Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
hI n t e r g r ü n D e<br />
6<br />
Gert Stührmann<br />
Im „al l-tÄ g l I c h e n “ D e r r e l I g I ö s e n<br />
DI m e n s I o n a u f D e r sp u r<br />
Das Ich im Deutehorizont Gottes<br />
„Wie können die Worte, Bilder und Geschichten<br />
der Bibel als Sprech-Hilfen ins seelsorgerliche<br />
Gespräch eingebracht werden, so dass eigene<br />
Geschichte im Deutehorizont der Geschichte<br />
Gottes mit den Menschen zur Sprache finden<br />
kann?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich der<br />
praktische Theologe H.-M. Gutmann. 1 Es ist<br />
eine Frage, die auch Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
bewegt – umso mehr, je länger sie sich<br />
in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit engagieren. Wie<br />
können wir die Dimension des Glaubens in den<br />
Gesprächen bei den Besuchten einbringen.<br />
Worte, Bilder und Geschichten der Bibel werden<br />
leblos, wenn sie nicht mit Erfahrungen<br />
des Lebens der Menschen verknüpft werden.<br />
Von daher möchte ich die Frage noch einmal<br />
verstärken, indem ich die Blickrichtung ändere.<br />
Wie kann es gelingen, Lebensgeschichten so<br />
zu hören, dass die religiöse Ebene und das Bedürfnis<br />
nach religiöser Deutung wahrgenommen<br />
werden kann, und Sprech-Hilfen angeboten<br />
werden, die erzählten individuellen Geschichten<br />
mit der Geschichte Gottes mit uns Menschen<br />
zu verknüpfen?<br />
Im Grunde gehen viele biblischen Gesichten<br />
denselben Weg, sind die Bilder der Bibel auf<br />
diesem Weg entstanden. Ausgangspunkt ist<br />
das, was die Menschen bewegt, was sie an<br />
Fragen und Problemen, an Gelingen und Misslingen<br />
mitbringen, das, was freudig oder auch<br />
traurig macht, was sie erleben. All das verlangt<br />
danach, gedeutet zu werden und in einen<br />
großen Zusammenhang gestellt zu werden.<br />
Religiös gesprochen: Die individuelle Lebensgeschichten<br />
werden in den Deutehorizont der<br />
großen Geschichte Gottes mit uns Menschen<br />
gestellt.<br />
Albrecht Grözinger hat in einem Artikel zur Kommunikation<br />
des Evangeliums 2 davon gesprochen<br />
von der „Post-Paket“- zur „Blumenbeet“-<br />
Kommunikation zu gelangen. In der „Post-<br />
Paket“-Kommunikation geht es darum, alles<br />
dafür zu tun, dass die Sendung auch ankommt.<br />
D.h. wie kann ich das Evangelium so an den<br />
Mann und an die Frau bringen, dass der Adressat<br />
auch etwas damit anfangen kann, was der<br />
Absender beabsichtigt. In der Blumenbeet-<br />
1 H.-M. Gutmann, Und erlöse uns vom Bösen, S. 49<br />
2 A. Grözinger, Was geschieht in religiöser Kommunikation?,<br />
in Baugerüst 2/00<br />
Kommunikation geht es mehr darum, dass sich<br />
der Empfänger aus dem, was ihm angeboten<br />
wird, das heraussucht, was für ihn im Moment<br />
hilfreich ist. Grözinger formuliert das im Blick<br />
auf die Predigt.<br />
Für die Begegnung zwischen zwei Menschen<br />
bei Besuchen möchte ich dieses Bild noch erweitern<br />
– sowohl für die Kommunikation an sich,<br />
wie auch für die Kommunikation auf religiöser<br />
Ebene. <strong>Der</strong> Besuchte bietet in seinen Erzählungen<br />
von Lebensgeschichten den Besuchenden<br />
schon ein vielfältiges Blumenbeet. Das nimmt<br />
der Besuchende auf, knüpft an, womöglich<br />
auch an die religiöse Dimension und bietet<br />
dem Besuchten wiederum ein Blumenbeet an.<br />
So entsteht eine dialogische Kommunikation,<br />
evtl. auch darüber, wie sich individuelle Lebensgeschichten<br />
mit Gottes Geschichte mit<br />
uns Menschen verknüpfen lassen. Wobei mir<br />
eines an dem Bild des Blumenbeetes wichtig<br />
ist: Es ist eine Kommunikation auf Augenhöhe<br />
und die Gesprächspartner bieten einander<br />
jenes Blumenbeet an. Welche Blume, welche<br />
Farbe die jeweiligen Gesprächspartner nun aufnehmen,<br />
das entscheidet jede Person für sich.<br />
Das gilt insbesondere auch für die möglichen<br />
„Worte, Bilder und Geschichten der Bibel als<br />
Sprech-Hilfen“ zur Deutung der individuellen<br />
Lebensgeschichten. Auf diese Weise kann sich<br />
die Kommunikation des Evangeliums als Dialog<br />
entwickeln.<br />
Das fragmentarische Leben ist im<br />
großen Ganzen aufgehoben<br />
Nun ist es so, dass der Besuch eines Mitarbeitenden<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> nicht in einem wertfreien<br />
Raum stattfindet. Da die Besuchenden<br />
immer auch die Kirchengemeinde als ihren<br />
Absender benennen, ist das Thema Kirche, Religion,<br />
Glaube damit immer auch schon präsent<br />
– auch dann, wenn es im Laufe der Begegnung<br />
explizit keine Rolle spielt. Es ist präsent, weil<br />
die Mitarbeitenden sich als Repräsentanten der<br />
Kirchengemeinde verstehen und zu erkennen<br />
geben. Das ruft bei den Besuchten Überraschung<br />
oder Zurückhaltung mitunter auch<br />
Ablehnung hervor. Es schwingen Erlebnisse<br />
mit, die die Besuchten gemacht haben, aber<br />
auch Wünsche Bedürfnisse und Phantasien, die<br />
sie mit dem Themenkomplex verbinden. Auch<br />
wenn es bei der Begegnung nicht explizit um<br />
das Thema geht, der Raum der Begegnung ist