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Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste

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hI n t e r g r ü n D e<br />

10<br />

Franziska Müller-Rosenau<br />

gl a u b e n fr a u e n a n D e r s?<br />

Franziska Müller-Rosenau<br />

Vielleicht schütteln Sie beim Lesen dieser<br />

Überschrift verständnislos den Kopf. ‚Glauben<br />

Frauen anders? Anders als wer? Und wer sind<br />

überhaupt die Frauen?’ In der Tat, allgemein<br />

lässt sich diese Frage nicht beantworten. Wenn<br />

ich im Folgenden doch ein paar eigene Beobachtungen<br />

beschreibe, so spreche ich nicht<br />

für die Frauen in den Gemeinden oder gar für<br />

die Frauen der ganzen Landeskirche, sondern<br />

skizziere einige Schlaglichter aus der Perspektive<br />

als Leiterin des Frauenwerks.<br />

Seit Jahren beobachten wir eine intensive Suchbewegung<br />

unter Frauen, die sich zeigt im gemeinsamen<br />

Bibelstudium, in der Freude an der<br />

neuen Bibelübersetzung der „Bibel in gerechter<br />

Sprache“, - inzwischen in der dritten Auflage<br />

verkauft - , und im Fernstudium Feministische<br />

Theologie. Wir beobachten eine Suchbewegung,<br />

die sich zeigt in Gebeten, Liedern, Tänzen<br />

und Körperbewegungen – vor allem also in Liturgie<br />

und im Interesse an biblischer Theologie.<br />

All dies sind Ausdrucksformen einer Suche nach<br />

einer Gottes-Sprache, die die Kraft hat, eigene<br />

existentielle Lebens- und Gotteserfahrungen<br />

von Frauen zur Sprache zu bringen. Frauen<br />

überdenken und studieren dabei das, was sie<br />

schon immer geschätzt und geliebt haben: die<br />

Bibel, den Gottesdienst und die Gemeinschaft.<br />

Indem sie ein vertieftes Verständnis ihrer eigenen<br />

spirituellen Erfahrungen entwickeln, wächst<br />

unter ihnen zugleich ein Verständnis der überlieferten<br />

Worte und Traditionen.<br />

Die Frage, um die es dabei letztlich geht,<br />

heißt: wie können wir heute angemessen von<br />

Gott reden? – Denn viele Frauen machen die<br />

Erfahrung, dass ihnen die geformte Sprache<br />

in der Kirche, in Gottesdienst, Verkündigung<br />

und Unterricht zu formelhaft und blutleer, zu<br />

abstrakt und realitätsfern vorkommt. Zu selten<br />

finden sie sich selbst darinnen wieder mit ihren<br />

Hoffnungen, Verwundungen und Wünschen, mit<br />

ihrem Glück und ihrem Kummer.<br />

Glauben Frauen anders? Ja, viele Frauen und<br />

auch manche Männer glauben in unserer Kirche<br />

inzwischen anders! Sie entdecken aufs Neue,<br />

dass Gott immer Gott übersteigt und tasten<br />

nach Worten, Liedern und Gesten, die „das<br />

Geheimnis des Lebens, das wir Gott nennen,<br />

als Erfahrenes benennen“ 1 (Dorothee Sölle).<br />

1 Dorothee Sölle, Es muss doch mehr als alles geben.<br />

Nachdenken über Gott, Freiburg, Basel, Wien, 3. Auflage<br />

Als wir kürzlich in einem Seminar das Nebeneinander<br />

verschiedener Gottesnamen diskutierten,<br />

überlegten einige Teilnehmerinnen, wie sie<br />

mit diesen neuen Namen Gottes, die sie inzwischen<br />

kennen gelernt hatten, umgehen wollten.<br />

Eine gewisse Verunsicherung war ihnen durchaus<br />

anzumerken. Sie würden es in Zukunft<br />

einfach einmal ausprobieren, sagten sie, wie<br />

es klänge von Gott als „die Ewige“, als „die<br />

Lebendige“, als „ der Herr“, oder als „Fels“ zu<br />

sprechen. Sie würden in verschiedenen Gruppen<br />

einmal verschiedene Namen und Anreden<br />

für Gott gebrauchen und darauf achten, wie es<br />

bei den anderen klingt und wirkt. Im Geiste sah<br />

ich meinen Theologieprofessor sich die Haare<br />

raufen! Als ob die Gottesprädikationen etwas<br />

so Beliebiges sein könnten! Müsste solch eine<br />

Entscheidung nicht theologisch begründet und<br />

hergeleitet werden. Im theologischen Seminar<br />

hätte ich mit diesen Überlegungen der Frauen<br />

keine Lorbeeren geerntet.<br />

Inzwischen bin ich allerdings davon überzeugt,<br />

dass mein Theologieprofessor etwas Neues<br />

dazulernen müsste: die kontextgebundene und<br />

narrative Struktur der Urteile von Frauen, wenn<br />

sie etwa die Frage nach dem Gebrauch von<br />

Gottesnamen davon abhängig machen, wie ihr<br />

Umfeld darauf reagiert, sollte nicht länger als<br />

eine intellektuelle Schwäche betrachtet werden,<br />

sondern vielmehr als Zeichen einer besonderen<br />

Reife 2 . Frauen begreifen sich selbst als eingebunden<br />

in ein Netz von Beziehungen, in dem<br />

die anderen in ihrer Eigenheit zu berücksichtigen<br />

sind. Frauen glauben anders, und Frauen<br />

treiben auch anders Theologie, das lerne ich<br />

beinahe jeden Tag neu in der Zusammenarbeit<br />

mit ihnen.<br />

Für den Besuch bei Frauen (wie im Übrigen<br />

auch bei Männern) in der Gemeinde oder am<br />

Krankenbett bedeutet dies, dass ich inzwischen<br />

anders hinhöre. Und vielleicht mag es auch für<br />

Sie eine Anregung sein, auf die Zwischentöne in<br />

neuer Weise zu achten. Vielleicht steckt hinter<br />

manchem Ärger, hinter manch einer Abwendung<br />

von der Kirche und raschen Erklärung, warum<br />

man nicht häufiger zum Gottesdienst gehe, die<br />

eine Frau im Gespräch vorbringt, auch ihre tiefe<br />

2003, S. 39<br />

2 Vgl. Kerstin Rödiger, Identität in geschlechterbewusster<br />

Theologie, in: Heike Walz, David Plüss (Hgg.),<br />

Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet, Wien,<br />

Berlin, 2008

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