Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
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Dimension wahrzunehmen. Ihre Bilder sind<br />
nun alles andere als alltäglich, haben aber<br />
etwas – wenn man so will – Alltägliches<br />
zum Gegenstand: Die Landschaft, die mir<br />
alltäglich vor Augen ist. Was fasziniert Sie<br />
daran?<br />
Mig: Auch wenn ich, glaube ich, weiß, was<br />
Sie meinen, so möchte ich doch sagen,<br />
dass ich ein Problem mit dem Begriff der<br />
Alltäglichkeit habe. All-täglich meint ja alle<br />
Tage, das heißt im Grunde, dass alles<br />
unendlich wäre. Durch unsere Endlichkeit<br />
ist aber alles begrenzt. Wenn man durch<br />
dieses Bewusstsein einen kritischen Blick<br />
bekommt, dann merkt man, dass kein Tag<br />
dem anderen gleicht, die Landschaft jeden<br />
Tag anders ist – alleine durch das Licht.<br />
Es ist alles im Fluss, alles in Bewegung,<br />
es ist wie das Leben halt, aber begrenzt.<br />
In der Begrenzung gewinnt das Tägliche,<br />
was uns täglich vor Augen steht, an Besonderem.<br />
Und dahinter sehe ich auch<br />
irgendwie Gott.<br />
Stü: Diese Differenzierung zwischen täglich<br />
und alltäglich, die Sie machen, trifft im<br />
Grunde genau das, was uns als Thema<br />
dieses Heftes bewegt. In Allem, was<br />
uns tagtäglich vor Augen ist, liegt immer<br />
etwas Besonderes. Oder aus Sicht des<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es: Jede Begegnung, mag<br />
sie noch so gewöhnlich sein, ist jedes Mal<br />
etwas Besonderes. Und wenn Sie sagen,<br />
dahinter sehen Sie Gott, liegt darin auch die<br />
religiöse Dimension. Denn auch wenn auf<br />
der Oberfläche alles gleich auszuschauen<br />
scheint, ist das was jeder Mensch in<br />
seinem Innern sieht und empfindet immer<br />
etwas Besonderes.<br />
Mig: Genau, liegt immer etwas Besonderes, das<br />
ist genau das, was ich sagen wollte. Jeder<br />
Tag hält etwas Neues bereit und in allem,<br />
was ich sehe, liegt etwas, was Geheimnisse<br />
in sich trägt, die wir morgens noch<br />
nicht kennen. Und an jedem Tag haben wir<br />
abends viel erfahren.<br />
Stü: Zur Landschaft gehört immer auch der Himmel<br />
dazu, von dem Sie gesagt haben, dass<br />
Landschaft und Himmel Sie in Worpswede<br />
gehalten haben. Damit stehen Sie ja in der<br />
Tradition der Künstler und Künstlerinnen<br />
der ersten Generation in Worpswede.<br />
Was ist es, was Sie so sehr am Himmel<br />
fasziniert?<br />
Mig: Abgesehen davon, dass der Himmel immer<br />
in Bewegung ist, kommt vom Himmel das<br />
Licht, ohne das wir die Welt, die Landschaft<br />
nicht sehen könnten…<br />
Stü: .. und Leben nicht möglich wäre.<br />
Mig: …und Leben nicht möglich wäre, richtig.<br />
Stü: Wenn ich so auf Ihre Bilder schaue, dann<br />
bilden Himmel und Erde eine Einheit. Und<br />
in manchen Bildern scheint es mir, dass Sie<br />
diese Einheit noch dadurch betonen, dass<br />
sich der Himmel zur Erde herabneigt. Ist es<br />
so oder sehe ich da etwas anderes?<br />
Mig: Nein überhaupt nicht. Es ist genauso wie<br />
Sie sagen. Himmel und Erde gehören einfach<br />
zusammen, sie bilden eine Symbiose.<br />
Ohne das Licht gäbe es kein Sehen und<br />
kein Leben, aber ohne die Landschaft, das<br />
Leben, könnten wir den Himmel gar nicht<br />
wahrnehmen. Und beides zusammen ist<br />
die Schöpfung.<br />
Stü: Gleichzeitig vermittelt sich für mich in den<br />
Bildern aber auch etwas, dass in ihnen<br />
Himmel und Erde getrennt sind. Durch<br />
verschiedene Stilmittel, werden beide<br />
wieder miteinander verbunden, als wenn<br />
das Verhältnis zueinander noch einmal<br />
neu bestimmt werden muss. Also, dass<br />
trotz der Symbiose, dennoch immer die<br />
Frage besteht, wie denn beide zueinander<br />
gehören.<br />
Mig: Wenn man so will, dann ist das, was wir<br />
tagtäglich vor Augen haben, die Erde, bzw.<br />
die Landschaft. Wenn Sie nun trotz aller<br />
Symbiose dennoch den Himmel als etwa<br />
Getrenntes sehen, dann würde ich sagen,<br />
liegt im Himmel für mich die schöpferische<br />
Kraft. Und diese schöpferische Kraft sehe<br />
ich und fühle ich in dem, was mir tagtäglich<br />
vor Augen steht.<br />
Stü: Mir fällt dazu eine Stelle aus dem 1. Korintherbrief<br />
ein. Mit meinen Augen könnte er<br />
eine Deutung für das sein, was ich in Ihren<br />
Bildern sehe. Dort heißt es: „Wir sehen jetzt<br />
durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann<br />
aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt<br />
erkenne ich stückweise; dann aber werde<br />
ich erkennen, wie ich erkannt bin.“<br />
Frauke Migge<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
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