Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
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hI n t e r g r ü n D e<br />
8<br />
täglicher Sprache geführt werden. All-täglich,<br />
weil sie alle Tage sich ereignen können.<br />
Pastoren und Pastorinnen neigen dazu – vor<br />
allem in einer Zeit, in der die Arbeitsbelastung<br />
für sie immer größer wird – solche all-täglichen<br />
Besuche nur noch mit schlechtem Gewissen zu<br />
machen oder sie zu entwerten („Die Zeit kann<br />
ich sinnvoller nutzen“). Auch von Mitarbeitenden<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> kennen wir solche Entwertungen<br />
ihrer eigenen Besuche, wenn sie sagen „Ich<br />
mache nur Geburtstagsbesuche.“<br />
Dabei hat Eberhard <strong>Haus</strong>childt die Bedeutung<br />
der Alltagsbegegnungen herausgestrichen 3 . In<br />
einer Untersuchung von Geburtstagsbesuchen<br />
durch Pastoren und Pastorinnen streicht er die<br />
Bedeutung dieser kleinen seelsorglichen und<br />
theologischen Formen in alltäglichen Gesprächen<br />
hervor. Gelingt es eine Gesprächsatmosphäre<br />
zu schaffen, dann wird es auch in einer<br />
all-täglichen Begegnung Phasen geben, in<br />
denen Lebensgeschichtliches angesprochen<br />
wird mit den dazu gehörigen Gefühlen und<br />
Ambivalenzen. D.h. es werden Dinge aus dem<br />
Leben Thema werden, die verbunden sind mit<br />
zwiespältigen Gefühlen, mit Unsicherheiten,<br />
Erlebnissen, die das Leben – wenn auch nur<br />
in Nuancen – durcheinander bringen. Allein,<br />
dieses auszusprechen, darüber miteinander<br />
ins Gespräch zu kommen, darin liegt schon ein<br />
festzustellender und beachtenswerter seelsorglicher<br />
Effekt.<br />
Genau in solchen Phasen eines Gespräches<br />
lassen sich auch Sprachformen mit einer<br />
religiösen Dimension entdecken. <strong>Haus</strong>childt<br />
nennt dazu unter Anderem Redewendungen in<br />
geprägter Sprache. „Da kann man eben nichts<br />
machen.“, „So ist das eben.“, „Da stand das<br />
Glück auf meiner Seite.“, „Wollen wir hoffen,<br />
dass es noch ein bisschen so bleibt.“. Aber auch<br />
in Sätzen alltäglicher Sprache schimmert die<br />
religiöse Dimension durch: „Wer weiß, welche<br />
Wege man noch geführt wird.“, “Da habe ich<br />
einfach Glück gehabt.“, „Die Kinder sind ein<br />
Geschenk.“.<br />
Genauso finden sich Hinweise darauf, dass<br />
Kräfte auf unser Leben Einfluss haben, die<br />
sich innerweltlich nicht erklären lassen. So<br />
wird immer mal wieder auf den „Schutzengel“<br />
verwiesen oder werden astrologische Einflüsse<br />
genannt, aber auch der Ausspruch „Gott sei<br />
Dank“ ist sicherlich nicht nur eine Floskel. Besonders<br />
hier zeigt sich, dass die Äußerungen<br />
auf der religiösen Ebene nicht unbedingt in<br />
christlich geprägter Sprache erfolgen, sondern<br />
sich durchaus auch mit nichtchristlichen Vorstel-<br />
3 Eberhard <strong>Haus</strong>childt, Alltagsseelsorge, s.a. in: Pohl-<br />
Patalong, Seelsorge im Plural<br />
lungen mischen. Das entspricht dem, was Heinrich<br />
Grosse in seinem Artikel beschreibt, dass<br />
sich in den Erzählungen der Menschen ganz<br />
unterschiedliche religiöse und weltanschauliche<br />
Traditionen vermischen. Eberhardt <strong>Haus</strong>childt<br />
nennt es „Alltagstheologie“, in der sich religiöse<br />
Vorstellungen in z. T. umgangssprachlicher<br />
Weise äußern. Heute sind Menschen nicht mehr<br />
allein in einem festgeprägten Weltbild wie der<br />
christlichen Religion beheimatet.<br />
Schließlich ruft die Erwähnung der Kirchengemeinde<br />
Erlebnisse mit Kirche, Repräsentanten<br />
der Kirche und Glaube in Erinnerung. Meist wird<br />
auch dabei nicht über den christlichen Glauben<br />
gesprochen, sondern über „äußere“ Ereignisse,<br />
oder ob es eine Pastorin gut gemacht hat oder<br />
jemand sich über den Pastor geärgert hat. Aber<br />
auch hier schwingen Vorstellungen, Erwartungen<br />
und Bedürfnisse mit, die die religiöse<br />
Ebene betreffen. Dieses kommt auch in dem<br />
Phänomen zum Ausdruck, den Mitarbeitende<br />
immer wieder erwähnen. Sie sind verwundert,<br />
welches Vertrauen ihnen von den Besuchten<br />
vielfach entgegengebracht wird. Ich bin der<br />
Überzeugung, dass die Menschen über die<br />
Repräsentanten der religiösen Einrichtung ihre<br />
„Lebensgeschichten“ in irgendeiner Weise auch<br />
einer göttlichen Macht erzählen.<br />
Alle diese all-täglichen Äußerungen liegen nun<br />
unverbunden, undifferenziert und unreflektiert<br />
nebeneinander. Wenn die Gesprächspartner/<br />
innen in der Lage sind, diese Äußerungen<br />
wahrzunehmen, sich auf diese angedeuteten<br />
Themen einzulassen, im besten Sinne neugierig<br />
aufeinander zu sein, kommt es zu einem wirklichen<br />
Austausch, von dem beide Seiten eine<br />
Menge lernen können.<br />
Worte und Bilder des Evangeliums<br />
ins Gespräch „ein-fallen“ lassen<br />
In diesem Austausch kann es dann auch zu<br />
„Ein-fällen“ Gottes kommen. Ganz im Sinne der<br />
anfangs gestellten Frage können Worte, Bilder<br />
und Geschichten der christlichen Tradition als<br />
Sprech-Hilfen in das Gespräch eingebracht<br />
werden, um eine Verblüffung zu bewirken im<br />
Sinne noch nicht gedachter Gedanken, noch<br />
nicht gesehener Bilder und noch nicht erzählter<br />
Geschichten.<br />
Ausgangspunkt ist das, was erzählt wird. Dazu<br />
kann es „Ein-fälle“ geben. Einer Mitarbeiterin<br />
fällt die Geschichte der „Auferweckung der Tabita“<br />
ein, einer anderen der Vers von Bonhoeffer<br />
„Von guten Mächten…“ 4 , mir selbst im Gespräch<br />
mit Frau Migge der Vers „Wir sehen jetzt durch<br />
4 s. Artikel „Wir haben nicht von Gott geredet…“ in diesem<br />
Heft und die Arbeitshilfe „Und wenn dich jemand bei<br />
Deinem nächsten Besuch fragt…“