Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
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pr a x I s<br />
48<br />
Lebens-Geschichte und Glaubens-<br />
Geschichte ineinander erzählen<br />
Eine Besuchs-Geschichte<br />
In gleicher Weise wie die Erzählung von den<br />
Emmausjüngern eine Weg-Geschichte ist, ist<br />
sie auch eine Besuchs-Geschichte.<br />
• Zwei Menschen sind auf dem Weg. Sie sind<br />
dabei, ein Stück ihrer Lebensgeschichte zu<br />
verarbeiten. Sie suchen Distanz – im Gehen<br />
und im darüber Reden. Sie sind gefangen in<br />
diesen Erlebnissen, voll von Emotionen von<br />
Trauer, Schmerz und Aggression. Es ist gut,<br />
dass sie einander haben, so können sie sich<br />
entlasten.<br />
• Ein Dritter gesellt sich zu ihnen, kommt zu<br />
„Besuch“, wie Mitarbeitende auch zu Besuch<br />
kommen in eine ihnen (meist) nicht bekannte<br />
Lebenssituation. Was sich bei diesem „Weg-<br />
Besuch“ entwickelt, ist Nähe. Das Gleiche<br />
geschieht bei Besuchen, in denen sich die<br />
Gesprächspartner wohlfühlen. Nähe ist<br />
nicht einfach da, auch in dieser Geschichte<br />
nicht. Zunächst reagieren die Jünger etwas<br />
genervt: „Bist du der einzige, …der nicht<br />
weiß…?“<br />
• Dennoch gelingt es dem Fremden eine Atmosphäre<br />
zu schaffen, in der die Jünger erzählen<br />
können. Er gibt ihnen das Gefühl von<br />
Wertschätzung und gleichzeitig bietet er als<br />
Fremder die Möglichkeit, sich zu entlasten<br />
und Abstand vom unmittelbaren Erleben zu<br />
gewinnen. Etwas, was Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
aus der Arbeit auch kennen.<br />
• <strong>Der</strong> „Fremde“ hört aufmerksam zu, was die<br />
Jünger zu erzählen haben, er ist im besten<br />
Sinne „neugierig“. Sie sind bei ihm gut aufgehoben<br />
mit dem, was sie bewegt. Wenn das<br />
bei Besuchen gelingt, spüren Mitarbeitende<br />
eine große Dichte und Intensität in den Begegnungen.<br />
Dort beginnt es, was die Jünger<br />
erst im Nachhinein erkennen: „Brannte nicht<br />
unser Herz…“: Mitarbeitende können das<br />
spüren.<br />
• Das ist der Zeitpunkt, in dem es zu dem<br />
„Ein-Fall“ Gottes kommt, in Form der Schrift<br />
und deren Auslegung. In der biblischen Geschichte,<br />
zugegeben in etwas belehrender<br />
Form, wie es vielleicht nur der Auferstandene<br />
tun kann. Aber auch das stört die Nähe<br />
nicht. Auch wenn das Wort des Fremden<br />
ihnen fremd bleibt, ist die Nähe zueinander<br />
doch so gewachsen, dass sie ihn bitten,<br />
zu bleiben. Es sind die Lebensumstände,<br />
die zur Schrift führen. Es ist das, was die<br />
Besuchten berührt und bewegt, was bei den<br />
Besuchenden zu mitunter intuitiven „Einfällen“<br />
führt, Worte, Bilder und Geschichten<br />
der Bibel als „Sprech-Hilfen“ in das Gespräch<br />
einzubringen. Ist auch hier die Nähe<br />
gewachsen, so mögen sie zunächst auch<br />
fremd bleiben und doch “nachwirken“ wie<br />
bei den Emmausjüngern.<br />
• Die Nähe erlebt ihren Höhepunkt im gemeinsamen<br />
Mahl. Hier ist zwischen Abendessen<br />
und Abendmahl, zwischen profanem und<br />
heiligem Essen nicht mehr zu unterscheiden.<br />
Plötzlich erkennen die Jünger Jesus: Er lebt!<br />
Bei Besuchen gibt es mitunter auch solche<br />
„heiligen“ Momente, in denen etwas in einem<br />
anderen Licht erscheint, etwas klarer wird,<br />
ein anderer Blickwinkel etwas erhellt – mit<br />
dem Einfall Gottes in die Lebenssituation.<br />
• Als das geschieht, verschwindet der Auferstandene.<br />
Er ist dennoch da, sie tragen ihn in<br />
sich. Sie gehen zurück und erzählen davon.<br />
In solchen Momenten fällt Abschied von den<br />
Besuchten nicht schwer. Meist sind es beide<br />
– Besuchte wie Besuchende - die etwas<br />
wieder gefunden haben. In ihrer eigenen<br />
Geschichte haben sie Gottes Geschichte<br />
mit uns Menschen wieder erkannt.<br />
„Aus dem Lebenszusammenhang wird Jesus<br />
erkannt. Nicht aus einem Glauben, den man<br />
sonst schon mitbringt.“ 2 Glaube ist nicht da, er<br />
entwickelt sich, will sich immer neu entwickeln<br />
- In der Begegnung, aus der Beziehung heraus.<br />
Weil der erzählten Lebens-Geschichte eine<br />
Glaubens-Geschichte angeboten wird, können<br />
Lebens-Geschichte und Glaubens-Geschichte<br />
ineinander erzählt werden, so dass eine neue<br />
Geschichte erzählt werden kann. Die Besuchenden<br />
erzählen sie in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe,<br />
die Besuchten – wer weiß.<br />
2 Lothar Steiger, Erzählter Glaube, S. 81, zur Bibelstelle