strong>0 Liter<br />

fassten. 7 Jesus sagte ihnen: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!“ Und<br />

sie füllten sie bis oben. 8 Und er sagte ihnen: „Schöpft jetzt etwas davon<br />

und bringt es dem Küchenchef!“ Sie brachten es ihm. 9 Als aber<br />

der Küchenchef das Wasser, das Wein geworden war, kostete und<br />

nicht wusste, woher es war – die Bediensteten aber, die das Wasser<br />

geschöpft hatten, die wussten es –, rief der Küchenchef den Bräutigam<br />

10 und sagte ihm: „Alle Menschen schenken <strong>zu</strong>erst den guten<br />

Wein aus, und erst dann, wenn die Leute betrunken sind, den<br />

schlechteren. Du aber hast den guten Wein bis jetzt aufgehoben!“<br />

11 <strong>Die</strong>s tat Jesus als Anfang der Wunderzeichen in <strong>Kana</strong> in Galiläa<br />

und zeigte seinen göttlichen Glanz, und seine Jüngerinnen und Jünger<br />

glaubten an ihn. <strong>12</strong> Danach ging er hinab nach Kafarnaum, er und<br />

seine Mutter und seine Geschwister und seine Jüngerinnen und Jünger,<br />

und sie blieben einige Tage dort.


Feministischen Exegetinnen ist schon seit einiger Zeit die eigentümliche<br />

Szene zwischen Jesus und seiner Mutter aufgefallen:<br />

„Sie haben keinen Wein!“ sagt sie, und er schroff: „Was<br />

haben wir miteinander <strong>zu</strong> tun, Frau?“ Für diese Auslegerinnen<br />

„ist Maria (ganz klar) die Hauptperson, sie entdeckt, dass der<br />

Wein ausgegangen ist, sie ergreift die Initiative und macht Jesus<br />

auf die Situation aufmerksam, sie erwartet seine Hilfe und<br />

rechnet fest damit. Sie ist es, die auf das Wunder drängt und es<br />

dadurch herbei<strong>zu</strong>führen hilft. Ihre klare Autorität überträgt sich<br />

auf die <strong>Die</strong>nerInnen.“ (Ruth Habermann, Kompendium Feministische<br />

Bibelauslegung, Gütersloh 1998, S. 529).<br />

Und nun <strong>zu</strong> der Antwort, die Jesus gibt. Sie gibt <strong>zu</strong> denken, gibt<br />

Rätsel auf. Was soll die Schroffheit? Das passt nicht <strong>zu</strong> einer<br />

Mutter-Sohn-Beziehung! In der hebräischen Bibel bedeutet dieses<br />

„ti emoi kai soi“ die Unvereinbarkeit zweier Standpunkte:<br />

was haben wir miteinander <strong>zu</strong> tun?! Jesus schafft eine unüberbrückbare<br />

Distanz, ja sogar eine Abgren<strong>zu</strong>ng von Machtsphären.<br />

<strong>Die</strong> Erzählung von der <strong>Hochzeit</strong> <strong>zu</strong> <strong>Kana</strong> ist trotzdem in meinen<br />

Augen die Weihnachtsgeschichte des <strong>Joh</strong>annes-Evangeliums.<br />

Sie erzählt die Geburtsgeschichte Jesu, nämlich als von einer<br />

geistig-spirituellen Geburt mitten in der Welt. Und es ist eine<br />

Frau, die dafür den Anstoß liefert. Allerdings nicht – wie in den<br />

synoptischen Evangelien - in ihrer biologischen Eigenschaft als<br />

Mutter, sondern in einem ganz anderen Sinn. <strong>Joh</strong>annes geht es<br />

nicht um das biologische Mutter- und Sohnsein. Es geht ihm<br />

um jenes Von-oben-Geboren werden aus Wasser und Geistkraft,<br />

nach der sich auch der Pharisäer Nikodemus so sehr<br />

sehnt, der Jesus bei Nacht besucht: „Wie kann ein Mensch geboren<br />

werden, der alt ist? Es ist doch nicht möglich, ein zweites<br />

2<br />

Mal in den Bauch der eigenen Mutter hinein<strong>zu</strong>gehen und geboren<br />

<strong>zu</strong> werden!“. fragt Nikodemus im nächtlichen Gespräch mit<br />

Jesus. (<strong>Joh</strong> 3)<br />

Obwohl nach <strong>Joh</strong>annes Jesus bereits im Lande umhergezogen<br />

ist, und sich sogar Jüngerinnen und Jünger um ihn herum<br />

sammelten, ist er doch bisher noch nicht in diesem spirituellen,<br />

geistigen Sinne geboren worden. Bisher streift er herum, ist mal<br />

hier, mal dort, begegnet <strong>Joh</strong>annes dem Täufer und zeichnet<br />

sich durch eine eigentümliche Schroffheit, Barschheit aus, mit<br />

der er auch seinen allerersten Anhängern begegnet.<br />

Und dann ist er mit seiner Familie auf jener <strong>Hochzeit</strong>sfeier in<br />

<strong>Kana</strong>, Sinnbild einer gelingenden Beziehung – und gewiss mit<br />

Absicht als Schauplatz seiner geistigen Geburt gewählt.<br />

„Sie haben keinen Wein mehr!“ – die Frau, die seine Mutter ist,<br />

fast möchte ich sagen, die <strong>zu</strong>fällig seine Mutter ist, macht darauf<br />

aufmerksam. Sie macht auf einen Mangel aufmerksam, sie<br />

benennt ein elementares Defizit dieses <strong>Hochzeit</strong>sfestes. Der<br />

Wein ist aus! Sie macht darauf aufmerksam, dass die Welt<br />

noch nicht so ist, wie sie sein sollte, vor allem aber, dass ihr die<br />

transzendente Dimension des Reiches Gottes, für die der Wein<br />

ja auch steht, dass ihr diese Dimension fehlt.<br />

Wein – Symbol der Freude und Feier, Vorgeschmack des Reiches<br />

Gottes auf Erden. Später wird Jesus von sich sagen: „Ich<br />

bin der Weinstock, ihr seid die Reben!“ – Und darin werden<br />

Menschen erkennen, wie im Bild des Weines menschliche Arbeit<br />

und göttliches Wirken <strong>zu</strong>sammenkommen: die harte mühselige<br />

Arbeit im Weinberg und das Wachsen der Stöcke, das<br />

Reifen der Trauben, das ganz und gar dem menschlichen


Zugriff entzogen ist. Und erst durch die Kulturarbeit des Weinlesens,<br />

des Kelterns wird aus Erde und Himmel, aus menschlicher<br />

Arbeit und göttlichen Wachstum der Wein…<br />

„Was auch immer er euch sagt, das führt aus!“ sagt Maria, sie<br />

lässt sich in der Tat nicht beirren, ihre Augen sehen tiefer und<br />

dringen durch die Schleier, die noch über der Geschichte liegen.<br />

Auch die Schroffheit ihres Sohnes hindert sie nicht, fest<br />

auf sein Geborenwerden <strong>zu</strong> vertrauen; denn schließlich hat sie<br />

ihn <strong>zu</strong>r Welt gebracht.<br />

<strong>Die</strong>ser ist es, der Menschliches und Göttliches in einem Prozess<br />

der Gärung, einem Prozess der Durchmischung, der Inkulturation<br />

miteinander vermischen wird, einander durchdringen<br />

lassen wird – so dass er selbst <strong>zu</strong>m Wein werden wird: Symbol<br />

des Reiches Gottes, von Gottes Gegenwart in dieser Welt.<br />

Sie haben keinen Wein mehr! – Maria, die Frau macht auf diesen<br />

Mangel aufmerksam, ja, mehr noch, sie stößt damit die<br />

geistig-spirituelle Geburt Jesu an. Maria macht auf den Mangel<br />

an Transzendenz aufmerksam. Wie kommt der Himmel herunter<br />

<strong>zu</strong> Erde? Wie wird Gott auf Erden geboren? – Ich zitiere<br />

wieder aus der „Bibel in gerechter Sprache“: „<strong>Die</strong> Weisheit wurde<br />

Materie und wohnte unter uns, und wir sahen ihren Glanz,<br />

einen Glanz wie den eines einzig geborenen Kindes von Mutter<br />

und Vater voller Gnade und Wahrheit.“ (<strong>Joh</strong> 1, 14)<br />

Wir sehen mit einem Mal, was <strong>Joh</strong>annes darunter versteht: <strong>zu</strong>r<br />

Welt bringen – das hat weniger mit Ochs und Esel, mit Engeln<br />

und Hirten, mit Anbetung im Stall <strong>zu</strong> tun. „Zur Welt bringen“,<br />

das meint bei <strong>Joh</strong>annes: selbst einen Anfang <strong>zu</strong> finden mitten<br />

in der Welt, die Transzendenz dort sehen, wo Mangel daran<br />

3<br />

herrscht, und Gottes Präsenz herab rufen, gegen jeden Augenschein.<br />

„<strong>Die</strong>s tat Jesus als Anfang der Wunderzeichen in <strong>Kana</strong><br />

in Galiläa und zeigte seinen göttlichen Glanz, und seine Jüngerinnen<br />

und Jünger glaubten an ihn.“<br />

Amen<br />

Zum Weiterdenken und – lesen:<br />

Hannah Arendt:<br />

„Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann<br />

sich in der Welt nur darum <strong>zu</strong>r Geltung bringen, weil dem Neuankömmling<br />

die Fähigkeit <strong>zu</strong>kommt, selbst einen neuen Anfang<br />

<strong>zu</strong> machen, d.h. <strong>zu</strong> handeln. Im Sinne von Initiative – ein initium<br />

setzen – steckt ein Element von Handeln in allen menschlichen<br />

Tätigkeiten , was nichts anderes besagt, als dass diese Tätigkeiten<br />

eben von Wesen geübt werden, die durch Geburt <strong>zu</strong>r<br />

Welt gekommen sind und unter den Bedingungen der Natalität<br />

stehen.“ (Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 2006,<br />

4. Auflage, S. 18)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!