Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste

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13.02.2013 Aufrufe

hI n t e r g r ü n D e 16 Gert Stührmann mu s s I c h D e n n s a g e n, D a s s I c h v o n D e r KI r c h e K o m m e ? Der Prozess der Mitarbeitenden Nach unseren Erfahrungen spielt das Thema „Wie halte ich es mit der Religion“ in den Besuchsdienstgruppen von Anfang an eine Rolle und verliert auch nicht an Relevanz, aber der Zugang dazu verändert sich. 1. Unsicherheit und Widerstand bei „Glaubens-Sachen“ Es ist ein Phänomen, dass beim Aufbau eines Besuchsdienstes beim ersten Treffen der möglichen Mitarbeitenden, dieses Thema fast immer eine Rolle spielt: „Was ist, wenn ich auf den Glauben angesprochen werde?“ Auch wenn Mitarbeitende noch keine klare Vorstellungen von ihrer Tätigkeit haben, so spüren sie doch intuitiv: Wenn ich im Namen der Kirchengemeinde Besuche mache, dann kann dieses Thema eine Rolle spielen. Im Grunde wissen sie, dass die Besuche im Auftrag der Kirchengemeinde noch eine andere Dimension haben als die Besuche, die sie als Nachbarn oder Freunde machen. 1.1. „Also beten, das mache ich nicht“ Mitarbeitende, die sich diese Tätigkeit für sich vorstellen können, haben eine Phantasie davon, was Menschen, die besucht werden, von einem Besuch von der Kirche erwarten. In ihren Vorstellungen gehen sie davon aus, dass auch für die Besuchten der Besuch von der Kirche kein „normaler“ Besuch ist. Durch diesen Besuch wird bei den Besuchten eine Ebene angesprochen, die durchaus als religiöse Dimension bezeichnet werden kann. Aus den Äußerungen kann man schließen, dass sich die Mitarbeitenden vorstellen, dass Menschen sich mit Fragen des Glaubens beschäftigen und womöglich dafür einen Gesprächspartner/in suchen. Es ist ja auch nicht abwegig, dass bei Geburtstagsbesuchen die Frage nach der Kirche auftaucht und Mitarbeitende das Gefühl haben, Rede und Antwort stehen zu müssen. Oder taucht da vielleicht auch die Sinnfrage auf, oder gar die Frage nach der Endlichkeit des Lebens, gerade wenn alte Menschen besucht werden? Und vielleicht begegne ich ja auch Menschen, die fest in der Kirche beheimatet sind und mit den Mitarbeitenden spirituelle Praxis erwarten, in der Bibel zu lesen, wie das Singen eines Liedes oder das Sprechen eines Gebetes. Manche Phantasien können da möglichen Mitarbeitenden durch den Kopf gehen, wenn sie daran denken, Besuche im Auftrag der Kirche zu machen. 1.2. „Ich weiß nicht, ob ich fromm genug bin?“ Im Blick auf den Träger der Arbeit, der Kirchengemeinde, gibt es in gleicher Weise Phantasien, wie diese Aussage zeigt. Bin ich fromm genug – dahinter scheint der Gedanke zu stecken, dass der Auftraggeber Kirche eine bestimmte Vorstellung von Mitarbeitenden im Besuchsdienst hat, was die Frömmigkeit angeht. Wie gesagt, es sind Phantasien der möglichen Mitarbeitenden. „Ich weiß nicht, ob ich fromm genug bin“, „Ich kenne mich aber nicht so gut in der Bibel aus“, „Missionieren möchte ich aber nicht.“ – in diesen Aussagen spiegelt sich die Befürchtung wider, dass die Leitung der Kirchengemeinde ganz bestimmte Vorstellungen an einen Mitarbeitenden im Besuchsdienst hat, auch was die Thematisierung des Glaubens angeht. Frömmigkeit wird erwartet, wobei gar nicht so deutlich ist, was damit eigentlich gemeint ist, reiche Kenntnis der Tradition, zumindest, was die Bibelkenntnis angeht, und schließlich die Vorstellung, Menschen für den Glauben zu gewinnen, also zu missionieren. Und schließlich gibt es auch die Phantasie, wie das Zitat im ersten Abschnitt andeutet, sich in der spirituellen Praxis zu Hause zu fühlen. Es spielt zunächst einmal keine Rolle, ob das der Realität entspricht, aber nach unseren Erfahrungen beschäftigen sich mögliche Mitarbeitende mit diesen Gedanken. 1.3. „Dann schicke ich den Pastor“ So eine Reaktion einer Mitarbeiterin, als eine andere die Frage stellte, was sie machen solle, wenn das Gespräch auf den Glauben kommt. Der Widerstand ist deutlich spürbar, sich selbst einem Gespräch mit diesem Thema zu öffnen. Neben den Erwartungen die

ei den Besuchten wie bei dem Auftraggeber vermutet werden, spielt die eigene Einschätzung eine ebenso bedeutende Rolle. In der Beschäftigung mit dieser Frage spüren die möglichen Mitarbeitenden, dass sie selbst ungeübt sind, wenn es um religiöse Themen geht. Sie sind es nicht gewohnt und es haftet diesem Thema auch ein gewisses Tabu an: Darüber spricht man nicht, das gehört eher in die Privatsphäre. So sehen sich Mitarbeitende selbst, es ist ihnen selbst unangenehm darüber zu reden, sie befürchten nicht die richtigen Worte zu finden, schon gar nicht sind sie geübt darin, mit anderen zu beten oder zu singen. Zusammengefasst könnte man sagen, Mitarbeitende haben selbst die Befürchtung, in solchen Situationen sprachlos zu sein. Die Unsicherheit bis hin zu einem Widerstand, was dieses Thema angeht, rührt also aus Erwartungen in dreierlei Hinsicht: die Erwartungen, die jemand bei den Besuchten, wie bei dem Träger der Arbeit vermutet, als auch die Erwartungen, die im Kontakt mit sich selbst entstehen. Es sind in der Phantasie sehr hohe Erwartungen. So ist es häufig: Wenn jemand auf etwas Neues zugeht und ohne Erfahrung ist, neigt er dazu, alles viel größer in der Phantasie zu machen, als es dann in der Realität ist. Zunächst gilt es, die Phantasien der Mitarbeitenden herunterzuschrauben und der Realität anzupassen. Gleichzeitig geht es aber darum, deutlich zu machen, dass an diesen Phantasien auch etwas Wahres dran ist. Denn die Mitarbeitenden spüren instinktiv, dass es ein anderer- Besuch wird, sobald gesagt wird: Ich komme vom Besuchsdienst der Kirchengemeinde.“ In der Begrüßung liegt schon der Ansatz der religiösen Dimension, liegt die Chance, dass auch diese Dimension in der Begegnung zum Tragen kommt. 2. Ahnung und Aufmerksamkeit für religiöse Ebenen des Gesprächs Aber wie gesagt: Die Dramatik die phantasiert wird, spiegelt sich in den ersten Begegnungen nicht wider. Denn zunächst einmal sind es ganz normale Besuche, entwickeln sich ganz normale Gespräche. Die Befürchtung, es könnte sofort die religiöse Dimension angesprochen werden, bewahrheitet sich nicht. Die Frage, die sich vor dem Beginn der Tätigkeit mitunter so vehement in den Vordergrund drängt, rückt in den Hintergrund. Die erste Phase dient der Kontaktaufnahme, und da, wo ein regelmäßiger Kontakt entsteht, entwickelt sich eine Beziehungsgestaltung. Gerade da, wo Beziehungen entstehen und wachsen, machen die Mitarbeitenden die Erfah- rung, dass die Gespräche eine tiefere Dimension erreichen. Mitarbeitende im Besuchsdienst, so formulierte es Dieter Große gern, können davon ausgehen, dass sie mit dieser tieferen Ebene auch die religiöse Ebene erreicht haben. Es ist die Zeit, in der Mitarbeitende feststellen, dass sich die Gespräche dann doch deutlich von „normalen“ Besuchen unterscheiden. Viele Mitarbeitende spüren es, ohne es richtig in Worte fassen zu können. Es ist etwas anderes, als wenn sie als Nachbarin jemanden besuchen, ohne genau sagen zu können, was es genau ist. „Aber es macht einen Unterschied aus, ob ich als Nachbarin oder von der Kirche komme. Die Menschen sind offener, erzählen mehr.“ Es sind dann häufig Redewendungen, die die Funktion von Religion übernehmen: „Da kann man eben nichts machen“; „Hoffentlich geht’s so noch ein paar Jahre“. Da wird dann erzählt aus dem Leben und die Erzählung bekommt den Charakter einer Art Lebensbilanz. „Wenn ich sage, ich komme von der Kirche, dann denken die, Gott ist irgendwie dabei und dann erzählen sie anders, Dinge, die sie sonst nicht erzählen würden.“ So formulierte es eine Mitarbeiterin. Mit der steigenden Erfahrung bei Besuchen, nimmt auch die Sensibilität zu, in der Begegnung auch die religiöse Ebene wahrzunehmen. Es ist häufig eher eine Ahnung die dann in der Reflexion in der Gruppe zu Bemerkungen führt wie „Am Ende hatte ich das Gefühl, da hätte auch ein ‚Vater unser’ gut getan.“ Mit dem Bewusstwerden dieser Ahnung wächst nach unserer Erfahrung auch die Neugierde an diesem Thema. Und zwar deshalb, weil die religiöse Ebene nicht wie ein „Überfall“ über einen kommt, sondern weil sie sich entwickelt in der Begegnung zweier Menschen in einem Begegnungsraum, der deutlich als ein „kirchlicher“ und damit religiöser Raum gekennzeichnet ist. Interessant wird dieses Thema aber auch deshalb, weil die Besuchenden auch für sich selbst neugierig werden. 3. Wachsende Neugier und Interesse am eigenen Glauben Mit der Neugierde wächst dann auch das Interesse, mehr Sicherheit in der Herangehensweise an dieses Thema zu gewinnen. Wir stellen jedenfalls fest, dass schon seit einigen Jahren besonders die Fortbildungen, die sich mit dem Thema, in welcher Weise der Glaube in Gesprächen angesprochen werden kann, beschäftigen, besonders gefragt sind. Die Motivation besteht darin, sich selbst zu vergewissern und im Austausch mit anderen, die Scheu zu verlieren, mit anderen auch über Fragen des Glaubens ins Gespräch zu kommen. Es stecken Erfahrungen dahinter, die Mitarbeitende bei den Besuchen gemacht haben, aus denen heraus hI n t e r g r ü n D e 17

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Gert Stührmann<br />

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<strong>Der</strong> Prozess der Mitarbeitenden<br />

Nach unseren Erfahrungen spielt das Thema<br />

„Wie halte ich es mit der Religion“ in den <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen<br />

von Anfang an eine Rolle<br />

und verliert auch nicht an Relevanz, aber der<br />

Zugang dazu verändert sich.<br />

1. Unsicherheit und Widerstand bei<br />

„Glaubens-Sachen“<br />

Es ist ein Phänomen, dass beim Aufbau eines<br />

<strong>Besuchsdienst</strong>es beim ersten Treffen der möglichen<br />

Mitarbeitenden, dieses Thema fast immer<br />

eine Rolle spielt: „Was ist, wenn ich auf den<br />

Glauben angesprochen werde?“ Auch wenn<br />

Mitarbeitende noch keine klare Vorstellungen<br />

von ihrer Tätigkeit haben, so spüren sie doch<br />

intuitiv: Wenn ich im Namen der Kirchengemeinde<br />

Besuche mache, dann kann dieses Thema<br />

eine Rolle spielen.<br />

Im Grunde wissen sie, dass die Besuche im<br />

Auftrag der Kirchengemeinde noch eine andere<br />

Dimension haben als die Besuche, die sie als<br />

Nachbarn oder Freunde machen.<br />

1.1. „Also beten, das mache ich<br />

nicht“<br />

Mitarbeitende, die sich diese Tätigkeit für<br />

sich vorstellen können, haben eine Phantasie<br />

davon, was Menschen, die besucht<br />

werden, von einem Besuch von der Kirche<br />

erwarten. In ihren Vorstellungen gehen sie<br />

davon aus, dass auch für die Besuchten der<br />

Besuch von der Kirche kein „normaler“ Besuch<br />

ist. Durch diesen Besuch wird bei den<br />

Besuchten eine Ebene angesprochen, die<br />

durchaus als religiöse Dimension bezeichnet<br />

werden kann.<br />

Aus den Äußerungen kann man schließen,<br />

dass sich die Mitarbeitenden vorstellen, dass<br />

Menschen sich mit Fragen des Glaubens<br />

beschäftigen und womöglich dafür einen<br />

Gesprächspartner/in suchen. Es ist ja auch<br />

nicht abwegig, dass bei Geburtstagsbesuchen<br />

die Frage nach der Kirche auftaucht<br />

und Mitarbeitende das Gefühl haben, Rede<br />

und Antwort stehen zu müssen. Oder taucht<br />

da vielleicht auch die Sinnfrage auf, oder<br />

gar die Frage nach der Endlichkeit des Lebens,<br />

gerade wenn alte Menschen besucht<br />

werden? Und vielleicht begegne ich ja auch<br />

Menschen, die fest in der Kirche beheimatet<br />

sind und mit den Mitarbeitenden spirituelle<br />

Praxis erwarten, in der Bibel zu lesen, wie<br />

das Singen eines Liedes oder das Sprechen<br />

eines Gebetes. Manche Phantasien können<br />

da möglichen Mitarbeitenden durch den Kopf<br />

gehen, wenn sie daran denken, Besuche im<br />

Auftrag der Kirche zu machen.<br />

1.2. „Ich weiß nicht, ob ich fromm<br />

genug bin?“<br />

Im Blick auf den Träger der Arbeit, der Kirchengemeinde,<br />

gibt es in gleicher Weise<br />

Phantasien, wie diese Aussage zeigt. Bin<br />

ich fromm genug – dahinter scheint der<br />

Gedanke zu stecken, dass der Auftraggeber<br />

Kirche eine bestimmte Vorstellung von<br />

Mitarbeitenden im <strong>Besuchsdienst</strong> hat, was<br />

die Frömmigkeit angeht. Wie gesagt, es sind<br />

Phantasien der möglichen Mitarbeitenden.<br />

„Ich weiß nicht, ob ich fromm genug bin“,<br />

„Ich kenne mich aber nicht so gut in der<br />

Bibel aus“, „Missionieren möchte ich aber<br />

nicht.“ – in diesen Aussagen spiegelt sich<br />

die Befürchtung wider, dass die Leitung der<br />

Kirchengemeinde ganz bestimmte Vorstellungen<br />

an einen Mitarbeitenden im <strong>Besuchsdienst</strong><br />

hat, auch was die Thematisierung<br />

des Glaubens angeht. Frömmigkeit wird<br />

erwartet, wobei gar nicht so deutlich ist, was<br />

damit eigentlich gemeint ist, reiche Kenntnis<br />

der Tradition, zumindest, was die Bibelkenntnis<br />

angeht, und schließlich die Vorstellung,<br />

Menschen für den Glauben zu gewinnen,<br />

also zu missionieren. Und schließlich gibt es<br />

auch die Phantasie, wie das Zitat im ersten<br />

Abschnitt andeutet, sich in der spirituellen<br />

Praxis zu <strong>Haus</strong>e zu fühlen.<br />

Es spielt zunächst einmal keine Rolle, ob das<br />

der Realität entspricht, aber nach unseren<br />

Erfahrungen beschäftigen sich mögliche<br />

Mitarbeitende mit diesen Gedanken.<br />

1.3. „Dann schicke ich den Pastor“<br />

So eine Reaktion einer Mitarbeiterin, als eine<br />

andere die Frage stellte, was sie machen<br />

solle, wenn das Gespräch auf den Glauben<br />

kommt. <strong>Der</strong> Widerstand ist deutlich spürbar,<br />

sich selbst einem Gespräch mit diesem Thema<br />

zu öffnen. Neben den Erwartungen die

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