Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hI n t e r g r ü n D e<br />
12<br />
Jens Peter Kruse<br />
Männer möchten bedeutsam sein<br />
Ein Grund für die Zurückhaltung der Männer<br />
ist m. E. das Image der Kirche. Kirche, das ist<br />
für die Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland Diakonie: Eintreten für<br />
Schwache und Kranke, Arme und Gebrechliche,<br />
für Kinder und Alte. Männer, die auf Selbstständigkeit<br />
und Stärke Wert legen, sehen sich selbst<br />
nicht als Adressaten kirchlichen Handelns. Sie<br />
gehen davon aus, dass die Angebote der Gemeinde<br />
für andere hilfreich und auch nützlich<br />
sind: eben für Kinder, Bedürftige und Menschen<br />
mit Problemen.<br />
Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass<br />
Männer, die sich zur Kirche halten, von anderen<br />
Männern häufig als schwach angesehen<br />
werden. Wer zur Kirche geht, so denken viele,<br />
hat es nötig, ist auf Hilfe angewiesen. Männer<br />
aber wollen sich nicht helfen lassen, jedenfalls<br />
nicht offen erkennbar. Das ist ein Grund dafür,<br />
warum sie von kirchlichen Angeboten nur selten<br />
Gebrauch machen. Sie arbeiten mit, wenn sie<br />
für konkrete Vorhaben direkt angesprochen<br />
werden und ihre Kompetenz und Stärke gefragt<br />
sind. Überspitzt kann man formulieren: Männer<br />
gehen zur Kirche, wenn sie gebraucht werden,<br />
nicht, weil sie die Kirche brauchen. Sie suchen<br />
nicht die Beheimatung im Schoß von Mutter<br />
Kirche, sondern eher eine Herausforderung; es<br />
geht ihnen weniger um Geborgenheit als vielmehr<br />
um eine Aufgabe. Männern ist es wichtig,<br />
bedeutsam zu sein. Sie möchten sich als nützliches<br />
und wertvolles Glied einer Gemeinschaft<br />
erleben. Mit anderen Worten: Männer sind<br />
stärker handlungs- und erfolgsorientiert. Sie<br />
setzen sich gern tatkräftig für eine gute Sache<br />
ein und beteiligen sich am ehesten, wenn es<br />
um praktische Aufgaben oder öffentliche Belange<br />
geht. Männlicher Glaube möchte sich in<br />
sichtbaren Taten Ausdruck verleihen. Dafür aber<br />
bietet der gemeindliche Alltag in der Regel nur<br />
selten Gelegenheit.<br />
Männer lassen beten<br />
Es gibt einen weiteren Grund, der das Gespräch<br />
mit Männern über Fragen des Glaubens belastet:<br />
Männer fühlen sich auf diesem Terrain<br />
unsicher. Die heutigen Männer haben – wie<br />
bereits einleitend angedeutet – die Bereiche<br />
Kirche und Glaube häufig an ihre Partnerin<br />
delegiert. Es sind weder ihre Themen, noch<br />
messen sie den damit verbundenen Fragen<br />
eine größere Bedeutung zu. Für die Mehrheit<br />
der Männer sind Glaubensfragen eine private<br />
Angelegenheit, weder öffentlichkeits- noch<br />
alltagsrelevant. Sie mögen für die Erziehung<br />
der Kinder wichtig sein („Schließlich sollen sie<br />
einmal anständige Menschen werden“), im<br />
alltäglichen Lebenskampf und im Berufsleben<br />
aber sind sie eher hinderlich.<br />
Die Delegation des Religiösen an die Ehefrau<br />
oder Partnerin ist ein Phänomen der Neuzeit.<br />
Bis zum Beginn der Industrialisierung waren in<br />
den lutherischen Kirchen vor allem die Väter<br />
für die Weitergabe des Glaubens verantwortlich.<br />
Heute ist dies die Aufgabe der Mütter und<br />
Großmütter. Durch die Trennung von Beruf und<br />
Familie ist es zu einer Rollenteilung zwischen<br />
den Geschlechtern gekommen: Männer sind<br />
danach für den Beruf, den Lebensunterhalt<br />
der Familie und das öffentliche Leben zuständig;<br />
Frauen haben die Familie emotional zu<br />
versorgen, sind für das Private und Intime da.<br />
Da Religion und Kirche inzwischen „innen“ angesiedelt<br />
und zur Privatsache geworden sind,<br />
fallen sie in den Aufgabenbereich der Frauen.<br />
Dass diese Aufgabenzuweisungen trotz der<br />
erheblichen Veränderungen im Rollenarrangement<br />
auch heute noch gelten, lässt sich aus<br />
der Männerstudie „Männer im Aufwind“ ablesen.<br />
Die Untersuchung zeigt, dass die „neuen“ geschlechtersensiblen<br />
Männer sich keineswegs<br />
den religiösen Fragen öffnen. Das Gegenteil<br />
ist eher der Fall.<br />
Männer, die gelernt haben sich im öffentlichen<br />
Raum darzustellen, tun sich oft schwer mit dem<br />
intimen Glaubensgespräch – zumal mit einer<br />
fremden Person aus der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit,<br />
die in der Regel auch noch eine Frau ist. In<br />
einer solchen Situation fällt es ihnen leichter,<br />
sich über Sachthemen oder die beruflichen<br />
Herausforderungen zu unterhalten, als etwas<br />
Persönliches preiszugeben. Ihnen ist die in der<br />
kirchlichen Arbeit gepflegte Gesprächskultur, zu<br />
deren heimlichen Normen es gehört, persönlich<br />
zu reden, Betroffenheit zu zeigen und Gefühle<br />
zu äußern, eher unangenehm.<br />
Und doch ist auch bei Männern die Sehnsucht<br />
nach der sinnlichen Überschreitung der alltäglichen<br />
Lebenswirklichkeit nicht völlig verschüttet.<br />
Gerade in einer technologisch und<br />
ökonomisch dominierten, von Rationalität und<br />
emotionaler Kälte geprägten Lebenswelt wächst<br />
der Wunsch nach dem ganz Anderen, nimmt<br />
die Bereitschaft zu, sich dem Transzendenten,<br />
dem Göttlichen zu öffnen und über den persönlichen<br />
Glauben zu sprechen. Deshalb wäre es<br />
ein verhängnisvoller Fehler, die bei Männern<br />
immer wieder zu beobachtende Tabuisierung<br />
des Religiösen oder ihre Abstinenz gegenüber<br />
kirchlichen Angeboten als spirituelles Vakuum<br />
misszuverstehen. Auch Männer treibt die<br />
Sehnsucht, ihrem Leben Sinn und Orientierung<br />
zu geben. Sie werden darüber auch nur dann<br />
reden, wenn der Raum, der ihnen dazu geboten<br />
wird, geschützt ist und ihre religiöse Autonomie<br />
respektiert wird.