Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
Der Besuchsdienst - Haus kirchlicher Dienste
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<strong>Der</strong><br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
2008<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Gl a u b e n s-sa c h e n<br />
Die r e l i G i ö s e Di m e n s i o n b e i be s u c h e n
<strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong> 2008<br />
Glaubens-Sachen<br />
Die religiöse Dimension bei Besuchen<br />
Herausgeber: <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> der<br />
Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers<br />
Verantwortlich: <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
<strong>Haus</strong>anschrift: Archivstraße 3, 30169 Hannover<br />
Postanschrift: Postfach 2 65, 30002 Hannover<br />
Fon: 0511 1241-544 Fax: 0511 1241-499<br />
E-Mail: besuchsdienst@kirchliche-dienste.de<br />
Internet: www.kirchliche-dienste.de/besuchsdienst<br />
Bilder und Bildrechte: © Frauke Migge, Worpswede; privat<br />
Satz und Layout: Volker Tellermann<br />
Druck: <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong>, gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier<br />
Auflage: 2500 Ausgabe: 2008 Artikelnummer: 543017
In h a lt s v e r z e I c h n I s<br />
Vorwort ......................................................................................................................................2<br />
• Hintergründe<br />
Äußere Distanz und innere Nähe?<br />
–Überlegungen zu Kirchenbindung und Religiosität ...........................................................3<br />
Prof. Dr. Heinrich Grosse<br />
Im „All-täglichen“ der religiösen Dimension auf der Spur ..................................................6<br />
Gert Stührmann<br />
Glauben Frauen anders? ......................................................................................................10<br />
Franziska Müller Rosenau<br />
Männer glauben anders ........................................................................................................11<br />
Jens-Peter Kruse<br />
Muss ich denn sagen, dass ich von der Kirche komme? ..................................................16<br />
Gert Stührmann<br />
„Wir haben nicht von Gott geredet, aber er war mitten unter uns“ ..................................19<br />
Marianne Storz<br />
„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild“ ....................................................22<br />
Frauke Migge / Gert Stührmann<br />
• Praxis<br />
„Die Kraft, die aus dem Glauben kommt“ ...........................................................................27<br />
Ilona Hassebrauck<br />
Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin ...............................................................29<br />
Besuchen mit Leib und Seele.<br />
Anke Kolster<br />
„Spuren, die wir bei unseren Besuchen hinterlassen“ .....................................................33<br />
Ute Münch<br />
<strong>Der</strong> Glaube ist immer schon im Gespräch ..........................................................................36<br />
Helene Eißen-Daub<br />
• Arbeitshilfen<br />
Und mein eigener Glaube? ...................................................................................................37<br />
Marianne Storz<br />
Vom Text zum Leben– vom Leben zum Text .......................................................................39<br />
Gert Stührmann<br />
Gemeinsam in den Spiegel sehen .......................................................................................42<br />
Gert Stührmann<br />
Wollen wir noch zusammen beten? .....................................................................................43<br />
Gert Stührmann<br />
Brannte nicht unser Herz ......................................................................................................47<br />
Gert Stührmann<br />
• Fortbildungsangebote, Seminare, Arbeitskreise, Veranstaltungen .................49<br />
• Materialien ..........................................................................................................................60<br />
1
Gert Stührmann<br />
2<br />
vo r w o r t<br />
Lieber Leser, liebe Leserin,<br />
im Jahr 1994 erschien in unserem Fachgebiet<br />
das Heft „Vom Glauben reden“. Wegen besonders<br />
starker Nachfrage war dieses Heft schon<br />
nach kurzer Zeit vergriffen. Die Seminare, die zu<br />
diesem Thema in den letzten Jahren angeboten<br />
wurden, waren in der Regel schnell gefüllt. Das<br />
Thema, in welcher Weise der Glaube bzw. die<br />
religiöse Dimension bei den Begegnungen im<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> eine Rolle spielt, stößt auf ein<br />
großes Interesse.<br />
Demgegenüber steht scheinbar die Erfahrung,<br />
dass die Mitarbeitenden den Eindruck haben,<br />
dass der Glaube eigentlich keine große Rolle<br />
in den Gesprächen spielt. Ist es so oder wenn<br />
nicht, wie äußert sich die religiöse Dimension?<br />
Zunächst einmal beschäftigen uns die Ergebnisse<br />
der Mitgliedschaftsstudien: ist die<br />
äußere Distanz zur Kirche gleichbleibend mit<br />
einer inneren Distanz zu religiösen Fragen und<br />
Glaubensfragen? Gleichzeitig gehen wir der<br />
Frage nach, wie sich die religiöse Dimension<br />
in den Alltagsbegegnungen und in alltäglichen<br />
Sprachformen äußert. In welcher Weise können<br />
Worte, Bilder und Geschichten der Bibel in den<br />
Gesprächen hilfreich sein?<br />
Menschen erleben ihre Religiosität und ihren<br />
Glauben ganz unterschiedlich. Das ist abhängig<br />
davon, in welcher Weise sie geprägt wurden, in<br />
welcher Zeit sie aufgewachsen sind, welchen<br />
Milieus sie angehören. Am Beispiel der Frauen<br />
und Männer möchten wir darauf aufmerksam<br />
machen.<br />
Welche Erfahrungen machen nun die Mitarbeitenden?<br />
Es wird der Prozess beschrieben, wie<br />
Mitarbeitende immer mehr Interesse entwickeln,<br />
um für sich selbst und für ihre Tätigkeit Gewinn<br />
daraus zu ziehen, wenn der Glaube mit ins<br />
Spiel kommt.<br />
<strong>Der</strong> Gottesdienst nimmt menschliche Erfahrungen<br />
auf, die in der Liturgie ihren Ausdruck<br />
finden. Lässt sich das auch umgekehrt sagen,<br />
dass sich in den Begegnungen bei Besuchen<br />
gottesdienstliche Elemente spiegeln?<br />
Ein besonderer Dank gilt Frauke Migge, Malerin<br />
in Worpswede, die ihre Bilder für dieses Heft zur<br />
Verfügung gestellt hat. Ich habe sie besucht und<br />
wir sind miteinander ins Gespräch gekommen<br />
über die religiöse Dimension in ihren Bildern.<br />
Aus der Praxis finden Sie zwei Berichte über<br />
außergewöhnliche, methodisch alles andere<br />
als alltägliche, Seminare. So außergewöhnlich<br />
diese Seminare waren, so unmittelbar führen<br />
sie zu den alltäglichen Erfahrungen und ermöglichen<br />
in intensiver Weise das Gespräch über<br />
Glaubenserfahrungen.<br />
Aussagen über Motive und Erwartungen an<br />
Seminaren zu diesem Thema finden Sie als so<br />
genanntes „Pinnbrett“. Und schließlich berichtet<br />
Frau Münch von den Erfahrungen einer Fortbildung<br />
in ihrer Kirchengemeinde und stellt dazu<br />
eine Andacht als Anregung zur Verfügung.<br />
Schließlich möchten wir Sie anregen, über<br />
dieses Thema in der Gruppe vor Ort ins Gespräch<br />
zu kommen – sei es über die eigenen<br />
Erfahrungen, sei es über Worte, Bilder und<br />
Geschichten der Bibel, sei es über die Bilder<br />
von Frauke Migge, die Sie als Bildersatz im Heft<br />
finden. Natürlich dürfen auch ein Gesprächsprotokoll<br />
und ein biblischer Impuls nicht fehlen.<br />
Einladen möchten wir Sie zu den Fortbildungen,<br />
bei denen Sie auch zum Thema dieses Heftes<br />
das eine und andere finden werden.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen<br />
und hoffen, dass Ihnen dieses Heft viele Anregungen<br />
für Ihre Arbeit bietet.<br />
Gert Stührmann
Die beiden Großkirchen in Deutschland – die<br />
evangelischen Landeskirchen wie die römischkatholische<br />
Kirche – haben zu Beginn des 21.<br />
Jahrhunderts nicht mehr jene gesellschaftliche<br />
Bedeutung, die sie in den ersten Jahrzehnten<br />
nach dem 2. Weltkrieg hatten. Die Zahl der<br />
Austretenden ist nach wie vor größer, als die<br />
Zahl der (Wieder-)Eintretenden. Nimmt man<br />
Westdeutschland und Ostdeutschland zusammen,<br />
dann ist etwa ein Drittel der deutschen<br />
Bevölkerung nicht Mitglied einer Kirche. Kirchenmitgliedschaft<br />
hat ihre frühere Selbstverständlichkeit<br />
verloren.<br />
Das Verhältnis zur Kirche ist ebenso wie das zu<br />
Glauben und Religion von gesamtgesellschaftlichen<br />
Entwicklungen beeinflusst. Soziologisch<br />
betrachtet haben sich die beiden Großkirchen<br />
von selbstverständlich anerkannten Institutionen<br />
der Gesellschaft zu Organisationen<br />
entwickelt, zu „spezialisierten Einrichtungen für<br />
religiöse Fragen“. Sie sind eine Organisation<br />
neben anderen.<br />
Vor allem die gesellschaftlichen Prozesse der<br />
Pluralisierung (Vervielfachung) und Individualisierung<br />
von Wert- und Sinnorientierungen, von<br />
Lebenslagen und Biographiemustern haben weit<br />
Prof. Dr. Heinrich W. Grosse<br />
Äu s s e r e DI s ta n z u n D I n n e r e nÄ h e?<br />
– Empirische Daten und Überlegungen zu Kirchenbindung und (christlicher) Religiosität<br />
reichende Auswirkungen auf Kirchenbindung<br />
und Einstellung zu religiösen Fragen: Religiöse<br />
Orientierung, Entscheidung über Kirchenzugehörigkeit<br />
bzw. Art der Kirchenbindung sind wie<br />
nie zuvor zur Sache individueller Entscheidung<br />
geworden. „Die Regie der Kirchenbeziehung<br />
liegt nicht mehr bei der Kirche, sondern bei den<br />
Bürgern.“ (P. Zulehner) Durch die vielfältigen<br />
Wahlmöglichkeiten im Bereich der Glaubens-<br />
und Wertvorstellungen wird die Autorität religiöser<br />
Traditionen und Institutionen geschwächt.<br />
Die Bedeutung kirchendistanzierten Christentums<br />
und kirchendistanzierter Religiosität hat<br />
entsprechend zugenommen. Es gibt einen nie<br />
da gewesenen „Markt der Möglichkeiten“ im<br />
Blick auf religiöse und kirchliche Orientierungen.<br />
Bei einer Umfrage erklärte etwa die Hälfte der<br />
Evangelischen und ein Drittel der Konfessionslosen:<br />
„Ich habe meine eigene Weltanschauung,<br />
in der auch Elemente des christlichen Glaubens<br />
enthalten sind.“<br />
Dem Autonomiestreben vieler Menschen entspricht<br />
eine wachsende Institutionen-Distanz,<br />
die sich nicht nur auf Gewerkschaften, Parteien<br />
u. a., sondern auch auf die Kirchen auswirkt.<br />
„Mit der Privatisierung des religiösen Entscheidens<br />
geht einher, dass religiöse Sinnerfahrung<br />
Prof. Dr. Heinrich W. Grosse<br />
Dauer im Wandel<br />
3
hI n t e r g r ü n D e<br />
4<br />
Geheimnis des Weges<br />
in kulturellen Formen gesucht wird, die herkömmlich<br />
nichts mit der verfassten kirchlichen<br />
Religion zu tun haben, aber auch nicht in neue<br />
religiöse Bewegungen eingehen. In erster Linie<br />
dürfte dabei an die Massenmedien zu denken<br />
sein, an die Unterhaltung, die Bücher und Filme<br />
gewähren.“ (W. Gräb)<br />
Es wäre jedoch ein Fehlschluss, wenn man<br />
die wachsende Distanz zur Kirche als Organisation<br />
mit einer Distanz zu religiösen Fragen<br />
bzw. Glaubensfragen gleichsetzen würde. <strong>Der</strong><br />
Rückgang an Kirchlichkeit darf nicht mit Religionslosigkeit<br />
identifiziert werden. Ein recht<br />
großer Teil der aus der Kirche Ausgetretenen<br />
in Westdeutschland versteht sich als religiös<br />
bzw. gläubig und nimmt für sich ein „Christsein<br />
ohne Kirche“ in Anspruch. Aber auch diese<br />
Kombination von Distanz zur Kirche und Nähe<br />
zu (christlich-)religiösen Fragen darf nicht verallgemeinert<br />
werden. Denn anders als in Westdeutschland<br />
verstehen sich Konfessionslose in<br />
Ostdeutschland überwiegend als nicht christlich<br />
und auch als nicht religiös.<br />
Grundsätzlich ist festzustellen: Religiosität<br />
und Kirchlichkeit, auch wenn sie keineswegs<br />
identisch sind, hängen in Deutschland eng zusammen.<br />
So besteht z. B. ein enger statistischer<br />
Zusammenhang zwischen der Teilnahme<br />
am kirchlichen Leben und der Bejahung des<br />
Glaubens an Gott. Einige Soziologen rechnen<br />
deshalb damit, dass mit dem Rückgang der Bedeutung<br />
der Kirchen wohl auch die Bedeutung<br />
individueller Religiosität, von Glaubensüberzeugungen<br />
und religiöser Sinnsuche abnimmt.<br />
Untersuchungen in europäischen Staaten<br />
haben gezeigt, es gibt beides: „Believing<br />
without belonging“ (wörtlich: „glauben, ohne<br />
dazuzugehören“) – also (christlich-) religiöse<br />
Glaubensüberzeugungen ohne Teilhabe an<br />
kirchlichen Aktivitäten - wie auch das Umgekehrte:<br />
„Belonging without believing“ – also<br />
Kirchenzugehörigkeit und Engagement in der<br />
Kirche ohne ausgeprägte (christlich-)religiöse<br />
Überzeugungen. Ferner ist zu bedenken: Nähe<br />
und Distanz, Zustimmung und Abgrenzung im<br />
Blick auf Kirche und Religion können je nach<br />
Lebensphase und Lebenssituation wechseln.<br />
Es gibt in Deutschland<br />
auch unter den Kirchenmitgliedern<br />
eine große<br />
Zahl von Menschen,<br />
für die eine gewisse<br />
Unbestimmtheit und<br />
Gleichgültigkeit (Indifferenz)<br />
im Verhältnis<br />
zu Kirche und Religion<br />
kennzeichnend ist.<br />
Doch für die Mehrheit<br />
gilt: Religiöse Fragen,<br />
Glaubensfragen spielen<br />
in ihrem Leben eine<br />
Rolle, ganz gleich in<br />
welcher Beziehung sie<br />
zur Organisation Kirche<br />
stehen. Es sind vor<br />
allem biographische<br />
Umbruchssituationen,<br />
Krisen und Sinnfragen,<br />
in denen Religion<br />
und Glaubensfragen<br />
für viele Menschen,<br />
auch für „Kirchlich-Distanzierte“,<br />
Bedeutung<br />
gewinnen. Es geht ihnen<br />
um die Integration<br />
von Alltagserfahrung in<br />
ein sie überbietendes<br />
Sinngefüge, um Sinnvergewisserung<br />
in den<br />
Zufälligkeiten (Kontingenzen)<br />
des Alltagslebens,<br />
um Anerkennung
des Unverfügbaren. Erfahrungen mit Brüchen<br />
und Schuldverstrickungen im Lebenslauf, mit<br />
Glück und Unglück, mit Gesundheit, Krankheit<br />
und Tod und das Bewusstsein der Endlichkeit<br />
des eigenen Lebens lassen viele Menschen<br />
nach orientierenden religiösen Antworten suchen.<br />
Eine große Mehrheit der Bürger/innen<br />
hält die Frage nach dem Sinn des Lebens für<br />
sehr wichtig, (immerhin oder nur?) knapp die<br />
Hälfte der Befragten versteht diese Frage als<br />
„Frage nach Gott“.<br />
In der dritten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung<br />
der EKD wurden Frauen und Männer, die<br />
von sich behaupteten, wenig oder gar nichts mit<br />
der Kirche zu tun zu haben, nach ihrer Meinung<br />
zu „Kirche, Glaube, Christentum, Religion“ befragt.<br />
In diesen Erzählinterviews zeigte sich: Die<br />
Religiosität der Befragten kam nicht mehr in Formulierungen<br />
traditioneller christlicher Dogmatik<br />
zum Ausdruck. In die Erzählungen flossen auch<br />
Motive der Volksreligion, des „Aberglaubens“<br />
sowie fernöstlicher Weisheiten ein. Typisch<br />
waren Äußerungen wie die folgenden:<br />
- Anke, 35 Jahre: „<strong>Der</strong> Glaube is ja so’n Teil<br />
dieser spirituellen Sicht, die man von der Welt<br />
hat, da hab’ ich natürlich auch meine eigenen<br />
Ansichten. Ich weiß nicht, ob das jetzt interessant<br />
ist, es hat ja mit Kirche überhaupt nichts<br />
zu tun.“<br />
- Uschi, 42 Jahre: „Also, ich hab immer Glück.<br />
Ich hab’ immer ’nen Schutzengel. Ja, und da<br />
glaube ich dran.“<br />
- Lutz, 30 Jahre, Sozialarbeiter in einem Altersheim,<br />
spricht von einer Frau, „die alles so<br />
durchgemacht hat und mit diesen Glaubensrichtungen<br />
konfrontiert wurde und entdeckt hat,<br />
dass alles nichts richtig bringt für sie selbst.<br />
Trotzdem eben das Suchen nach Gott und …<br />
nach Religiosität und so. .. Und da sehe ich<br />
wiederum Parallelen eigentlich auch so bei<br />
mir, nicht?“<br />
- Gisela, 35 Jahre: „Also ich glaub auch an was.<br />
Aber nicht das, was mir da erzählt wird. Also,<br />
ich sondiere schon aus. ..Ich will mal sagen,<br />
ich bin gläubig, aber was da von der Kanzel<br />
manchmal runterkommt oder so, da streiche<br />
ich einiges.“<br />
Ein Viertel der befragten Evangelischen erklärte:<br />
„Ich glaube an Gott, obwohl ich immer wieder<br />
zweifle und unsicher bin.“ Ein weiteres Viertel<br />
antwortete: „Ich glaube an eine höhere Kraft,<br />
aber nicht an einen Gott, wie ihn die Kirche<br />
beschreibt.“ Die Begrifflichkeit der kirchlichen<br />
Tradition ist offensichtlich nur für eine Minderheit<br />
der Kirchenmitglieder (und der Konfessions-<br />
losen) zugänglich und akzeptabel. Bei vielen<br />
Kirchenmitgliedern kann man - gemessen an<br />
dogmatisch-kirchlichen Normen - wie z. B. dem<br />
Apostolischen Glaubensbekenntnis - von einem<br />
„Alltagssynkretismus“ , von einer Mischung<br />
von Elementen aus ganz unterschiedlichen<br />
religiösen und weltanschaulichen Traditionen<br />
sprechen. So gibt es z.B. Kirchenmitglieder, die<br />
christliche Gottesdienste besuchen, ihr Horoskop<br />
lesen und an Reinkarnation glauben – und<br />
darin keinen Widerspruch sehen.<br />
Viele, auch unter denen, die Gottesdienste<br />
besuchen und an kirchlichen Veranstaltungen<br />
teilnehmen, auch unter den mit Kirche hochverbundenen<br />
Ehrenamtlichen, sind in religiöser<br />
Hinsicht Fragende, Suchende und auch<br />
Zweifelnde.<br />
Für die Mitarbeiter/innen in kirchlichen <strong>Besuchsdienst</strong>en<br />
stellt sich die Aufgabe, die Vielfalt<br />
gegenwärtiger Religiosität und die Wahlmentalität<br />
im Blick auf Kirche und Religion bei sich<br />
selbst (!) und anderen wahrzunehmen und<br />
ernst zu nehmen. Sie sollten Äußerungen der<br />
Menschen, denen sie begegnen, nicht an der<br />
Elle einer „kirchlich-theologischen Korrektheit“<br />
messen (und dann wohlmöglich verurteilen).<br />
Viele Menschen sind bei ihrer Suche nach<br />
Wahrheit und Lebenssinn durch dogmatischbezeugende<br />
Rede nicht zu erreichen, sondern<br />
eher durch dialogische Kommunikation, die ihre<br />
Zweifel und Anfragen ernst nimmt, durch eine<br />
Abkehr von der in der Kirche oft verbreiteten<br />
„Behauptungskultur“.<br />
Für die Mitarbeiter/innen eines <strong>Besuchsdienst</strong>es<br />
bedeutet das: Sie sollten sich in einer Haltung der<br />
Menschenfreundlichkeit darum bemühen, die<br />
hinter den Aussagen ihrer Gesprächspartner/<br />
innen stehenden Anliegen und Sehnsüchte zu<br />
verstehen. Dafür müssen sie zunächst sensibel<br />
wahrnehmen, was Menschen über ihren Alltag,<br />
ihre Probleme, ihre Ängste, über „Brüche“ und<br />
Verstrickungen in ihrer Biographie äußern oder<br />
auch nur andeuten. Dann kann es auch möglich<br />
werden, dass <strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeiter/innen<br />
erspüren, was in den Alltagsgesprächen –<br />
meist verschlüsselt oder indirekt – an religiösen<br />
Fragen, an Fragen zum Sinn des Lebens und<br />
zur Lebensbewältigung, an Fragen nach Gott,<br />
an Fragen nach Trost und Lebenszuversicht<br />
enthalten sind.<br />
Nicht nur für berufliche Mitarbeiter/innen der<br />
Kirche, sondern auch für Mitarbeiter/innen<br />
eines <strong>Besuchsdienst</strong>es ist es eine sicher nicht<br />
einfache, aber auch bereichernde Aufgabe,<br />
mit dem, was ihnen religiös „entgegenkommt“,<br />
verständnisvoll umzugehen und dies mit lebensdienlichen<br />
biblisch-christlichen Traditionen in<br />
Beziehung zu setzen.<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
5
hI n t e r g r ü n D e<br />
6<br />
Gert Stührmann<br />
Im „al l-tÄ g l I c h e n “ D e r r e l I g I ö s e n<br />
DI m e n s I o n a u f D e r sp u r<br />
Das Ich im Deutehorizont Gottes<br />
„Wie können die Worte, Bilder und Geschichten<br />
der Bibel als Sprech-Hilfen ins seelsorgerliche<br />
Gespräch eingebracht werden, so dass eigene<br />
Geschichte im Deutehorizont der Geschichte<br />
Gottes mit den Menschen zur Sprache finden<br />
kann?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich der<br />
praktische Theologe H.-M. Gutmann. 1 Es ist<br />
eine Frage, die auch Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
bewegt – umso mehr, je länger sie sich<br />
in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit engagieren. Wie<br />
können wir die Dimension des Glaubens in den<br />
Gesprächen bei den Besuchten einbringen.<br />
Worte, Bilder und Geschichten der Bibel werden<br />
leblos, wenn sie nicht mit Erfahrungen<br />
des Lebens der Menschen verknüpft werden.<br />
Von daher möchte ich die Frage noch einmal<br />
verstärken, indem ich die Blickrichtung ändere.<br />
Wie kann es gelingen, Lebensgeschichten so<br />
zu hören, dass die religiöse Ebene und das Bedürfnis<br />
nach religiöser Deutung wahrgenommen<br />
werden kann, und Sprech-Hilfen angeboten<br />
werden, die erzählten individuellen Geschichten<br />
mit der Geschichte Gottes mit uns Menschen<br />
zu verknüpfen?<br />
Im Grunde gehen viele biblischen Gesichten<br />
denselben Weg, sind die Bilder der Bibel auf<br />
diesem Weg entstanden. Ausgangspunkt ist<br />
das, was die Menschen bewegt, was sie an<br />
Fragen und Problemen, an Gelingen und Misslingen<br />
mitbringen, das, was freudig oder auch<br />
traurig macht, was sie erleben. All das verlangt<br />
danach, gedeutet zu werden und in einen<br />
großen Zusammenhang gestellt zu werden.<br />
Religiös gesprochen: Die individuelle Lebensgeschichten<br />
werden in den Deutehorizont der<br />
großen Geschichte Gottes mit uns Menschen<br />
gestellt.<br />
Albrecht Grözinger hat in einem Artikel zur Kommunikation<br />
des Evangeliums 2 davon gesprochen<br />
von der „Post-Paket“- zur „Blumenbeet“-<br />
Kommunikation zu gelangen. In der „Post-<br />
Paket“-Kommunikation geht es darum, alles<br />
dafür zu tun, dass die Sendung auch ankommt.<br />
D.h. wie kann ich das Evangelium so an den<br />
Mann und an die Frau bringen, dass der Adressat<br />
auch etwas damit anfangen kann, was der<br />
Absender beabsichtigt. In der Blumenbeet-<br />
1 H.-M. Gutmann, Und erlöse uns vom Bösen, S. 49<br />
2 A. Grözinger, Was geschieht in religiöser Kommunikation?,<br />
in Baugerüst 2/00<br />
Kommunikation geht es mehr darum, dass sich<br />
der Empfänger aus dem, was ihm angeboten<br />
wird, das heraussucht, was für ihn im Moment<br />
hilfreich ist. Grözinger formuliert das im Blick<br />
auf die Predigt.<br />
Für die Begegnung zwischen zwei Menschen<br />
bei Besuchen möchte ich dieses Bild noch erweitern<br />
– sowohl für die Kommunikation an sich,<br />
wie auch für die Kommunikation auf religiöser<br />
Ebene. <strong>Der</strong> Besuchte bietet in seinen Erzählungen<br />
von Lebensgeschichten den Besuchenden<br />
schon ein vielfältiges Blumenbeet. Das nimmt<br />
der Besuchende auf, knüpft an, womöglich<br />
auch an die religiöse Dimension und bietet<br />
dem Besuchten wiederum ein Blumenbeet an.<br />
So entsteht eine dialogische Kommunikation,<br />
evtl. auch darüber, wie sich individuelle Lebensgeschichten<br />
mit Gottes Geschichte mit<br />
uns Menschen verknüpfen lassen. Wobei mir<br />
eines an dem Bild des Blumenbeetes wichtig<br />
ist: Es ist eine Kommunikation auf Augenhöhe<br />
und die Gesprächspartner bieten einander<br />
jenes Blumenbeet an. Welche Blume, welche<br />
Farbe die jeweiligen Gesprächspartner nun aufnehmen,<br />
das entscheidet jede Person für sich.<br />
Das gilt insbesondere auch für die möglichen<br />
„Worte, Bilder und Geschichten der Bibel als<br />
Sprech-Hilfen“ zur Deutung der individuellen<br />
Lebensgeschichten. Auf diese Weise kann sich<br />
die Kommunikation des Evangeliums als Dialog<br />
entwickeln.<br />
Das fragmentarische Leben ist im<br />
großen Ganzen aufgehoben<br />
Nun ist es so, dass der Besuch eines Mitarbeitenden<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> nicht in einem wertfreien<br />
Raum stattfindet. Da die Besuchenden<br />
immer auch die Kirchengemeinde als ihren<br />
Absender benennen, ist das Thema Kirche, Religion,<br />
Glaube damit immer auch schon präsent<br />
– auch dann, wenn es im Laufe der Begegnung<br />
explizit keine Rolle spielt. Es ist präsent, weil<br />
die Mitarbeitenden sich als Repräsentanten der<br />
Kirchengemeinde verstehen und zu erkennen<br />
geben. Das ruft bei den Besuchten Überraschung<br />
oder Zurückhaltung mitunter auch<br />
Ablehnung hervor. Es schwingen Erlebnisse<br />
mit, die die Besuchten gemacht haben, aber<br />
auch Wünsche Bedürfnisse und Phantasien, die<br />
sie mit dem Themenkomplex verbinden. Auch<br />
wenn es bei der Begegnung nicht explizit um<br />
das Thema geht, der Raum der Begegnung ist
immer auch gefüllt mit möglichen Gedanken,<br />
Fragen und Assoziationen zu Kirche, Religion<br />
und Glaube.<br />
Mitarbeitende haben häufig den Eindruck, dass<br />
dieses Thema bei den Besuchten kaum eine<br />
Rolle spielt oder dass sie daran gar kein Interesse<br />
haben. <strong>Der</strong> Artikel von Heinrich Grosse zeigt,<br />
dass eine äußere Distanz zur Kirche noch nicht<br />
bedeuten muss, dass damit eine innere Distanz<br />
zu religiösen Themen und Erfahrungen verbunden<br />
sein muss. Gerade da, wo Menschen in<br />
ihrer Lebenssituation verunsichert sind, wo sie<br />
Brüche in ihrem Lebenskonzept erleben, wo<br />
sie Lebensübergänge zu gestalten haben, aber<br />
auch von Erfahrungen – seien sie beglückend<br />
oder auch traurig – überwältigt werden, wo sie<br />
an die Grenzen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten<br />
stoßen und sich ausgeliefert fühlen, fragen sie<br />
nach Sinn, wünschen sie sich Deutung, möchten<br />
sie ihr fragmentarisch erscheinendes Leben<br />
in einem großen Ganzen aufgehoben wissen.<br />
Dieses Suchen und Fragen äußert sich dann<br />
nicht unbedingt in christlich geprägter Sprache.<br />
In den Äußerungen finden sich auch Motive<br />
anderer Religionen, und oft schimmert es auch<br />
in alltäglichen Sprachformen durch.<br />
All-tägliche Sprachformen mit einer<br />
religiösen Dimension<br />
In der Regel suchen die Besuchten nicht die<br />
Begegnung, das Gespräch und damit auch<br />
nicht das Gespräch über den Glauben. Nicht<br />
sie machen sich auf den Weg und kommen mit<br />
einem Anliegen zur Kirchengemeinde, sondern<br />
die Mitarbeitenden vom <strong>Besuchsdienst</strong> suchen<br />
den Kontakt. Von daher verwundert es auch<br />
nicht, dass die Mitarbeitenden nicht ganz nachvollziehen<br />
können, wenn es heißt: ‚<strong>Der</strong> Glaube<br />
ist immer schon im Gespräch’. „Sind wir taub<br />
auf diesem Ohr, oder spielt das Thema doch<br />
keine Rolle?“ so die logische Anfrage nach<br />
einer Fortbildung bei uns. In der Tat gleicht der<br />
Besuch ja eher einer zufälligen Begegnung, wie<br />
einem Gespräch über dem Gartenzaum oder<br />
auf dem Parkplatz am Supermarkt. Häufig ist es<br />
ein Gespräch zwischen Tür und Angel (Besuch<br />
bei Neuzugezogenen) und auch bei „normalen“<br />
Geburtstagsbesuchen dominiert zunächst der<br />
allgemeine Austausch. Auch wenn – wie gesagt<br />
– der Raum der Begegnung schon religiöse<br />
Themen möglich macht, so sind es doch in<br />
erster Linie all-tägliche Begegnungen, die mit<br />
all-täglichen Themen sich befassen und in all-<br />
<strong>Der</strong> Gegenwart<br />
Vergangenheit<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
7
hI n t e r g r ü n D e<br />
8<br />
täglicher Sprache geführt werden. All-täglich,<br />
weil sie alle Tage sich ereignen können.<br />
Pastoren und Pastorinnen neigen dazu – vor<br />
allem in einer Zeit, in der die Arbeitsbelastung<br />
für sie immer größer wird – solche all-täglichen<br />
Besuche nur noch mit schlechtem Gewissen zu<br />
machen oder sie zu entwerten („Die Zeit kann<br />
ich sinnvoller nutzen“). Auch von Mitarbeitenden<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> kennen wir solche Entwertungen<br />
ihrer eigenen Besuche, wenn sie sagen „Ich<br />
mache nur Geburtstagsbesuche.“<br />
Dabei hat Eberhard <strong>Haus</strong>childt die Bedeutung<br />
der Alltagsbegegnungen herausgestrichen 3 . In<br />
einer Untersuchung von Geburtstagsbesuchen<br />
durch Pastoren und Pastorinnen streicht er die<br />
Bedeutung dieser kleinen seelsorglichen und<br />
theologischen Formen in alltäglichen Gesprächen<br />
hervor. Gelingt es eine Gesprächsatmosphäre<br />
zu schaffen, dann wird es auch in einer<br />
all-täglichen Begegnung Phasen geben, in<br />
denen Lebensgeschichtliches angesprochen<br />
wird mit den dazu gehörigen Gefühlen und<br />
Ambivalenzen. D.h. es werden Dinge aus dem<br />
Leben Thema werden, die verbunden sind mit<br />
zwiespältigen Gefühlen, mit Unsicherheiten,<br />
Erlebnissen, die das Leben – wenn auch nur<br />
in Nuancen – durcheinander bringen. Allein,<br />
dieses auszusprechen, darüber miteinander<br />
ins Gespräch zu kommen, darin liegt schon ein<br />
festzustellender und beachtenswerter seelsorglicher<br />
Effekt.<br />
Genau in solchen Phasen eines Gespräches<br />
lassen sich auch Sprachformen mit einer<br />
religiösen Dimension entdecken. <strong>Haus</strong>childt<br />
nennt dazu unter Anderem Redewendungen in<br />
geprägter Sprache. „Da kann man eben nichts<br />
machen.“, „So ist das eben.“, „Da stand das<br />
Glück auf meiner Seite.“, „Wollen wir hoffen,<br />
dass es noch ein bisschen so bleibt.“. Aber auch<br />
in Sätzen alltäglicher Sprache schimmert die<br />
religiöse Dimension durch: „Wer weiß, welche<br />
Wege man noch geführt wird.“, “Da habe ich<br />
einfach Glück gehabt.“, „Die Kinder sind ein<br />
Geschenk.“.<br />
Genauso finden sich Hinweise darauf, dass<br />
Kräfte auf unser Leben Einfluss haben, die<br />
sich innerweltlich nicht erklären lassen. So<br />
wird immer mal wieder auf den „Schutzengel“<br />
verwiesen oder werden astrologische Einflüsse<br />
genannt, aber auch der Ausspruch „Gott sei<br />
Dank“ ist sicherlich nicht nur eine Floskel. Besonders<br />
hier zeigt sich, dass die Äußerungen<br />
auf der religiösen Ebene nicht unbedingt in<br />
christlich geprägter Sprache erfolgen, sondern<br />
sich durchaus auch mit nichtchristlichen Vorstel-<br />
3 Eberhard <strong>Haus</strong>childt, Alltagsseelsorge, s.a. in: Pohl-<br />
Patalong, Seelsorge im Plural<br />
lungen mischen. Das entspricht dem, was Heinrich<br />
Grosse in seinem Artikel beschreibt, dass<br />
sich in den Erzählungen der Menschen ganz<br />
unterschiedliche religiöse und weltanschauliche<br />
Traditionen vermischen. Eberhardt <strong>Haus</strong>childt<br />
nennt es „Alltagstheologie“, in der sich religiöse<br />
Vorstellungen in z. T. umgangssprachlicher<br />
Weise äußern. Heute sind Menschen nicht mehr<br />
allein in einem festgeprägten Weltbild wie der<br />
christlichen Religion beheimatet.<br />
Schließlich ruft die Erwähnung der Kirchengemeinde<br />
Erlebnisse mit Kirche, Repräsentanten<br />
der Kirche und Glaube in Erinnerung. Meist wird<br />
auch dabei nicht über den christlichen Glauben<br />
gesprochen, sondern über „äußere“ Ereignisse,<br />
oder ob es eine Pastorin gut gemacht hat oder<br />
jemand sich über den Pastor geärgert hat. Aber<br />
auch hier schwingen Vorstellungen, Erwartungen<br />
und Bedürfnisse mit, die die religiöse<br />
Ebene betreffen. Dieses kommt auch in dem<br />
Phänomen zum Ausdruck, den Mitarbeitende<br />
immer wieder erwähnen. Sie sind verwundert,<br />
welches Vertrauen ihnen von den Besuchten<br />
vielfach entgegengebracht wird. Ich bin der<br />
Überzeugung, dass die Menschen über die<br />
Repräsentanten der religiösen Einrichtung ihre<br />
„Lebensgeschichten“ in irgendeiner Weise auch<br />
einer göttlichen Macht erzählen.<br />
Alle diese all-täglichen Äußerungen liegen nun<br />
unverbunden, undifferenziert und unreflektiert<br />
nebeneinander. Wenn die Gesprächspartner/<br />
innen in der Lage sind, diese Äußerungen<br />
wahrzunehmen, sich auf diese angedeuteten<br />
Themen einzulassen, im besten Sinne neugierig<br />
aufeinander zu sein, kommt es zu einem wirklichen<br />
Austausch, von dem beide Seiten eine<br />
Menge lernen können.<br />
Worte und Bilder des Evangeliums<br />
ins Gespräch „ein-fallen“ lassen<br />
In diesem Austausch kann es dann auch zu<br />
„Ein-fällen“ Gottes kommen. Ganz im Sinne der<br />
anfangs gestellten Frage können Worte, Bilder<br />
und Geschichten der christlichen Tradition als<br />
Sprech-Hilfen in das Gespräch eingebracht<br />
werden, um eine Verblüffung zu bewirken im<br />
Sinne noch nicht gedachter Gedanken, noch<br />
nicht gesehener Bilder und noch nicht erzählter<br />
Geschichten.<br />
Ausgangspunkt ist das, was erzählt wird. Dazu<br />
kann es „Ein-fälle“ geben. Einer Mitarbeiterin<br />
fällt die Geschichte der „Auferweckung der Tabita“<br />
ein, einer anderen der Vers von Bonhoeffer<br />
„Von guten Mächten…“ 4 , mir selbst im Gespräch<br />
mit Frau Migge der Vers „Wir sehen jetzt durch<br />
4 s. Artikel „Wir haben nicht von Gott geredet…“ in diesem<br />
Heft und die Arbeitshilfe „Und wenn dich jemand bei<br />
Deinem nächsten Besuch fragt…“
einen Spiegel…“ aus dem 1. Korintherbrief<br />
und der Vers „Lehre uns bedenken, dass wir<br />
sterben müssen…“ aus dem 90. Psalm. Auf<br />
diese Weise kann es möglich sein, dass sich<br />
lebensgeschichtliche Erzählungen mit den<br />
Erzählungen von Gottes Geschichte mit uns<br />
Menschen neu miteinander verbinden. Da „fällt“<br />
dann Gott in die je individuelle Erzählung aus<br />
dem Leben „ein“ – neue Erzählungen entstehen<br />
in den alten Erzählungen.<br />
Das kann allerdings nur gelingen, wenn die<br />
Atmosphäre der Begegnung nicht von einer<br />
Mentalität des Überzeugungs- und Übereinstimmungswillens<br />
geprägt ist. Dieser Gefahr<br />
unterliegen wir als Repräsentanten der Kirche<br />
ja alle. Wir möchten gerne, dass andere unsere<br />
Überzeugungen teilen, dass wir in den Vorstellungen<br />
übereinstimmen. Dazu passt das Bild<br />
der „Post-Paket Kommunikation“: Ich möchte,<br />
dass das, was ich sende, ankommt und angenommen<br />
wird. Wesentlich wird es dagegen sein,<br />
eine Begegnungskultur zu entwickeln, die der<br />
„Blumenbeet-Kommunikation“ entspricht, die<br />
sozusagen in einem „neutralen“ Raum stattfindet,<br />
einem freien Raum. In ihm können ganz<br />
unterschiedliche Ideen und Überzeugungen zur<br />
Sprache kommen und die Gesprächspartner<br />
werden selbst herausfinden, was ihnen in ihrer<br />
je persönlichen Situation hilfreich ist. Je mehr<br />
sich Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> über ihre<br />
eigenen Überzeugungen, ihre Fragen und<br />
Zweifel, ihre Gewissheiten und Unsicherheiten<br />
im Klaren sind, um so leichter wird es ihnen<br />
fallen, diesen Freiraum zu ermöglichen und<br />
andere Überzeugungen und Einstellungen gelten<br />
zu lassen, sich vielmehr dadurch anregen<br />
zu lassen.<br />
In der Begegnung in einem solchen Freiraum<br />
kann sich dann ereignen, was Grözinger als<br />
eine willkommen heißende, eine begrüßende<br />
Gemeinde bezeichnet. 5 Menschen fühlen sich<br />
begrüßt und willkommen mit ihrer ganz individuellen<br />
Geschichte und Einstellung – auch<br />
was den Glauben und die Kirche angeht. Sich<br />
von Gott begrüßt und willkommen geheißen zu<br />
5 Grözinger, Leib Christi – Kirche als Organisation aus<br />
theologischer Perspektive, in WZM, Jg. 54, 2002, S.<br />
359-372<br />
wissen – ich glaube, dieses Bedürfnis steckt<br />
dahinter, wenn Menschen Repräsentanten der<br />
Kirche immer noch viel Vertrauen entgegen<br />
bringen. Denn in einer Welt, in der jedes Individuum<br />
unter dem Druck steht, das individuelle<br />
Leben selbst sinnvoll zu gestalten, steht neben<br />
dem Wunsch nach individuellem Freiraum<br />
gleichzeitig das Bedürfnis, dass das Leben<br />
einen haltenden (göttlichen) Rahmen hat. In<br />
einer Welt des Wählens möchten Menschen<br />
die Erfahrung machen, gewählt zu sein. Ein<br />
wesentlicher Gedanke auch für die Mitarbeitenden:<br />
Als Mitarbeitende bringen nicht sie Gott zu<br />
den Menschen, sondern Gott hat einen jeden<br />
Menschen bereits begrüßt, er ist uns immer<br />
schon voraus.<br />
Religiöse Kommunikation –<br />
eine „Kunst für alle“<br />
Eine religiöse Kommunikation in dieser Weise<br />
bedarf keines besonderen Wissens von Experten.<br />
Sie muss vielmehr zu einer „Kunst für alle“<br />
(Grözinger) 6 werden.<br />
Weil es darin um das „Ineinanderlesen von<br />
Gottesgeschichte und menschlicher Lebensgeschichte“<br />
geht, bedarf es Menschen, die<br />
selbst neugierig sind, ihre eigenen Lebenserzählungen<br />
im Lichte des Evangeliums sehen<br />
und deuten zu können. Eine solche religiöse<br />
Kommunikation ist ein gemeinsames Fragen<br />
und Suchen danach, wie Worte, Bilder und<br />
Geschichten der Bibel Sprech-Hilfen werden<br />
können, das Leben zu verstehen und zu deuten.<br />
Religiös kommunizierende Menschen in<br />
diesem Sinne sind Menschen, die sich auf das<br />
Fremde und das Andere einlassen können,<br />
„die Grenzen zu überschreiten vermögen, die<br />
Beziehungen herstellen können, Netze zu<br />
knüpfen verstehen“. Es sind Menschen, die sich<br />
auf offene Kommunikationsprozesse einlassen<br />
können, ohne zu wissen, was am Ende dabei<br />
herauskommt, in der Gewissheit, dass sie selbst<br />
und der Gesprächspartner nur davon profitieren<br />
können. Menschen in ihren Reihen zu haben,<br />
die dazu bereit sind - etwas Besseres kann<br />
keiner Kirchengemeinde passieren.<br />
6 und folgendes: Grözinger, Was geschieht in religiöser<br />
Kommunikation?, a.a.O.<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
9
hI n t e r g r ü n D e<br />
10<br />
Franziska Müller-Rosenau<br />
gl a u b e n fr a u e n a n D e r s?<br />
Franziska Müller-Rosenau<br />
Vielleicht schütteln Sie beim Lesen dieser<br />
Überschrift verständnislos den Kopf. ‚Glauben<br />
Frauen anders? Anders als wer? Und wer sind<br />
überhaupt die Frauen?’ In der Tat, allgemein<br />
lässt sich diese Frage nicht beantworten. Wenn<br />
ich im Folgenden doch ein paar eigene Beobachtungen<br />
beschreibe, so spreche ich nicht<br />
für die Frauen in den Gemeinden oder gar für<br />
die Frauen der ganzen Landeskirche, sondern<br />
skizziere einige Schlaglichter aus der Perspektive<br />
als Leiterin des Frauenwerks.<br />
Seit Jahren beobachten wir eine intensive Suchbewegung<br />
unter Frauen, die sich zeigt im gemeinsamen<br />
Bibelstudium, in der Freude an der<br />
neuen Bibelübersetzung der „Bibel in gerechter<br />
Sprache“, - inzwischen in der dritten Auflage<br />
verkauft - , und im Fernstudium Feministische<br />
Theologie. Wir beobachten eine Suchbewegung,<br />
die sich zeigt in Gebeten, Liedern, Tänzen<br />
und Körperbewegungen – vor allem also in Liturgie<br />
und im Interesse an biblischer Theologie.<br />
All dies sind Ausdrucksformen einer Suche nach<br />
einer Gottes-Sprache, die die Kraft hat, eigene<br />
existentielle Lebens- und Gotteserfahrungen<br />
von Frauen zur Sprache zu bringen. Frauen<br />
überdenken und studieren dabei das, was sie<br />
schon immer geschätzt und geliebt haben: die<br />
Bibel, den Gottesdienst und die Gemeinschaft.<br />
Indem sie ein vertieftes Verständnis ihrer eigenen<br />
spirituellen Erfahrungen entwickeln, wächst<br />
unter ihnen zugleich ein Verständnis der überlieferten<br />
Worte und Traditionen.<br />
Die Frage, um die es dabei letztlich geht,<br />
heißt: wie können wir heute angemessen von<br />
Gott reden? – Denn viele Frauen machen die<br />
Erfahrung, dass ihnen die geformte Sprache<br />
in der Kirche, in Gottesdienst, Verkündigung<br />
und Unterricht zu formelhaft und blutleer, zu<br />
abstrakt und realitätsfern vorkommt. Zu selten<br />
finden sie sich selbst darinnen wieder mit ihren<br />
Hoffnungen, Verwundungen und Wünschen, mit<br />
ihrem Glück und ihrem Kummer.<br />
Glauben Frauen anders? Ja, viele Frauen und<br />
auch manche Männer glauben in unserer Kirche<br />
inzwischen anders! Sie entdecken aufs Neue,<br />
dass Gott immer Gott übersteigt und tasten<br />
nach Worten, Liedern und Gesten, die „das<br />
Geheimnis des Lebens, das wir Gott nennen,<br />
als Erfahrenes benennen“ 1 (Dorothee Sölle).<br />
1 Dorothee Sölle, Es muss doch mehr als alles geben.<br />
Nachdenken über Gott, Freiburg, Basel, Wien, 3. Auflage<br />
Als wir kürzlich in einem Seminar das Nebeneinander<br />
verschiedener Gottesnamen diskutierten,<br />
überlegten einige Teilnehmerinnen, wie sie<br />
mit diesen neuen Namen Gottes, die sie inzwischen<br />
kennen gelernt hatten, umgehen wollten.<br />
Eine gewisse Verunsicherung war ihnen durchaus<br />
anzumerken. Sie würden es in Zukunft<br />
einfach einmal ausprobieren, sagten sie, wie<br />
es klänge von Gott als „die Ewige“, als „die<br />
Lebendige“, als „ der Herr“, oder als „Fels“ zu<br />
sprechen. Sie würden in verschiedenen Gruppen<br />
einmal verschiedene Namen und Anreden<br />
für Gott gebrauchen und darauf achten, wie es<br />
bei den anderen klingt und wirkt. Im Geiste sah<br />
ich meinen Theologieprofessor sich die Haare<br />
raufen! Als ob die Gottesprädikationen etwas<br />
so Beliebiges sein könnten! Müsste solch eine<br />
Entscheidung nicht theologisch begründet und<br />
hergeleitet werden. Im theologischen Seminar<br />
hätte ich mit diesen Überlegungen der Frauen<br />
keine Lorbeeren geerntet.<br />
Inzwischen bin ich allerdings davon überzeugt,<br />
dass mein Theologieprofessor etwas Neues<br />
dazulernen müsste: die kontextgebundene und<br />
narrative Struktur der Urteile von Frauen, wenn<br />
sie etwa die Frage nach dem Gebrauch von<br />
Gottesnamen davon abhängig machen, wie ihr<br />
Umfeld darauf reagiert, sollte nicht länger als<br />
eine intellektuelle Schwäche betrachtet werden,<br />
sondern vielmehr als Zeichen einer besonderen<br />
Reife 2 . Frauen begreifen sich selbst als eingebunden<br />
in ein Netz von Beziehungen, in dem<br />
die anderen in ihrer Eigenheit zu berücksichtigen<br />
sind. Frauen glauben anders, und Frauen<br />
treiben auch anders Theologie, das lerne ich<br />
beinahe jeden Tag neu in der Zusammenarbeit<br />
mit ihnen.<br />
Für den Besuch bei Frauen (wie im Übrigen<br />
auch bei Männern) in der Gemeinde oder am<br />
Krankenbett bedeutet dies, dass ich inzwischen<br />
anders hinhöre. Und vielleicht mag es auch für<br />
Sie eine Anregung sein, auf die Zwischentöne in<br />
neuer Weise zu achten. Vielleicht steckt hinter<br />
manchem Ärger, hinter manch einer Abwendung<br />
von der Kirche und raschen Erklärung, warum<br />
man nicht häufiger zum Gottesdienst gehe, die<br />
eine Frau im Gespräch vorbringt, auch ihre tiefe<br />
2003, S. 39<br />
2 Vgl. Kerstin Rödiger, Identität in geschlechterbewusster<br />
Theologie, in: Heike Walz, David Plüss (Hgg.),<br />
Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet, Wien,<br />
Berlin, 2008
Enttäuschung, dass sie innerlich den Kontakt zu<br />
den Bildern, Worten und Gesten des Glaubens,<br />
wie er in der Gemeinde gelebt wird, verloren hat.<br />
Vielleicht wartet sie auf Gesprächspartner, die<br />
Vor einigen Jahren fasste ein mit mir befreundeter<br />
Superintendent den Entschluss, alle<br />
<strong>Haus</strong>halte seines Pfarrbezirks zu besuchen.<br />
Er nahm das Vorhaben systematisch in Angriff.<br />
Nach Straßenzügen des Bezirks aufgeteilt,<br />
wurden die Gemeindeglieder im Vorfeld des<br />
Besuchs angerufen und nach einem möglichen<br />
Besuchstermin befragt. Das Ergebnis war beeindruckend:<br />
Alle Angerufenen waren zu einem<br />
Gespräch bereit.<br />
Auffallend bei den Erstkontakten war, dass<br />
Männer, wenn sie den Hörer nicht sofort nach<br />
diese Enttäuschung wahrnehmen können, ohne<br />
sie dafür zu tadeln, und die sensibel sind für<br />
kleine Zeichen einer eigenen Suchbewegung<br />
des Glaubens.<br />
Jens-Peter Kruse<br />
mÄ n n e r g l a u b e n a n D e r s<br />
Von den Chancen der Kirche, mit Männern ins Gespräch zu kommen<br />
der Vorstellung des Anrufenden „zuständigkeitshalber“<br />
an ihre Frau oder Lebensgefährtin<br />
weitergereicht hatten, nicht nur gelegentlich<br />
anmerkten: „Warum wollen Sie uns besuchen?<br />
Bei uns ist doch alles in Ordnung“. Für sie<br />
war offensichtlich die Vorstellung befremdlich,<br />
dass ein Vertreter der Kirche sie ohne Grund<br />
aufsucht. Nicht, dass sie den Kontakt mit ihrer<br />
Kirche grundsätzlich ablehnten, aber ohne<br />
Anlass musste er auch nicht sein. – Was hat<br />
diese Männer veranlasst, zurückhaltend und<br />
nachfragend auf das Gesprächsangebot zu<br />
reagieren? Warum verhielten sich diese Männer<br />
zunächst eher distanziert?<br />
Die Heiterkeit<br />
des Unbegrenzten<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
11
hI n t e r g r ü n D e<br />
12<br />
Jens Peter Kruse<br />
Männer möchten bedeutsam sein<br />
Ein Grund für die Zurückhaltung der Männer<br />
ist m. E. das Image der Kirche. Kirche, das ist<br />
für die Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland Diakonie: Eintreten für<br />
Schwache und Kranke, Arme und Gebrechliche,<br />
für Kinder und Alte. Männer, die auf Selbstständigkeit<br />
und Stärke Wert legen, sehen sich selbst<br />
nicht als Adressaten kirchlichen Handelns. Sie<br />
gehen davon aus, dass die Angebote der Gemeinde<br />
für andere hilfreich und auch nützlich<br />
sind: eben für Kinder, Bedürftige und Menschen<br />
mit Problemen.<br />
Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass<br />
Männer, die sich zur Kirche halten, von anderen<br />
Männern häufig als schwach angesehen<br />
werden. Wer zur Kirche geht, so denken viele,<br />
hat es nötig, ist auf Hilfe angewiesen. Männer<br />
aber wollen sich nicht helfen lassen, jedenfalls<br />
nicht offen erkennbar. Das ist ein Grund dafür,<br />
warum sie von kirchlichen Angeboten nur selten<br />
Gebrauch machen. Sie arbeiten mit, wenn sie<br />
für konkrete Vorhaben direkt angesprochen<br />
werden und ihre Kompetenz und Stärke gefragt<br />
sind. Überspitzt kann man formulieren: Männer<br />
gehen zur Kirche, wenn sie gebraucht werden,<br />
nicht, weil sie die Kirche brauchen. Sie suchen<br />
nicht die Beheimatung im Schoß von Mutter<br />
Kirche, sondern eher eine Herausforderung; es<br />
geht ihnen weniger um Geborgenheit als vielmehr<br />
um eine Aufgabe. Männern ist es wichtig,<br />
bedeutsam zu sein. Sie möchten sich als nützliches<br />
und wertvolles Glied einer Gemeinschaft<br />
erleben. Mit anderen Worten: Männer sind<br />
stärker handlungs- und erfolgsorientiert. Sie<br />
setzen sich gern tatkräftig für eine gute Sache<br />
ein und beteiligen sich am ehesten, wenn es<br />
um praktische Aufgaben oder öffentliche Belange<br />
geht. Männlicher Glaube möchte sich in<br />
sichtbaren Taten Ausdruck verleihen. Dafür aber<br />
bietet der gemeindliche Alltag in der Regel nur<br />
selten Gelegenheit.<br />
Männer lassen beten<br />
Es gibt einen weiteren Grund, der das Gespräch<br />
mit Männern über Fragen des Glaubens belastet:<br />
Männer fühlen sich auf diesem Terrain<br />
unsicher. Die heutigen Männer haben – wie<br />
bereits einleitend angedeutet – die Bereiche<br />
Kirche und Glaube häufig an ihre Partnerin<br />
delegiert. Es sind weder ihre Themen, noch<br />
messen sie den damit verbundenen Fragen<br />
eine größere Bedeutung zu. Für die Mehrheit<br />
der Männer sind Glaubensfragen eine private<br />
Angelegenheit, weder öffentlichkeits- noch<br />
alltagsrelevant. Sie mögen für die Erziehung<br />
der Kinder wichtig sein („Schließlich sollen sie<br />
einmal anständige Menschen werden“), im<br />
alltäglichen Lebenskampf und im Berufsleben<br />
aber sind sie eher hinderlich.<br />
Die Delegation des Religiösen an die Ehefrau<br />
oder Partnerin ist ein Phänomen der Neuzeit.<br />
Bis zum Beginn der Industrialisierung waren in<br />
den lutherischen Kirchen vor allem die Väter<br />
für die Weitergabe des Glaubens verantwortlich.<br />
Heute ist dies die Aufgabe der Mütter und<br />
Großmütter. Durch die Trennung von Beruf und<br />
Familie ist es zu einer Rollenteilung zwischen<br />
den Geschlechtern gekommen: Männer sind<br />
danach für den Beruf, den Lebensunterhalt<br />
der Familie und das öffentliche Leben zuständig;<br />
Frauen haben die Familie emotional zu<br />
versorgen, sind für das Private und Intime da.<br />
Da Religion und Kirche inzwischen „innen“ angesiedelt<br />
und zur Privatsache geworden sind,<br />
fallen sie in den Aufgabenbereich der Frauen.<br />
Dass diese Aufgabenzuweisungen trotz der<br />
erheblichen Veränderungen im Rollenarrangement<br />
auch heute noch gelten, lässt sich aus<br />
der Männerstudie „Männer im Aufwind“ ablesen.<br />
Die Untersuchung zeigt, dass die „neuen“ geschlechtersensiblen<br />
Männer sich keineswegs<br />
den religiösen Fragen öffnen. Das Gegenteil<br />
ist eher der Fall.<br />
Männer, die gelernt haben sich im öffentlichen<br />
Raum darzustellen, tun sich oft schwer mit dem<br />
intimen Glaubensgespräch – zumal mit einer<br />
fremden Person aus der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit,<br />
die in der Regel auch noch eine Frau ist. In<br />
einer solchen Situation fällt es ihnen leichter,<br />
sich über Sachthemen oder die beruflichen<br />
Herausforderungen zu unterhalten, als etwas<br />
Persönliches preiszugeben. Ihnen ist die in der<br />
kirchlichen Arbeit gepflegte Gesprächskultur, zu<br />
deren heimlichen Normen es gehört, persönlich<br />
zu reden, Betroffenheit zu zeigen und Gefühle<br />
zu äußern, eher unangenehm.<br />
Und doch ist auch bei Männern die Sehnsucht<br />
nach der sinnlichen Überschreitung der alltäglichen<br />
Lebenswirklichkeit nicht völlig verschüttet.<br />
Gerade in einer technologisch und<br />
ökonomisch dominierten, von Rationalität und<br />
emotionaler Kälte geprägten Lebenswelt wächst<br />
der Wunsch nach dem ganz Anderen, nimmt<br />
die Bereitschaft zu, sich dem Transzendenten,<br />
dem Göttlichen zu öffnen und über den persönlichen<br />
Glauben zu sprechen. Deshalb wäre es<br />
ein verhängnisvoller Fehler, die bei Männern<br />
immer wieder zu beobachtende Tabuisierung<br />
des Religiösen oder ihre Abstinenz gegenüber<br />
kirchlichen Angeboten als spirituelles Vakuum<br />
misszuverstehen. Auch Männer treibt die<br />
Sehnsucht, ihrem Leben Sinn und Orientierung<br />
zu geben. Sie werden darüber auch nur dann<br />
reden, wenn der Raum, der ihnen dazu geboten<br />
wird, geschützt ist und ihre religiöse Autonomie<br />
respektiert wird.
Was dem Männerleben Sinn gibt<br />
Den Fragen, was Männern für ihr Leben wichtig<br />
ist und ihnen am Herzen liegt, welche Rolle<br />
religiöse Fragen in ihrem Leben spielen und<br />
wie Männer Lebenssinn konstruieren, ging die<br />
Untersuchung „Was Männern Sinn gibt“ der<br />
Universität Bayreuth nach.<br />
Die Interviews spiegeln drei verschiedene<br />
Sinndimensionen wider, die sich nicht gegenseitig<br />
ausschließen, sondern häufig miteinander<br />
verbunden sind:<br />
1. Sinn ist für viele Männer zuerst und vor<br />
allem erarbeiteter Sinn. Das kann sich auf<br />
den Beruf, auf gelingende Partnerschaft<br />
und „geratene“ Kinder genauso wie auf<br />
Erfolge im Sport beziehen. Sinnvoll ist das<br />
Männerleben, wenn es zum Beispiel Erfüllung<br />
in einem befriedigenden und mit Erfolg<br />
verbundenen Beruf oder der Gründung einer<br />
Familie erfährt. <strong>Der</strong> erarbeitete Sinn begründet<br />
sich in der eigenen Lebensleistung.<br />
2. Eng damit verbunden ist der erlebte Sinn,<br />
der sich ebenso im Beruf und beim Sport,<br />
im Zusammensein mit Freunden, in der<br />
Partnerschaft, mit Kindern oder in der Natur<br />
einstellen kann. Sinn macht das Leben für<br />
Männer, wenn sie etwas Schönes erleben:<br />
gut essen und trinken, Musik genießen, die<br />
Zeit mit Freunden oder der Familie verbringen,<br />
ihr Hobby pflegen oder in der Natur<br />
wandern.<br />
3. Als dritte Dimension kommt der widerfahrene<br />
Sinn hinzu. Dabei geht es um häufig<br />
überraschende Ereignisse, die für die eigene<br />
Biographie positiv gedeutet werden, wie z.<br />
B. die Unterstützung und Förderung durch<br />
andere Menschen oder glücklich überstandene<br />
Unfälle. Einer der Befragten nennt<br />
beispielsweise seine Frau seinen „Sechser<br />
im Lotto“. <strong>Der</strong> zentrale Begriff, der hier in<br />
allen Interviews auftaucht, heißt Glück.<br />
Genannt werden glücklich überstandene<br />
Unfälle und Operationen und positiv gedeutete<br />
Erlebnisse, die im Übrigen selten<br />
mit Gott in Verbindung gebracht werden.<br />
Auffallend ist: In den drei Sinndimensionen<br />
werden grundsätzlich nur positiv gedeutete<br />
Phänomene zusammengefasst. Krisen,<br />
Krankheiten, berufliches Scheitern, der<br />
nahende Tod in den Gesprächen mit den<br />
alten Männern, dies alles taucht in den<br />
Schilderungen auf, wird aber nicht als<br />
sinnvoll für das eigene Leben beschrieben.<br />
Bei den Krisen geht es vielmehr um<br />
Projektion<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
13
hI n t e r g r ü n D e<br />
14<br />
<strong>Der</strong> Gedanken Stille<br />
das, was Männer daraus lernen können,<br />
um dann einen Haken dran zu machen<br />
und sich wieder dem Leben zuzuwenden.<br />
Aus der Art und Weise wie die Männer über<br />
ihr Leben nachdachten, ließen sich, unabhängig<br />
von den konkreten Gegenständen,<br />
eine Reihe von Haltungen gegenüber dem<br />
Leben – die Studie nennt sie Leitmotive<br />
männlichen Handelns - herausfiltern:<br />
• Das Leben wird häufig als Kampf gegen widrige<br />
Umstände oder gegen den Widerstand<br />
von Menschen verstanden. Wer durchgehalten<br />
hat und dabei Erfahrungen gewonnen<br />
hat, verbucht das Ergebnis anschließend in<br />
der Regel positiv als erarbeiteten Sinn.<br />
• Entgegen dem Klischee, Männer seien Beziehungsmuffel,<br />
ist neben dem Kampf das<br />
Leitmotiv Beziehung für fast alle befragten<br />
Männer von großer Bedeutung. Für viele ist<br />
dabei „Rückhalt und Anerkennung durch andere<br />
Menschen“ in der Familie, bei Freuden<br />
oder im Beruf entscheidend.<br />
• Das Leitmotiv Lernen und Abenteuer realisiert<br />
sich in der Suche nach beruflicher<br />
Herausforderung, in der Ablehnung von<br />
Langeweile und Routine und oft auch in der<br />
Wahl von Hobbys oder in der Leidenschaft<br />
für Reisen. Und das Leitmotiv Kreativität<br />
macht deutlich, dass Männer ihr Leben<br />
schöpferisch gestalten und nicht nur in ausgetretenen<br />
Bahnen verbringen möchten.<br />
Die drei Leitmotive „Beziehung“, „Lernen und<br />
Abenteuer“ und „Kreativität“ werden von positiven<br />
Untertönen getragen und häufig als<br />
erlebter Sinn markiert. Dem steht das Leitmotiv<br />
„Leben als Kampf“ gegenüber, das von den<br />
Erfahrungen der harten Seiten des Lebens gespeist<br />
wird. Die meisten Männer glauben, dass<br />
sie – trotz Unterstützung durch ihr Umfeld, ihre<br />
Partnerin und ihre Familie – sich in Krisensituationen<br />
allein „durchbeißen“ müssen und sich<br />
dem „alltäglichen Kampf“ zu stellen haben. Fast<br />
alle sind von einem Lebensgefühl getragen, das<br />
dem „einsamen Wolf“ nahe kommt.<br />
Begegnung auf Augenhöhe<br />
Um es vorweg zu sagen: Männer neigen dazu,<br />
sich einer Fremdbestimmung zu entziehen. Ihnen<br />
ist es wichtig, dem Leben – und vor allem<br />
den Mitmenschen – nicht ausgeliefert zu sein,<br />
sondern ihnen als eigenständige, unabhängige<br />
Person gegenübertreten zu können.
Dass sich der Wunsch nach Selbstbestimmung<br />
nicht immer verwirklichen lässt, wissen Männer<br />
aus Erfahrung. Vor allem die Berufswelt,<br />
aber auch Teile des Familienlebens werden<br />
von ihnen als fremdbestimmter Lebensbereich<br />
wahrgenommen. Hier haben sie durchgängig<br />
das Gefühl, in einer Welt zu agieren, in der sie<br />
in erster Linie Anforderungen zu erfüllen haben<br />
und sich an Regeln anpassen müssen, die nicht<br />
ihre eigenen sind.<br />
Dieser „Welt“ stellen sie ihre „Gegenwelt“ gegenüber.<br />
Es ist der Ort der kleinen Fluchten,<br />
der Bereich der Selbstbestimmung und Zurückgezogenheit,<br />
in dem sie Kraft tanken für<br />
die Anforderungen in der „Welt“. Leider zählen<br />
die befragten Männer die Kirche nicht zur „Gegenwelt“.<br />
Weil die Kirche als nicht wirklich gesprächsfähig<br />
wahrgenommen wird, kommt sie<br />
als Ort der Selbstbestimmung für viele Männer<br />
nicht in Frage. Kirche ist für sie nicht ein Ort der<br />
Freiheit, sondern eine Stätte der Bevormundung<br />
und des Zwangs.<br />
Wenn Männer von Begegnungen mit der Kirche<br />
erzählen, machen sie ihre negativen Urteile<br />
in der Regel an Situationen fest, in denen sie<br />
die Erfahrung machen mussten, bevormundet<br />
zu werden. Männer wollen – wenn sie schon<br />
bereit sind, in das Gespräch mit der Kirche<br />
einzutreten – ihre Gedanken und Vorstellungen<br />
auf „Augenhöhe“ mit dem kirchlichen „Bodenpersonal“<br />
diskutieren können. Sie fühlen sich<br />
sehr wohl spirituell kompetent. Doch legen sie<br />
hohen Wert darauf, ihre religiösen Erfahrungen<br />
selbst bestimmt zu gestalten und ihnen ihre<br />
eigene männliche Stimme zu geben.<br />
Interessant ist, dass von den meisten der befragten<br />
Kirchenmitglieder ein Kirchenaustritt<br />
nicht in Erwägung gezogen wird. Sie wollen vor<br />
allem um der Kinder willen in der Kirche bleiben.<br />
Denn Kirche ist – so einer der Befragten – für<br />
die moralische Entwicklung der Kinder „genau<br />
so wichtig wie Lebertran oder Spinat für ihre<br />
Gesundheit“. Die meisten der Befragten aber<br />
können für sich gut und gerne auf die Angebote<br />
der Kirche verzichten.<br />
Auch ist der Glaube an einen persönlichen Gott<br />
vielen Männern fremd. „Die Vorstellung eines<br />
Gottes, der in das individuelle Leben schützend<br />
und führend eingreift, wird im ganzen Materialpool<br />
nur von zwei Personen vertreten“, heißt<br />
es in der Studie. Die Studie resümiert als Gesamtbild,<br />
das sich aus dem Material ergibt: „Es<br />
ist das Bild einer sich religiös pluralisierenden<br />
Welt, in der sich weltanschaulich kompetent<br />
fühlende Männer ... Ansprüchen einer Institution<br />
entziehen, der sie nicht oder nur noch in Gestalt<br />
einzelner charismatischer Vertreter vertrauen,<br />
und deren möglicher Nutzen zwar für die meisten<br />
noch die Entrichtung einer Kirchensteuer,<br />
aber kein persönliches Engagement mehr lohnt,<br />
geschweige denn erforderlich macht.“<br />
Sich mit Männern auf den Weg<br />
machen<br />
Und doch bietet die Studie Ansatzpunkte, mit<br />
Männern ins Gespräch zu kommen. Männer<br />
beschreiben in den Interviews ihre Kompetenzen<br />
und Begabungen, benennen aber auch<br />
Unfähigkeiten und Grenzen. Und sie wissen,<br />
dass Sinn nicht nur erarbeitet werden kann,<br />
sondern einem auch widerfährt. Die eigene<br />
Leistung wird also im Zusammenhang mit<br />
anderen förderlichen Faktoren und glücklichen<br />
Umständen wahrgenommen. Wo die Vielfalt<br />
der mitwirkenden Faktoren beachtet wird, ist es<br />
möglich, zusammen mit der Freude über den<br />
Erfolg und dem Stolz auf die eigene Leistung<br />
ein Gefühl von Dankbarkeit zu entwickeln – eine<br />
Dankbarkeit, zu der sich die Mitarbeiter der<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit und die besuchten Männer<br />
gegenseitig anstecken könnten.<br />
Die Erfahrung in der Männerarbeit ist: Wo<br />
Männer ihre eigene Stärke spüren und mit<br />
sich in Kontakt sind, werden sie auch offen für<br />
andere, unangenehmere Themenbereiche. So<br />
können sich z. B. bei einer Bergtour, intensive<br />
Gespräche „über das Aufsteigen und Absteigen<br />
als wichtige Erfahrungen im Männerleben“ entwickeln.<br />
In solch intimen und vertrauten Runden<br />
ist eine Annäherung an die Schattenseiten des<br />
Männerlebens möglich. Um die Kraft, die in der<br />
Schwäche liegt, zu erfahren, braucht es bei<br />
Männern in der Regel eine längere Wegstrecke.<br />
Vielen wird die Annäherung an das Kreuz Jesu<br />
oft erst durch leidvolle persönliche Erfahrungen<br />
z.B. durch eine plötzliche Arbeitslosigkeit, eine<br />
gescheiterte Beziehung oder überraschende<br />
Krankheit möglich. In einer solchen Situation ist<br />
es wichtig, dass Menschen in der Nähe sind, die<br />
die Bereitschaft zum Zuhören mitbringen.<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
15
hI n t e r g r ü n D e<br />
16<br />
Gert Stührmann<br />
mu s s I c h D e n n s a g e n,<br />
D a s s I c h v o n D e r KI r c h e K o m m e ?<br />
<strong>Der</strong> Prozess der Mitarbeitenden<br />
Nach unseren Erfahrungen spielt das Thema<br />
„Wie halte ich es mit der Religion“ in den <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen<br />
von Anfang an eine Rolle<br />
und verliert auch nicht an Relevanz, aber der<br />
Zugang dazu verändert sich.<br />
1. Unsicherheit und Widerstand bei<br />
„Glaubens-Sachen“<br />
Es ist ein Phänomen, dass beim Aufbau eines<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es beim ersten Treffen der möglichen<br />
Mitarbeitenden, dieses Thema fast immer<br />
eine Rolle spielt: „Was ist, wenn ich auf den<br />
Glauben angesprochen werde?“ Auch wenn<br />
Mitarbeitende noch keine klare Vorstellungen<br />
von ihrer Tätigkeit haben, so spüren sie doch<br />
intuitiv: Wenn ich im Namen der Kirchengemeinde<br />
Besuche mache, dann kann dieses Thema<br />
eine Rolle spielen.<br />
Im Grunde wissen sie, dass die Besuche im<br />
Auftrag der Kirchengemeinde noch eine andere<br />
Dimension haben als die Besuche, die sie als<br />
Nachbarn oder Freunde machen.<br />
1.1. „Also beten, das mache ich<br />
nicht“<br />
Mitarbeitende, die sich diese Tätigkeit für<br />
sich vorstellen können, haben eine Phantasie<br />
davon, was Menschen, die besucht<br />
werden, von einem Besuch von der Kirche<br />
erwarten. In ihren Vorstellungen gehen sie<br />
davon aus, dass auch für die Besuchten der<br />
Besuch von der Kirche kein „normaler“ Besuch<br />
ist. Durch diesen Besuch wird bei den<br />
Besuchten eine Ebene angesprochen, die<br />
durchaus als religiöse Dimension bezeichnet<br />
werden kann.<br />
Aus den Äußerungen kann man schließen,<br />
dass sich die Mitarbeitenden vorstellen, dass<br />
Menschen sich mit Fragen des Glaubens<br />
beschäftigen und womöglich dafür einen<br />
Gesprächspartner/in suchen. Es ist ja auch<br />
nicht abwegig, dass bei Geburtstagsbesuchen<br />
die Frage nach der Kirche auftaucht<br />
und Mitarbeitende das Gefühl haben, Rede<br />
und Antwort stehen zu müssen. Oder taucht<br />
da vielleicht auch die Sinnfrage auf, oder<br />
gar die Frage nach der Endlichkeit des Lebens,<br />
gerade wenn alte Menschen besucht<br />
werden? Und vielleicht begegne ich ja auch<br />
Menschen, die fest in der Kirche beheimatet<br />
sind und mit den Mitarbeitenden spirituelle<br />
Praxis erwarten, in der Bibel zu lesen, wie<br />
das Singen eines Liedes oder das Sprechen<br />
eines Gebetes. Manche Phantasien können<br />
da möglichen Mitarbeitenden durch den Kopf<br />
gehen, wenn sie daran denken, Besuche im<br />
Auftrag der Kirche zu machen.<br />
1.2. „Ich weiß nicht, ob ich fromm<br />
genug bin?“<br />
Im Blick auf den Träger der Arbeit, der Kirchengemeinde,<br />
gibt es in gleicher Weise<br />
Phantasien, wie diese Aussage zeigt. Bin<br />
ich fromm genug – dahinter scheint der<br />
Gedanke zu stecken, dass der Auftraggeber<br />
Kirche eine bestimmte Vorstellung von<br />
Mitarbeitenden im <strong>Besuchsdienst</strong> hat, was<br />
die Frömmigkeit angeht. Wie gesagt, es sind<br />
Phantasien der möglichen Mitarbeitenden.<br />
„Ich weiß nicht, ob ich fromm genug bin“,<br />
„Ich kenne mich aber nicht so gut in der<br />
Bibel aus“, „Missionieren möchte ich aber<br />
nicht.“ – in diesen Aussagen spiegelt sich<br />
die Befürchtung wider, dass die Leitung der<br />
Kirchengemeinde ganz bestimmte Vorstellungen<br />
an einen Mitarbeitenden im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
hat, auch was die Thematisierung<br />
des Glaubens angeht. Frömmigkeit wird<br />
erwartet, wobei gar nicht so deutlich ist, was<br />
damit eigentlich gemeint ist, reiche Kenntnis<br />
der Tradition, zumindest, was die Bibelkenntnis<br />
angeht, und schließlich die Vorstellung,<br />
Menschen für den Glauben zu gewinnen,<br />
also zu missionieren. Und schließlich gibt es<br />
auch die Phantasie, wie das Zitat im ersten<br />
Abschnitt andeutet, sich in der spirituellen<br />
Praxis zu <strong>Haus</strong>e zu fühlen.<br />
Es spielt zunächst einmal keine Rolle, ob das<br />
der Realität entspricht, aber nach unseren<br />
Erfahrungen beschäftigen sich mögliche<br />
Mitarbeitende mit diesen Gedanken.<br />
1.3. „Dann schicke ich den Pastor“<br />
So eine Reaktion einer Mitarbeiterin, als eine<br />
andere die Frage stellte, was sie machen<br />
solle, wenn das Gespräch auf den Glauben<br />
kommt. <strong>Der</strong> Widerstand ist deutlich spürbar,<br />
sich selbst einem Gespräch mit diesem Thema<br />
zu öffnen. Neben den Erwartungen die
ei den Besuchten wie bei dem Auftraggeber<br />
vermutet werden, spielt die eigene Einschätzung<br />
eine ebenso bedeutende Rolle. In der<br />
Beschäftigung mit dieser Frage spüren die<br />
möglichen Mitarbeitenden, dass sie selbst<br />
ungeübt sind, wenn es um religiöse Themen<br />
geht. Sie sind es nicht gewohnt und es haftet<br />
diesem Thema auch ein gewisses Tabu an:<br />
Darüber spricht man nicht, das gehört eher in<br />
die Privatsphäre. So sehen sich Mitarbeitende<br />
selbst, es ist ihnen selbst unangenehm<br />
darüber zu reden, sie befürchten nicht die<br />
richtigen Worte zu finden, schon gar nicht<br />
sind sie geübt darin, mit anderen zu beten<br />
oder zu singen. Zusammengefasst könnte<br />
man sagen, Mitarbeitende haben selbst die<br />
Befürchtung, in solchen Situationen sprachlos<br />
zu sein.<br />
Die Unsicherheit bis hin zu einem Widerstand,<br />
was dieses Thema angeht, rührt also aus<br />
Erwartungen in dreierlei Hinsicht: die Erwartungen,<br />
die jemand bei den Besuchten, wie<br />
bei dem Träger der Arbeit vermutet, als auch<br />
die Erwartungen, die im Kontakt mit sich selbst<br />
entstehen. Es sind in der Phantasie sehr hohe<br />
Erwartungen. So ist es häufig: Wenn jemand<br />
auf etwas Neues zugeht und ohne Erfahrung<br />
ist, neigt er dazu, alles viel größer in der Phantasie<br />
zu machen, als es dann in der Realität ist.<br />
Zunächst gilt es, die Phantasien der Mitarbeitenden<br />
herunterzuschrauben und der Realität<br />
anzupassen. Gleichzeitig geht es aber darum,<br />
deutlich zu machen, dass an diesen Phantasien<br />
auch etwas Wahres dran ist. Denn die Mitarbeitenden<br />
spüren instinktiv, dass es ein anderer-<br />
Besuch wird, sobald gesagt wird: Ich komme<br />
vom <strong>Besuchsdienst</strong> der Kirchengemeinde.“<br />
In der Begrüßung liegt schon der Ansatz der<br />
religiösen Dimension, liegt die Chance, dass<br />
auch diese Dimension in der Begegnung zum<br />
Tragen kommt.<br />
2. Ahnung und Aufmerksamkeit für<br />
religiöse Ebenen des Gesprächs<br />
Aber wie gesagt: Die Dramatik die phantasiert<br />
wird, spiegelt sich in den ersten Begegnungen<br />
nicht wider. Denn zunächst einmal sind es ganz<br />
normale Besuche, entwickeln sich ganz normale<br />
Gespräche. Die Befürchtung, es könnte<br />
sofort die religiöse Dimension angesprochen<br />
werden, bewahrheitet sich nicht. Die Frage,<br />
die sich vor dem Beginn der Tätigkeit mitunter<br />
so vehement in den Vordergrund drängt, rückt<br />
in den Hintergrund. Die erste Phase dient der<br />
Kontaktaufnahme, und da, wo ein regelmäßiger<br />
Kontakt entsteht, entwickelt sich eine Beziehungsgestaltung.<br />
Gerade da, wo Beziehungen entstehen und<br />
wachsen, machen die Mitarbeitenden die Erfah-<br />
rung, dass die Gespräche eine tiefere Dimension<br />
erreichen. Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong>,<br />
so formulierte es Dieter Große gern, können<br />
davon ausgehen, dass sie mit dieser tieferen<br />
Ebene auch die religiöse Ebene erreicht haben.<br />
Es ist die Zeit, in der Mitarbeitende feststellen,<br />
dass sich die Gespräche dann doch deutlich von<br />
„normalen“ Besuchen unterscheiden. Viele Mitarbeitende<br />
spüren es, ohne es richtig in Worte<br />
fassen zu können. Es ist etwas anderes, als<br />
wenn sie als Nachbarin jemanden besuchen,<br />
ohne genau sagen zu können, was es genau<br />
ist. „Aber es macht einen Unterschied aus, ob<br />
ich als Nachbarin oder von der Kirche komme.<br />
Die Menschen sind offener, erzählen mehr.“<br />
Es sind dann häufig Redewendungen, die die<br />
Funktion von Religion übernehmen: „Da kann<br />
man eben nichts machen“; „Hoffentlich geht’s so<br />
noch ein paar Jahre“. Da wird dann erzählt aus<br />
dem Leben und die Erzählung bekommt den<br />
Charakter einer Art Lebensbilanz. „Wenn ich<br />
sage, ich komme von der Kirche, dann denken<br />
die, Gott ist irgendwie dabei und dann erzählen<br />
sie anders, Dinge, die sie sonst nicht erzählen<br />
würden.“ So formulierte es eine Mitarbeiterin.<br />
Mit der steigenden Erfahrung bei Besuchen,<br />
nimmt auch die Sensibilität zu, in der Begegnung<br />
auch die religiöse Ebene wahrzunehmen.<br />
Es ist häufig eher eine Ahnung die dann in der<br />
Reflexion in der Gruppe zu Bemerkungen führt<br />
wie „Am Ende hatte ich das Gefühl, da hätte<br />
auch ein ‚Vater unser’ gut getan.“<br />
Mit dem Bewusstwerden dieser Ahnung wächst<br />
nach unserer Erfahrung auch die Neugierde<br />
an diesem Thema. Und zwar deshalb, weil die<br />
religiöse Ebene nicht wie ein „Überfall“ über<br />
einen kommt, sondern weil sie sich entwickelt in<br />
der Begegnung zweier Menschen in einem Begegnungsraum,<br />
der deutlich als ein „<strong>kirchlicher</strong>“<br />
und damit religiöser Raum gekennzeichnet ist.<br />
Interessant wird dieses Thema aber auch deshalb,<br />
weil die Besuchenden auch für sich selbst<br />
neugierig werden.<br />
3. Wachsende Neugier und Interesse<br />
am eigenen Glauben<br />
Mit der Neugierde wächst dann auch das<br />
Interesse, mehr Sicherheit in der Herangehensweise<br />
an dieses Thema zu gewinnen. Wir<br />
stellen jedenfalls fest, dass schon seit einigen<br />
Jahren besonders die Fortbildungen, die sich<br />
mit dem Thema, in welcher Weise der Glaube<br />
in Gesprächen angesprochen werden kann,<br />
beschäftigen, besonders gefragt sind. Die Motivation<br />
besteht darin, sich selbst zu vergewissern<br />
und im Austausch mit anderen, die Scheu zu<br />
verlieren, mit anderen auch über Fragen des<br />
Glaubens ins Gespräch zu kommen. Es stecken<br />
Erfahrungen dahinter, die Mitarbeitende bei den<br />
Besuchen gemacht haben, aus denen heraus<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
17
hI n t e r g r ü n D e<br />
18<br />
Lichteinfall<br />
sie für die Besuchten ein kompetentes Gegenüber<br />
sein möchten, mit dem sie auch über<br />
die „Dinge“ des Glaubens sich austauschen<br />
können. Dabei verlieren sich die Kategorien<br />
von „richtig“ und „falsch“ und gehen eher in<br />
Richtung von „mutig“ und „selbstsicher“. Denn<br />
das wird in diesen Fortbildungen und in den<br />
Gesprächen von Mitarbeitenden sehr deutlich,<br />
dass es nicht nur um die Erfüllung der Erwartung<br />
anderer geht, sondern dass sie selbst von<br />
diesem Austausch und den Gesprächen über<br />
den Glauben profitieren.<br />
Was am Anfang als eine unüberwindliche Mauer<br />
erscheint, entwickelt sich mit den Erfahrungen<br />
in den Begegnungen mit Menschen zu etwas,<br />
was Interesse und Neugierde weckt bis hin zu<br />
dem Wunsch, dieses Thema auch aktiv einzubringen.<br />
Nicht im Sinne, dem Gegenüber etwas<br />
überzustülpen, sondern die Sensibilität dafür zu<br />
entwickeln, was das Gegenüber selbst an einer<br />
religiösen Dimension in das Gespräch einbringt,<br />
um sich auch dafür als Gesprächspartner/in<br />
anzubieten.<br />
Man könnte es vielleicht auch so formulieren:<br />
Die Energie und das Potential, das zu Beginn in<br />
der Unsicherheit und im Widerstand gebunden<br />
ist, verwandelt sich mit den Erfahrungen in die<br />
Energie, mit der sich Mitarbeitende mit Neugier<br />
auf das Thema „Glauben“ richten und sich auch<br />
da selbst weiterentwickeln möchten.<br />
Neben dem Faktor, dass sich die zunächst<br />
überhöhten Phantasien der Realität anpassen,<br />
geschieht unseres Erachtens, dass sich die<br />
Mitarbeitenden immer mehr mit ihrer Tätigkeit<br />
identifizieren. So erleben sie die Kirchengemeinde<br />
nicht mehr als eine Organisation, die<br />
Erwartungen an sie heranträgt, sondern erleben<br />
sich selbst als ein Teil dieser Organisation und<br />
teilen deren Ziele. Die guten Beziehungen zu<br />
den Besuchten führen dazu, dass sie ihnen<br />
auch auf dem Themengebiet des Glaubens<br />
ein guter Gesprächspartner sein wollen. Und<br />
schließlich erleben sie sich selbst als „religiöse“<br />
Menschen, die aus der Beschäftigung und Auseinandersetzung<br />
mit den Fragen des Glaubens<br />
großen Gewinn ziehen.<br />
4. Prozess zunehmender eigener<br />
Sicherheit und Zutrauen<br />
Im Grunde zeigt sich in diesen Erläuterungen,<br />
dass sich die Frage, wie die religiöse Dimension<br />
in den Begegnungen zum Tragen kommt, ähnlich<br />
zu den Fragen verhält, wie der Besuchende<br />
überhaupt in Kontakt zum Besuchenden kommt,<br />
und, wie beide zu einem Thema finden. Auch da<br />
türmen sich mitunter Fragen wie hohe Berge<br />
auf bei Mitarbeitenden, die noch keinen Besuch<br />
gemacht haben. Und genauso lösen sich die<br />
Fragen auf: sich bewusstmachen, was an der<br />
Tür passiert, was in der ersten Begegnung<br />
geschieht, einüben unter Gleichgesinnten, sich<br />
sensibel zeigen, was das Gegenüber möchte.<br />
Auf diese Weise öffnet sich die Tür, weil die<br />
Atmosphäre stimmt, finden die Gesprächspartner<br />
ein Thema, weil sich eine Beziehung<br />
entwickelt, ergibt sich ein Gespräch auch auf<br />
der religiösen Ebene, weil Vertrauen gewachsen<br />
ist. Es gibt dafür kein Rezept, es entwickelt<br />
sich im Prozess der Kontaktaufnahme und der<br />
Beziehungsgestaltung und dem gegenseitigen<br />
Einfühlungsvermögen.
Können wir auch mit und bei Besuchen Gottesdienst<br />
-Gottes Dienst an uns und unser Dienst<br />
für Gott- erleben und feiern?<br />
Gemeindegottesdienste sind liturgisch in vier<br />
Teile gegliedert:<br />
1. Eröffnung und Anrufung,<br />
2. Verkündigung und Bekenntnis,<br />
3. Abendmahl,<br />
4. Sendung und Segen<br />
Dieser Struktur liegen menschliche Erfahrungen<br />
zugrunde, die mit den liturgischen Elementen<br />
aufgenommen und erhellt werden. Auch in alltäglicher<br />
Begegnung finden sich diese Grunderfahrungen<br />
wieder:<br />
1. Sich sammeln. Wir kommen an, begrüßen<br />
uns, begegnen uns wieder oder nähern<br />
uns erstmalig einander an. Diese<br />
Schritte finden meist im Foyer, im Flur,<br />
im Stehen statt und sind von Gesten<br />
des Willkommenheißens begleitet.<br />
2. Orientierung finden. Wir vertiefen den<br />
Kontakt, indem wir uns mitteilen, uns<br />
informieren, miteinander ins Gespräch<br />
kommen. Das Wohnzimmer oder der<br />
Küchentisch als Orte laden ein, vertraut<br />
miteinander zu werden und Zeit zu<br />
haben.<br />
3. Gemeinschaft erfahren. Sich einladen<br />
lassen, etwas zum Essen und Trinken<br />
zu reichen und einzuschenken und miteinander<br />
Essen und Trinken zu teilen,<br />
verbindet und stärkt.<br />
4. Sich senden lassen. Wir bereiten das<br />
Auseinandergehen vor, verabreden<br />
uns, sprechen Wünsche aus und verabschieden<br />
uns. Auch hier, oft schon<br />
im Gehen, unterstützen Gesten den<br />
Abschied.<br />
Unsere Besuche spiegeln diese Grunderfahrungen<br />
ebenfalls wider. Bei aufmerksamem<br />
Wahrnehmen des Besuchsgeschehens lassen<br />
sich Worte und Gesten entdecken, die an<br />
gottesdienstliche Strukturen und Elemente<br />
erinnern.<br />
Ich komme im Auftrag der Kirche<br />
Eröffnung und Anrufung<br />
Sie konnte nicht mehr zum Gottesdienst in die<br />
Kirche kommen. Als ich sie besuchte, lag sie auf<br />
ihrer Couch. Sie kannte mich als Mitglied der<br />
Kirchengemeinde. Schnell wollte sie aufstehen,<br />
sich schön und angemessen anziehen. So hat<br />
sie es jahrzehntelang getan, wenn sie sich auf<br />
den Weg zur Kirche machte. Die innere und<br />
äußerliche Vorbereitung für den Gottesdienst<br />
war ihr wichtig. Jetzt fällt ihr das Anziehen<br />
schwer, aber das Bedürfnis nach Vorbereitung<br />
ist geblieben. Wenn ich sie besuche, ist es uns<br />
beiden bewusst, dass ich nicht als Nachbarin<br />
oder Freundin komme. Ich komme im Auftrag<br />
der Kirche, als Stellvertreterin der Gemeinde.<br />
Mein Besuch ist ein Zeichen, dass Gott sie<br />
nicht nur in der Kirche, sondern auch Zuhause<br />
besucht. Es ist deutlich, in wessen Namen wir<br />
diese Stunde des Besuchs zusammen sind.<br />
Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem<br />
Namen, da bin ich mitten unter ihnen. So wie<br />
im Gottesdienst am Sonntag: Wir feiern diesen<br />
Gottesdienst im Namen des Vaters, des Sohnes<br />
und des Heiligen Geistes.<br />
Gott war gegenwärtig im Erinnern<br />
Psalmlesung<br />
Beim Betreten des Wohnzimmers fiel der Blick<br />
auf ein großes Gemälde, ein Dorf im Schnee,<br />
mittendrin die Kirche. „Meine Heimat, Oberschlesien“,<br />
ihre Augen fingen an zu leuchten.<br />
Und dann reihte sie eine Geschichte an die<br />
andere: Kleine Anekdoten, gefühlvolle Szenen,<br />
traurige und witzige Episoden. Sie blühte auf,<br />
die Frau, die mich in depressiver Stimmung<br />
empfangen hatte. Erinnern tut gut. Wie in den<br />
Psalmen der Bibel. Lobe den Herrn, meine<br />
Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan<br />
hat. <strong>Der</strong> dir alle deine Sünde vergibt und<br />
heilt all deine Gebrechen, der dein Leben vom<br />
Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade<br />
und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich<br />
macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.<br />
Marianne Storz<br />
„wIr h a b e n n I c h t v o n go t t g e r e D e t,<br />
a b e r e r w a r m I t t e n u n t e r u n s “<br />
<strong>Der</strong> Besuch – ein Gottesdienst?<br />
Marianne Storz<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
19
hI n t e r g r ü n D e<br />
20<br />
<strong>Der</strong> Psalmbeter wusste, dass Erinnerung stärkt,<br />
darin, dass mein Leben nicht vergeblich war,<br />
dass ich es bis hierher geschafft habe, dass<br />
ich einen großen Schatz an Erfahrungen mit<br />
mir trage. Wir haben keinen Psalm gesprochen,<br />
aber Gott war gegenwärtig im Erinnern.<br />
Leben im Rückblick<br />
– mit Klage und Lob<br />
Kyrie eleison und Gloria<br />
Wir saßen über Eck an ihrem Küchentisch.<br />
Plötzlich ergriff sie meine beiden Hände, zog<br />
mich ein wenig zu sich heran und fing wieder<br />
an, von damals zu erzählen. Wie ihr das Neugeborene<br />
auf der Flucht starb und sie es zurücklassen<br />
musste, von der erfahrenen Gewalt und<br />
der Feindseligkeit, die ihnen als Flüchtlingen<br />
entgegenschlug. „Meine Kinder wollen das alles<br />
nicht mehr hören, sie sagen, ich solle es vergessen,<br />
aber das kann ich nicht, vor allem nicht die<br />
Trauer und die Angst.“ Im Laufe der Jahre hat<br />
sie mir viele ihrer traumatischen Erfahrungen<br />
anvertraut, meist mit den gefassten Händen.<br />
Wie ein Gebet, wie eine Litanei: Wieder und<br />
wieder erzählt. Kyrie eleison – Herr erbarme<br />
dich, Christe eleison – Christus erbarme dich,<br />
Kyrie eleison – Herr erbarme dich. Meinem Gefühl<br />
nach hätte es oft mehr als dieses unausgesprochene<br />
dreimalige Kyrie eleison gebraucht,<br />
um all das Erlebte zu bewältigen. Und oft hatte<br />
wunderbarerweise das Andere wieder Raum:<br />
Die Dankbarkeit für die neue Heimat, dass aus<br />
den Kindern und Enkeln etwas Ordentliches<br />
geworden war, dass sie mit ihrem O. noch die<br />
Goldene Hochzeit feiern konnte, „dafür sage ich<br />
meinem Herrgott jeden Abend danke. Und nun<br />
warte ich nur darauf, dass ich endlich meine<br />
Rückfahrkarte zu ihm einlösen darf.“ Allein Gott<br />
in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade,<br />
darum, dass nun und nimmermehr uns rühren<br />
kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns<br />
hat, nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd<br />
hat nun ein Ende. Leben im Rückblick –mit<br />
Klage und Lob.<br />
Plötzlich fiel mir eine Geschichte ein<br />
Verkündigung und Bekenntnis<br />
Sie hatte mir viel erzählt von ihrem Leben, in<br />
dem sie sich so von anderen ausgenutzt und<br />
inzwischen ganz kraft- und leblos fühlt. Plötzlich<br />
fiel mir eine Geschichte aus der Apostelgeschichte<br />
ein, die Auferweckung der Tabitha. ...<br />
Die war voll guter Werke und Almosen, die sie<br />
gab. Es begab sich aber zu der Zeit, dass sie<br />
krank war und starb. ... Petrus kniete nieder,<br />
betete und wandte sich zu dem Leichnam und<br />
sprach: Tabitha, steh auf! Und sie tat ihre Augen<br />
auf. ... Nach kurzer Überraschung, was dieser<br />
alte Text mit ihrem Leben zu tun haben könnte,<br />
waren wir schnell in einem Dialog miteinander<br />
und mit dem Text, der wie von selbst predigte,<br />
kraftvoll und lebendig.<br />
Eine Schuldenlast löste sich<br />
Beichte<br />
Seine Stimme war leise geworden in dem<br />
großen unruhigen Krankenhauszimmer. Ich<br />
musste mit dem Stuhl dichter rücken, um seine<br />
Worte zu verstehen, eigentlich waren es eher<br />
Wortfetzen, langes Schweigen, Gedanken in die<br />
Ferne. Aus den wenigen gestammelten Worten<br />
konnte ich nur erahnen, dass es um Bilder aus<br />
dem Krieg ging, die jetzt kurz vor dem Tod<br />
wieder bedrohlich nahe waren. Eigene Schuld.<br />
Entsetzen, die Unfähigkeit, jemals darüber zu<br />
sprechen. Ich bekenne dir, dass ich gesündigt<br />
habe mit Gedanken, Worten und Werken.<br />
<strong>Der</strong> allmächtige Gott erbarme sich unser. Er<br />
vergebe uns unsere Sünde und führe uns zum<br />
ewigen Leben. Amen. Dieser Mann hatte wenig<br />
weinen können in seinem Leben. Jetzt konnte<br />
er es. Eine Schuldenlast löste sich. Er griff nach<br />
meiner Hand. Lösende Worte waren in diesem<br />
trubeligen Krankenhauszimmer nicht möglich,<br />
aber die Veränderung seiner Gesichtzüge<br />
zeigte mir, dass mit der Geste der Berührung<br />
der Segen angekommen war.<br />
„Oh, ich habe Ihnen ja gar nichts<br />
angeboten“<br />
Abendmahl<br />
„Gott sei Dank, dass Sie kommen“, sagte er<br />
bei der Begrüßung. Er meinte das wörtlich. Auf<br />
dem Tisch lag eine Bibel, daneben ein kindlicher<br />
Engel. Er sprach sehr laut, gestenreich,<br />
manchmal fast verschwörerisch. Von seiner<br />
Erkrankung sprach er, von der körperlichen<br />
und der psychischen, die ihm anzusehen war.<br />
„Keiner sieht mich, alle gehen mir aus dem Weg,<br />
es ist so vieles in meinem Leben falsch gelaufen“.<br />
Er war einsam geworden, hatte Angst.<br />
Langsam wurde sein Klagen leiser. Vielleicht<br />
hatte er sich in seiner verfahrenen Situation ein<br />
bisschen gesehen, ein bisschen gehört gefühlt,<br />
wie Zachäus. Jesus kam an die Stätte, sah<br />
auf zu dem Maulbeerbaum, auf den der kleine<br />
Zöllner Zachäus gestiegen war, und sprach zu<br />
ihm: Zachäus, steig eilend hernieder, denn ich<br />
muss heute in deinem <strong>Haus</strong> einkehren. Und<br />
er stieg eilend hernieder und nahm ihn auf mit<br />
Freuden. Plötzlich hielt er inne: „Oh, ich habe Ihnen<br />
ja gar nichts angeboten“. Es tat uns beiden<br />
gut, schweigend zusammen eine Tasse Kaffee<br />
zu trinken und einige Kekse zu essen, uns<br />
wahrhaftig zu stärken nach diesem intensiven<br />
Reden und Zuhören. “Das stärke und bewahre<br />
euch zum ewigen Leben“. Sein Blick ruhte<br />
auf dem Engel auf dem Tisch. <strong>Der</strong> schien das<br />
Erlebte zum Himmel zu tragen. Kein Brot, kein<br />
Kelch – und dennoch: Wir wurden gestärkt und<br />
Gott saß mit am Tisch. Später, beim Abschied,<br />
sagte er noch einmal: „Gott sei Dank, dass Sie<br />
gekommen sind.“
„Bitte, denken Sie an ihn!“<br />
Fürbitten<br />
„Bevor Sie gehen, muss ich Ihnen aber kurz<br />
noch von meinem Enkel erzählen. <strong>Der</strong> macht<br />
mir große Sorgen.“ Sie wollte ihre Sorgen mitteilen,<br />
sie wollte jemanden an ihrer Seite, die<br />
auch an ihren Enkel denkt. „Bitte, denken Sie<br />
an ihn!“ Das Denken an andere, das Teilen,<br />
was andere bewegt, das ist Fürbitte halten.<br />
Lasst uns Fürbitte halten mit den Worten: Herr,<br />
erbarme dich.<br />
„Möge es Ihnen gut gehen“<br />
Friedensgruß/Segen<br />
Wir waren gut miteinander ins Gespräch gekommen<br />
über ihren Abschied dort und der<br />
Neuorientierung hier in der Stadt. „Ich würde<br />
mich freuen, Sie wieder zu sehen,“ sagte sie<br />
zum Schluss. „Ja, gerne. Und bis dahin: Möge<br />
es Ihnen gut gehen“. Wie ein Friedensgruß.<br />
<strong>Der</strong> Friede Gottes sei mit dir. Nicht mit einem<br />
Kreuzeszeichen, aber mit kräftigem Händedruck<br />
bestärkten wir den Wunsch. Auf dem<br />
Nachhauseweg ging mir die Melodie durch den<br />
Kopf: Und bis wir uns wieder sehn, und bis wir<br />
uns wieder sehn, möge Gott seine schützende<br />
Hand über dir halten. Wie ein Segen. <strong>Der</strong> Herr<br />
segne und behüte dich, der Herr lasse leuchten<br />
sein Angesicht über dir, der Herr erhebe sein<br />
Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.<br />
Das bewusste Wahrnehmen von Worten und<br />
Gesten bei alltäglichen Besuchen erinnert an<br />
gottesdienstliche Strukturen, Elemente und<br />
Rituale. Das Deuten als gottesdienstliches Geschehen<br />
kann eine Hilfe sein, die Besuche von<br />
Beliebigkeit und Belanglosigkeit zu befreien.<br />
Sie werden zum Zeichen für Gottes Besuchen<br />
im Alltag. Mit jedem Besuch tragen wir Gottes<br />
Zusage zu dem Menschen: Ich sehe dich. Ich<br />
wende mich dir zu. Ich schätze dich wert.<br />
Mit Sensibilität für unausgesprochene religiöse<br />
Erfahrungen wird das Vertrauen der Besuchenden<br />
wachsen, dass sich in ihrem Tun Gottesdienst<br />
ereignet.<br />
Widerhall<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
21
hI n t e r g r ü n D e<br />
22<br />
„wIr s e h e n j e t z t D u r c h e I n e n sp I e g e l<br />
e I n D u n K l e s bI l D“<br />
Frauke Migge und Gert Stührmann im Gespräch<br />
Begegnung<br />
Stü: Liebe Frauke Migge, zunächst einmal<br />
herzlichen Dank, dass Sie bereit sind,<br />
Ihre Bilder für unser Heft zur Verfügung zu<br />
stellen und sich zu diesem Gespräch bereit<br />
gefunden haben.<br />
Mig: Das mache ich gerne. Als Sie mich fragten,<br />
habe ich ja spontan zugesagt und ich war<br />
ganz angetan von dieser Idee. Und was<br />
das Gespräch angeht - Da bin ich selbst<br />
gespannt und so richtig vorbereitet bin ich<br />
ja nicht. Wir werden sehen, ich freue mich<br />
darauf.<br />
Stü: Zunächst aber zu Ihrer Person. Wir kennen<br />
uns aus der Zeit, als ich Pastor hier in der<br />
Kirchengemeinde Worpswede war. Aber<br />
Sie sind ja schon länger hier. Seit wann<br />
leben Sie in Worpswede?<br />
Mig: Ich bin hier 1973 nach Worpswede gekommen<br />
durch ein Stipendium des Atelierhausvereins<br />
und hätte mir nie vorstellen können,<br />
dass ich hier in Worpswede hängen bleiben<br />
würde.<br />
Stü: Was war es denn, dass Sie hier geblieben<br />
sind?<br />
Mig: Es war die Landschaft und der Himmel,<br />
der Himmel und die Landschaft. Ich habe<br />
mir das dann später erklären lassen, dass<br />
die manchmal bis zu apokalyptischen<br />
Erscheinungen am Himmel durch dieses<br />
große Moorgebiet entstehen – und zwar<br />
durch die Thermik. Das Zusammenspiel<br />
hat mich so fasziniert – dagegen kann man<br />
das Fernsehen vergessen.<br />
Stü: Das klingt so, als ob Sie Landschaft und<br />
Himmel wie einen Film betrachtet haben.<br />
Mig: Ja, das stimmt. Das Atelierhaus liegt an<br />
den Hammewiesen mit direktem Blick in die<br />
Natur und es ist verglast vom Fußboden bis<br />
zur Decke. Da habe ich dann abends gesessen,<br />
als andere vor der Glotze hockten,<br />
und habe einfach durch das Fenster geschaut<br />
und Landschaft geguckt.<br />
Stü: Unser diesjähriges Heft hat zum Thema, im<br />
Alltäglichen, in der alltäglichen Begegnung<br />
und im alltäglichen Gespräch die religiöse
Dimension wahrzunehmen. Ihre Bilder sind<br />
nun alles andere als alltäglich, haben aber<br />
etwas – wenn man so will – Alltägliches<br />
zum Gegenstand: Die Landschaft, die mir<br />
alltäglich vor Augen ist. Was fasziniert Sie<br />
daran?<br />
Mig: Auch wenn ich, glaube ich, weiß, was<br />
Sie meinen, so möchte ich doch sagen,<br />
dass ich ein Problem mit dem Begriff der<br />
Alltäglichkeit habe. All-täglich meint ja alle<br />
Tage, das heißt im Grunde, dass alles<br />
unendlich wäre. Durch unsere Endlichkeit<br />
ist aber alles begrenzt. Wenn man durch<br />
dieses Bewusstsein einen kritischen Blick<br />
bekommt, dann merkt man, dass kein Tag<br />
dem anderen gleicht, die Landschaft jeden<br />
Tag anders ist – alleine durch das Licht.<br />
Es ist alles im Fluss, alles in Bewegung,<br />
es ist wie das Leben halt, aber begrenzt.<br />
In der Begrenzung gewinnt das Tägliche,<br />
was uns täglich vor Augen steht, an Besonderem.<br />
Und dahinter sehe ich auch<br />
irgendwie Gott.<br />
Stü: Diese Differenzierung zwischen täglich<br />
und alltäglich, die Sie machen, trifft im<br />
Grunde genau das, was uns als Thema<br />
dieses Heftes bewegt. In Allem, was<br />
uns tagtäglich vor Augen ist, liegt immer<br />
etwas Besonderes. Oder aus Sicht des<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es: Jede Begegnung, mag<br />
sie noch so gewöhnlich sein, ist jedes Mal<br />
etwas Besonderes. Und wenn Sie sagen,<br />
dahinter sehen Sie Gott, liegt darin auch die<br />
religiöse Dimension. Denn auch wenn auf<br />
der Oberfläche alles gleich auszuschauen<br />
scheint, ist das was jeder Mensch in<br />
seinem Innern sieht und empfindet immer<br />
etwas Besonderes.<br />
Mig: Genau, liegt immer etwas Besonderes, das<br />
ist genau das, was ich sagen wollte. Jeder<br />
Tag hält etwas Neues bereit und in allem,<br />
was ich sehe, liegt etwas, was Geheimnisse<br />
in sich trägt, die wir morgens noch<br />
nicht kennen. Und an jedem Tag haben wir<br />
abends viel erfahren.<br />
Stü: Zur Landschaft gehört immer auch der Himmel<br />
dazu, von dem Sie gesagt haben, dass<br />
Landschaft und Himmel Sie in Worpswede<br />
gehalten haben. Damit stehen Sie ja in der<br />
Tradition der Künstler und Künstlerinnen<br />
der ersten Generation in Worpswede.<br />
Was ist es, was Sie so sehr am Himmel<br />
fasziniert?<br />
Mig: Abgesehen davon, dass der Himmel immer<br />
in Bewegung ist, kommt vom Himmel das<br />
Licht, ohne das wir die Welt, die Landschaft<br />
nicht sehen könnten…<br />
Stü: .. und Leben nicht möglich wäre.<br />
Mig: …und Leben nicht möglich wäre, richtig.<br />
Stü: Wenn ich so auf Ihre Bilder schaue, dann<br />
bilden Himmel und Erde eine Einheit. Und<br />
in manchen Bildern scheint es mir, dass Sie<br />
diese Einheit noch dadurch betonen, dass<br />
sich der Himmel zur Erde herabneigt. Ist es<br />
so oder sehe ich da etwas anderes?<br />
Mig: Nein überhaupt nicht. Es ist genauso wie<br />
Sie sagen. Himmel und Erde gehören einfach<br />
zusammen, sie bilden eine Symbiose.<br />
Ohne das Licht gäbe es kein Sehen und<br />
kein Leben, aber ohne die Landschaft, das<br />
Leben, könnten wir den Himmel gar nicht<br />
wahrnehmen. Und beides zusammen ist<br />
die Schöpfung.<br />
Stü: Gleichzeitig vermittelt sich für mich in den<br />
Bildern aber auch etwas, dass in ihnen<br />
Himmel und Erde getrennt sind. Durch<br />
verschiedene Stilmittel, werden beide<br />
wieder miteinander verbunden, als wenn<br />
das Verhältnis zueinander noch einmal<br />
neu bestimmt werden muss. Also, dass<br />
trotz der Symbiose, dennoch immer die<br />
Frage besteht, wie denn beide zueinander<br />
gehören.<br />
Mig: Wenn man so will, dann ist das, was wir<br />
tagtäglich vor Augen haben, die Erde, bzw.<br />
die Landschaft. Wenn Sie nun trotz aller<br />
Symbiose dennoch den Himmel als etwa<br />
Getrenntes sehen, dann würde ich sagen,<br />
liegt im Himmel für mich die schöpferische<br />
Kraft. Und diese schöpferische Kraft sehe<br />
ich und fühle ich in dem, was mir tagtäglich<br />
vor Augen steht.<br />
Stü: Mir fällt dazu eine Stelle aus dem 1. Korintherbrief<br />
ein. Mit meinen Augen könnte er<br />
eine Deutung für das sein, was ich in Ihren<br />
Bildern sehe. Dort heißt es: „Wir sehen jetzt<br />
durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann<br />
aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt<br />
erkenne ich stückweise; dann aber werde<br />
ich erkennen, wie ich erkannt bin.“<br />
Frauke Migge<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
23
hI n t e r g r ü n D e<br />
24<br />
Mig: Das ist wunderschön gesagt. Ich kannte<br />
diese Stelle im Korintherbrief nicht, weil<br />
ich auch nicht so bibelfest bin. Aber das ist<br />
genau das, das mich motiviert, zu denken,<br />
dass wir angesichts des Todes besser<br />
sehen können.<br />
Süh: Wenn ich das richtig verstehe, geht es in<br />
Ihren Bildern bei der Thematik von Himmel<br />
und Erde also auch um die Thematik Transzendenz<br />
und Immanenz.<br />
Mig: Dazu möchte ich vorher noch sagen,<br />
wie solche Bilder entstehen können. Die<br />
Gründe dafür liegen in einem selbst: Wie<br />
ich Leben erlebe, wie ich Leben begreife,<br />
wie ich Leben verstehe. Ja, wie ich das<br />
Geheimnis Leben verstehen kann. In<br />
diesem Sinne versuche ich in der Tat im<br />
Gesehenen, was mir täglich vor Augen<br />
ist, das Transzendente darzustellen. Und<br />
dann wird es wohl so sein, dass ich Himmel<br />
letztendlich auch getrennt, etwa durch den<br />
Horizont sehen kann. Obwohl, wie gesagt,<br />
das Eine nicht ohne das Andere besteht,<br />
jedenfalls für uns Menschen. Wer sehr aufmerksam<br />
versucht zu leben, der wird allerdings<br />
auch merken, dass dieses Leben ein<br />
Geheimnis bleibt, das wir nie ganz lösen<br />
werden. Umso mehr werde ich rohhäutig,<br />
so dass ich mich unheimlich freuen kann<br />
über jeden Tag, weil ich immer mehr das<br />
Göttliche darin sehen kann.<br />
Stü: Das Göttliche im Täglichen sehen – das<br />
ist das, was mich motiviert hat, Sie um Ihre<br />
Bilder und dieses Gespräch zu bitten. Die<br />
Verbindung zwischen Landschaft und Himmel<br />
wird von Ihnen in den Bildern deutlich<br />
hervorgehoben. Sie verwenden da formal<br />
optische Mittel: Ich sehe Spiegelungen, das<br />
Licht, das vom Himmel auf die Erde fällt, die<br />
Linse durch die dieses Licht fällt, ebenso<br />
wie durch die Öffnungen, die in den Wolkenhimmel<br />
gerissen werden. Mir scheint<br />
das die Form zu sein, die Verbindung darzustellen,<br />
wie Sie sie empfinden.<br />
Mig: Ja, und es bleibt doch die Schwierigkeit das<br />
für uns Menschen Unfassbare irgendwie<br />
zu transportieren, an irgendetwas festzumachen.<br />
Wenn ich die Natur abbilde, sehe<br />
ich die Natur. Aber in der Natur ist ja noch<br />
mehr zu sehen, als was ich ablichten kann.<br />
Gott hat uns Rezeptoren gegeben, mit denen<br />
ich noch mehr sehen kann, eben auch<br />
das, was ich dabei fühle und empfinde. Es<br />
ist so großartig, was mir da vor Augen ist,<br />
dass ich es voll und ganz gar nicht erfassen<br />
kann. Es bleibt ein Geheimnis.<br />
Wenn es mir gelingt einen kleinen Zipfel<br />
davon zu erfassen und es in meine Bilder<br />
einfließen zu lassen – was wahrlich nicht<br />
einfach ist und mir nicht immer gelingt –<br />
dann bin ich glücklich.<br />
Stü: Ich nehme einmal Ihre Bilder zu Hilfe, um<br />
es in meinen Worten auszudrücken: Das<br />
Licht, das vom Himmel fällt, in dem zu sehen,<br />
was mir vor Augen ist, und zu spüren,<br />
darin bin ich aufgehoben und geborgen –<br />
das macht Sie glücklich.<br />
Mig: So ist es, genau. Das macht mich absolut<br />
glücklich.<br />
Stü: Ich könnte mir vorstellen, dass das auch<br />
eine Antriebsfeder ist, zu arbeiten. Dem<br />
auf die Spur zu kommen, was der Himmel,<br />
was Gott uns schenkt in dem, was uns vor<br />
Augen ist, und dem dann auch in Ihren<br />
Bildern Ausdruck zu geben.<br />
Mig: In der Tat, das motiviert mich. So kann ich<br />
jeden Tag positiv beginnen, mich hinsetzen<br />
und arbeiten. Das Geheimnis besteht ja<br />
darin, das wir nicht wissen, woher wir kommen<br />
und wohin wir gehen, nicht einmal,<br />
warum wir überhaupt hier sind. Im Laufe<br />
eines langen Lebens kann ich vielleicht<br />
den Weg voller Geheimnisse gehen und<br />
am Ende dankbar sein, für all das, was ich<br />
entdeckt habe. Und dann sagen: Ich habe<br />
eine schöne Reise gemacht.<br />
Stü: Mir ist aber noch etwas anderes in Ihren<br />
Bildern aufgefallen. Hin und wieder finden<br />
sich eine Brille und ein Buch – mir kam<br />
dabei der Gedanke, dass der Mensch so<br />
etwas wie eine „Sehhilfe“ braucht, ein Buch<br />
zur Interpretation, um die Tiefe dessen,<br />
was vor Augen ist, zu erkennen – z.B. die<br />
Transzendenz, das Göttliche.<br />
Mig: Eigentlich ja. Ich muss immer schärfer<br />
und besser gucken, um das zu sehen, was<br />
uns begegnet und nicht darüber hinweg<br />
und vorbei zu gucken. Ich denke mir, die<br />
Aufmerksamkeit ist etwas ganz Wichtiges,<br />
mit allen Poren zu sehen und zu hören.<br />
Sensibler zu werden für die Dinge, um<br />
mehr Erkenntnis zu gewinnen über das<br />
Geheimnis Leben.<br />
Stü: Wenn die Brille da liegt – ich habe da auch<br />
die Assoziation, dass diese Sensibilität, diese<br />
Sichtweise auch mitunter fehlt in dieser<br />
Welt und dieser Gesellschaft.<br />
Mig: Ja, sehr, sehr. Wenn Menschen so in die<br />
Welt hinein leben, als ob sie ewig lebten.<br />
Ihre Zeit verschwenden mit Nichtigkeiten,<br />
dann macht mich das schon zornig. Wenn<br />
Gott uns hilflos in eine Wiege legt und<br />
uns dieses Maß an Zeit für unser Leben<br />
schenkt, dann sollte jeder diese Zeit nutzen,<br />
um etwas von dem Geheimnis des<br />
Lebens zu begreifen. Das Buch steht im<br />
Übrigen für den Bibelvers „Am Anfang<br />
war das Wort“. Vor allem, was wir sehen<br />
können, steht das Wort Gottes. Es hilft<br />
uns ja auch, das Geheimnis des Lebens<br />
zu verstehen.
Stü: Ich lese ihre Bilder nun so, dass ja Leben in<br />
ihnen nur da gedeiht bzw. in Farbe leuchtet,<br />
wo das Licht – ich nenne es aus meiner<br />
Sicht einmal das göttliche Licht - vom<br />
Himmel fällt. Und auch Erkenntnis ist nur<br />
durch dieses Licht möglich, denn auch die<br />
Brille und das Buch liegen in den Bildern<br />
immer in diesem Licht. Mir scheint, es ist<br />
nur so möglich, ergriffen zu sein, Ehrfurcht<br />
zu empfinden, Sinn zu erfassen.<br />
Mig: Nur, nur das bewirkt es, immer dankbarer,<br />
ehrfürchtiger und vor allem demütiger zu<br />
werden. Daraus entwickelt sich Freiheit<br />
und das Gefühl, aufgehoben und geborgen<br />
zu sein. Damit, so stelle ich mir vor, wird<br />
es auch einfacher sein mit der Urangst<br />
umzugehen, den Übergang zu schaffen,<br />
wenn das Leben endet.<br />
Stü: Demnach geht es in Ihren Bildern immer<br />
auch um die Frage: Bin ich aufgehoben – in<br />
Zeit und Ewigkeit? Und ist mir die Zeit des<br />
Lebens gegeben, um darin Gewissheit zu<br />
finden, und mein Leben auch nach dem Tod<br />
bei Gott aufgehoben zu wissen?<br />
Mig: In der Tat, ich bekomme so viel Zeit, dass<br />
ich aufgehoben gehen kann. Obwohl, ich<br />
fühle mich jetzt schon aufgehoben, sehr,<br />
sehr geborgen.<br />
Stü: Sie empfinden Ihre Lebenszeit als eine<br />
geschenkte Zeit, um dem Geheimnis des<br />
Lebens immer wieder neu auf die Spur zu<br />
kommen, nämlich dass es mit allem, was<br />
es mit sich bringt aufgehoben ist – zeitlich<br />
wie ewig. Für mich ist es so als spricht aus<br />
Ihnen der Psalm 90: Lehre uns bedenken,<br />
dass wir sterben müssen, auf dass wir klug<br />
werden.<br />
Mig: Na ja, klug werden. Das, was wir erkennen<br />
und begreifen können ist ja nur bruchstückhaft.<br />
Aber das zu erkennen und anzuerkennen,<br />
auch die Begrenztheit unserer Zeit,<br />
und diese Zeit wiederum als Geschenk zu<br />
empfinden, sie zu nutzen – ja, das ist klug<br />
werden.<br />
Stü: Dieser Gedanke führt mich wieder zurück<br />
zu dem Vers aus dem ersten Korintherbrief:<br />
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein<br />
dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu<br />
Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise;<br />
dann aber werde ich erkennen, wie ich<br />
erkannt bin. Bei allem, was wir jetzt nur<br />
bruchstückhaft erkennen, können wir dennoch<br />
in der Gewissheit leben, dass Gott<br />
uns kennt.<br />
Mig: Ja, Gott kennt uns, und wir haben eigentlich<br />
nur eine Ahnung davon. Das ist das,<br />
Magie der Zeichen<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
25
hI n t e r g r ü n D e<br />
26<br />
was mich treibt, etwas davon in den Bildern<br />
auszudrücken. Es gelingt mir bei weitem<br />
nicht immer, aber dann macht es mich<br />
glücklich. Das ist der Zustand im Moment<br />
des Malens: Es ist wie eine Meditation,<br />
mit der ich mich ins Malen versenke, ich<br />
nehme dann nichts mehr um mich her wahr,<br />
ich bin einfach nur glücklich und aufgehoben.<br />
Wenn mir dann ein Bild gelungen ist,<br />
wundere ich mich, wie es denn zustande<br />
gekommen ist. Ich kann es nur als ein<br />
Geschenk ansehen.<br />
Stü: So wie in Ihren Bildern, da ist Licht auf<br />
etwas gefallen, vielleicht gebrochen, gespiegelt,<br />
durch eine neue Brille geschaut.<br />
Mir wird durch diese Gedanken mein Eindruck<br />
zu Beginn noch etwas klarer. Himmel<br />
und Erde gehören zusammen, bilden eine<br />
Einheit – und doch sehe ich in den Bildern<br />
Himmel und Erde immer auch getrennt.<br />
Die Trennung sehe ich jetzt so, dass ich<br />
als Mensch nur das sehen kann, was mir<br />
vor Augen ist. Wenn es mir gelingt, etwas<br />
von dem, was im Himmel ist, sichtbar zu<br />
machen, dann ist es das, was beleuchtet<br />
ist auf der Erde, was Farbe gewinnt. Aber<br />
das kann ich nicht selber machen, sondern<br />
ist ein Geschenk.<br />
Mig: So ist es. Genau. Genauso ist es.<br />
Stü: In der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit sagen wir, dass<br />
in der Begegnung zwischen Menschen, in<br />
mitunter alltäglichen Äußerungen, immer<br />
auch das Religiöse durch schimmert. Nun<br />
bin ich ja auf Ihre Bilder gekommen, weil<br />
aus ihnen für mich die religiöse Dimension<br />
spricht. Nun kann man uns Theologen ja<br />
vorwerfen, dass sie gerne etwas sehen,<br />
wo es gar nichts zu sehen gibt. Aber nach<br />
unserem Gespräch täusche ich mich da<br />
nicht, oder?<br />
Mig: Nein, auf keinen Fall. Ich freue mich, es<br />
ist wunderschön, dass meine Bilder einen<br />
solchen Resonanzboden finden, wie dieses<br />
Gespräch. Denn, was hier in diesem Gespräch<br />
in Worten zum Ausdruck kommt,<br />
trifft ja das, was ich in Bildern auszudrücken<br />
versuche und für mich erst einmal gar nicht<br />
sagbar war. Es bleibt auch immer etwas<br />
Unsagbares darin, wenn es um transzendente<br />
Erfahrung geht, und doch ist hier in<br />
Worte gekommen, die ich so noch nicht<br />
gehört habe.<br />
Stü: Da geht es mir ähnlich nur andersherum:<br />
ohne die Bilder könnte ich gar nicht in<br />
Worte fassen, was diese Bilder in mir<br />
auslösen.<br />
Ich würde gern noch auf die beiden Bilder<br />
schauen, die vor uns liegen.<br />
Mig: Gern.<br />
„Heiterkeit des Unbegrenzten“<br />
Wenn Sie genau hinschauen dann sehen<br />
Sie im Wasser die Kontinente der Erde,<br />
wenn auch verzerrt – sie liegen im Fluss<br />
der Zeit, sind Veränderungen ausgesetzt.<br />
Sie sind immer in Bewegung. Die Heiterkeit,<br />
die darin liegt, ist nicht im nur Großen<br />
und Ganzen zu spüren, sondern ist in<br />
jedem kleinsten Ort existent.<br />
Stü: Es ist die himmlische Bewegung des<br />
Kreises, die sich auf der Erde widerspiegelt,<br />
die Bewegung und Veränderung auf<br />
der Erde nach sich zieht.<br />
Mig: Wobei der Kreis das Ganze, die Einheit<br />
symbolisiert, die sich eben auch hier in<br />
jedem kleinsten Ort wiederfindet.<br />
Stü: Ich sehe darin Gott, der die Erde in Bewegung<br />
bringt und hält. Und mir fällt dazu<br />
das Pfingstfest ein, die Ausgießung des<br />
Heiligen Geistes – auch das hat für mich<br />
etwas Heiteres, Beschwingtes, Kreatives<br />
– existent an jedem Ort der Erde.<br />
Mig: Ein schöner Gedanke…<br />
„Dauer im Wandel“<br />
Das Meer in seiner immer währenden Bewegung,<br />
keine Welle gleicht der anderen<br />
– schon das ist kaum zu erfassen – wie<br />
das Leben.<br />
Stü: Die Welle wirkt aber auch etwas bedrohlich,<br />
zerstörerisch.<br />
Mig: Nun, sie steht genauso für die Prüfungen<br />
im Leben, die über einen kommen. Aber<br />
über die Welle geht das Licht. Es gibt einen<br />
Schöpfer und alles gehört zum Leben<br />
dazu.<br />
Stü: Gehe ich zu weit, wenn ich sage: Weil das<br />
Licht darüber geht, kann ich dieser Welle<br />
auch standhalten, auch in ihr bestehen,<br />
also mit allem, was Leben beinhaltet? Denn<br />
auch das ist beim Schöpfer aufgehoben?<br />
Mig: Ja, so kann man das in Worte fassen. Das<br />
Buch liegt im Licht, steht für „Am Anfang<br />
war das Wort“. Vor allem und in allem…<br />
Stü: … und die Brille steht für die Erkenntnissuche.<br />
Mig: Ja. Obwohl ich nun doch noch etwas zu<br />
dem sagen möchte, was wir zu den Bilder<br />
geäußert haben. Es gibt kein richtiges oder<br />
falsches Sehen. Jeder Mensch wird etwas<br />
anderes sehen, aus seinem Blickwinkel,<br />
aus seiner Lebensgeschichte heraus –<br />
jedes Bild ist da ganz offen für das, was<br />
Menschen bei der Begegnung mit dem Bild<br />
selbst mitbringen, sehen und empfinden.<br />
Das ist mir ganz wichtig. Es kann ja auch<br />
sein, dass wir beide Morgen dieses oder jenes<br />
Bild mit ganz anderen Augen sehen.<br />
Stü: Das kann ich mir gut vorstellen.<br />
Liebe Frau Migge, ich danke Ihnen für<br />
dieses Gespräch und für die Zeit miteinander.<br />
Mig: Es war mir eine Freude, mit Ihnen in dieser<br />
Weise über meine Bilder zu sprechen.
Je länger Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> tätig<br />
sind, desto deutlicher stellt sich für sie die<br />
Frage nach dem Glauben. Zum einen in der<br />
Weise, dass sie ihnen in den Äußerungen der<br />
Gesprächspartner/innen entgegen kommen<br />
bzw. dass sie sie im Gespräch „zwischen den<br />
Zeilen“ spüren. Zum anderen stoßen sie durch<br />
die Erzählungen des Gegenübers auf eigene<br />
Fragen, die im Zusammenhang mit ihrem persönlichen<br />
Glauben entstehen.<br />
Je mehr Mitarbeitende im vertrauten Rahmen<br />
üben, über den eigenen Glauben nachzudenken<br />
und zu reden, desto leichter wird es ihnen<br />
fallen, diese Ebene in den Gesprächen zu<br />
entdecken und sich dazu auch zu äußern. Das<br />
eigene Erleben und die eigenen Erfahrungen<br />
ermöglichen es, sich auch mit anderen darüber<br />
auszutauschen.<br />
Das Seminar, von dem ich erzählen möchte,<br />
war eine Einladung, dieses zu „üben“. Zu entdecken,<br />
wie ein biblischer Text in die Lebensgeschichten<br />
hineinspricht, Erfahrungen aus dem<br />
Leben aufnimmt und sich zu neuen Worten<br />
formt. Wir haben dazu eine sicherlich nicht alltägliche,<br />
sondern eine außergewöhnliche Form<br />
des „Übens“ gewählt: Das Bibliodrama.<br />
Mit Bibliodrama in Berührung kommen heißt,<br />
sich mit Leib und Seele berühren zu lassen -<br />
Den Bibeltext mit Körper und Herz zu bewegen,<br />
die eigene Lebensgeschichte zu erfahren, den<br />
Bibeltext in der eigenen Lebensgeschichte zu<br />
entdecken. Bibliodrama schafft Möglichkeiten,<br />
die eigene Lebensgeschichte und die große<br />
Geschichte Gottes mit uns Menschen zu verbinden.<br />
Das Wochenendseminar stand unter dem Titel<br />
„Die Kraft, die aus dem Glauben kommt“,<br />
ein Bibliodrama zu Psalm 139, 1-14. Menschen<br />
unterschiedlichen Alters kamen zusammen, um<br />
sich gemeinsam auf den Weg zu machen - jede<br />
mit ihrer eigenen Geschichte, alle verbunden<br />
in der Geschichte Gottes. Gemeinsam sich<br />
bewegend im Raum des Textes.<br />
Ich möchte an dieser Stelle von Erinnerungen<br />
und Erfahrungen erzählen, die diese Menschen<br />
während des Seminars gemacht haben.<br />
Ilona Hassebrauck<br />
„DIe Kr a f t, D I e a u s D e m<br />
gl a u b e n K o m m t “<br />
Erfahrungen aus einem Seminar<br />
„Von allen Seiten umgibst Du mich<br />
und hältst Deinen Hand über mir“<br />
Was es bedeutet, gehalten zu werden, sich<br />
fallen lassen zu können, von Menschen getragen<br />
zu sein, das erlebten diese Frauen<br />
hautnah, unterstützt durch Körper- und Bewegungsübungen.<br />
Sie erzählten dann von ihren<br />
Gedanken und Gefühlen, von ihren Erlebnissen<br />
und Erfahrungen. – Es fällt mir nicht leicht,<br />
mich wirklich fallen zu lassen, im Vertrauen<br />
darauf, gehalten zu sein. Zu oft habe ich mich<br />
in meinem Leben auf andere verlassen und<br />
bin gefallen. – Ich bin diejenige, die Halt gibt.<br />
In der Familie, bei Freunden und auch in den<br />
Besuchen bei Menschen. Halt geben, wird von<br />
mir erwartet, es ist meine Aufgabe. Gehalten zu<br />
sein, ist ungewohnt. Es ist sicherer, wenn ich<br />
mich auf mich selbst verlasse und die Kontrolle<br />
bewahre…. Aber es ist auch ein wunderbares<br />
Gefühl, wenn ich gehalten bin. Wenn ich meine<br />
Zweifel und Ängste überwinde, mich wirklich<br />
fallen lasse, dann erlebe und spüre ich den<br />
Segen, der „geborgen und getragen sein“ heißt.<br />
Wunsch und Wirklichkeit, Sehnsucht und reale<br />
Erlebnisse, Glaube und Zweifel – sie waren<br />
spürbar in den Erzählungen untereinander<br />
und die Ambivalenz war auch nicht aufzulösen.<br />
Gleichzeitig schimmerte eine „Glaubens-Gewissheit“,<br />
dass auch gerade diese Ambivalenz<br />
in diesem Vers aufgehoben ist.<br />
Von allen Seiten umgibst Du mich, ein ambivalentes<br />
Gefühl. Ich bin geborgen, denn Du<br />
umgibst mich, ich fühle mich kontrolliert, denn<br />
Du umgibst mich von allen Seiten. Ich kann<br />
nicht fliehen vor Dir, denn überall siehst Du<br />
mich, ich kann nichts verbergen vor Dir, keine<br />
Geheimnisse haben, denn Du Gott kennst all’<br />
meine Gedanken. Wie beruhigend und beunruhigend<br />
zugleich. Beruhigend, weil es nichts<br />
gibt, was nicht gehalten ist, beunruhigend, weil<br />
Schuld und Versagen nicht verborgen bleiben.<br />
Manche Teilnehmenden haben erlebt, wie der<br />
Glaube an Gott in ihrer Lebensgeschichte auch<br />
als Machtmittel missbraucht wurde, wenn sie<br />
immer wieder den Satz hörten „<strong>Der</strong> liebe Gott<br />
sieht alles!“.<br />
Die Frauen gestalteten im Verlauf des Bibliodramas<br />
ein Bild. Ein Lebensbild, das Erfahrungen,<br />
Lebensstationen, Gedanken, Erinnerungen und<br />
pr a x I s<br />
27
pr a x I s<br />
28<br />
Gefühle miteinander verband. Was bedeutet der<br />
Text, diese Aussage für mich, für mein Leben?<br />
Wo fühle ich mich getragen, geborgen, beobachtet,<br />
kontrolliert, gehalten…? Welche Menschen<br />
haben mich auf meinem Weg begleitet?<br />
Diesem Bild galt es einen „Rahmen“ zu geben.<br />
Einen Rahmen, der das eigene Leben umgibt.<br />
Was gibt Kraft und Halt, das nichts herausfallen<br />
kann? Wer hat mitgestaltet an diesem Rahmen?<br />
Welche Rolle spielt Gott, der Glaube bei dem,<br />
was meinem Leben einen Rahmen gibt?<br />
Auch hier waren die Erfahrungen und Gedanken<br />
sehr ambivalent. Mein Leben hat einen<br />
Rahmen, alles ist aufgehoben. Alles, was zu<br />
mir gehört, wird gehalten durch Gottes guten<br />
Rahmen. Nichts kann herausfallen. – oder auch:<br />
Ich kann nichts verbergen, kann nicht aus dem<br />
Rahmen fallen, Ängste vor Kontrolle und das<br />
Gefühl von Enge und Bedrohung treten in den<br />
Vordergrund.<br />
„Ich danke Dir, dass ich wunderbar<br />
gemacht bin“<br />
Zu diesem Vers arbeiteten wir mit Spiegeln. Die<br />
Frauen sollten sich betrachten, sich ansehen –<br />
Ich bin wunderbar gemacht!<br />
Vielen Frauen fiel es schwer, sich so anzusehen.<br />
<strong>Der</strong> Spiegel wird dazu „normalerweise“ nicht<br />
benutzt. Man gebraucht ihn, um zu sehen, ob<br />
alles „in Ordnung“ ist, die Kleidung richtig sitzt,<br />
nicht aber um sich selbst zu sehen, als Mensch,<br />
wunderbar gemacht. Für einige Frauen war die<br />
Zeit des „Sich Betrachtens“ kaum auszuhalten.<br />
– Ich sollte in meinem Leben nicht schön sein,<br />
darum ging es nicht. Ich sollte passend gekleidet<br />
sein, praktisch für die Arbeit – und auch<br />
meine Hände durften nicht schön sein; dann<br />
galt ich als faul. Die Hände mussten Spuren<br />
der Arbeit aufweisen, dazu waren sie da. Nicht<br />
aber um schön zu sein.<br />
Mich einfach nur so im Spiegel zu betrachten,<br />
mich als wunderbar gemacht zu sehen, ist<br />
pure Eitelkeit. Es ziemt sich nicht, sich so zu<br />
sehen.<br />
Und doch gilt: Sieh, Du bist wunderbar gemacht.<br />
Gott hat mich wunderbar gemacht. So<br />
wie ich bin, bin ich in Gottes Augen wertvoll-<br />
wunderbar! Und die Spuren, die mein Leben<br />
an mir hinterlassen hat, mindern niemals seine<br />
Zusage an mich.<br />
Du siehst mich so, wie ich bin, mit allem, was<br />
zu mir gehört. Du hältst mich und umgibst mich,<br />
bei Dir bin ich geborgen.<br />
Einen eigenen Psalm schreiben<br />
<strong>Der</strong> Text der zunächst von Außen an die Teilnehmenden<br />
herantrat, wurde von ihnen im Laufe<br />
des Seminars verinnerlicht, weil sich seine<br />
Worte und Bilder mit der ganz individuellen Lebensgeschichte<br />
verschränkt haben. Ein neuer,<br />
persönlicher Psalm war entstanden. Die Teilnehmenden<br />
haben das, was sie im Laufe des<br />
Seminars entdeckt und erlebt haben, in einem<br />
eigenen Psalm in Worte gefasst. <strong>Der</strong> Psalm<br />
wurde so für sie zu einem ganz persönlichen<br />
Psalm, zu „ihrem“ Psalm. In einer „Dichterinnenlesung“<br />
haben die Teilnehmenden einander<br />
daran teilhaben lassen. Das Wort und das Leben<br />
führen zu neuen Worten – eine unendliche<br />
Geschichte, wenn wir sie nur weitererzählen.
Anke Kolster<br />
„Ic h D a n K e D I r,<br />
D a s s I c h w u n D e r b a r g e m a c h t b I n“<br />
- be s u c h e n m I t le I b u n D se e l e<br />
Als ich angefragt wurde, ein Tanzseminar für<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeitende zu leiten, war ich<br />
irritiert: entgegen meiner Überzeugung, dass<br />
Tanzen einfach immer gut tut, fragte ich mich,<br />
was „die“ denn damit anfangen sollten bzw.<br />
wohl von mir erwarten würden. In der Annahme,<br />
dass es wohl darum ginge, sozusagen als<br />
Dankeschön für die regelmäßige Arbeit mal an<br />
was ganz Anderem teilnehmen zu können, bereitete<br />
ich den für mich gewohnten Ablauf eines<br />
Kirchentanzseminars zum Thema Psalmen vor.<br />
Die Frage, auf welche Erwartungen meine Angebote<br />
stoßen würden, blieb verunsichernd.<br />
Es wurde ein sehr aufregendes, erfüllendes<br />
Seminar. Beiderseitige Erwartungen wurden<br />
zum Glück größtenteils nicht erfüllt. Die TN<br />
und ich wurden gleichermaßen überrascht<br />
vom Mitgebrachten und Angebotenen, von<br />
der Tiefe und Weite des bereits Vorhandenen,<br />
der Sprache unserer Körper, der Sprache der<br />
Psalmen und dem in beiden liegenden Schatz<br />
der Erfahrungen.<br />
Da ich vermute, dass die meisten der diesen<br />
Artikel lesenden <strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeitenden<br />
noch eher weniger Erfahrungen mit Kirchentanz<br />
haben, möchte ich ihn kurz vorstellen. (Die<br />
Teilnehmerinnen des zu beschreibenden Seminars<br />
hatten zum großen Teil noch nicht einmal,<br />
bemerkt, dass sie sich zu einem Tanzseminar<br />
angemeldet hatten!)<br />
Wir sind geschaffen mit Seele und Leib. Kirchentanz<br />
ist eine Form der Pflege, des Feierns<br />
und des Genießens unserer Geschöpflichkeit.<br />
Und Gott offenbarte sich uns in einem menschlichen<br />
Körper. Gott kommunizierte mit Haut und<br />
Knochen, Jesus legte Hand an, berührte, und<br />
er drückte sich aus in Bildern und Gleichnissen,<br />
in symbolischer Sprache. Die direkteste<br />
symbolische Ausdrucksweise, die Menschen<br />
besitzen, ist die Körpersprache. Tanz ist also<br />
eine Möglichkeit, das lebendige Wort „Fleisch“<br />
werden zu lassen. Wir können in Körpersprache<br />
Evangelium hören und weitererzählen, Eindruck<br />
gewinnen und Ausdruck geben von dem, was<br />
uns bewegt und was uns bewegen soll. Und<br />
Ein Kirchentanzseminar<br />
Kirchentanz ist ein Raum, in dem der Geist/die<br />
Geistin wehen kann, Gottes- und Menschenbegegnung<br />
kann passieren. In diesem trinitarischen<br />
Sinne meine ich von der Sakramentalität<br />
des Tanzes sprechen zu können.<br />
Wie die Musik kann der Tanz im kirchlichen<br />
Kontext in den verschiedensten Bereichen in<br />
unterschiedlichen Formen und Stilen ausgeübt<br />
werden. Hier nur einige Begriffe: Liturgische Gebärden,<br />
Liedtänze, Kirchentanzchor, getanzte<br />
Predigt, Bibelarbeit getanzt, Kirchentanzkunst,<br />
Tanztherapie in der Seelsorge, Tanzmeditation,<br />
Gemeinde-Disco, … .<br />
Ich werde nicht den gesamten Seminarablauf<br />
beschreiben, sondern nur auf die Sequenzen<br />
eingehen, in denen das passierte, wovon dieses<br />
Arbeitsheft handelt: der Einbruch des Alltäglichen<br />
in das Göttliche und umgekehrt.<br />
Das Thema „Psalmen“ wählten wir aus, weil es<br />
alle Grundformen menschlicher Befindlichkeit<br />
beinhaltet, und diese thematische Weite auch<br />
ermöglicht, verschiedenste tänzerische Zugänge<br />
„auszuprobieren“.<br />
Tanzen in Worte zu fassen ist eigentlich unmöglich<br />
- sonst bräuchte man ja auch nicht zu<br />
tanzen. Ohne Beschreibung der Tanzphasen<br />
sind die sich anschließenden allgemeineren<br />
Aussagen jedoch schwer nachzuvollziehen.<br />
Versuchen Sie, beim Lesen innerlich mit zu<br />
tanzen …<br />
Eine Vorstellung gewinnen<br />
Es liegt eine größere Anzahl von Psalmworten<br />
aus. Die TN werden gebeten, eines auszusuchen,<br />
was sie gerade besonders anspricht und<br />
mit welchem sie sich vorstellen wollen.<br />
Zu den Versen soll nun eine Bewegung gefunden<br />
werden. Ich rege dazu an, die Bewegung zu<br />
einem ersten Tanz werden zu lassen (Einbezug<br />
aller Körperteile, Entscheidung bezüglich Dynamik<br />
und Rhythmus, Entscheidung bezüglich<br />
des Raumweges). Nun geschieht eine Vorstellungsrunde<br />
im wahrsten Sinne des Wortes:<br />
Die anderen TN gewinnen eine Vorstellung<br />
dessen, was die einzelne TN bewegt, indem<br />
alle erst schauen und dann mit vollziehen. Es<br />
Anke Kolster<br />
pr a x I s<br />
29
pr a x I s<br />
30<br />
geht nicht um Beurteilung oder gar um Raterei,<br />
was die Bewegung wohl ausdrücken möge,<br />
sondern um den schlichten Versuch, nachzuvollziehen,<br />
wie ein anderer Mensch sich bewegt<br />
und was ihn bewegt. Nachdem alle sich und ihr<br />
Psalmwort vorgestellt haben, werden einzelne<br />
Bewegungen in kleinen Gruppen wiederholt.<br />
Jetzt ist man sich bekannt! Man hat sich darum<br />
bemüht, sich in die andere hinein zu versetzen.<br />
Man wird sich nicht an Namenslaute erinnern,<br />
aber an bedeutsame Gebärden, vielsagende<br />
Haltungen, individuelle Impulse, … - „Ach, ja,<br />
Sie sind doch die mit dem Hüftschwung zum<br />
Mauersprung!“<br />
• Anteilnahme und Anteilgabe müssen nicht<br />
allein in gesprochenem Wort geschehen.<br />
Da die Körpersprache die uns nahste und<br />
direkteste ist, verstehen wir sie sowieso –<br />
wenn wir bereit sind, in ihr zu hören.<br />
• Psalmworte sind nicht einfach nur Psalmworte.<br />
Sie können Ausdrucksform auch einer<br />
aktuellen individuellen Befindlichkeit sein.<br />
Ich kann sie für mich sprechen lassen, indem<br />
ich sie spreche, indem ich sie tanze.<br />
• Psalmworte erschließen sich neu, indem ich<br />
mich in sie hinein begebe und von dort aus<br />
agiere/reagiere.<br />
Tanzqualitäten in Psalmen –<br />
Psalmqualitäten getanzt<br />
Sehr fremd für die TN ist vorerst ein Ansatz von<br />
Bewegungsverständnis aus dem New Dance:<br />
Tanz lässt sich wahrnehmen als bestimmt von<br />
„Körperqualitäten“ wie u.a. Körperflüssigkeiten,<br />
Muskeln, Knochen und Gelenke und Nerven.<br />
Zuerst üben wir, die Bewegungsführung abzugeben<br />
aus dem Kopf an den gesamten Körper,<br />
sich also nicht erst zu überlegen, was gleich<br />
getanzt wird, sondern direkt Impulsen aus dem<br />
eigenen Körper zu folgen. (Eine sehr lustvolle<br />
Übung. Für Menschen, die sonst nur vorgegebenen<br />
Tanzschritten folgen, eine eher schwere<br />
Aufgabe. Für Menschen, die immer behaupten,<br />
sie könnten nicht tanzen, eine Überraschung.)<br />
Danach folgen wir den Bewegungsanregungen<br />
aus den einzelnen Qualitäten und vergleichen:<br />
was passiert jeweils mit der Atmung, wie ist der<br />
Bodenkontakt, was fällt leichter?<br />
• Körperbewegung ist nicht einfach Körperbewegung.<br />
Jede/r beginnt von einer anderen<br />
Ausgangslage aus, hat einen ganz individuellen<br />
körperlichen Zustand und bringt dazu<br />
aktuelle Befindlichkeiten mit, die sich im<br />
Körper niederschlagen.<br />
• Tanzen ist nicht abhängig von einem bestimmten<br />
Körperbau. (Aber ohne Körper, nur<br />
mit dem Kopf lässt es sich nicht tanzen.)<br />
Die Psalmen werden nun auch eingeteilt in<br />
Qualitäten: Trauer, Freude, Klage und Hoffnung.<br />
Diesmal lassen wir unser Tanzen bestimmt sein<br />
von den einzelnen Psalmqualitäten. Im Nachhinein<br />
tauschen wir uns darüber aus, welche Körperqualitäten<br />
dabei zum Tragen kamen: dass<br />
Freude z.B. weniger muskulär als von Knochen<br />
und Gelenken bestimmt ist, dass sie vom Boden<br />
leicht abheben lässt. Dass Klage in der Atmung<br />
und von den Muskeln her geballt auftritt. Dass<br />
Trauer bodennah bewegt und flüssig erscheint,<br />
und dass bei der Hoffnung die Nervenimpulse<br />
überwiegen. Selbstverständlich gibt es dabei<br />
individuelle Abweichungen.<br />
• In der Tanzimprovisation gibt es kein „richtig“<br />
oder „falsch“. Nicht in der Bewegung und<br />
nicht im Erleben. Es geht um mehr Aufmerksamkeit<br />
für das, was uns bereits vor Augen<br />
oder unter der Haut liegt.<br />
• Hören mit den Augen, Sehen mit der Haut.<br />
• Biblische Texte sind Erlebnisräume, in denen<br />
es sich bewegen lässt.<br />
Trauer trifft Freude, Klage trifft<br />
Hoffnung<br />
In einer weiteren Übung treffen in Gruppen<br />
zwei Psalmtypen aufeinander: Bleibt das Tempo<br />
der Freude erhalten? Verharrt die Trauer<br />
unten? ... Die Formulierungen über das, was<br />
rein körperlich beobachtet/erlebt wurde, lassen<br />
sich zugleich hören wie Erfahrungsschätze für<br />
„normale“ Treffen, wenn Trauernde einem von<br />
Freude erfüllten Menschen begegnen oder<br />
umgekehrt. Ja, die trauernde Person darf unten<br />
bleiben, aber vielleicht lässt sie sich vom<br />
Tonus der anderen etwas erfrischen. Ja, es<br />
ist auch wichtig, mal Distanz zu wahren, sonst<br />
macht die Klage die Hoffnung platt. Und wenn<br />
die Hoffnung zu „nervig“ ist: wie kann sie die<br />
Haltung der Klage aufnehmen? …<br />
• Getanzte Begegnungen, ob mit Menschen<br />
oder mit Texten ermöglichen und erfordern<br />
Perspektivwechsel, Haltungsänderungen,<br />
neue Wege. Sie erweitern den Horizont und<br />
lassen Allgemeinplätze und Scheinlösungen<br />
als solche hinter sich.<br />
• Körpersprache hat einen tieferen Sinn. Das<br />
Gesprochene ist gleichzeitig ein Tun. Körper<br />
lassen sich nicht belügen. Sie lehren uns.<br />
Sich Psalmtexte einverleiben in<br />
strukturierten Tänzen<br />
„Ich danke dir Gott, dass ich so wunderbar<br />
gemacht“ – Wir geben uns zum Aufwärmen<br />
gegenseitig eine Klopfmassage, die sehr direkt<br />
auf all die wunderbaren Teile unserer Körper<br />
verweist.<br />
„Ich will Gott loben“ – Die TN lernen eine<br />
Choreographie, innerhalb derer z.B. ein Erntedankaltar<br />
oder ein Abendmahlstisch gedeckt<br />
werden kann. Hauptschritt ist der so genannte<br />
Pilgerschritt. Jede trägt eine Gabe, Blumen, einen<br />
Krug Wasser, Brot, Kleinode aus der Natur.
Diese werden in einer Prozession präsentiert,<br />
lobpreisend geschwungen und letztlich auf dem<br />
Altar abgelegt. <strong>Der</strong> Dankpsalm endet in einem<br />
Kreistanz.<br />
„Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“<br />
– Wir bestellen einen imaginierten Acker,<br />
säen einzelne Tränen und bestaunen nach<br />
geraumer Zeit die aufgegangene Saat. (<strong>Der</strong> genauere<br />
Ablauf kann hier nicht erläutert werden.<br />
Während des Vollzuges stellen sich Bilder ein,<br />
von sich entwickelnder Trauer, von Früchten, die<br />
dankbar und auch stolz machen.)<br />
„In dir ist Freude“ (kein biblischer, aber ein „Psalm“<br />
aus dem Gesangbuch) – Im Gesangbuch stehen<br />
viel Tanzlieder. In den Gottesdiensten kommen<br />
sie nur nicht immer mehr als solche daher. „In dir<br />
ist Freude“ ist eine Gaillarde („Tanzen und Springen“),<br />
der ein geistlicher Text auferlegt wurde. Zu<br />
ihr lassen sich der traditionelle Gaillard-Schritt<br />
sowie andere Elemente aus höfischen oder aus<br />
Folklore-Tänzen tanzen.<br />
• Tanzend lassen sich bekannte Texte und<br />
vertraute Lieder neu erleben. Man kann sie<br />
tanzend gemeinsam meditieren.<br />
• Biblische Texte beinhalten oft schon wörtlich<br />
bestimmte Bewegungen. Man kann ihnen<br />
schlicht nachgehen.<br />
• Kreistänze, Folklore-Tanz, so genannte Meditative<br />
Tänze, aber auch anderes Tanzen in<br />
Gemeinschaft (Disco, „Free-Style“, …) schafft<br />
und pflegt eine Gemeinschaft. Es lehrt eine<br />
besondere Achtsamkeit für die anderen und<br />
für das Zusammengehen.<br />
Wie geht Begegnung?<br />
Kontaktimprovisation als Lebensraum<br />
Kontaktimprovisation ist ein ernstes Spiel, ein<br />
lustvolles Geschehen. Sie verlangt Flexibilität<br />
und ein gewisses Maß an Stabilität, vor allem<br />
aber Aufmerksamkeit. Die gegenseitige Begleitung<br />
kann auch mit räumlicher Distanz geschehen.<br />
In diesem Sinne machen wir die ersten<br />
Übungen: Aufmerksamkeit für eine bestimmte<br />
Person, während wir uns im Raum bewegen,<br />
ohne Kontaktaufnahme wie gewohnt über die<br />
Augen und die Mimik. Mitgehen und Beistehen<br />
aus der Ferne, mit der Flanke, im Liegen, …<br />
irgendwie außergewöhnlich eben und doch so<br />
intensiv und spürbar.<br />
• So wie auch Beten nicht automatisch und in<br />
einer einzigen Weise passiert, gibt es nicht<br />
die einzig mögliche Weise des Beistehens,<br />
des Begleitens, der Zuwendung. (Das ist eigentlich<br />
keine besondere Erkenntnis. Nur, wer<br />
gesteht dem Körper dieses Potential schon<br />
zu. Wer vertraut schon auf eine Berührung<br />
statt auf einen Satz. - Wobei Beistand auch<br />
nicht automatisch Berührung verlangt.)<br />
Wie geht Trösten?<br />
Ein ernstes Tanzspiel<br />
Die TN erarbeiten sich zuerst eine individuelle<br />
neutrale Tanzsequenz, eine sich wiederholende<br />
Abfolge einer bestimmten Bewegung und einer<br />
bestimmten Haltung ohne darstellendem<br />
Ausdruck. Nun werden diese Bewegungstypen<br />
mit Stimmungen gefüllt. Wir üben „Wut“, „Trauer“<br />
und „Freude“. Es wird deutlich, dass z.B.<br />
Hüpfen nicht automatisch Freude bedeutet!<br />
Es lässt sich auch traurig hüpfen oder wütend<br />
kriechen. (Wirbelsäulengekrümmte sind nicht<br />
automatisch unaufrecht. Gelähmte sind nicht<br />
automatisch lahm. …)<br />
• Es ist ein Kurzschluss, von der äußeren<br />
Bewegungsform auf eine bestimmte innere<br />
Befindlichkeit zu schließen. (Zwar lässt<br />
es sich wie gesagt in Körpersprache nicht<br />
lügen, man kann aber trotzdem „was vormachen“.)<br />
• In jeder beliebigen Bewegung oder Haltung<br />
kann zugleich erzählt werden von etwas<br />
ganz anderem als dem, was gerade augenscheinlich<br />
getan wird. Es bedarf nicht<br />
ausgefallener Tanzschrittkombinationen, um<br />
etwas tanzend zu vermitteln. Die alltägliche<br />
Bewegung wird zum Ausdruckstanz.<br />
In einer intensiveren Weise wiederholen wir<br />
nun die Begegnung von Klage und Hoffnung.<br />
In Paaren begegnen sich die Bewegungstypen,<br />
eine als Klage, eine als Hoffnung. Sie sollen in<br />
Kontakt treten, in Aufmerksamkeit füreinander<br />
und für sich selbst. Also miteinander tanzen<br />
mit dem Mitgebrachten unter den Bedingungen<br />
des Augenblickes der Begegnung. Bereit, sich<br />
auf das Vorgefundene einzulassen, das sich<br />
eventuell im gleichen Moment schon verändert.<br />
Jeder Paartanz wird anders sein und einmalig.<br />
Es lässt sich nicht vorhersagen, was passieren<br />
wird, aber es ist sicher, dass etwas passieren<br />
wird zwischen den beiden. Schwer zu begreifen<br />
aber wahrscheinlich ergreifend.<br />
Im Anschluss an die Improvisation wird versucht,<br />
mit Worten zu beschreiben, was rein<br />
körperlich geschah. Was lässt absehen von Verkrampfung?<br />
Was hat den Atem ruhiger werden<br />
lassen? Wie wirkt das Auftreten der anderen<br />
auf meinen Bodenkontakt? Was habe ich von<br />
der anderen übernommen? Welche Entfernung<br />
war die angemessene? Wo sind wir gelandet?<br />
Was hätte ich mir noch vorstellen können, was<br />
hätte ich mir noch gewünscht? …<br />
All das zum Tanz Gesagte in Aussagen über<br />
Umgang mit Trauernden oder über die Kraft<br />
der Hoffnung zu packen, würde eine seelsorgerliche<br />
Vorlesungsreihe füllen. Hier bedarf es<br />
jetzt keiner interpretierenden Auslegung. Die<br />
Tanzenden haben „es“ erlebt und werden es in<br />
ihren Körpergedächtnissen bewahren.<br />
• Im Tanz äußert sich das Leben. Er kann<br />
eingesetzt werden als Methode, um etwas<br />
pr a x I s<br />
31
pr a x I s<br />
32<br />
anderes zu erschließen. Er ist aber auch das<br />
zu Erschließende selbst.<br />
• Im Tanz kann Unsagbares geschehen, kann<br />
ich ergriffen werden.<br />
• Nicht alles, was geschieht, braucht noch<br />
interpretiert oder gar bewertet zu werden.<br />
Es hat seinen Sinn als solches.<br />
• Für die Begegnung von Klage und Hoffnung<br />
kann es kein vorgeschriebenes Drehbuch<br />
geben. (Gewisse Bereitschaften zur Begegnung<br />
sollten mitgebracht werden (s.o.).)<br />
<strong>Der</strong> eigene Psalm –<br />
<strong>Der</strong> eigene Tanz<br />
Ein Psalm ist im weiten Sinn ein geistliches Lied.<br />
Die TN werden gebeten, einen Text aufzuschreiben,<br />
keine literarische Leistung, vielleicht nicht<br />
mal in Satzform: was sie jetzt im Moment gerne<br />
gegenüber Gott äußern würden.<br />
In ihrem Text müssen sich dann alle für die<br />
drei wichtigsten Punkte entscheiden, die<br />
Schlüsselwörter. Zu jedem Wort wird nun unabhängig<br />
voneinander eine Bewegung, eine<br />
Körperhaltung und noch eine Bewegung gesucht<br />
und zu Tänzerischem überarbeitet. Die<br />
entstandene Tanzsequenz wird beschlossen<br />
mit einem „Amen“ in einer selbst gewählten<br />
Körperhaltung.<br />
Nun wird wieder Anteil gegeben und Anteil genommen:<br />
eine tanzt ihren Psalm, eine andere<br />
begleitet schauend.<br />
Es entsteht ein weiterer Psalm: Diejenige, die<br />
schauen durfte, schreibt einen Text, den ihr<br />
das Geschaute eingibt. Danach liest sie den<br />
so entstandenen Text derjenigen vor, die ihn<br />
tanzend vortrug. <strong>Der</strong> getanzte Psalm hätte<br />
schon genügt, an Ausdruck und an Eindruck.<br />
Nun kommt noch die Überraschung dazu, dass<br />
der neue Text dem ursprünglichen ähnelt oder<br />
es sogar noch besser sagt, was die Worte des<br />
ersten Textes zu fassen versuchten.<br />
• Worte lassen sich tanzen.<br />
• Tanz kann mehr sagen als Worte.<br />
• Es lässt sich auch tanzend beten.<br />
• Wort und Tanz können sich wunderbar ergänzen.<br />
• Auch Zuschauen ist eine zu pflegende<br />
Kunst.<br />
• Zuschauen gibt Bedeutung.<br />
Die TN waren erfüllt. Und sie waren erschöpft.<br />
Erfüllt vom Reichtum der Psalmen, der vorgefundenen<br />
und der neu entstandenen. Sie<br />
waren erfüllt von ihren eigenen tänzerischen<br />
Fähigkeiten. Sie haben mit Vorurteilen sich<br />
selbst gegenüber, dem Tanz gegenüber und<br />
anderen gegenüber aufgeräumt. Ich selbst<br />
musste gestehen, so viel Bereitschaft, sich auf<br />
Neues einzulassen, nicht erwartet zu haben.<br />
Insbesondere den älteren Frauen hatte ich<br />
unterstellt, dass sie doch nur im Kreis nach<br />
vorgegebenen Schritten tanzen wollten. Gerade<br />
sie gingen an ihre konditionellen Grenzen im<br />
freien Tanz und eröffneten sich und anderen<br />
neue Verständnisräume.<br />
„Und was hat das Ganze nun für die Besuche<br />
gebracht?“ Siehe oben. Das Tanzen hat uns mit<br />
einer anderen Aufmerksamkeit für uns selbst<br />
und füreinander in die nächsten Begegnungen<br />
mit Gott und der Welt geschickt. Mit Langzeitwirkung<br />
im Körpergedächtnis.
<strong>Der</strong> Glaube ist immer schon<br />
im Gespräch<br />
Die Montagsrunde des Seniorenbesuchsdienstes.<br />
Eine neue Teilnehmerin stellt sich<br />
vor und schließt mit den Worten: “Aber über<br />
den Glauben reden, das kann ich nicht.” Einige<br />
versuchen sie zu beruhigen. “Vom Glauben ist<br />
bei unseren Besuchen selten die Rede.” “Von<br />
Gott sprechen wir fast nie.”<br />
Da kam das Seminar-Angebot gerade recht:<br />
“<strong>Der</strong> Glaube ist immer schon im Gespräch”.<br />
Das ist es doch! Das kann uns der Klarheit<br />
näher bringen.<br />
Ich hatte mich schon vor dem Seminar mit dem<br />
Thema auf meine Weise beschäftigt, denn ich<br />
wollte die Andacht zu Beginn halten. Für mich<br />
war klar, dass schon bei der Vorstellung “Ich<br />
komme von der Kirchengemeinde” ein Stück<br />
meines Glaubens mit einfließt. Schließlich<br />
komme ich im Auftrag der Kirche, und Kirche<br />
steht nun mal für die beiden Begriffe Gott und<br />
Glaube. Soweit meine vorweggenommenen<br />
Gedanken in der Andacht.<br />
Im Seminar erarbeiteten wir uns Schritt für<br />
Schritt Gewissheit darüber, was eigentlich bei<br />
unseren Besuchen zwischen den Gesprächspartnern<br />
vorgeht. Die biblische Geschichte<br />
“<strong>Der</strong> Blinde von Jericho” (Lk 1, 35-45) erzählt<br />
von dem Vertrauen, das der eine dem anderen<br />
im Vorübergehen entgegenbringt. Beim Besuch<br />
entsteht dieses Vertrauen schon an der<br />
Wohnungstür, wenn wir hereingebeten werden,<br />
die äußere Distanz sich verändert und Nähe<br />
entsteht. Dieses Vertrauen gilt es im Gespräch<br />
auszudehnen und zu bewahren. Nur so kann<br />
sich eine Basis für einen fruchtbaren Gedankenaustausch,<br />
für Trost oder Ermutigung ergeben.<br />
Spüren, wie der andere ist, wie seine Gefühlslage<br />
ist, was er braucht und das in Einklang mit<br />
meinen eigenen Gefühlen zu bringen, das ist die<br />
Grundlage für ein gelingendes Miteinander.<br />
Selbst in tiefsinnigen Gesprächen, wenn Besucher<br />
und Besuchte sich menschlich ganz nahe<br />
sind, scheuen wir uns, Gott oder Glauben zu<br />
nennen. Wir wählen andere Formen, die auf das<br />
Ungesagte deuten, indem wir z. B. rückblickend<br />
auf unser Leben Ereignisse mit Dankbarkeit<br />
oder Begeisterung schildern und auf diese Weise<br />
Gott Lob und Dank sagen. Sensibel werden<br />
für diese Situationen war für mich ein wichtiger<br />
Aspekt in einer Fallbesprechung.<br />
Nicht allzu häufig kommt jedoch auch das<br />
zur Sprache, was mit meinem ganz persönlichen<br />
Glauben zu tun hat. Nachdem mir klar<br />
geworden ist, woraus diese Scheu, von Gott<br />
wortwörtlich zu reden, entstanden ist, fühle ich<br />
mich freier. Die Rede von Gott berührt nach wie<br />
vor mein Innerstes, aber ich kann jetzt besser<br />
damit umgehen, weil ich weiß, es kommt auf<br />
mein Gegenüber und auf das “Klima” an, in<br />
dem wir gedanklich zueinander finden. Wenn<br />
die gemeinsame Ebene stimmt, fließen Gott<br />
und Glaube mühelos ins Gespräch. Und nicht<br />
selten kommt es in dieser Situation auch zu<br />
einer körperlichen Geste, die das gegenseitige<br />
Verständnis noch unterstreicht: Ein leichtes<br />
Streicheln oder ein herzlicher Händedruck.<br />
Meine Visitenkarte beim Besuch ist ein schmales<br />
Heft mit bunten Bildern und besinnlichen<br />
Texten in Großdruck. Immer ist auch ein Gebet<br />
dabei. Wenn ich spüre, wir sind dazu bereit,<br />
lese ich es vor.<br />
Unsere Besuche sind ein Brückenschlag von<br />
Mensch zu Mensch, geprägt von dem, was uns<br />
verbindet: Unser Glaube an Gott.<br />
Ute Münch<br />
„sp u r e n, D I e w I r b e I u n s e r e n be s u c h e n<br />
h I n t e r l a s s e n“<br />
Ute Münch<br />
pr a x I s<br />
33
hI n t e r g r ü n D e<br />
34<br />
Eine Andacht<br />
• Einleitung<br />
Jeden Tag gehen die Frauen aus dem Dorf hinunter zum Fluss. In großen Tonkrügen holen sie<br />
Wasser, denn im Dorf gibt es keine Quelle. Eines Morgens schaut eine der Frauen verträumt einem<br />
Schmetterling hinterher. Dabei stolpert sie, und der Krug wird beschädigt. Einen zweiten hat sie<br />
nicht, auch kein Geld für einen neuen, und so umwickelt sie den Krug notdürftig mit ihrem Tuch.<br />
Aber das Wasser tropft an den Bruchstellen heraus, und als sie im Dorf ankommt, ist die Hälfte<br />
weg. „Ach“, klagt sie, „was für ein Unglück, warum war ich bloß so unvorsichtig? Alle anderen<br />
bringen mehr Wasser nach <strong>Haus</strong>e! Meine Mutter hat Recht, ich bin wirklich zu nichts nütze!“<br />
Eines Morgens aber, als die Frauen wieder zum Fluss gehen, ist der schmale Pfad gesäumt von<br />
grünen Gräsern und vielen kleinen Blumen, rot, gelb und weiß leuchten sie. „Das waren deine<br />
Wassertropfen“, lachen die Frauen, „sie haben den staubigen Weg zum Blühen gebracht.“ 1<br />
•<br />
Reflexion:<br />
Als ich diese Geschichte las, musste ich an unseren <strong>Besuchsdienst</strong> denken. Auch wir gehen<br />
manchmal staubige Wege, die uns zu unseren Geburtstagsbesuchen führen. Auch wir hinterlassen<br />
Spuren, die sich nicht sofort entdecken lassen, die aber dennoch einen Nachhall<br />
in den Anderen und in uns selbst hervorrufen. Ich möchte das an drei Beispielen lebendig<br />
werden lassen.<br />
Frau M. wird 84 Jahre alt. Ich stehe vor ihrer <strong>Haus</strong>tür, läute, keiner öffnet. Ich läute noch einmal,<br />
Stille, ich schaue um das <strong>Haus</strong> herum, nichts rührt sich. Ich stecke mein kleines Heft mit herzlichen<br />
Geburtstagsgrüßen von der Kirchengemeinde in den Briefkasten und denke: Vielleicht<br />
wird sich Frau M. nach ihrer Rückkehr ein wenig freuen an den bunten Bildern, den Texten und<br />
auch darüber, dass jemand an sie an ihrem Geburtstag in dieser Weise gedacht hat.<br />
Ein anderer Geburtstagsbesuch. Herr F. feiert in großer Runde seinen 86. Geburtstag. Seine<br />
Kinder, Enkel und Urenkel, Nachbarn und Freunde sitzen um die Kaffeetafel herum, unterhalten<br />
sich angeregt über das neueste vom Tage und über Erlebnisse von früher. Ich gratuliere dem<br />
Jubilar, sage mein Sprüchlein von der Kirchengemeinde und überreiche ihm das Geburtstagsheft.<br />
Ein Stuhl ist noch frei, ich sitze zwischen zwei Frauen, und langsam entwickelt sich ein<br />
Gespräch links und rechts und gegenüber. „Ach, Sie kommen von der Kirche? Machen Sie<br />
das schon lange, die Geburtstagsbesuche?“ Eine andere: „Ich bin zwar noch in der Kirche, war<br />
aber schon lange nicht mehr im Gottesdienst“. Die Frau gegenüber: „Letztes Jahr Weihnachten<br />
war es so voll in der Kirche, man bekam kaum noch einen Platz.“ Und eine Großmutter: „Mike,<br />
mein Enkel, geht sonnabends manchmal zur Kinderkirche. Die machen im Sommer immer so<br />
ein Zeltlager im Kirchgarten, da geht dann die ganze Familie hin“. Ich denke: „Kirche, mitten<br />
unter uns!“<br />
Ein dritter Geburtstagsbesuch: Frau G., eine rüstige und resolute Frau, ist an ihrem 87. Geburtstag<br />
allein. „Ich feiere meinen Geburtstag am kommenden Samstag, das ist praktischer<br />
für meine berufstätigen Kinder“. Sie stellt eine Platte mit Schnittchen und zwei Gläsern auf<br />
den Tisch und schenkt einen Sherry ein. „Ich habe damit gerechnet, dass Sie kommen und<br />
vielleicht auch der eine oder andere aus der Nachbarschaft.“ Ich sage mein Sprüchlein von<br />
der Kirchengemeinde auf und überreiche ihr das Geburtstagsheft. Sie sagt: „Sie wissen ja,<br />
dass ich eigentlich mit der Kirche nichts am Hut habe, aber unser Gespräch beim letzten Mal<br />
hat mir viele Denkanstöße gegeben, die mich noch lange beschäftigt haben. Wie heißt doch<br />
noch das Buch, das Sie mir empfohlen hatten?“ Ich erinnere mich, es war „Ein weites Herz“,<br />
die zwei Leben der Isa Vermehren von Matthias Wegner. Ich denke: Dieser unerschütterliche<br />
christliche Glaube der Isa Vermehren muss sie mächtig beeindruckt haben.<br />
Soweit drei unterschiedliche Geburtstagsbesuche.<br />
Spuren, die wir bei unseren Besuchen hinterlassen, können wir nicht benennen. Über das,<br />
was uns zu diesen Besuchen veranlasst, nämlich unser gemeinsames Christsein und damit<br />
unser Glaube, wird wortwörtlich nicht oft gesprochen. Aber unsere Besuche sind ein Zeichen<br />
der Nächstenliebe, sind das Zeichen der Kirche „Wir nehmen Dich wahr“ und sie sind ein<br />
Brückenschlag von Mensch zu Mensch.<br />
1 „Wassertropfen“ aus dem Buch „Typisch“ – Kleine Geschichten für andere Zeiten
Wilhelm Willms hat über die Nähe zu einem Menschen nachgedacht und folgende Zeilen<br />
darüber geschrieben:<br />
Wussten Sie schon, dass die Nähe eines Menschen gesund machen, krank machen, tot und<br />
lebendig machen kann, dass die Nähe eines Menschen gut machen, böse machen, traurig<br />
und froh machen kann?<br />
Wussten Sie schon, dass das Wegbleiben eines Menschen sterben lassen kann, dass das<br />
Kommen eines Menschen wieder leben lässt, dass die Stimme eines Menschen einen anderen<br />
Menschen wieder aufhorchen lässt, der für alles taub war?<br />
Wussten Sie schon, dass das Anhören eines Menschen Wunder wirkt, dass das Wohlwollen<br />
Zinsen trägt, dass ein Vorschuss an Vertrauen hundertfach auf uns zurückkommt, dass Tun<br />
mehr ist als Reden?<br />
Wussten Sie das alles schon?<br />
Gebet<br />
Wir wollen beten:<br />
Herr, gib uns Frieden,<br />
Kraft für unseren Weg,<br />
Gelassenheit in aller Unrast,<br />
festen Grund unter den Füßen<br />
und ein Ziel, dein Ziel vor den Augen.<br />
Amen.<br />
Lichteinfall<br />
hI n t e r g r ü n D e<br />
35
pr a x I s<br />
36<br />
Helene Eißen-Daub<br />
De r gl a u b e I s t I m m e r s c h o n<br />
Im ge s p r Ä c h<br />
Ein „Pinnbrett“<br />
Helene Eißen-Daub<br />
Mitarbeitende aus den <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen haben sich zu diesem Thema angemeldet.<br />
Worin lag die Motivation, ihr Interesse? Welche Erfahrungen haben sie zu diesem Seminar<br />
geführt? Was haben sie gesucht, gefunden? Hier finden Sie Äußerungen von Teilnehmenden<br />
aus dem Seminar, das vom 11.-13. April 2008 in Nindorf stattfand.<br />
1. Worin lag Ihre Motivation,<br />
Ihr Interesse sich zu die-<br />
sem Thema anzumelden?<br />
• Eine „Anleitung“ zu bekommen, wie<br />
Glaube in das Gespräch einfließen<br />
kann<br />
• Weil viele im <strong>Besuchsdienst</strong> eine Scheu<br />
haben, Fragen des Glaubens anzusprechen.<br />
Ich wollte die Damen im Lehrgang<br />
(als Pastor) begleiten<br />
• Sich zu diesem Thema äußern und das<br />
Interesse aufarbeiten<br />
• Mit Mitgliedern unseres <strong>Besuchsdienst</strong>kreises<br />
als Gruppe gemeinsam unter<br />
externer Leitung an einem Thema zu<br />
arbeiten<br />
• In Glaubensfragen gestärkt aus dem<br />
Kurs gehen<br />
• Den Besuchten antworten zu können<br />
• Mich fortzubilden – etwas Neues lernen<br />
• Gedanken- und Erfahrungsaustausch<br />
• Gespräche im <strong>Besuchsdienst</strong>kreis weckten<br />
mein Interesse an diesem Thema<br />
3. Welche Erwartungen bringen Sie mit?<br />
2. Welche Erfahrungen haben<br />
Sie zu diesem Seminar ge-<br />
führt?<br />
• Besuche mit oft traurigem Hintergrund<br />
• Menschen - ein Gespräch zu vermitteln,<br />
dass sie gut aufgehoben sind<br />
• Bei Schwerkranken und Sterbenden,<br />
oft auch bei anderen Senioren, ist der<br />
Glaube das wichtigste Heilmittel, mit den<br />
Herausforderungen des Lebens mutig<br />
umzugehen, Dankbarkeit und Tränen<br />
sind oft die Reaktion auf ein Gebet<br />
• Etwas über den Glauben erfahren und<br />
wie man darüber sprechen kann<br />
• Die erst kurze Zeit als Mitarbeiterin im<br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
• Erfahrungen in einem anderen Seminar<br />
über Gesprächsführung<br />
• Es kommt schon mal vor, dass ich auf<br />
Glaubensfragen nicht sehr selbstsicher<br />
antworten konnte, im Seminar kann<br />
ich mich mit anderen Gleichgesinnten<br />
austauschen und über ihre Erfahrungen<br />
hören<br />
• Wo macht es Sinn, den Glauben ins Gespräch zu bringen, gibt es Rollenspiele? Welche<br />
Psalmen eignen sich?<br />
• Dass vom <strong>Besuchsdienst</strong> in Zukunft Glaubensfragen eher angesprochen werden, dass<br />
das freie Gebet geübt wird, dass geeignete Bibeltexte präsentiert werden<br />
• Sich mit anderen austauschen<br />
• Ich möchte sicherer werden, keine Scheu davor haben, den Glauben ins Gespräch bringen<br />
• Informationen und kleine Hilfen zu erhalten; sicherer in Gespräche / Besuche gehen<br />
(im Anschluss an dem Seminar)<br />
• Anregungen? über Glaubensgespräche mit älteren Menschen<br />
• Immer kann ich in solchem Kreis etwas lernen, was auch mich selber stärken könnte.
Marianne Storz<br />
un D m e I n e I g e n e r gl a u b e ?<br />
Anregungen zu einem Austausch in der Gruppe<br />
Diese Frage stellen sich viele Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong>, wenn deutlich wird, dass sie ihre<br />
Besuche im Auftrag der Kirchengemeinde machen und zu verantworten haben. Dabei gibt es<br />
verschiedene Aspekte:<br />
• Was ist mein eigener Glaube?<br />
• Wie offen will und kann ich mit meinen Glaubensvorstellungen bei Besuchen umgehen?<br />
• Wie komme ich über Fragen meines Glaubens und den des/der Anderen ins Gespräch?<br />
• Wo stecken hinter anderen Themen Glaubensthemen und –fragen?<br />
In einem vertrauten Kreis über solche Fragen zu sprechen, kann hilfreich sein, um sich des eigenen<br />
Glaubens zu vergewissern. Es bietet die Möglichkeit, eigene Worte dafür zu finden, sich<br />
im Sprechen über Glaubensfragen zu üben und womöglich gar diese Erfahrung miteinander zu<br />
reflektieren.<br />
Das ist nicht immer leicht, weil der eigene Glaube ein sehr persönliches, geradezu intimes Thema ist.<br />
Andererseits gibt es die Erfahrung, wie verbindend ein Gespräch über den Glauben sein kann.<br />
Ein <strong>Besuchsdienst</strong>kreistreffen kann ein Rahmen für solche Gespräche bieten.<br />
Es ist wichtig, dass die Gruppenleitung für diesen Rahmen folgende Bedingungen festlegt und<br />
auf Einhaltung bedacht ist:<br />
• Dies ist ein geschützter Raum. Was gesagt wird, bleibt in dieser Gruppe.<br />
• Alle Äußerungen sind persönliche Erfahrungen und Gefühle. Deshalb gibt es kein richtig oder<br />
falsch.<br />
• Jede/r sagt nur so viel, wie sie/er will.<br />
• Was gesagt wird, ist eine Momentaufnahme und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
Im Folgenden finden Sie einige methodische Anregungen zur Gestaltung eines Treffens Ihrer<br />
Gruppe zu dem Thema „Über meinen Glauben ins Gespräch kommen“.<br />
Fotopostkarten<br />
Sie brauchen:<br />
eine Sammlung von Postkarten,<br />
Papier, dicke Stifte,<br />
Tesakrepp/Pinnnadeln<br />
Zeit: 60-90 Minuten<br />
Legen Sie Fotopostkarten mit Motiven unterschiedlicher Art (Natur / Menschen<br />
/ Dinge) in die Mitte des Raumes. Es sollten etwa 2-3-mal so viele wie Teilnehmende<br />
in der Gruppe sein. Wenn es beschriebene Karten sind, sollten<br />
Sie die Schrift besser zukleben, sie macht neugierig und lenkt ab.<br />
Bitten Sie die Teilnehmenden, sich die Fotos in Ruhe anzuschauen und sich<br />
dann eins davon mit der Fragestellung in die Hand zu nehmen: Auf welchem<br />
Bild wird ein Aspekt meines Glaubens sichtbar? Wenn dieselbe Karte doppelt<br />
gewählt wird, kann man austauschen, interessanter aber ist immer, eine<br />
andere zu wählen.<br />
Je zwei Teilnehmende sprechen darüber, was dieses Foto mit ihrem Glauben<br />
zu tun hat. Zum Abschluss der PartnerInnenarbeit fordern Sie auf, den<br />
jeweils wichtigen Glaubensaspekt in großer Schrift aufzuschreiben. (Wenn<br />
die Gruppe klein ist, können Sie diesen Schritt auch im Plenum machen. <strong>Der</strong><br />
Vorteil einer Zweiergruppe ist immer, dass dort den meisten Menschen das<br />
Sprechen leichter fällt.)<br />
Im Plenum lassen Sie diese Aspekte (Ausführlichkeit je nach Zeit und Gruppengröße)<br />
zusammentragen. Vielleicht mögen Sie die Zettel in Form eines<br />
Kreuzes an die Wand hängen. Ein Gespräch (keine Diskussion) über die<br />
Vielfältigkeit des Glaubens schließt sich an.<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
37
pr a x I s<br />
38<br />
Gegenstände<br />
Sie brauchen: eine Sammlung von<br />
(kleinen) <strong>Haus</strong>haltsgegenständen,<br />
Papier, dicke Stifte<br />
Zeit: 60-90 Minuten<br />
Methodisch und inhaltlich entsprechend können Sie mit einer Sammlung von<br />
Gegenständen (4mal so viele wie Teilnehmende) verfahren. Die sammeln Sie<br />
bei einem Rundgang durch Ihre Wohnung: alles, was Ihnen in Küche, auf<br />
dem Schreibtisch, im Wohnraum auffällt. Es sollten keine sehr persönlichen<br />
Dinge sein. Die Gesprächsimpulse geben Sie ähnlich wie bei den Postkarten:<br />
Welcher Gegenstand symbolisiert einen Teil meines Glaubens?<br />
Lebens- und Glaubenssprüche<br />
Bitten Sie die Teilnehmenden im Voraus, ihren Konfirmationsspruch (Tauf-,<br />
Hochzeitsspruch) mitzubringen.<br />
Laden Sie die Teilnehmenden ein, den Spruch auf ein Papier (Zeichenblock)<br />
zu schreiben: mit verschiedenen Farben, in ausgefallener Schrift, mit gemalten<br />
Symbolen usw.. Beim Malen können sie folgenden Fragen nachgehen: Wie<br />
und wo habe ich diesen Spruch erhalten? Welche Rolle hat er in meinem<br />
Sie brauchen: mitgebrachte Sprüche,<br />
Zeichenblöcke, Bunt- und Wachsstifte,<br />
evtl. Bibeln bereithalten<br />
Zeit: 60 Minuten<br />
Menschenbilder<br />
Sie brauchen: mitgebrachte Fotos oder<br />
Erinnerungsgegenstände, (Brief-) Papier,<br />
Stifte<br />
Zeit: 60 Minuten<br />
Glaubensweg<br />
Sie brauchen: Tapetenbahnen /Zeichenblöcke<br />
(evtl. Tesafilm), Wachsstifte<br />
Zeit: 120-180 Minuten<br />
Leben gespielt? Was bedeutet er mir heute? Was hat er mit mir zu tun?<br />
Im Plenum werden die Sprüche und die Bilder vorgestellt. Dazu können die<br />
Teilnehmenden ihre Einfälle erzählen.<br />
(Alternative für Sangesfreudige: entsprechend mit Liedversen verfahren)<br />
Bitten Sie die Teilnehmenden im Voraus, ein Foto oder einen Gegenstand<br />
von einem Menschen, der für ihren Glauben wichtig war, mitzubringen.<br />
Bitten Sie die Teilnehmenden in der Runde, das Foto oder den Gegenstand<br />
genau zu betrachten. Nach einer Weile laden Sie dazu ein, die Augen zu<br />
schließen oder sich in anderer Weise auf diesen Menschen zu konzentrieren.<br />
Sie können dazu (mit ausreichenden Pausen dazwischen!) folgende Impulse<br />
geben: wo und wie ist mir dieser Mensch begegnet? Was war/ist das Besondere<br />
an ihm/ihr? Gab es eine besonders prägende Situation? Spielten<br />
dabei bestimmte Worte und Gesten eine Rolle? Was hat mir dieser Mensch<br />
mitgegeben? Worin ist mir diese Person ähnlich oder unähnlich?<br />
Was würde ich ihn gerne fragen oder ihm sagen?<br />
In Einzelarbeit gibt es die Möglichkeit, einen fiktiven Brief an die vorgestellte<br />
Person zu schreiben.<br />
Im Plenum werden Foto oder Gegenstand gezeigt, von der Bedeutung dieses<br />
Menschen erzählt und nach Möglichkeit evtl. der Brief vorgelesen.<br />
Laden Sie die Teilnehmenden ein, ihrem eigenen Glaubensweg in Gedanken<br />
nachzugehen und ihn zu malen: auf einem großen Papier (Tapetenbahn oder<br />
Zeichenblock) einen Weg malen und prägende Stationen, Begegnungen,<br />
Erfahrungen des Glaubens einmalen oder einschreiben. Dabei werden der<br />
Fantasie keine Grenzen gesetzt. Sie können ruhige Musik dabei einspielen.<br />
Planen Sie für das Malen mindestens 45 Minuten ein. Wer früher fertig ist,<br />
verlässt den Raum oder bleibt ruhig. Während des Malens soll nicht gesprochen<br />
werden.<br />
Zu zweit lassen sie dann die Teilnehmenden die beiden Bilder angucken und<br />
sich dazu die Geschichte erzählen.<br />
Im abschließenden Plenum können alle Bilder, die dann in der Mitte auf der<br />
Erde liegen, noch einmal angeschaut werden. Je nach Zeit und Wunsch<br />
nach Vertiefung kann im Plenum jede/r Teilnehmende eine Erfahrung des<br />
Glaubensweges vorstellen. Fragen können gestellt werden, müssen aber<br />
nicht beantwortet werden.
Immer noch ist die Meinung weit verbreitet,<br />
dass man sinnvoll und ertragreich über biblische<br />
Texte nur dann reden kann, wenn ein Text von<br />
einem ausgebildeten „Experten“ ausgelegt<br />
wird. Dabei sind alle Menschen „Experten“ des<br />
Lebens und des Glaubens. Von daher müssen<br />
sie auch nicht sprachfähig gemacht werden,<br />
sondern ermutigt werden, das zu tun, was sie<br />
ohnehin schon können – über „Gott und die<br />
Welt“, über Leben und Glauben zu reden.<br />
Dabei kann es hilfreich sein, sich ungewohnter<br />
Methoden zu bedienen, um dem Gespräch<br />
eine Struktur zu geben, um die Zunge zu lösen,<br />
um über ungewohnte Wege bemerkenswerte<br />
Entdeckungen zu machen und überraschende<br />
Einsichten zu haben.<br />
Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Methoden<br />
vor, mit denen Sie Worte, Bilder und<br />
Geschichten der Bibel als Sprech-Hilfe für das<br />
Leben entdecken können, damit sie auf diese<br />
Weisen für Menschen lebendig werden.<br />
____________________________________<br />
brain-storming<br />
Alle lesen den biblischen Text und notieren<br />
dazu alles, was ihnen in den Sinn kommt:<br />
Bilder, Symbole, Gefühle, Stimmungen,<br />
Assoziationen, Sprichwörter, Erinnerungen,<br />
Lieder, Töne, Spielideen, Anfragen, andere<br />
biblische Aussagen. Reihum lesen alle ihre<br />
Einfälle vor.<br />
Die Gruppe kann zurückfragen und um<br />
Erklärungen bitten, aber nicht werten und<br />
kritisieren. Im Rundgespräch wird versucht,<br />
die Einfälle mit Hilfe einer Wandzeitung zu<br />
ordnen.<br />
Fortsetzung: Schwerpunkte für die weitere<br />
Arbeit auswählen 1<br />
Zeitbedarf: ca. 20 Minuten<br />
____________________________________<br />
Bibel teilen<br />
Das folgende Modell „Bibel teilen“ ist eine<br />
Anregung zum Gespräch über die Bibel in<br />
der Gruppe. „Bibel teilen - Glauben teilen“ ist<br />
eine ökumenische Weise, anhand der Bibel<br />
über Glaubens - und Lebensfragen ins Gespräch<br />
zu kommen. Die sieben Schritte der<br />
1 Aus: Arbeitshilfe Erzählen, Arbeitsstelle Kindergottesdienst<br />
im HkD, S. 8<br />
Gert Stührmann<br />
vo m te x t z u m le b e n –<br />
v o m le b e n z u m te x t<br />
Gemeinsam in der Bibel lesen<br />
Meditation sind in kleinen Gruppen von Christinnen<br />
und Christen in ökumenischen Nachbarschaftskreisen<br />
und Basisgemeinden in<br />
Afrika und Lateinamerika entwickelt worden.<br />
Es ist eine Möglichkeit, das gemeinsame<br />
Gespräch über Bibeltexte einzuüben. Das<br />
alltägliche Leben soll in das Bibelgespräch<br />
einbezogen werden: Welche Folgen hat das<br />
Gelesene für unser Denken, Reden und<br />
Handeln? Die sieben Schritte dienen dazu,<br />
biblische Texte zu lesen und zu verstehen:<br />
Sich öffnen. Wir öffnen uns für die Gegenwart<br />
Gottes mit einem frei formulierten Gebet<br />
oder einem Lied.<br />
Lesen. Wir lesen den vorgesehenen Bibelabschnitt<br />
reihum laut vor: jede und jeder<br />
liest einen Vers.<br />
Vertiefen. Wir verweilen beim Text, Worte<br />
und Wendungen des Abschnittes, die uns<br />
auffallen, lesen wir, durchaus auch mehrmals,<br />
noch einmal laut vor, ohne etwas dazu<br />
zu sagen oder zu fragen.<br />
Schweigen. Jemand liest den ganzen Abschnitt<br />
noch einmal vor. Dann kehrt Stille ein,<br />
in der wir den Text auf uns einwirken lassen,<br />
ihn bedenken und mit unserem Leben in<br />
Verbindung bringen.<br />
Mitteilen. Aus der Stille heraus teilen wir<br />
einander unsere Gedanken mit. Wir sprechen<br />
möglichst persönlich und diskutieren<br />
die einzelnen Beiträge nicht, sondern hören<br />
einander aufmerksam zu.<br />
Austauschen. Wir unterhalten uns über die<br />
Aussagen des Bibeltextes und fragen nach seiner<br />
Beziehung zu unserem persönlichen und<br />
dem Leben der Gemeinde und der Gesellschaft.<br />
Beten. Anschließend kann, wer möchte,<br />
Dank, Bitte oder Fragen vor Gott aussprechen.<br />
Wir schließen mit einem gemeinsamen<br />
Gebet, Lied oder Segenswort.<br />
Zeitbedarf: 30-45 Minuten<br />
____________________________________<br />
Västerås-Methode<br />
Diese Methode wurde im schwedischen Ort<br />
„Västerås“ entwickelt, daher der Name. Sie<br />
ist gut geeignet, ein Gespräch über einen<br />
biblischen Text ohne großen Aufwand zü-<br />
pr a x I s<br />
39
pr a x I s<br />
40<br />
gig in einer Gruppe in Gang zu bringen, da<br />
erfahrungsgemäß die Teilnehmenden die<br />
genannten Symbole unterschiedlich setzen.<br />
Es entwickelt sich auf diese Weise spontan<br />
ein lebhafter Austausch.<br />
Alle Teilnehmenden erhalten ein Blatt, auf<br />
dem der Bibeltext Versweise abgedruckt ist.<br />
Wichtig ist, dass auf dem Papier ein breiter<br />
Rand gelassen ist für persönliche Anmerkungen.<br />
Nach dem lauten Lesen des Textes werden<br />
zu den einzelnen Versen Zeichen geschrieben:<br />
• ein Fragezeichen (?), wo etwas unklar ist:<br />
„Das habe ich nicht verstanden, das ist mir<br />
unklar“.<br />
• ein Rufzeichen (! oder Kerze), wo jemand<br />
eine Einsicht hat: „Mir ist ein Licht aufgegangen“,<br />
„Ach so!“<br />
• einen Pfeil (→), wo jemand eine Erfahrung<br />
/ ein Erlebnis zu verbinden weiß: „Hier fühle<br />
ich mich ganz persönlich angesprochen und<br />
betroffen“, „das freut mich/ärgert mich ...“.<br />
<strong>Der</strong> Text wird nun Vers für Vers durchgegangen,<br />
wobei die Teilnehmenden sich zu den Symbolen<br />
äußern, die sie gesetzt haben.<br />
Die Fragen (?) werden miteinander geklärt; die<br />
Beiträge zu dem Rufzeichen (!) werden zusammengetragen.<br />
Gemeinsam sucht die Gruppe<br />
auf diese Weise, wichtige Aussagen des Textes<br />
zu finden und zu formulieren.<br />
Für das Gespräch darüber, an welchen Stellen<br />
der Text persönlich berührt hat (→), ist es wichtig<br />
zu verabreden, dass<br />
1. die Mitteilung immer nur freiwillig sein kann<br />
und<br />
2. die Beiträge nicht diskutiert oder gar beurteilt<br />
werden.<br />
Vorteil dieser Methode besteht in der Einfachheit<br />
und in der lebhaften Beteiligung aller.<br />
Auch ist kein Hintergrundwissen nötig. 2<br />
Zeitbedarf: ca. 30 Minuten<br />
____________________________________<br />
Vom Leben zum Text<br />
In ähnlicher Weise kann auch der Weg vom<br />
Leben zum Text gegangen werden. Die<br />
Schritte sind:<br />
1. Eine Lebenserfahrung erzählen und anschauen<br />
– Was ist das Thema?<br />
2. Hören, was die Bibel sagt – Welche Worte,<br />
Bilder und Geschichten der Bibel fallen<br />
ein?<br />
3. Gemeinsame Suche nach Antworten – Was<br />
tragen die Einfälle zum Verstehen und Umgang<br />
der Situation bei.<br />
2 Aus: Gisela Hessenauer, Miteinander – Füreinander,<br />
Bibelarbeiten und Andachten gemeinsam gestalten; Eine<br />
Ideensammlung - vergriffen<br />
Auf diese Weise werden konkrete Begebenheiten,<br />
z.B. aus dem persönlichen Leben<br />
oder der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit, angeschaut;<br />
ein „Darüber“-Reden wird allerdings unterbunden.<br />
Die Einfälle aus den Texten<br />
der Bibel führen dazu, Lebensgeschichten<br />
und biblische Geschichten miteinander zu<br />
verbinden. Neue, vielleicht überraschende<br />
Einsichten können daraus hervorgehen.<br />
Zeitbedarf: ca. 30 Minuten<br />
____________________________________<br />
Schreibmeditation<br />
Die Gruppe sitzt an einem Tisch. Während<br />
des Schreibens wird nicht gesprochen. Alle<br />
lesen den vorgegebenen Bibeltext. Jede<br />
Teilnehmerin und jeder Teilnehmer schreibt<br />
auf ein Blatt einen Einfall, eine Frage, eine<br />
Stellungnahme oder etwas, das problematisch<br />
erscheint.<br />
Wenn alle fertig sind, werden die Blätter an<br />
die Nachbarin/den Nachbarn weitergegeben.<br />
Alle lesen, was aufgeschrieben wurde<br />
und äußern sich ergänzend, kommentierend,<br />
kritisierend dazu. Die Blätter wandern<br />
auf diese Weise, bis alle wieder das eigene<br />
Blatt in der Hand haben.<br />
Es schließt sich ein Gespräch an.<br />
Die Vorzüge dieser Methode: Es entsteht<br />
eine Mehrzahl von Äußerungen zu ganz unterschiedlichen<br />
Textaussagen. Alle Aspekte<br />
werden weitergeführt, während ein normales<br />
Gespräch häufig zur Engführung verleitet.<br />
<strong>Der</strong> Kommunikationsfluss verlangsamt sich<br />
und gewinnt dadurch an Intensität. 3<br />
Zeitbedarf: ca. 1 Stunde<br />
____________________________________<br />
Viagese – in den Text hineingehen<br />
Biblische Texte sind wie „Landschaften“.<br />
Ich kann mich in ihnen „bewegen“. Dadurch<br />
verändert bzw. konzentriert sich meine<br />
Sichtweise auf den Text und meine Einstellung<br />
zum Text.<br />
Auf dem Boden werden DIN A4 Blätter mit<br />
dem Text (ein Satz oder Sinnabschnitt pro<br />
Blatt) ausgelegt. Wenn der Text länger ist,<br />
werden nur die wichtigsten Begriffe (Ort,<br />
Zeitangaben, Gegenstände) und Worte<br />
ausgelegt.<br />
Die Gruppe geht zunächst gemeinsam den<br />
Weg ab. <strong>Der</strong> Text wird von den Leitenden<br />
laut vorgelesen.<br />
Danach werden die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer aufgefordert in den Text „hineinzugehen“<br />
und die „Textstraße“ abzugehen<br />
und die einzelnen Textteile auf sich wirken<br />
3 Fundort: Sigrid Berg, Kreative Bibelarbeit in Gruppen,<br />
Stuttgart 1991, S.20
zu lassen. Dieser Weg kann durchaus<br />
mehrmals beschritten werden. Schließlich<br />
bleiben die einzelnen Teilnehmenden bei<br />
dem Wort (Satz oder Vers) stehen, dass sie<br />
am meisten anspricht.<br />
Die Leitenden gehen nun zu jedem Einzelnen<br />
und befragen ihn, was ihn zu dieser<br />
Stelle geführt hat. Danach schließt eine<br />
gemeinsame Gesprächsrunde die Bibelarbeit<br />
ab. 4<br />
Zeitbedarf: ca. 45 Minuten<br />
____________________________________<br />
Rollenidentifikation<br />
Ein biblischer Text wird langsam von der<br />
Leitung gelesen. An bestimmten Stellen,<br />
etwa wenn von einer Person erzählt wird,<br />
unterbricht sie und wendet sich mit der Bitte<br />
an die Teilnehmenden, sich in die jeweilige<br />
Person hinein zu versetzen. Z.B. bei der<br />
Geschichte der Emmaus-Jünger: „Du bist<br />
jetzt Kleopas, was geht dir alles so durch<br />
den Kopf auf dem Weg von Jerusalem nach<br />
Emmaus…“. Die Teilnehmenden äußern<br />
sich abwechselnd aus der Rolle heraus. In<br />
dieser Weise wird die Geschichte mehrmals<br />
unterbrochen (wenn es um andere Personen<br />
geht, wenn die Geschichte eine Wendung<br />
nimmt o. ä.).<br />
In einer anschließenden Reflexionsrunde<br />
werden die Teilnehmenden eingeladen, sich<br />
darüber auszutauschen, wie es ihnen in den<br />
jeweiligen Rollen und Situationen gegangen<br />
ist, welche „Lebens-Geschichten“ ihnen<br />
dazu einfallen.<br />
Zeitbedarf: je nach Intensität und Gruppen-<br />
größe bis zu 45 Minuten<br />
____________________________________<br />
Was löst eine Geschichte bei mir<br />
aus?<br />
Wenn wir etwas lesen oder hören, werden<br />
dabei bei uns nicht nur Gedanken ausgelöst,<br />
sondern auch Gefühle. Wir sind belustigt,<br />
gelangweilt, aufgeregt, abgestoßen, fasziniert,<br />
erschreckt, verwirrt, beschämt, ermutigt,<br />
erwärmt usw. Viele von uns haben sich<br />
daran gewöhnt, auf diese Gefühle nicht zu<br />
achten, sondern „zur Sache“ überzugehen.<br />
Aber unsere Gefühle sind wichtig für das<br />
Verhältnis zu einer biblischen Geschichte.<br />
Unsere Gefühle sind ein Teil der Wirkung,<br />
die sie auf uns hat. Wir schlagen 2 Möglichkeiten<br />
vor:<br />
1. Sammeln Sie alle - auch versteckt - in einem<br />
Text vorkommenden Gefühle, bzw. Gefühle,<br />
mit denen Sie auf diesen Text antworten.<br />
4 Fundort: www.bistum-fulda.de<br />
Welche Lebenssituationen fallen Ihnen dazu<br />
ein? Kann mir der Text weiterhelfen?<br />
2. Jede/r erhält einen Bogen Papier und<br />
Wachsmalstifte. Nachdem alle den Text<br />
gehört haben, malen die Teilnehmenden<br />
ein Bild – ganz assoziativ, ohne nachzudenken,<br />
Formen und Farben (nicht gegenständlich).<br />
Nicht eine genaue Darstellung<br />
ist wichtig, sondern der Ausdruck dessen,<br />
was die Teilnehmenden empfinden.<br />
Im Austausch zu zweit wird das Bild nicht<br />
gedeutet, sondern die anderen sagen, wie<br />
es auf sie wirkt. Auch hier schließt sich ein<br />
Austausch darüber an, woher sie das kennen,<br />
welche Szenen aus ihrem Leben ihnen<br />
dazu einfallen.<br />
Diese Methode fördert die Unmittelbarkeit<br />
und Kreativität gegenüber biblischen Geschichten.<br />
5<br />
Zeitbedarf: 20-30 Minuten<br />
____________________________________<br />
5 s.a.: Arbeitshilfe Erzählen, Arbeitsstelle Kindergottesdienst<br />
im HkD, S. 15<br />
pr a x I s<br />
41
ar b e I t s h I l f e n<br />
42<br />
Gert Stührmann<br />
ge m e I n s a m In D e n sp I e g e l s e h e n<br />
Über die Bilder von Frauke Migge ins Gespräch kommen<br />
Die Bilder von Frau Migge, die in diesem Heft<br />
abgedruckt sind, finden Sie auch als Bildersatz<br />
in diesem Heft. Wir möchten Ihnen damit<br />
ermöglichen, auch mit ihnen in Ihrer Gruppe<br />
zu arbeiten.<br />
Wir können uns dabei unterschiedliche Formen<br />
vorstellen.<br />
1. Bei einer kleinen <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe ist<br />
die Betrachtung eines Bildes in der Gesamtgruppe<br />
möglich. Um den Austausch<br />
untereinander zu strukturieren, sind die<br />
Impulsfragen oder eine Auswahl davon hilfreich.<br />
Natürlich können in gleicher Weise auch<br />
noch andere Bilder angeschaut werden.<br />
2. Die <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe teilt sich in Kleingruppen<br />
(3-4 TN) auf. Jede Gruppe sucht<br />
sich ein Bild aus dem Bildersatz auf. <strong>Der</strong><br />
Austausch erfolgt in ihr wie beim ersten<br />
Vorschlag. In einem zweiten Schritt stellt<br />
eine Teilgruppe ihre Gedanken zu ihrem<br />
Bild der Gesamtgruppe vor. Daran schließt<br />
sich ein gemeinsamer Austausch an. Es<br />
folgt die nächste Gruppe bis alle ihre Bilder<br />
vorgestellt haben.<br />
3. Jede/r TN sucht sich ein Bild aus. Zu ausgesuchten<br />
Fragen macht er/sie sich Gedanken<br />
zu dem Bild. In einem Partnergespräch stellt<br />
zunächst eine/r ihr/sein Bild vor. Es schließt<br />
sich ein Austausch zu zweit an. Danach erfolgt<br />
der Wechsel. In einer anschließenden<br />
Plenumsrunde erzählen die TN einander,<br />
was für sie besonders wichtig war.<br />
4. Als weitere Möglichkeit, die Bilder zu betrachten<br />
und ins Gespräch darüber zu kommen,<br />
schlagen wir in Anlehnung an das Spiel<br />
„Stille Post“ folgendes vor: In einer Kleingruppe<br />
(4 oder 6 Personen) erhalten 2 bzw.<br />
3 TN ein Bild. Auch hier machen sie sich in<br />
Einzelarbeit zu ausgewählten Impulsfragen<br />
Gedanken zu „ihrem“ Bild. Diese teilen sie<br />
der rechten Person mit und beide tauschen<br />
sich gemeinsam aus. Das was diese TN nun<br />
gehört hat, gibt sie mit den eigenen Gedanken<br />
weiter an die nächste TN. Das setzt sich<br />
fort, bis die Person, von der das Bild ausging,<br />
hört, was am Ende bei ihr angekommen ist.<br />
Was ist verloren gegangen, was ihr wichtig<br />
war, was ist dazugekommen, was für sie<br />
interessant ist?<br />
Auch wenn diese Methode etwas kompliziert<br />
erscheint, so wird daran für die TN auch<br />
deutlich, was sich entwickelt, wenn etwas<br />
weitererzählt wird…<br />
Wesentlich für die Arbeit mit den Bildern ist<br />
der Hinweis an die TN, dass es keine „richtige“<br />
bzw. „falsche“ Interpretation gibt. Es<br />
geht nicht darum, herauszufinden, was die<br />
Malerin „eigentlich“ darstellen wollte. Es geht<br />
darum, was die Bilder bei den Betrachtenden<br />
auslöst. Das kann ganz unterschiedlich<br />
sein.<br />
Wenn die Betrachtung der Bilder im Zusammenhang<br />
mit dem Thema des Heftes<br />
geschieht, so sollten Impulsfragen in die<br />
Richtung der Fragen 4-7 gehen.<br />
Folgende Impulsfragen – womöglich in Auswahl<br />
- können für den Austausch anregend<br />
sein.<br />
1. Was liegt Ihnen da vor Augen? Beschreiben<br />
Sie das Bild. Was sehen Sie mit Ihren Augen<br />
auf dem Bild?<br />
2. Was sind Ihre „antwortenden“ Gefühle auf<br />
das Bild? Welche Gefühle löst das Bild bei<br />
Ihnen aus? Versuchen Sie, das in Worte zu<br />
fassen.<br />
3. Welche Gedanken und welche Assoziationen,<br />
welche Einfälle und Phantasien kommen<br />
Ihnen beim Betrachten des Bildes?<br />
4. In welcher Weise erscheint das, was uns<br />
alle Tage vor Augen ist? Ich welcher Weise<br />
kommt die religiöse Dimension zum Ausdruck?<br />
5. Fallen Ihnen Worte, Bilder und Geschichten<br />
aus der christlichen Tradition ein? Haben Sie<br />
eine Idee, warum es gerade diese sind?<br />
6. Können das Betrachten der Bilder und der<br />
gemeinsame Austausch darüber auch den<br />
Blick auf Lebenssituationen verändern?<br />
7. Entdecken Sie Parallelen zwischen der Betrachtung<br />
der Bilder und der Begegnung bei<br />
einem Besuch? In welcher Weise schimmert<br />
im Bild, in welcher Weise bei Besuchen die<br />
religiöse Dimension durch?
Gert Stührmann<br />
wo l l e n w I r n o c h z u s a m m e n b e t e n?<br />
Glaubensfragen und -zweifel<br />
Beim Betreten des Hofes sehe ich zwei Frauen, die mit Gartenarbeit beschäftigt sind, während<br />
eine dritte in einem Schuppen mit einem Herrn spricht. Ich erkundige mich bei ersteren nach Frau<br />
P. und werde an die Dame im Schuppen verwiesen, muss also einige Minuten warten, bis der<br />
Herr sich verabschiedet.<br />
V 1 Guten Tag, Frau P. Mein Name ist V, ich komme von der evangelischen Kirchengemeinde<br />
und wollte Sie gerne einmal besuchen.<br />
P 2 (schaut mich etwas überrascht an) Das ist aber schön, Frau V. Bitte, kommen Sie doch mit<br />
nach oben. (Sie bittet mich, auf der Treppe voranzugehen; es ergibt sich ein kurzes Gespräch<br />
über Altersbeschwerden und die Mühe des Treppensteigens. Im zweiten Stock<br />
angekommen.)<br />
P 3 Bitte, gehen Sie doch schon hinein. Die Türe ist offen! (Ich betrete einen kleinen Raum mit<br />
einem Bett, einer Sitzgruppe, mit einem kleinen runden Tisch und zwei Sesseln. Hinter<br />
einem halb geöffneten Vorhang eine Spüle, ein Herd und ein Kühlschrank.)<br />
P 4 Bitte, nehmen Sie doch Platz. (Sie zieht den Vorhang zu.) Ich habe noch gar nicht auf-<br />
geräumt, aber ich freue mich wirklich sehr, dass Sie gekommen sind. Ich habe den Herrn<br />
Pfarrer auch schon um einen Besuch gebeten, aber er ist nicht gekommen.<br />
V 5 Ja, es gibt sehr viel zu tun in der Gemeinde, und z. Zt. Ist Herr Pfarrer B ja auch in Urlaub.<br />
(Ich lächle ihr zu; wir sitzen einander schräg gegenüber, das Tischchen steht zwischen<br />
uns. Frau P bemerkt, dass ich die vielen Fotografien, die auf einem niedrigen Schränk-<br />
chen stehen, entdeckt habe, und beginnt ausführlich von diesen Bekannten zu erzählen,<br />
deren Kinder sie mit großgezogen hat und die ihr sehr nahe stehen. Es besteht ein stän-<br />
diger Augenkontakt zwischen uns. Einmal unterbricht sie sich.)<br />
P 6 Hoffentlich langweile ich Sie auch nicht mit diesen Geschichten. Haben Sie denn über-<br />
haupt Zeit?<br />
V 7 Ja, Frau P, ich habe mir für den Besuch bei Ihnen Zeit genommen. Ich freue mich, dass<br />
Sie so rege am Schicksal Ihrer Freunde Anteil nehmen.<br />
P 8 Ja, sie kommen auch immer noch gerne zu mir zu Besuch. Erst neulich hat mich eines<br />
der Mädchen (sie deutet auf eine der Fotografien) überraschend besucht. Ich freue mich<br />
über jede Abwechslung. Mit meinem Beinleiden komme ich halt nur noch wenig nach<br />
draußen.<br />
V 9 Das ist sicherlich recht beschwerlich.<br />
P 10 Zum Glück wohnen hier nette Leute im <strong>Haus</strong>. Wir helfen uns immer gegenseitig.<br />
Frau G kauft auch oft für mich ein. Frau Sch, die in der Mitte wohnt, ist z. Zt. verreist.<br />
Ich schaue jetzt täglich für sie nach der Post und gieße auch die Blumen.<br />
V 11 Das ist sicher schön, in einer guten <strong>Haus</strong>gemeinschaft zu leben.<br />
P 12 Ja, Frau G. besucht mich täglich, und wir unterhalten uns dann immer. (Pause)<br />
Sie ist so hilfsbereit und dabei gar nicht religiös.<br />
V 13 Es gibt viele Menschen, die Gutes tun und nicht zur Kirche gehen.<br />
P 14 Ja, und viele gehen regelmäßig in den Gottesdienst, aber sie kümmern sich kaum um ihre<br />
Mitmenschen. (In ihrer Stimme liegt ein fragender, unsicherer Unterton. Sie schaut mich<br />
an und nach einer Pause:)<br />
P 15 Wissen Sie, wenn man alt ist, dann macht man sich so seine Gedanken.<br />
(Sie schaut mich wieder an, und einer Intuition folgend frage ich:)<br />
V 16 Sie überlegen, wie es wohl später, nach dem Tod einmal sein wird? Wonach Gott uns<br />
dann beurteilt?<br />
P 17 Ja, ich weiß nicht, wie ich mir das alles vorstellen soll.<br />
(Ich meine einen ängstlichen Unterton herauszuhören.)<br />
V 18 Ja, so richtig weiß niemand, wie es nach dem Tod sein wird. Aber ich glaube, dass wir uns<br />
dann sehr wohl fühlen werden.<br />
P 19 Glauben Sie? (Mit einem Aufseufzen) Ach, das wäre schön!<br />
V 20 Ich kann mir nur vorstellen, dass es gut sein wird, wenn wir bei Gott sind.<br />
(Es entsteht eine längere Pause. Wir schauen uns ruhig an.)<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
43
ar b e I t s h I l f e n<br />
44<br />
P 21 Es ist schwer, sich Gott vorzustellen. Glauben Sie, dass Gott eine geistliche Macht ist?<br />
V 22 In der Bibel heißt es: „Gott ist Liebe“, man kann also durchaus sagen, dass Gott eine<br />
geistliche Macht ist.<br />
P 23 Ja, das glaube ich ja auch. (Pause) Aber viele fromme Menschen stellen sich doch Gott<br />
als Person vor!? (Wieder der fragende Unterton.)<br />
V 24 Es macht Sie unsicher, dass es bei den Christen verschiedene Gottesbilder gibt?<br />
P 25 Ich weiß halt nicht so recht. Es fällt mir schwer, mir Gott als alten Mann mit Bart vorzu-<br />
stellen, wie manche frommen Leute das tun.<br />
V 26 Jeder Mensch hat so seine eigenen Gottesvorstellungen. Manche brauchen es einfach,<br />
sich Gott als persönliches Gegenüber, in Menschengestalt vorzustellen. Andere hinge-<br />
gen nicht.<br />
P 27 (mit Tränen in den Augen): Ach, ich bin froh, dass ich mich einmal aussprechen konnte,<br />
Frau V. Das hat mich so bedrückt. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind.<br />
(Sie blickt mir erwartungsvoll in die Augen.)<br />
V 28 Wollen wir noch zusammen beten, Frau P?<br />
P 29 Ach ja, bitte, das wäre schön.<br />
(Ich bringe unsere menschlichen Zweifel und Ängste vor Gott, danke für alles Frohe und Helle<br />
in unserem Leben und bitte um Gottes Nähe und Beistand. Frau P erhebt sich dann, greift<br />
nach ihrer Geldbörse und fragt, ob sie mir eine Spende für die Orgel mitgeben dürfte. Sie hätte<br />
sie dem Pfarrer versprochen, könnte sie aber wegen der Gehbehinderung nicht zum Pfarramt<br />
bringen. Sie überreicht mir dann einen großen Betrag, den ich dankend annehme. Bei der<br />
Verabschiedung verspreche ich, einmal wiederzukommen, wozu sie mich lächelnd und mit dem<br />
Hinweis, sie sei so gut wie immer daheim, einlädt.)<br />
1. Beschreiben Sie den Prozess, wie es zum Gespräch über<br />
Glaubensfragen und -zweifel kommt.<br />
2. An welchen Stellen und welchen Worten klingt die religiöse<br />
Dimen sion durch?<br />
3. Wie ist die Besucherin mit den Glaubensfragen und -zweifeln von<br />
Frau P umgegangen?<br />
4. Welche Funktion hatte das Gebet am Schluss?<br />
Wie ist seine Beziehung zum vorausgegangenen Gespräch?<br />
5. Wie hätten Sie sich anstelle von Frau P bei und nach diesem<br />
Besuch gefühlt?<br />
6. Hätten Sie sich anders verhalten? Wenn ja, an welcher Stelle?
Aus der Vorstellung ist zu schließen, dass die<br />
Mitarbeiterin im <strong>Besuchsdienst</strong> Frau P. zum<br />
ersten Mal besucht. Für einen Erstbesuch<br />
herrscht schon von Beginn an eine erstaunlich<br />
vertrauensvolle Atmosphäre. Die Begrüßung<br />
ist schon sehr herzlich und nach einem ersten<br />
Abtasten und der Klärung, mit wem die beiden<br />
es zu tun haben, entwickelt sich ein Gespräch<br />
über Menschen, die für Frau P. Bedeutung<br />
hatten, bis hin zu einem intensive Dialog über<br />
Glaubensfragen und –zweifel, das am Ende<br />
in einem gemeinsamen Gebet endet, das die<br />
Besucherin, Frau V., frei formuliert.<br />
Wie ist es nun dazu gekommen und wie hat es<br />
sich entwickelt?<br />
Schon am Anfang bringt die Besucherin die<br />
religiöse Dimension mit in den „Raum“: „… ich<br />
komme von der evangelischen Kirchengemeinde…“.<br />
Überrascht und freudig bittet Frau P. Frau<br />
V. in ihre Wohnung. An dieser Stelle ist es noch<br />
nicht klar, worin diese Freude ihren Grund hat,<br />
im Besuch an sich oder im Besuch von der<br />
Kirchengemeinde. Als sie aber den gewünschten,<br />
doch nicht erfolgten Besuch des Pastors<br />
erwähnt wird deutlich: „Endlich ist jemand von<br />
der Kirche da.“<br />
Frau V. spürt den Ärger über den Pastor und<br />
versucht ihn zu entschuldigen. Aber Frau P.<br />
hält sich bei ihrem Ärger nicht auf (aber er<br />
muss einfach mal gesagt werden), sondern<br />
bei ihr überwiegt die Freude („…ich freue mich<br />
wirklich sehr…“, P 4). Sie nimmt den Blick der<br />
Besucherin auf, sie spürt, dass da jemand ist,<br />
der sich für sie und ihr Leben interessiert und<br />
erzählt aus ihrem Leben, erzählt einige ihrer<br />
Lebensgeschichten. Wichtig ist nicht der Pastor,<br />
wichtig ist, dass sich jemand ihr zuwendet, sie<br />
wertschätzt. Aber – wie sich später herausstellt<br />
– es ist auch wichtig, dass diese Person von der<br />
Kirche ist. Die Erwähnung, dass der Pastor nicht<br />
gekommen ist, weist darauf hin.<br />
Diese Erfahrung ist es womöglich, die Frau V.<br />
dazu veranlasst, sich der Beziehung zur Besucherin<br />
zu vergewissern: Kann ich mich auf<br />
Dich verlassen? (P 6)<br />
„ma n m a c h t s I c h h a l t s o<br />
s e I n e ge D a n K e n“<br />
Erläuterungen zum Gesprächsprotokoll<br />
Die religiöse Dimension wird deutlicher, als sie<br />
von ihren körperlichen Einschränkungen erzählt.<br />
Sie ist auf Hilfe angewiesen. Das Stichwort<br />
„<strong>Haus</strong>gemeinschaft“ (V 11) scheint sie aufmerksam<br />
zu machen auf eine nicht nur weltliche Gemeinschaft.<br />
Die Zuwendung anderer verbindet<br />
sie mit Nächstenliebe und diese nun mit Religion,<br />
mit der christlichen Gemeinschaft („…hilfsbereit<br />
und dabei gar nicht religiös.“, P 12). Es geht ihr<br />
hier mehr als um eine rein menschliche Hilfe,<br />
wenn sie sagt „…man macht sich halt so seine<br />
Gedanken“(P 15). Die Besucherin spürt deutlich<br />
die religiöse Dimension dieses Satzes und<br />
geht damit sehr offensiv um, einer „Intuition“<br />
folgend wie sie sagt. Auch wenn Frau P. diese<br />
Intervention dankbar aufnimmt, ist sie doch<br />
gewagt. Es hätte sicher ausgereicht, wenn sie<br />
nachgefragt hätte, welche Gedanken Frau P.<br />
beschäftigen.<br />
Dennoch entwickelt sich nun ein sehr dichtes<br />
Gespräch über Glaubensfragen und –zweifel.<br />
Frau V. fördert das Gespräch, indem sie von<br />
sich selber in „Ich-Form“ spricht. Überraschend<br />
ist es dann allerdings, dass Frau V. nach einer<br />
direkten Frage von Frau P. (P 21) in eine unpersönliche<br />
allgemeine Sprachform übergeht<br />
(„man“, P22). Vielleicht ist sie überrascht über<br />
die persönli-che Anfrage, vielleicht fühlt sie<br />
sich persönlich unsicher in dieser Frage und<br />
hat selbst keine eindeutige Antwort. Dabei darf<br />
sie letzteres auch mit ihrem Gegenüber teilen,<br />
so dass sich der Dialog auch auf suchende<br />
Weise fortsetzen kann. Dennoch bleiben beide<br />
Gesprächs-partnerinnen im Kontakt und am<br />
Thema. Am Ende zeigt sich, wie entlastend und<br />
erleichternd dieses Gespräch für Frau P. ist.<br />
Es ist auffällig, dass an Stellen dieses Gespräches,<br />
in denen auch die religiöse Dimension<br />
durchschimmert oder ausdrücklich Thema<br />
ist, die Emotionen eine Rolle spielen: die Freude<br />
zu Beginn, der Ärger über den Pastor, die<br />
Verunsicherung in der Mitte, die Angst und die<br />
Unsicherheit bei der Frage nach Gott, und am<br />
Ende die dankbare Freude. Da, wo die Emotionen<br />
von Freude, Trauer, Wut und Angst zum<br />
Ausdruck kommen, ist davon auszugehen, dass<br />
auch die religiöse Dimension mit im Spiel ist.<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
45
ar b e I t s h I l f e n<br />
46<br />
Dieses Gespräch macht zudem deutlich, dass<br />
sich ein Gespräch über den Glauben nach<br />
und nach entwickelt. Das Thema ist mit der<br />
Vorstellung („...ich komme von der Kirchengemeinde…“)<br />
bereits gegenwärtig. Die Erzählung<br />
aus der Lebensgeschichte trägt die Spur von<br />
Bilanz in sich und weist auf die Frage nach der<br />
Geborgenheit in Gott hin, die später dann auch<br />
ausdrücklich Thema wird. In alltäglicher Sprache<br />
klingt das religiöse Thema durch („<strong>Haus</strong>gemeinschaft“,<br />
„hilfsbereit und dabei gar nicht<br />
religiös“, „man macht sich so seine Gedanken“).<br />
In der Aufnahme dieser Andeutungen kommt<br />
DIe em m a u s j ü n g e r<br />
es dann zu einem Dialog über Glaubensfragen<br />
und –zweifel.<br />
Das Gebet fasst diesen Weg zusammen, indem<br />
beide das, was sie in diesem Gespräch beschäftigt<br />
hat, vor Gott bringen, der von Beginn<br />
an schon gegenwärtig war.<br />
Dieser Weg, der hier in einem Besuch gegangen<br />
wurde, verteilt sich bei anderen Besuchen<br />
auf mehrere Begegnungen, ist aber nicht weniger<br />
intensiv, wenn Mitarbeitende auf die Zwischentöne,<br />
und auf das, was in den Äußerungen<br />
anklingt, achten und sich trauen, den Glauben<br />
ins Gespräch zu bringen.<br />
13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa<br />
zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.<br />
14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.<br />
15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus<br />
selbst und ging mit ihnen.<br />
16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten.<br />
17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs?<br />
Da blieben sie traurig stehen.<br />
18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den<br />
Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?<br />
19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth,<br />
der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;<br />
20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben.<br />
21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag,<br />
dass dies geschehen ist.<br />
22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen,<br />
23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln<br />
gesehen, die sagen, er lebe.<br />
24 Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden‘s so, wie die Frauen sagten; aber ihn<br />
sahen sie nicht.<br />
25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten<br />
geredet haben!<br />
26 Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?<br />
27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift<br />
von ihm gesagt war.<br />
28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.<br />
29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat<br />
sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.<br />
30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach‘s und gab‘s<br />
ihnen.<br />
31 Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.<br />
32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf<br />
dem Wege und uns die Schrift öffnete?<br />
33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf<br />
versammelt und die bei ihnen waren;<br />
34 die sprachen: <strong>Der</strong> Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.<br />
35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt<br />
wurde, als er das Brot brach.
Wenn profanes Essen und heiliges<br />
Mahl sich vermischen<br />
Eine Weggeschichte<br />
Eine Weggeschichte, vielen Menschen bekannt<br />
und vertraut. Das mag daran liegen, dass sich<br />
Menschen in ihr wiederfinden, mit ihren Gedanken,<br />
Gefühlen und Erlebnissen. Zudem ist<br />
sie eine Geschichte, die davon handelt, das<br />
etwas weggebrochen ist und darum erst einmal<br />
wieder gefunden werden muss, wieder entdeckt<br />
und wiedererkannt werden muss. Das kennen<br />
viele. Etwas Altes, was verloren ist, wird wiedergefunden<br />
und wird zu etwas ganz Neuem.<br />
Es erstrahlt in einem neuen Licht und erhellt die<br />
Lebenssituation. Dazu ist es wohl nötig einen<br />
Weg zu gehen.<br />
<strong>Der</strong> Text beschreibt diesen Weg und findet<br />
darin seine Struktur: Dem Weggang der beiden<br />
Jünger (13f), dem Dazukommen Jesu (15)<br />
und ihrem Nichterkennen (16) entsprechen in<br />
umgekehrter Reihenfolge, das Erkennen (31a),<br />
das Verschwinden Jesu (31b) und die Rückkehr<br />
nach Jerusalem (33-35). 1 Dazwischen liegen<br />
der gemeinsame Weg des Erzählens und der<br />
Auslegung und vor allem das Abendessen.<br />
Die Jünger gehen weg aus Jerusalem, weil<br />
sie Abstand brauchen. Ihr Weltbild ist zusammengebrochen.<br />
Nach der Kreuzigung sind<br />
Glaube und Leben, Hoffnung und Wirklichkeit<br />
auseinandergebrochen. Diese Geschichte folgt<br />
der Verkündigung am leeren Grab, dass Jesus<br />
auferstanden ist. Das sind für die beiden Jünger<br />
nur leere, leblose Worte. Das ist zu spüren, so<br />
wie sie davon berichten. Jesus ist mit seinem<br />
Tod zu einer „historischen“ Person geworden,<br />
ganz und gar den Gesetzmäßigkeiten der „Welt“<br />
unterworfen. Daher sind sie auch ganz in ihrer<br />
Trauer, Verzweiflung und Wut verhaftet und<br />
können den Auferstandenen nicht erkennen,<br />
sondern nur als Fremden sehen.<br />
Aber er ist es, der ihnen auf dem Weg Raum<br />
schafft, genau davon zu erzählen. Es ist gut,<br />
wenn einer gehen kann, um zu erzählen, was<br />
einen bewegt. Die Auslegung, die Deutung<br />
dieses Abschnittes ihrer Lebensgeschichte aus<br />
der Schrift durch den Auferstandenen bleibt<br />
ihnen „fremd“ wie der „Fremde“. Auch diese<br />
Worte bleiben – noch – leer und leblos. Die<br />
1 Eduard Schweitzer, NTD Bd. 3, Das Evangelium nach<br />
Lukas, S. 245<br />
Gert Stührmann<br />
br a n n t e n I c h t u n s e r he r z<br />
Erläuterungen zu Lukas 24, 13 - 35<br />
Nähe, die der Fremde schafft durch Begleitung,<br />
Zuhören, Eingehen durch Deutung – in allem<br />
durch Beziehung - veranlasst die beiden Jünger<br />
ihn zu bitten, zu bleiben. Es ist gut, nicht<br />
allein zu bleiben, wenn man sich einsam und<br />
verlassen fühlt.<br />
Im Zusammensein ereignet sich das Wiedererkennen,<br />
wird das Verlorene wiedergefunden,<br />
verbinden sich Glauben und Leben, Hoffnung<br />
und Wirklichkeit wieder. Bezeichnender Weise<br />
auf sinnliche Weise. Es ist das Mahl, das dazu<br />
führt, und es ist nicht deutlich, was es denn<br />
nun ist: Abendessen oder Abendmahl. So wie<br />
sich in Jesus Gottes Geschichte mit uns Menschen<br />
nahezu bis zur Unkenntlichkeit mit den<br />
Lebensgeschichten von uns Menschen vermischt,<br />
so sind hier Abendessen und Abendmahl<br />
miteinander vermischt, haben Glauben und<br />
Leben, Hoffnung und Realität wieder zueinander<br />
gefunden. Auf dem Weg finden die Jünger<br />
einen Spielraum, in dem ihre Lebenssituation,<br />
der begleitende Auferstandene als „Fremder“<br />
und die Schrift und ihre Auslegung miteinander<br />
ins „Spiel“ kommen. Es endet damit, dass im<br />
gemeinsamen Essen der „alte“ Glaube und die<br />
„alte“ Hoffnung von den beiden Jüngern „neu“<br />
gefunden und „neu“ erfunden werden kann. Es<br />
verwundert nicht, dass der „Fremde“ dann vor<br />
ihren Augen verschwand, als er wiedererkannt<br />
war, er war nicht mehr nötig, bzw. war auf andere<br />
Weise gegenwärtig. Erst da geht ihnen auf,<br />
dass sie schon auf dem Weg gespürt haben,<br />
dass sich eine Veränderung ereignet: „Brannte<br />
nicht unser Herz in uns?“<br />
Folgerichtig kehren die beiden Jünger nach<br />
Jerusalem zurück, denn Abstand war nicht<br />
mehr nötig, sondern neue Nähe war gewachsen.<br />
Das muss weiter erzählt werden. Was sie<br />
dort von den Jüngern erfahren, dass sich bei<br />
Petrus etwas Vergleichbares und auf andere<br />
Art und Weise ereignet hat, verwundert nicht.<br />
Denn erzählt werden kann nur das, was einer<br />
selbst erfahren hat und das ist individuell ganz<br />
verschieden. Dass jemand erzählt, motiviert<br />
andere, ähnliche und doch ganz individuelle<br />
Erfahrungen zu machen. Die Geschichte geht<br />
also weiter, der Weg setzt sich fort. Davon leben<br />
die Geschichten Gottes mit uns Menschen und<br />
halten sie lebendig.<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
47
pr a x I s<br />
48<br />
Lebens-Geschichte und Glaubens-<br />
Geschichte ineinander erzählen<br />
Eine Besuchs-Geschichte<br />
In gleicher Weise wie die Erzählung von den<br />
Emmausjüngern eine Weg-Geschichte ist, ist<br />
sie auch eine Besuchs-Geschichte.<br />
• Zwei Menschen sind auf dem Weg. Sie sind<br />
dabei, ein Stück ihrer Lebensgeschichte zu<br />
verarbeiten. Sie suchen Distanz – im Gehen<br />
und im darüber Reden. Sie sind gefangen in<br />
diesen Erlebnissen, voll von Emotionen von<br />
Trauer, Schmerz und Aggression. Es ist gut,<br />
dass sie einander haben, so können sie sich<br />
entlasten.<br />
• Ein Dritter gesellt sich zu ihnen, kommt zu<br />
„Besuch“, wie Mitarbeitende auch zu Besuch<br />
kommen in eine ihnen (meist) nicht bekannte<br />
Lebenssituation. Was sich bei diesem „Weg-<br />
Besuch“ entwickelt, ist Nähe. Das Gleiche<br />
geschieht bei Besuchen, in denen sich die<br />
Gesprächspartner wohlfühlen. Nähe ist<br />
nicht einfach da, auch in dieser Geschichte<br />
nicht. Zunächst reagieren die Jünger etwas<br />
genervt: „Bist du der einzige, …der nicht<br />
weiß…?“<br />
• Dennoch gelingt es dem Fremden eine Atmosphäre<br />
zu schaffen, in der die Jünger erzählen<br />
können. Er gibt ihnen das Gefühl von<br />
Wertschätzung und gleichzeitig bietet er als<br />
Fremder die Möglichkeit, sich zu entlasten<br />
und Abstand vom unmittelbaren Erleben zu<br />
gewinnen. Etwas, was Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
aus der Arbeit auch kennen.<br />
• <strong>Der</strong> „Fremde“ hört aufmerksam zu, was die<br />
Jünger zu erzählen haben, er ist im besten<br />
Sinne „neugierig“. Sie sind bei ihm gut aufgehoben<br />
mit dem, was sie bewegt. Wenn das<br />
bei Besuchen gelingt, spüren Mitarbeitende<br />
eine große Dichte und Intensität in den Begegnungen.<br />
Dort beginnt es, was die Jünger<br />
erst im Nachhinein erkennen: „Brannte nicht<br />
unser Herz…“: Mitarbeitende können das<br />
spüren.<br />
• Das ist der Zeitpunkt, in dem es zu dem<br />
„Ein-Fall“ Gottes kommt, in Form der Schrift<br />
und deren Auslegung. In der biblischen Geschichte,<br />
zugegeben in etwas belehrender<br />
Form, wie es vielleicht nur der Auferstandene<br />
tun kann. Aber auch das stört die Nähe<br />
nicht. Auch wenn das Wort des Fremden<br />
ihnen fremd bleibt, ist die Nähe zueinander<br />
doch so gewachsen, dass sie ihn bitten,<br />
zu bleiben. Es sind die Lebensumstände,<br />
die zur Schrift führen. Es ist das, was die<br />
Besuchten berührt und bewegt, was bei den<br />
Besuchenden zu mitunter intuitiven „Einfällen“<br />
führt, Worte, Bilder und Geschichten<br />
der Bibel als „Sprech-Hilfen“ in das Gespräch<br />
einzubringen. Ist auch hier die Nähe<br />
gewachsen, so mögen sie zunächst auch<br />
fremd bleiben und doch “nachwirken“ wie<br />
bei den Emmausjüngern.<br />
• Die Nähe erlebt ihren Höhepunkt im gemeinsamen<br />
Mahl. Hier ist zwischen Abendessen<br />
und Abendmahl, zwischen profanem und<br />
heiligem Essen nicht mehr zu unterscheiden.<br />
Plötzlich erkennen die Jünger Jesus: Er lebt!<br />
Bei Besuchen gibt es mitunter auch solche<br />
„heiligen“ Momente, in denen etwas in einem<br />
anderen Licht erscheint, etwas klarer wird,<br />
ein anderer Blickwinkel etwas erhellt – mit<br />
dem Einfall Gottes in die Lebenssituation.<br />
• Als das geschieht, verschwindet der Auferstandene.<br />
Er ist dennoch da, sie tragen ihn in<br />
sich. Sie gehen zurück und erzählen davon.<br />
In solchen Momenten fällt Abschied von den<br />
Besuchten nicht schwer. Meist sind es beide<br />
– Besuchte wie Besuchende - die etwas<br />
wieder gefunden haben. In ihrer eigenen<br />
Geschichte haben sie Gottes Geschichte<br />
mit uns Menschen wieder erkannt.<br />
„Aus dem Lebenszusammenhang wird Jesus<br />
erkannt. Nicht aus einem Glauben, den man<br />
sonst schon mitbringt.“ 2 Glaube ist nicht da, er<br />
entwickelt sich, will sich immer neu entwickeln<br />
- In der Begegnung, aus der Beziehung heraus.<br />
Weil der erzählten Lebens-Geschichte eine<br />
Glaubens-Geschichte angeboten wird, können<br />
Lebens-Geschichte und Glaubens-Geschichte<br />
ineinander erzählt werden, so dass eine neue<br />
Geschichte erzählt werden kann. Die Besuchenden<br />
erzählen sie in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe,<br />
die Besuchten – wer weiß.<br />
2 Lothar Steiger, Erzählter Glaube, S. 81, zur Bibelstelle
Arbeitskreise der <strong>Besuchsdienst</strong>leiterinnen und –leiter<br />
in den Sprengeln<br />
Wer einen <strong>Besuchsdienst</strong> leitet, braucht Anregungen zur Fortbildung der eigenen<br />
Wer Gruppe einen und <strong>Besuchsdienst</strong> den Erfahrungsaustausch leitet, braucht Anregungen mit andern zur Fortbildung der eigenen Gruppe und<br />
den Gruppenleitern/Gruppenleiterinnen. Erfahrungsaustausch mit andern Gruppenleitern/Gruppenleiterinnen. Diesem Ziel dienen die Arbeitskreise Diesem der Ziel dienen<br />
die <strong>Besuchsdienst</strong>leiterinnen Arbeitskreise der <strong>Besuchsdienst</strong>leiterinnen und –leiter in den und Sprengeln. –leiter in den Die Sprengeln. Treffen stehen Die Treffen jeweils stehen<br />
jeweils unter unter einem einem bestimmten bestimmten Thema. Thema. Eingeladen sind sind die die Leiterin / / der Leiter des jeweiligen<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es jeweiligen <strong>Besuchsdienst</strong>es und ein weiteres und Gruppenmitglied, ein weiteres Gruppenmitglied, das sich für die das Fortbildung sich für der die eigenen<br />
Gruppe Fortbildung verantwortlich der eigenen fühlt.<br />
Gruppe verantwortlich fühlt.<br />
Region Termine:<br />
Frühjahr / Herbst 2009<br />
Nienburg Freitag! 06.03.2009 /<br />
30.10.2009<br />
14.15 – 18.00 Uhr<br />
Hameln Do. 19.03.2009 / Do. 05.11.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Göttingen Mi. 25.03.2009 / 28.10.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Hannover (Land) Mo. 23.02.2009 / 21.09.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Hannover (Stadt) Mi. 04.03.2009 / 23.09.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Hildesheim Mi. 11.03.2009 / 21.10.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Lüneburg (Nord) Mo. 02.03.2009 / 19.10.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Lüneburg (Süd) Mi. 18.03.2009 / 30.09.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Osnabrück Do. 26.02.2009 /24.09.2009<br />
14.30 – 18.15 Uhr<br />
Ostfriesland Di. 03.03.2009 /20.10.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Stade (Nord) Mi. 18.03.2009 / 30.09.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Stade (Süd) Mo. 16.03.2009 / 28.09.2009<br />
14.00 – 18.00 Uhr<br />
Ort<br />
ar b e I t s K r e I s e<br />
D e r be s u c h s D I e n s t l e I t e r I n n e n u n D<br />
–l e I t e r In D e n sp r e n g e l n<br />
Nienburg/Kreuzkirche<br />
Hameln/Paul Gerhardt<br />
Göttingen/Gerhard-<br />
Merker-Begegnungszentr.<br />
Hannover<br />
<strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
Hannover<br />
<strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
Hildesheim<br />
Michaeliskloster<br />
Lüneburg/Stephanus<br />
Celle<br />
Urbanus-Rhegius-<strong>Haus</strong><br />
Osnabrück/Bonnus<br />
Potshausen<br />
Ev. Landvolkshochschule<br />
Bederkesa<br />
Ev. Heimvolkshochschule<br />
Rotenburg/W.<br />
Michael<br />
pr a x I s<br />
49
ar b e I t s h I l f e n<br />
50<br />
be s u c h e b e I Kr a n K e n<br />
In h Ä u s l I c h e r um g e b u n g<br />
Wochenendseminar<br />
Kranke zu besuchen, gehört zu den Kernaufgaben<br />
einer christlichen Gemeinde. Weil<br />
die Liegezeiten in den Krankenhäusern sich<br />
aber sehr verkürzt haben, erscheint es vielen<br />
Gemeinden sinnvoller zu sein, die Kranken zu<br />
<strong>Haus</strong>e zu besuchen, als sich zu einem vielleicht<br />
vergeblichen Besuch ins Krankenhaus aufzumachen.<br />
Besuche bei Kranken, aber fordern<br />
Mitarbeitende in den <strong>Besuchsdienst</strong>en anders<br />
als z.B. zu Geburtstagen oder ähnlich weniger<br />
belastenden Anlässen. So wären viele Mitarbeitende<br />
in den <strong>Besuchsdienst</strong>en zwar bereit,<br />
Besuche bei Kranken zu machen, sie haben<br />
aber Bedenken, dass sie bei diesen Besuchen<br />
mit Dingen konfrontiert werden, mit denen sie<br />
nur sehr schwer umgehen könnten. Dieses<br />
Seminar möchte die besondere Situation von<br />
Kranken in häuslicher Umgebung in den Blick<br />
nehmen und den Teilnehmenden Hilfestellung<br />
für den Umgang und für die Gespräche mit<br />
Kranken und deren Angehörige geben. Verbunden<br />
ist dieses Seminar mit dem Angebot<br />
zweier anschließender Fallbesprechungs- und<br />
Praxisanleitungsnachmittage für die Teilnehmenden<br />
und der Mitarbeit an einer Arbeitshilfe<br />
für diese besonderen Besuche.<br />
Inhalte:<br />
• <strong>Der</strong> eigene Umgang mit Krankheit und Leid<br />
• Nachdenken über die eigene Motivation,<br />
Kranke zu besuchen<br />
• Hilfe für Gespräche mit Kranken und deren<br />
Angehörige<br />
• Bearbeitung von Besuchs- und Gesprächs-<br />
situationen<br />
• Die Bedeutung des Glaubens bei Kranken-<br />
besuchen<br />
• Hilfreiche Literatur und Texte zum Thema<br />
Termin Seminar: 23. – 25.1.2009<br />
Leitung: Norbert Wilke, Pastor, N.N.<br />
Ort: Loccum, Akademie<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag 16:00 Uhr<br />
Ende: Sonntag 16:00 Uhr<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Termine Fallbesprechung und<br />
Praxisanleitung<br />
Freitag, 20.2.2009; 17:30 – 20:30 Uhr im HkD<br />
Freitag, 13.3.2009; 17:30 – 20:30 Uhr im HkD<br />
Anmeldung: bis 15.12.2008<br />
Maßnahme-Nr.:B 5000.09.6225.01<br />
be s u c h s D I e n s t a u f b a u e n<br />
– sc h r I t t f ü r sc h r I t t<br />
z u m er f o l g<br />
Wochenendseminar<br />
Sie planen in der Kirchengemeinde den<br />
Aufbau eines <strong>Besuchsdienst</strong>es. Wir möchten<br />
Ihnen an diesem Wochenende das nötige<br />
„Gewusst-Wie“ vermitteln.<br />
• Welche Planungsschritte sind nötig?<br />
• Wer sollte an der Planung beteiligt sein?<br />
• Wie finden wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?<br />
• Wie können wir die Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen auf ihre ehrenamtliche<br />
Tätigkeit vorbereiten?<br />
• Was braucht die <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe an<br />
Unterstützung und Begleitung?<br />
• Was für Angebote macht das Fachgebiet<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit im <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong><br />
<strong>Dienste</strong> für die kontinuierliche Arbeit in<br />
den Kirchengemeinden?<br />
An diesem Wochenende werden wir entlang<br />
dieser Fragen Schritt für Schritt von der Idee<br />
bis zur kontinuierlichen Arbeit gehen, um<br />
dieses Konzept dann in der Kirchengemeinde<br />
vor Ort umsetzen zu können.<br />
Termin: 13. – 15. Februar 2009<br />
Leitung: Gert Stührmann, Pastor<br />
Teilnehmende: 15 Kirchenvorsteher und<br />
Kirchenvorsteherinnen, am<br />
Aufbau beteiligte Haupt-- und<br />
Ehrenamtliche<br />
Ort: Hannover, Stephansstift<br />
Konditionen: Beginn: Freitag 18.00 Uhr<br />
Anreise<br />
Ende: Sonntag 12.30 Uhr<br />
mit dem Mittagessen<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 13. Dezember 2008<br />
Maßnahme-Nr.:B 5000.09.6225.02
vo n D e r Kl I n g e l<br />
z u m ge s p r Ä c h<br />
eI n e eI n f ü h r u n g In D I e ge s p r Ä c h s f ü h r u n g<br />
Tagesseminar<br />
„Aller Anfang ist schwer...“, das mögen besonders<br />
die denken, die neu in eine schon<br />
bestehende <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe einsteigen,<br />
wenn sie auf erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
treffen.<br />
Wir laden Sie ein, an diesem Tag einen Gang<br />
durch ein Gespräch miteinander zu machen:<br />
<strong>Der</strong> fängt an bei dem ersten Satz an der Tür,<br />
geht weiter zu der Frage, wie wir in Kontakt<br />
kommen und zu einem Gesprächsthema finden,<br />
und endet bei den Worten und Gesten des<br />
Abschieds. Wir möchten Sie auf diese Weise<br />
auf Ihre Besuche vorbereiten, Ihnen ein Stück<br />
Sicherheit geben und Sie ermutigen, damit Sie<br />
in „freudiger Erwartung“ Ihre Besuche machen<br />
können.<br />
Dieses Tagesseminar richtet sich vor allem an<br />
diejenigen, die neu im <strong>Besuchsdienst</strong> mitarbeiten,<br />
bzw. an diejenigen, die ihre Kenntnisse<br />
auffrischen oder festigen möchten.<br />
Termin: 14. Februar 2009<br />
Leitung: Marianne Storz<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Göttingen, Gerhard-Mercker-<br />
Begegnungszentrum<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr<br />
Ende: 17.00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 10. Januar 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.03<br />
Da r f I c h v o r ü b e r g e h e n?<br />
Tagesseminar<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeitende erleben immer<br />
wieder Situationen, in denen sie vor Anforderungen<br />
gestellt werden, die sie überfordern. Sie<br />
fühlen sich dann von dem Erwartungsdruck und<br />
der Ahnung, den Erwartungen nicht gerecht<br />
werden zu können, hin- und hergerissen. Es<br />
scheint aus diesem Zwiespalt nur zwei Auswege<br />
zu geben: Vollständige Hingabe oder radikale<br />
Abgrenzung.<br />
Wie kann ich das Gebot der Nächstenliebe ernst<br />
nehmen, ohne dass ich mich heillos überfordere<br />
und die Grenzen meiner Kraft und meiner Möglichkeiten<br />
überschreite? Mit dieser Frage wollen<br />
wir uns auseinandersetzen.<br />
Termin: 21. Februar 2009<br />
Leitung: Ute Glashoff,<br />
Referentin für <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Kramelheide, Seminarhaus<br />
(in der Nähe von Bremerhaven)<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im Besuchdienst<br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr<br />
Ende: 17.00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 21. Dezember 2008<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.04<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
51
ar b e I t s h I l f e n<br />
52<br />
De r gl a u b e I s t I m m e r s c h o n<br />
Tagesseminar<br />
Im ge s p r Ä c h<br />
DIe DI m e n s I o n D e s gl a u b e n s<br />
Im ge s p r Ä c h e n t D e c K e n<br />
Auf der einen Seite sind Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
verunsichert, wenn es um die Frage<br />
des Glaubens in den Gesprächen bei Besuchen<br />
geht: Was wird von mir erwartet? Werde ich den<br />
Erwartungen gerecht? Bin ich fromm genug?<br />
Kann ich meine Erfahrungen des Glaubens in<br />
das Gespräch einbringen?<br />
Auf der anderen Seite machen sie die Erfahrung,<br />
dass das Thema „Glauben“ scheinbar<br />
kaum eine Rolle in den Gesprächen spielt.<br />
An diesem Tag wollen wir die religiöse Dimension<br />
in Gesprächen wahrnehmen und entdecken,<br />
wie Themen des Glaubens anklingen, ohne<br />
dass sie immer offen ausgesprochen werden.<br />
Wir wollen uns den Fragen des eigenen Glaubens<br />
stellen, Erfahrungen von Gewissheit und<br />
Zweifel austauschen.<br />
Wir wollen entdecken, wie wir Themen des<br />
Glaubens aktiv einbringen können, so dass der<br />
Austausch über Glaubenserfahrungen für beide<br />
Seiten ein Gewinn ist.<br />
Termin: 21. März 2009<br />
Leitung: Johanne Tscharntke,<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Ev. Jugendbildungsstätte Asel /<br />
Wittmund<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr<br />
Ende: 17.00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 19. Februar 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.05<br />
DIe ve r g a n g e n h e I t a l s<br />
Kr a f tq u e l l e n u t z e n<br />
– re s s o u r c e n o r I e n t I e r t e bI o g r a p h I e a r b e I t<br />
Tagesseminar<br />
Sie haben als <strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeiterin die<br />
eine oder andere Lebensgeschichte gehört. Von<br />
Menschen, die sowohl von positiven als auch<br />
negativen Gefühlen beim Erzählen begleitet<br />
werden. So kann eine Lebensgeschichte mal<br />
als Ursprung aller Schwierigkeiten oder als<br />
Quelle der Kraft erscheinen.<br />
In diesem Seminar werden Ihnen anhand der<br />
Auseinandersetzung mit Ihrer eigenen Biographie<br />
Methoden zum ressourcenorientierten<br />
Umgang mit Lebensgeschichten vermittelt.<br />
Dieser Kurs richtet sich an alle, die Lust haben,<br />
sich kreativ und lebendig auf „Schatzsuche“ zu<br />
begeben und dabei eine Ressourcenperspektive<br />
einnehmen. Sie richten dabei den Blick auf<br />
eigene bislang unbeachtete, vielleicht sogar<br />
unerkannte Ressourcen. Dieser positive Blick<br />
kann nicht nur für Sie neue Perspektiven eröffnen,<br />
sondern auch so manchen Besuchskontakt<br />
bereichern und die Arbeit dadurch leichter<br />
machen.<br />
Bitte bringen Sie Bilder von Bezugspersonen<br />
aus Ihrer Herkunftsfamilie mit.<br />
Termin: 23. April 2009<br />
Dieses Seminar richtet sich vor allem an Mitarbeitende aus<br />
dem Sprengel Hannover. Wenn Sie dieses Seminarangebot<br />
als ganze Gruppe wahrnehmen möchten, dann ist es auch<br />
möglich, dass die Referentin zu Ihnen in die Kirchengemeinde<br />
kommt. Bei Interesse melden Sie sich bitte bei der<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit im <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong>.<br />
Leitung: Gabriele Schmidt,<br />
Dipl. Sozialarbeiterin/<br />
Sozialpädagogin,Systemische<br />
Familientherapeutin, Supervisorin/<br />
Organisationsberaterin<br />
Ort: Hanns-Lilje-<strong>Haus</strong> Hannover<br />
Knochenhauerstr. 33, Hannover<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr<br />
Ende: 17.00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 19. März.2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.06
Ku r s:<br />
be s u c h s D I e n s tg r u p p e n<br />
l e I t e n (I)<br />
Wochenendseminar<br />
Leiten Sie eine <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe und<br />
möchten Sie Ihre Leitungskompetenz verbessern?<br />
Werden Sie demnächst die Leitung eines<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es übernehmen und möchten<br />
Sie sich auf diese Aufgabe vorbereiten? Dieser<br />
Kurs bietet Ihnen die Möglichkeit, Kenntnisse<br />
zu erwerben, die für die Leitung einer <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe<br />
von Bedeutung sind. <strong>Der</strong> Kurs<br />
umfasst mehrere Bausteine.<br />
Inhalte: Gruppendynamische Aspekte der<br />
Gruppenleitung, Ziel, Inhalte, Form und Vorbereitung<br />
von Gruppentreffen, Methoden des<br />
Erfahrungsaustausches, <strong>Besuchsdienst</strong> und<br />
Kirchengemeinde, Öffentlichkeitsarbeit für den<br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
Baustein I<br />
Die Gruppe wahrnehmen<br />
Gruppendynamische Aspekte der Gruppenleitung<br />
Jede Gruppe entwickelt eine innere Dynamik.<br />
Das Seminar möchte Möglichkeiten aufzeigen,<br />
diese Prozesse wahrzunehmen und darauf zu<br />
reagieren.<br />
Inhalte:<br />
• Entwicklung einer Gruppe<br />
• Gruppenprozesse<br />
• typische Gruppenkonflikte<br />
• Leitungsaufgaben<br />
• Leitungsstile<br />
• Teilnehmerverhalten<br />
Termin: 17. – 19. April 2009<br />
Leitung: Gert Stührmann, Pastor<br />
Ort: Hannover, Stephansstift<br />
Teilnehmende: 15 Leitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag 18.00 Uhr<br />
Ende: Sonntag 13.00 Uhr<br />
mit dem Mittagessen<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 12. Februar 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.07<br />
zw I s c h e n tü r u n D an g e l<br />
Ku r z g e s p r Ä c h e<br />
Wochenendseminar<br />
Es gibt im <strong>Besuchsdienst</strong> immer wieder Begegnungen,<br />
die ganz kurz sind. Vor allem Mitarbeitende<br />
von <strong>Besuchsdienst</strong>en, die Neuzugezogene<br />
besuchen, können davon erzählen. Aber<br />
auch sonst gibt es Gespräche, die mit Worten<br />
„Wo ich Sie gerade treffe…“ oder „Kann ich Sie<br />
einmal kurz sprechen…“ eingeleitet werden.<br />
Oft sind Mitarbeitende nach solchen Kurzkontakten<br />
unzufrieden.<br />
Dabei zeigt die Erfahrung, dass auch diese<br />
kurzen Gespräche hilfreich und für beide Seiten<br />
befriedigend sein können.<br />
Dieses Seminar möchte helfen, Gespräche<br />
zwischen „Tür und Angel“ bewusst als Chance<br />
wahrzunehmen.<br />
• Gesprächspartner nutzen ungünstige Momente<br />
als günstige Gelegenheiten zu einem<br />
Gespräch. Wie kann ich dieses Bedürfnis<br />
wertschätzend aufnehmen?<br />
• Oft wird gerade in den ersten Sätzen von den<br />
Gesprächspartnern ihr Anliegen genannt. Wie<br />
kann ich dafür aufmerksam werden und es<br />
aufnehmen?<br />
• In einem kurzen Gespräch können tiefgreifende<br />
Probleme nicht gelöst werden und doch<br />
kann es sehr entlastend sein. Was kann ich<br />
dazu beitragen, dass ein solches Gespräch<br />
als hilfreich empfunden wird?<br />
Diese Fragen werden uns beschäftigen. Dabei<br />
werden die Erfahrungen der Teilnehmenden<br />
eine wesentliche Rolle spielen.<br />
Termin: 17. – 18. April 2009<br />
Leitung: Helene Eißen-Daub, Pastorin und<br />
Familientherapeutin, Referentin<br />
für <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Nindorf bei Rotenburg/W.,<br />
Hansenhof<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag, 16.00 Uhr<br />
Ende: Samstag, 17.00 Uhr<br />
Kosten: 50 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 12. Februar 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.08<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
53
ar b e I t s h I l f e n<br />
54<br />
„Ic h h a b e sc h l I m m e s e r l e b t<br />
u n D m I t a n s e h e n m ü s s e n“<br />
– ge s p r Ä c h e ü b e r t r au m at I s c h e<br />
er l e b n I s s e f ü h r e n<br />
Tagesseminar<br />
Kriegs- und Nachkriegserlebnisse, kriminelle<br />
Gewalttaten, Katastrophen oder Unfälle, lebensbedrohliche<br />
Krankheiten, plötzliche Verluste<br />
von nahe stehenden Menschen können<br />
zu schweren seelischen und auch körperlichen<br />
Belastungen führen, die bis ins hohe Alter<br />
nachwirken, immer wieder in der Erinnerung<br />
auftauchen. Man spricht vom Trauma – von<br />
einer tief greifenden, endlos nachwirkenden<br />
seelischen Verletzung, die auf ein extrem<br />
bedrohliches Erlebnis zurückgeht. Besonders<br />
bei den jetzt älteren Menschen sind vor allem,<br />
bedingt durch die speziellen zeitgeschichtlichen<br />
kriegsbedingten Zumutungen, solche<br />
prägenden Erlebnisse häufiger.<br />
Manche solcher Erlebnisse bestimmen offen<br />
und vehement die Gespräche, andere wiederum<br />
werden krampfhaft, weil schambesetzt, vermieden.<br />
Das Seminar vermittelt Kenntnisse über<br />
psychische Prozesse im Zusammenhang mit<br />
hochgradig belastenden Lebenserfahrungen,<br />
gibt Wahrnehmungshilfe für traumatische oder<br />
traumaverdächtige Symptome. Im Vordergrund<br />
steht die Frage: Was für ein Verhalten ist sinnvoll?<br />
Wie kann ich diesen Menschen beistehen,<br />
ihr Leiden lindern oder gar zur Überwindung<br />
beitragen?<br />
Das Seminar wird in Kooperation mit der Fachstelle<br />
für gemeindebezogene Altenarbeit in der<br />
EEB Niedersachsen durchgeführt.<br />
Termin: 10. Juni 2009<br />
Leitung: Helga Ruess-Alberti, Lehrsupervisorin,<br />
Lehrbeauftragte für TZI,<br />
ehemalige Dozentin am Seelsorgeinstitut<br />
an der kirchlichen<br />
Hochschule Bethel, Pastorin im<br />
Krankenhausseelsorgedienst;<br />
Klaus Depping, Pastor, Päd. Mitarbeiter<br />
der EEB Hannover<br />
Ort: <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong>, Hannover,<br />
Raum C<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10:00 Uhr.<br />
Ende: 17:00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 27. Mai 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.09<br />
gu t e ge s p r Ä c h e<br />
s I n D w u n D e r b a r<br />
– s I e z u f ü h r e n e I n e Ku n s t<br />
2 Tage-Seminar<br />
Sie sind neu in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit und<br />
haben den Wunsch Kenntnisse über Kommunikation<br />
und Gesprächsführung zu erlangen<br />
oder Sie sind schon länger dabei und möchten<br />
Ihre Kenntnisse auffrischen bzw. vertiefen, dann<br />
sind Sie herzlich zu einem zweitägigen Seminar<br />
eingeladen.<br />
Folgende Schwerpunkte werden im Seminar<br />
erarbeitet und aktiv ausprobiert:<br />
• Grundlagen der Kommunikation<br />
• Kommunikationsmodelle<br />
• Rollenverständnis<br />
• Gesprächsführung<br />
- <strong>Der</strong> erste Eindruck<br />
- Gesprächsbeginn / -anlässe<br />
- Gesprächsende<br />
- Zuhören können<br />
- Verstehen – Verständnis entwickeln<br />
- Fragen stellen<br />
- Antworten geben<br />
- Bedeutung und Möglichkeiten von<br />
Mimik/ Gestik<br />
- Erkennen und Einsetzen von<br />
Körpersprache<br />
- Rituale<br />
- Wertschätzung<br />
• Grenzen setzen<br />
Termin: 22. – 23. August 2009<br />
Leitung: Gabriele Thiesen-Stampniok,<br />
Dipl. Sozialwirtin, Supervisorin,<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Hildesheim, Michaeliskloster<br />
Teilnehmende: 12 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Samstag: 14:30 Uhr<br />
Ende: Sonntag: 16:30 Uhr<br />
Kosten: 50 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 20. Mai 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.10
tr a u e r n D e n b e g e g n e n<br />
Wochenendseminar<br />
Kein Mensch kann den anderen von seinem Leid befreien;<br />
aber er kann ihm Mut machen, das Leid zu tragen.<br />
Selma Lagerlöf<br />
Trauer ist eine sehr persönliche und schwerwiegende<br />
Erfahrung für jeden Menschen.<br />
Entsprechend verschieden sind die Wege, die<br />
Trauernde gehen. Die Begegnung und Gespräche<br />
mit Menschen, die Abschied nehmen<br />
mussten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe und<br />
Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> fühlen sich oft<br />
hilflos. Trauernde umgibt oft ein Schweigen,<br />
und sie fühlen sich doppelt im Stich gelassen<br />
in einer Zeit, in der sie emotionale Zuwendung<br />
und ungeteilte Aufmerksamkeit dringend brauchen.<br />
Geduldiges Zuhören, das Wiederholen<br />
des Vergangenen, das sich erinnern Dürfen,<br />
helfen auf dem Weg durch die Trauer, helfen<br />
sich in die veränderten Lebensverhältnisse zu<br />
gewöhnen.<br />
Als GesprächspartnerInnen gilt es dabei, sich<br />
in ihr Lebensumfeld zu begeben, den „Spagat“<br />
zwischen Fremdheit und Intimität zu wagen.<br />
Wie viel Nähe ist möglich, wie viel Distanz ist<br />
nötig?<br />
Was hat mich in meiner Einstellung zu Tod und<br />
Trauer geprägt? Wie geht unsere Gesellschaft<br />
mit diesem Thema um?<br />
Welche Erfahrungen haben mich geprägt?<br />
Wie kann ich Trauernde unterstützen?<br />
Wo bleibe ich mit meiner eigenen Betroffenheit?<br />
Was ist Trost?<br />
Welchen Trost kann ich anbieten?<br />
Um diese und andere Fragen wird es in diesem<br />
Kurs gehen.<br />
Termin: 4. – 6. September 2009<br />
Leitung: Christine Stockstrom, Dozentin<br />
am Lutherstift für Trauer- und<br />
Sterbebegleitung, Dipl. Supervisorin<br />
(DGSv), Trauerbegleiterin,<br />
langjährige Hospizerfahrung<br />
Ort: Lutherstift in Falkenburg<br />
Teilnehmende: 14 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 17:00 Uhr, Ende: 14:00<br />
Uhr<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 2. Juli 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.11<br />
Tagesseminar<br />
„wIr h a b e n n I c h t<br />
v o n go t t g e r e D e t<br />
– a b e r e r w a r m I t t e n u n t e r u n s “<br />
Diese Erfahrung erleben viele Besuchende<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> der Kirchengemeinden als<br />
Höhepunkte in ihrer Arbeit. Wenn sich in dem<br />
scheinbar Alltäglichen eines Besuches ein besonders<br />
guter Kontakt entwickelt, ein besonders<br />
intensives Gespräch stattfindet oder eine besonders<br />
vertraute Begegnung Raum bekommt,<br />
ist das neben einer Begabung und Fähigkeit<br />
auch ein Geschenk. So, wie ein Gottes-Dienst<br />
ein Geschenk sein kann.<br />
• Lassen sich bei unseren Besuchen Worte und<br />
Gesten entdecken, die an gottes-dienstliche<br />
Strukturen und Elemente erinnern?<br />
• Welche religiöse Dimension haben unsere<br />
Besuche, auch wenn wir das Wort „Gott“ nicht<br />
aussprechen?<br />
• Was schenken Besuchende und Besuchte<br />
sich gegenseitig? Und wie kommt darin Gottes<br />
Geschenk an uns zum Ausdruck?<br />
Diesen Fragen werden wir anhand eigener<br />
Erfahrungen, mit kreativen Methoden, Bewegungsübungen<br />
und Fallarbeit nachgehen.<br />
Das Seminar soll die Aufmerksamkeit für religiöse<br />
Dimensionen in unseren Gesprächen<br />
schulen und die Teilnehmenden ermutigen,<br />
ihren Besuchen auch in religiöser Hinsicht Wert<br />
beizumessen.<br />
Termin: 12. September 2009<br />
Leitung: Marianne Storz<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Göttingen, Gerhard-Mercker-<br />
Begegnungszentrum<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr,<br />
Ende:17.00 Uhrr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 9. Juli 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.12<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
55
ar b e I t s h I l f e n<br />
56<br />
Wochenendseminar<br />
Leiten Sie eine <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe und<br />
möchten Sie Ihre Leitungskompetenz verbessern?<br />
Werden Sie demnächst die Leitung eines<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>es übernehmen und möchten<br />
Sie sich auf diese Aufgabe vorbereiten? Dieser<br />
Kurs bietet Ihnen die Möglichkeit, Kenntnisse<br />
zu erwerben, die für die Leitung einer <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe<br />
von Bedeutung sind. <strong>Der</strong> Kurs<br />
umfasst mehrere Bausteine.<br />
Inhalte des gesamten Kurses: Gruppendynamische<br />
Aspekte der Gruppenleitung, Ziel,<br />
Inhalte, Form und Vorbereitung von Gruppentreffen,<br />
Methoden des Erfahrungsaustausches,<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> und Kirchengemeinde, Öffentlichkeitsarbeit<br />
für den <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Baustein II<br />
Ku r s:<br />
be s u c h s D I e n s tg r u p p e n<br />
l e I t e n (II)<br />
Struktur, Inhalte und Gestaltung eines<br />
Gruppentreffens<br />
Die meisten <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen treffen sich<br />
regelmäßig. Das Seminar soll Anregungen zur<br />
inhaltlichen und methodischen Gestaltung von<br />
Gruppentreffen vermitteln.<br />
Inhalte:<br />
• Struktur der Gruppentreffen<br />
• Ziele und Inhalte von Gruppentreffen<br />
• Methoden der Gruppenarbeit<br />
• Methoden des Erfahrungsaustausches<br />
• die Andacht in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe<br />
Termin: 25. – 27. September 2009<br />
Leitung: Gert Stührmann, Pastor<br />
Ort: Hannover, Hanns-Lilje-<strong>Haus</strong><br />
Teilnehmende: 15 Leitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag 18:00 Uhr,<br />
Ende: Sonntag 13:00 Uhr<br />
mit dem Mittagessen<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Anmeldung: bis 23. Juli 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.13<br />
„… ü b e r D e n gl a u b e n<br />
h a b e n w I r g a r n I c h t<br />
g e s p r o c h e n“<br />
DIe r e l I g I ö s e DI m e n s I o n Im ge s p r Ä c h<br />
Wochenendseminar<br />
Das ist häufig die spontane Reaktion von Mitarbeitenden,<br />
wenn das Thema auf die religiöse<br />
Dimension bei Gesprächen angeschnitten wird.<br />
Aber dann ergeben sich weitere Fragen:<br />
Muss ich bibelfest sein, wenn ich Besuche<br />
mache? Wie soll ich reagieren, wenn ich auf<br />
meinen Glauben angesprochen werde? Diese<br />
Fragen stellen sich nicht nur Mitarbeitende, die<br />
neu im <strong>Besuchsdienst</strong> sind. Auch erfahrene<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>mitarbeitende gehen diesem<br />
Thema vielleicht am liebsten aus dem Weg,<br />
weil es für sie als ‚Laien’ zu schwierig scheint.<br />
Oder sie fühlen sich womöglich nicht fromm<br />
genug, um Begegnungen, in denen der Glaube<br />
angesprochen wird, gerecht zu werden. Um<br />
solche Unsicherheiten zu überwinden, werden<br />
wir in diesem Seminar die folgenden Fragen<br />
bearbeiten:<br />
Was ist eigentlich mein eigener Glaube und wie<br />
kann ich ihn zum Ausdruck bringen?<br />
Wie kann ich den religiösen Erwartungen<br />
meines Gegenübers entsprechen, ohne mich<br />
selbst zu verleugnen?<br />
Wie kann das Gespräch über Glaubensfragen<br />
zur Hilfe für die Besuchten werden?<br />
Termin: 30.10. – 01.11. 2009<br />
Leitung: Helene Eißen-Daub, Pastorin<br />
und Familientherapeutin,<br />
Referentin für <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Nindorf bei Rotenburg/W.,<br />
Hansenhof<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag 17.00 Uhr<br />
Ende: Sonntag 14.00 Uhr<br />
Kosten: 60 € (EZ)<br />
Anmeldungen: bis 12. August 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.14
Tagesseminar<br />
vo n D e r Kl I n g e l<br />
z u m ge s p r Ä c h<br />
eI n e eI n f ü h r u n g In D I e ge s p r Ä c h s f ü h r u n g<br />
„Aller Anfang ist schwer...“, das mögen besonders<br />
die denken, die neu in eine schon<br />
bestehende <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe einsteigen,<br />
wenn sie auf erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
treffen.<br />
Wir laden Sie ein, an diesem Tag einen Gang<br />
durch ein Gespräch miteinander zu machen:<br />
<strong>Der</strong> fängt an bei dem ersten Satz an der Tür,<br />
geht weiter zu der Frage, wie wir in Kontakt<br />
kommen und zu einem Gesprächsthema finden,<br />
und endet bei den Worten und Gesten des<br />
Abschieds. Wir möchten Sie auf diese Weise<br />
auf Ihre Besuche vorbereiten, Ihnen ein Stück<br />
Sicherheit geben und Sie ermutigen, damit Sie<br />
in „freudiger Erwartung“ ihre Besuche machen<br />
können.<br />
Dieses Tagesseminar richtet sich vor allem an<br />
diejenigen, die neu im <strong>Besuchsdienst</strong> mitarbeiten,<br />
bzw. an diejenigen, die ihre Kenntnisse<br />
auffrischen oder festigen möchten.<br />
Termin: 10. Oktober 2009<br />
Leitung: Ute Glashoff<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Hannover, Hanns-Lilje-<strong>Haus</strong><br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10.00 Uhr.<br />
Ende:17.00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldungen: bis 6. August 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.15<br />
we n n me n s c h e n a u s<br />
I h r e m le b e n e r z Ä h l e n<br />
vo m um g a n g m I t le b e n s g e s c h I c h t e n<br />
Tagesseminar<br />
Im be s u c h s D I e n s t<br />
Vielen Menschen, besonders älteren Menschen,<br />
ist es ein Bedürfnis Erinnerungen aus<br />
ihrem Leben zu erzählen. Die einen erzählen<br />
unentwegt, mitunter immer die gleichen Geschichten.<br />
Die anderen möchten nicht zur Last<br />
fallen mit den „alten“ Geschichten. Es ist wichtig,<br />
dass Menschen erzählen – in der Rückschau<br />
vergewissern sie sich ihres eigenen Lebens.<br />
Das kann helfen, ihr Leben mit allem Schönem<br />
und Schwerem anzunehmen.<br />
Dazu bedarf es einer Atmosphäre des Vertrauens,<br />
des Interesses und der Achtsamkeit.<br />
• Wie kann ich zu solch einer Atmosphäre beitragen?<br />
• Wie kann ich helfen, dass der „rote Faden“ im<br />
Erzählen nicht verloren geht?<br />
• Wie kann ich Interesse zeigen, ohne aufdringlich<br />
zu wirken?<br />
• Wie kann ich mich schützen, wenn mir Geschichten<br />
zu „nahe“ rücken?<br />
• Wie kann ich einen Erzählfluss auch zu einem<br />
guten Ende führen?<br />
• Wie kann aus einem Monolog auch ein Dialog,<br />
ein gegenseitig anregender Gedankenaustausch<br />
werden?<br />
Mit diesen Fragen werden wir uns an diesem<br />
Tag beschäftigen, um zu einem für beide Seiten<br />
bereichernden Austausch zu kommen.<br />
Termin: 10. Oktober 2009<br />
Leitung: Johanne Tscharntke,<br />
Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Ort: Potshausen, Ev. Landvolkshochschule<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: 10:00 Uhr,<br />
Ende: 17:00 Uhr<br />
Kosten: 20 €<br />
Anmeldung: bis 6. August 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.16<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
57
ar b e I t s h I l f e n<br />
58<br />
„tj a, e I n m a l Is e s<br />
D e n n v o r b e I“ –<br />
üb e r D I e a l l e r l e t z t e n<br />
DI n g e r e D e n<br />
2 Tage-Seminar<br />
Mit zunehmendem Alter und besonders mit<br />
zunehmender körperlicher bleibender Beeinträchtigung<br />
macht sich die Endlichkeit des Lebens<br />
bemerkbar. Bei Besuchen kommt dieses<br />
in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck z. B.<br />
als Klage, in verdrängter Form, als Wunsch, es<br />
möge doch bald vorbei sein. In dem Seminar<br />
werden wir uns offene und versteckte Signale<br />
der Endlichkeit vergegenwärtigen und überlegen,<br />
wie man angemessen darauf reagieren<br />
kann. Einen besonderen Stellenwert soll die<br />
Frage haben: Was gibt es an Hoffnungsvollem<br />
über den Tod hinaus zu sagen? Wir werden uns<br />
mit Geschichten, Bildern und Gegenständen<br />
beschäftigen, die Jenseitshoffnung vermitteln<br />
und überlegen, wie und wann sie aufbauend<br />
bei einem Besuch eingesetzt werden können.<br />
Aber auch eventuell vorhandene Ängste vor<br />
dem Danach werden Thema sein.<br />
Das Seminar wird in Kooperation mit der Fachstelle<br />
für gemeindebezogene Altenarbeit in der<br />
EEB Niedersachsen durchgeführt.<br />
Termin: 13. – 14. Nov. 2009<br />
Leitung: Dagmar Callenius-Meuß,<br />
Pfarrerin, Hamm (Westfalen)<br />
Klaus Depping, Pastor,<br />
päd. Mitarbeiter EEB, Hannover<br />
Ort: Springe, Lutherheim<br />
Teilnehmende: 15 Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Konditionen: Beginn: Freitag 16.00 Uhr.<br />
Ende: Samstag 18.30 Uhr<br />
Kosten: 50 € (EZ)<br />
Anmeldungen: bis 21. August 2009<br />
Maßnahme-Nr.: B 5000.09.6225.17<br />
Fallbesprechung<br />
„Was war eigentlich heute mit Herrn Meyer los?“<br />
„Was will diese Frau immer von mir?“<br />
Es gibt immer wieder Situationen, die leitenden<br />
Mitarbeitenden in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
nicht aus dem Kopf gehen und sie weiterbeschäftigen.<br />
Seien es Begegnungen bei Besuchen oder aber<br />
auch Szenen in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe oder<br />
Gemeinde.<br />
Von diesen Begegnungen und Szenen können<br />
sie in der Fallbesprechungsgruppe berichten.<br />
Mit Hilfe der Einfälle und Gedanken der anderen<br />
Teilnehmenden gelingt es ihnen, die Situationen<br />
besser zu verstehen und sich sicherer zu<br />
verhalten.<br />
Gleichzeitig erweitern sie durch die regelmäßige<br />
Teilnahme ihre Handlungskompetenz für die leitende<br />
Funktion in ihrer <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe.<br />
Eingeladen sind Mitarbeitende in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit,<br />
die leitende Aufgaben im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
übernommen haben oder übernehmen<br />
möchten.<br />
Ort und Termine<br />
Da s m ö c h t e I c h<br />
b e s s e r v e r s t e h e n…<br />
Falls in Ihrer Region eine Fallbesprechungsgruppe<br />
angeboten werden kann, erhalten Sie eine Einladung<br />
dazu, gleichzeitig mit der Einladung zum<br />
nächsten Arbeitskreis. Darin sind Ort und Termine<br />
und der Referent bzw. die Referentin angegeben.<br />
Bei Interesse rufen Sie uns aber gerne auch an.<br />
<strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Fon: 0511 1241-544<br />
E-Mail: besuchsdienst@kirchliche-dienste.de
hI n w e I s e<br />
z u r an m e l D u n g<br />
Nach der Anmeldung erhalten Sie eine Teilnahmebestätigung.<br />
Nach Eingang der Teilnahmebestätigung<br />
lassen Sie bitte den Teilnahmebeitrag von Ihrer<br />
Kirchengemeinde überweisen auf das Konto des<br />
<strong>Haus</strong>es <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
bei der Ev. Kreditgenossenschaft Hannover,<br />
Kto.-Nr. 6955, BLZ 520 604 10<br />
mit dem Vermerk: Maßn.-Nr. B 5000.09.6225.10<br />
(z. B. 5000.09.6225.10 für das Seminar „Gute Gespräche“)<br />
und Name des Teilnehmenden.<br />
Die Maßnahme.-Nr. des jeweiligen Seminars finden<br />
Sie unten auf der Seite der Ausschreibung.<br />
Die Veranstaltung wird in der pädagogischen<br />
Verantwortung* der Evangelischen Erwachsenenbildung<br />
Niedersachsen durchgeführt.<br />
*§ 8 Abs. 1 Niedersächsisches Erwachsenenbildungsgesetz (NEBG)<br />
te I l n a h m e b e I t r a g<br />
Die Kirchengemeinden werden ein Interesse haben<br />
an einer laufenden Fortbildung ihrer ehrenamtlichen<br />
Mitarbeiter/innen, damit eine verantwortliche Mitarbeit<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> gelingt. Sie werden die entstehenden<br />
Kosten der Fortbildung ihrer Mitarbeiter/<br />
innen übernehmen.<br />
Wir empfehlen darum folgende Vorgehensweise:<br />
• Über die Leitung der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe lassen<br />
Sie sich in Ihrer Kirchengemeinde die Teilnahme<br />
an der Fortbildung genehmigen.<br />
• Daraufhin melden Sie sich in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
zu der Fortbildung an.<br />
• Nachdem Sie die Anmeldebestätigung erhalten<br />
haben, weisen Sie die Kirchengemeinde auf die<br />
Überweisung des Teilnahmebetrages hin.<br />
• Nach der Fortbildung können Sie sich dann Ihre<br />
Fahrtkosten bei der Kirchengemeinde erstatten<br />
lassen.<br />
• Für eine von der Kirchengemeinde genehmigte<br />
Fortbildung bekommen Sie nicht nur die Kosten<br />
erstattet, sondern Sie sind auch während der<br />
Veranstaltung und während der An- und Abreise<br />
versichert.<br />
Ausfallgebühren:<br />
Abmeldungen von Teilnehmern bis zum Anmeldeschluss<br />
sind kostenfrei. Bei Abmeldungen nach<br />
Anmeldeschluss berechnen wir 50 % des Teilnahmebeitrages,<br />
bei Absage zwei Wochen vor der Veranstaltung<br />
muss leider der gesamte Teilnahmebeitrag<br />
berechnet werden.<br />
Die Ausfallgebühren sind nicht fällig, wenn noch<br />
jemand von einer eventuellen Warteliste nachrücken<br />
kann.<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
59
ar b e I t s h I l f e n<br />
60<br />
mat e r I a l I e n<br />
<strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Jahrgang 2007<br />
Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
Suchen und Finden, Motivieren und Qualifizieren<br />
Wie finden wir Mitarbeitende? Wir haben alles getan:<br />
Wir haben öffentlich geworben, wir haben Menschen<br />
direkt angesprochen, aber es gab keine Resonanz.<br />
Wie kann der „Perspektivwechsel“ ermöglicht werden,<br />
indem nicht nur danach gefragt wird, wen brauchen<br />
wir, sondern auch danach, was haben wir zu bieten,<br />
um Menschen für die Arbeit zu begeistern? Welchen<br />
Gewinn und welche Entfaltungsmöglichkeiten bieten<br />
sich Interessierten? Welche Erfahrungen machen<br />
andere mit ehrenamtlichem Engagement, wie suchen<br />
und finden, wie motivieren und qualifizieren sie ihre<br />
Mitarbeitenden? Die Berichte aus der Praxis können<br />
ermutigen. Sie erzählen vom erfolgreichen Aufbau<br />
und wie erfolgreiche Arbeit einen Dominoeffekt<br />
erzeugt.<br />
Jahrgang 2006<br />
<strong>Der</strong> spielerische Umgang mit<br />
Unterschieden<br />
Besuche durch Hauptamtliche und Ehrenamtliche<br />
Besuche durch Hauptamtliche und Ehrenamtliche,<br />
gibt es da Unterschiede? Und wenn ja: welche?<br />
Ergänzen sich diese beiden Formen von Besuchen<br />
oder stehen sie in Konkurrenz miteinander? Gibt es<br />
einen Unterschied in Qualität und Charakter? Welchen<br />
Besuch bevorzugen die Besuchten? „Warum<br />
kommt der Pastor nicht?“ werden ehrenamtliche<br />
Besucherinnen manchmal in den Gemeinden gefragt.<br />
Warum? Das sind die Fragestellungen, die<br />
die Artikel in diesem Heft aufgreifen. Die an der<br />
Praxis orientierten Hintergrundartikel werden ergänzt<br />
durch Erfahrungen aus der Praxis der <strong>Besuchsdienst</strong>e<br />
in den Gemeinden und Arbeitshilfen geben<br />
Anregungen, sich mit dem Thema ganz praktisch<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Jahrgang 2005<br />
Aufeinander zugehen –<br />
Kontakte gestalten<br />
Die Kontaktaufnahme und –pflege zu den Menschen<br />
in unseren Kirchengemeinden wird eine wesentliche<br />
Rolle spielen, wenn die Kirche zukunftsfähig bleiben<br />
soll. Dieses Heft widmet sich diesem Thema.<br />
Wie würde sich - oder auch: wie muss sich - Gemeinde<br />
verändern, wenn „Gemeinde in Kontakt“ zum<br />
Focus der Gemeindearbeit wird? Welche praktischen<br />
Konsequenzen können hieraus gezogen werden?<br />
Wo gibt es in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit schon jetzt<br />
Ansätze, die weiterentwickelt werden können? - Das<br />
Heft enthält grundsätzliche Beiträge, Berichte aus der<br />
Praxis und Arbeitshilfen zum Thema.<br />
Jahrgang 2004<br />
Kritik an der Kirche<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in <strong>Besuchsdienst</strong>en<br />
werden immer wieder in ganz unterschiedlicher<br />
Weise mit Kritik an der Kirche konfrontiert. Kritik wird<br />
meist als unangenehm empfunden.<br />
Dieses Heft möchte dazu beitragen konstruktiv mit<br />
der Kritik an der Kirche umzugehen, sie nicht als<br />
Gemecker abzutun, sondern in ihr zunächst einmal<br />
einen Beitrag zu sehen, der immer noch Interesse an<br />
der Kirche signalisiert. Sie ist sogar wünschenswert<br />
insofern, dass sie auf vernachlässigte Bedürfnisse<br />
und Defizite in der kirchlichen Arbeit aufmerksam<br />
machen kann. Dabei ist es wichtig, die Hintergründe<br />
und Motive geäußerter Kritik zu verstehen. Das<br />
eröffnet neue Möglichkeiten, auf Kritik an der Kirche<br />
in konkreten Situationen zu reagieren, ohne ihnen<br />
auszuweichen.<br />
Jahrgang 2003<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>gruppen leiten und<br />
begleiten<br />
Die Frage nach einer befriedigenden Leitung und<br />
Begleitung von <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen stellt sich<br />
immer wieder. Nicht nur beim Aufbau neuer Gruppen<br />
taucht sie auf, sondern vor allem auch da, wo<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unzufrieden damit<br />
sind, wie ihre Gruppe geleitet und begleitet wird.<br />
Das Heft nimmt Anregungen und Anfragen aus der<br />
Begegnung mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf<br />
und versucht seinerseits Anregungen zur Reflexion<br />
und Weiterarbeit zu geben.<br />
Jahrgang 2002<br />
„Vertrauen wagen“<br />
Festschrift zu 50 Jahre <strong>Haus</strong>halterschaftsarbeit.<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> unter veränderten sozialen Bedingungen,<br />
zur Bedeutung von <strong>Besuchsdienst</strong>en in<br />
Kirche und Gesellschaft, Haupt- und Ehrenamtliche<br />
in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit - auf dem Weg zu einer<br />
Kirche des Priestertums aller Getauften. <strong>Der</strong> Glaube<br />
ist immer schon im Gespräch - das sind nur einige<br />
Artikel zur Geschichte, zur Theorie und aus der Praxis<br />
in diesem Heft, die die Entwicklung und mögliche<br />
Zukunft der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit beschreiben.<br />
Jahrgang 2001<br />
Die „jungen Alten“ in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
„Nicht mehr jung und noch nicht alt...“. Die Soziologen<br />
sprechen von einer ganz neuen Lebensphase,<br />
die entstanden ist. Wie hat sich das Bild vom Alter<br />
verändert und wie wirkt sich das in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
aus, wie kann mit <strong>Besuchsdienst</strong> auf<br />
die Veränderungen reagiert werden - thematische<br />
Beiträge, Beispiele aus der Praxis und Arbeitshilfen<br />
setzen sich mit diesem Thema auseinander.
Jahrgang 2000<br />
Begleitung an lebensgeschichtlichen<br />
Übergängen<br />
Projektorientierter <strong>Besuchsdienst</strong> so lautet das Konzept<br />
für Besuche an Lebensübergängen. Wie kann<br />
Kontakt zu Menschen der mittleren und jüngeren<br />
Generation aufgenommen werden? Dieser Frage<br />
geht dieses Heft nach. An den Schnittstellen des<br />
Lebens suchen Menschen verstärkt den Kontakt<br />
zur Kirchengemeinde. Mit diesem Heft möchten wir<br />
anregen, durch ein zeitlich begrenztes <strong>Besuchsdienst</strong>projekt<br />
Menschen persönlich zu den gottesdienstlichen<br />
Feiern an den Schnittstellen des Lebens<br />
(Tauferinnerung, Schulanfang, Konfirmationsjubiläen<br />
u. a.) einzuladen.<br />
Jahrgang 1999<br />
<strong>Der</strong> Geburtstagsbesuch<br />
<strong>Der</strong> Geburtstagsbesuch ist nach wie vor ein guter<br />
Anlass den Kontakt zu Gemeindegliedern aufzunehmen<br />
bzw. zu festigen. Den Geburtstag als Fest des<br />
Lebens zu würdigen, an dem die Segenswünsche<br />
der Kirchengemeinde überbracht werden, den Tag<br />
in seinem Charakter als Ritual zu begreifen, und<br />
Impulse für Geburtstagsbesuche zu geben, dazu<br />
möchte dieses Heft anregen.<br />
Jahrgang 1998<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> im Gottesdienst<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> blüht zumeist im Verborgenen.<br />
Durch Gottesdienste zur Einführung, Jubiläen von<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>en oder anderen Anlässen, die <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
ins Bewusstsein der Gemeinde<br />
bringen und diese Arbeit mit Fürbitte zu tragen, dazu<br />
möchte dieses Heft ermuntern.<br />
Jahrgang 1997<br />
Erfahrungen austauschen – voneinander<br />
lernen<br />
<strong>Der</strong> Erfahrungsaustausch in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe<br />
ist von zentraler Bedeutung, wird aber häufig auch<br />
als schwierig empfunden. Das Heft gibt Hinweise, wie<br />
das Gruppentreffen sinnvoll gestaltet werden kann<br />
und wie mit Hilfe von Methoden das Wesentliche von<br />
Gesprächen herauszufinden und zu bearbeiten ist.<br />
Stückpreis<br />
Ab Jahrgange 2004: 6,00 € / 4,00 €*<br />
Alle anderen 4,00 € / 2,50 €*<br />
Arbeitshilfen 4,00 € / 2,50 €*<br />
Plakate (10 Stck.) 30,00 € / 20,00 €*<br />
Jeweils zzgl. Kosten für Verpackung und Versand<br />
*) ermäßigt für Mitglieder der<br />
Ev.-luth. Landeskirche Hannovers<br />
Materialhefte<br />
Gespräche bei Besuchen –<br />
Beispiele aus der Praxis<br />
Viele <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen arbeiten gern mit aufgezeichneten<br />
Besuchssituationen, so genannten<br />
Fremdprotokollen. Das Heft beinhaltet solche Berichte<br />
aus der Besuchspraxis. Die Auswahl orientiert<br />
sich an den gängigen Zielgruppen der <strong>Besuchsdienst</strong>e.<br />
Zu den Gesprächen und Berichten wurde<br />
jeweils ein Kommentar verfasst und am Schluss des<br />
Heftes sind Hinweise zur Gesprächsführung und zum<br />
Erfahrungsaustausch in der <strong>Besuchsdienst</strong>gruppe<br />
zu finden.<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> aufbauen –<br />
Bausteine für die Praxis<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> etwas für unsere Gemeinde - aber<br />
wie bauen wir einen <strong>Besuchsdienst</strong> auf und wie bereiten<br />
wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihren<br />
Dienst vor? Von ersten Ideen und Überlegungen geht<br />
es Schritt für Schritt hin zu den Besuchen. Mit vielfach<br />
erprobten Bausteinen möchte das Heft Mut machen,<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>gruppen aufzubauen.<br />
(Vergriffen: Neuauflage für 2009 geplant)<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> für Neuzugezogene<br />
Sich die Situation von Neuzugezogenen vor Augen<br />
führen, sich Gedanken zum Kirchenbild machen,<br />
das Selbstverständnis von <strong>Besuchsdienst</strong>en und<br />
die Besuchspraxis bei Neuzugezogenen überdenken<br />
- das Heft möchte auf diese Weise anregen,<br />
ein eigenes Konzept für einen <strong>Besuchsdienst</strong> bei<br />
Neuzugezogenen zu entwickeln.<br />
Zu bestellen bei:<br />
<strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit; Postfach 2 65<br />
30002 Hannover<br />
Telefon: 0511 1241-544<br />
Telefax: 0511 1241-499<br />
E-Mail:<br />
besuchsdienst@kirchliche-dienste.de<br />
www.kirchliche-dienste/besuchsdienst<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
61
ar b e I t s h I l f e n<br />
62<br />
Arbeitshilfen<br />
Seid fröhlich in Hoffnung – Kräfte, die uns<br />
tragen<br />
Nicht die zu Besuchenden, sondern die Mitarbeitenden<br />
stehen bei dieser Arbeitshilfe im<br />
Mittelpunkt. Was trägt sie, aus welcher Quelle<br />
schöpfen sie Hoffnung? Welche Hoffnungsbilder<br />
aus der Bibel sind ihnen wichtig? Was können<br />
sie tun, wenn sie sich angesichts der Besuche<br />
selbst kraft- und hoffnungslos fühlen?<br />
Diese Fragen spielen in dieser Arbeitshilfe eine<br />
wesentliche Rolle.<br />
Denn die Besuche der Mitarbeitenden im<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> sind häufig kräftezehrend. Oft<br />
spüren Mitarbeitende die Erwartung, Trost und<br />
Hoffnung zu spenden, und fragen sich, wie<br />
sie dieser Erwartung gerecht werden können.<br />
Umso wichtiger ist es, dass die Mitarbeitenden<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> sich der Quellen bewusst<br />
sind, aus denen sie Hoffnung schöpfen.<br />
Allein oder einsam –<br />
Begegnung mit einsamen Menschen<br />
„Wer einsam ist, der hat es gut, weil keiner da,<br />
der ihm was tut.“<br />
Menschen, die sich einsam fühlen, werden<br />
Wilhelm Busch sicher nicht zustimmen. Das<br />
Thema „Allein oder einsam“ spielt im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
eine große Rolle. Folgende Gedanken<br />
waren bei der Erarbeitung dieser Arbeitshilfe<br />
leitend: Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen<br />
„allein“ und „einsam“; die persönlichen<br />
Erfahrungen der Mitarbeitenden mit diesem<br />
Thema haben Einfluss auf die Begegnungen;<br />
wie intensiv das Gefühl von Einsamkeit ist,<br />
wirkt sich auf die Begegnung aus. Eine Besuchssituation<br />
und biblische Texte zum Thema<br />
runden die Arbeitshilfe ab. Ziel ist es, dass sich<br />
Mitarbeitende in der Begegnung mit einsamen<br />
Menschen sicherer fühlen.<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> in einer sich verändernden<br />
Kirche<br />
Kirche verändert sich, das ist unüberhörbar und unübersehbar.<br />
Wie wirken sich diese Veränderungen<br />
auf die Arbeit im <strong>Besuchsdienst</strong> aus? Werden die<br />
Besuche durch die Mitarbeitenden in den <strong>Besuchsdienst</strong>en<br />
die Kontaktfläche sein, die gemeindliche<br />
Identität schafft? Wie wird man in Regionen zusammenarbeiten<br />
können? Was bedeutet das für die Leitenden<br />
der <strong>Besuchsdienst</strong>e? Welches Bild von Kirche<br />
macht Kirche auch in der Zukunft attraktiv?<br />
Diese Arbeitshilfe möchte <strong>Besuchsdienst</strong>gruppen<br />
motivieren, den Veränderungsprozess durch die<br />
Arbeit im <strong>Besuchsdienst</strong> aktiv mit zu gestalten.<br />
„Und dann stehst du da<br />
mit leeren Händen…“<br />
Bedrückende Lebenssituationen, belastende Lebensverhältnisse,<br />
konfliktreiche Lebensumfelder machen<br />
Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> häufig hilflos und<br />
sprachlos. Das Gefühl der Ohnmacht macht Mitarbeitende<br />
im <strong>Besuchsdienst</strong> unzufrieden. Sie möchten<br />
helfen und verändern und spüren gleichzeitig, dass<br />
sie nichts verändern können.<br />
Diese Arbeitshilfe möchte dazu anregen, sich mit<br />
dem Gefühl der Ohnmacht auseinanderzusetzen,<br />
Handlungsmöglichkeiten zu entdecken, das eigene<br />
Bedürfnis nach Halt und Kraft ernst zu nehmen.<br />
Christ sein ohne Kirche?<br />
Mitarbeitende im <strong>Besuchsdienst</strong> treffen bei ihren<br />
Besuchen gelegentlich auf Menschen, die aus der<br />
Kirche ausgetreten sind, aber behaupten, diese<br />
Tatsache habe nichts mit ihrem Glauben zu tun. Die<br />
meisten von ihnen sind getauft und konfirmiert und<br />
verstehen sich auch weiter als Christen. Wie kann<br />
man diesen Menschen begegnen? Sollen wir ihnen<br />
so entgegentreten, wie sie sich selbst verstehen,<br />
nämlich als Mitchristen? Kann man Christ sein ohne<br />
Kirche? Welche Folgerungen ergeben sich für die<br />
Betroffenen und für die Kirche? Was ist mir selbst<br />
als engagiertem Mitglied an der Kirche wichtig. Die<br />
Arbeitshilfe bietet Anregungen zum Nachdenken<br />
über diese Fragen.<br />
„Das nervt mich!“ – Störungen bei Besuchen<br />
Bei Besuchen können immer wieder auch Störungen<br />
auftreten. Sie können ganz vielfältig sein und sie<br />
werden ganz unterschiedlich erlebt: Was den einen<br />
belastet, stört den anderen überhaupt nicht. Mitunter<br />
wird eine Störung auch von den Besuchten empfunden.<br />
Welche Motive und Absichten schwingen<br />
bei Störungen mit? Wie kann ich mit Störungen<br />
umgehen? Wie kann ich sie in adäquater Weise ansprechen?<br />
Wie kann ich realistische Möglichkeiten<br />
entwickeln, um Störungen auszuhalten, die nicht zu<br />
beheben sind? Die Arbeitshilfe gibt Anregungen sich<br />
mit diesen Fragen zu beschäftigen.<br />
„Wenn dich jemand bei deinem nächsten<br />
Besuch fragt...“ – Wie kann ich Glaubenserfahrungen<br />
weitergeben?<br />
In Anlehnung an das Motto des Evangelischen Kirchentages<br />
2005 in Hannover möchte die Arbeitshilfe<br />
anregen, Glaubenserfahrungen im persönlichen Leben<br />
zu entdecken, den eigenen Fragen und denen<br />
der Besuchten nachzugehen und Mut zu machen,<br />
von der Gewissheit und vom Zweifel im Glauben bei<br />
Besuchen zu erzählen.
Arbeitshilfen<br />
Kirche hautnah –<br />
Die Brückenfunktion des <strong>Besuchsdienst</strong>es<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> muss sich nicht nur an Betreuungsbedürftige<br />
wenden. Besuche können auch<br />
unter dem Gesichtspunkt der Kontaktaufnahme<br />
und Kontaktpflege zu Gemeindegliedern gesehen<br />
werden. Die Besucherin/der Besucher von der<br />
Kirchengemeinde ist häufig der einzige personale<br />
Kontakt, den distanzierte Kirchenmitglieder zur Kirche<br />
bekommen. Die Bedeutung dieses Aspektes soll<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>en durch diese Arbeitshilfe bewusster<br />
gemacht werden.<br />
„Übrigens, können Sie mir sagen...?“ –<br />
<strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong> als Informationsquelle<br />
Zuhören und sensibel reagieren, das zeichnet<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im <strong>Besuchsdienst</strong><br />
aus. Manchmal werden sie aber auch um Auskunft<br />
gebeten: Öffnungszeiten des Pfarrbüros, Patenscheine,<br />
Erreichbarkeit des Pastors/der Pastorin,<br />
Verschwiegenheit ist eine wichtige Voraussetzung für den <strong>Besuchsdienst</strong>.<br />
Deshalb blüht in vielen Kirchengemeinden diese Arbeit auch im Verborgenen.<br />
Da ein <strong>Besuchsdienst</strong> aber nicht nur hilft und betreut, sondern für<br />
viele der einzige Kontakt zu ihrer Kirche ist, verdient es diese Arbeit, aus<br />
dem Schatten herauszutreten.<br />
Die <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit im <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> hat deshalb eine<br />
Plakatreihe entwickelt, die helfen kann den <strong>Besuchsdienst</strong> in der Gemeinde<br />
und darüber hinaus bekannter zu machen. Sie eignet sich zur Präsentation<br />
der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit z. B. in Schaukästen, auf Gemeindefesten,<br />
Diakonietagen, Sprengelkirchentagen u.a..<br />
Mit drei neuen Plakaten (siehe Abbildungen) umfasst die Plakatreihe<br />
nun 10 Plakate mit verschiedenen Motiven und Themen<br />
im Format DIN A3. Sie ist zu beziehen bei der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
im <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> und kostet 30,– €<br />
bzw. 20,– € für Mitglieder der Ev.-luth.<br />
Landeskirche Hannovers (zuzüglich Versandkosten).<br />
Da die Versandkosten recht hoch sind (zzt.<br />
5,– €), empfiehlt es sich, die ganze Plakatreihe<br />
zu bestellen. Möchten Sie Einzelexemplare<br />
bestellen, wenden Sie sich bitte an<br />
das Fachgebiet <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit.<br />
<strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong><br />
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers<br />
<strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Postfach 2 65<br />
30002 Hannover<br />
Telefon: 0511 1241-544<br />
Telefax: 0511 1241-499<br />
E-Mail:<br />
besuchsdienst@kirchliche-dienste.de<br />
Hilfsmöglichkeiten der Kirche... – dies und vieles<br />
mehr kann gefragt werden. Die Arbeitshilfe gibt<br />
Anregungen, wie sich ein <strong>Besuchsdienst</strong> auf solche<br />
Fragen vorbereiten kann.<br />
„Ich mache Besuche. –<br />
Was ist das schon?“<br />
<strong>Besuchsdienst</strong> ist eine verantwortliche und wichtige<br />
ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde vor Ort<br />
und die Kirche insgesamt. Die Besuche erfordern<br />
Diskretion. Deshalb machen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter zumeist wenig Aufhebens von ihrer Arbeit.<br />
Durch die Arbeitshilfe sollen <strong>Besuchsdienst</strong>e angeregt<br />
werden, über folgende Fragen nachzudenken:<br />
Welche Bedeutung hat der <strong>Besuchsdienst</strong> für mich?<br />
– Welchen Stellenwert hat er für die Besuchten? –<br />
Wie stellt sich der <strong>Besuchsdienst</strong> in Gemeinde und<br />
Öffentlichkeit dar? – Welches Bild der Kirche will/<br />
soll er vermitteln?<br />
B e s u c h s d i e n s t …<br />
… g iB t d e r gemeinde ein leBendiges gesicht<br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
... ALS BESONDERES<br />
PROJEKT<br />
Die persönliche Einladung<br />
• zum Schulanfangsgottesdienst<br />
• zur silbernen und goldenen Konfirmation<br />
• zum Gottesdienst am Ewigkeitssonntag<br />
<strong>Der</strong> unerwartete Geburtstagsbesuch<br />
• zur Volljährigkeit oder zur „Dritten Null“<br />
• zur „Schnappszahl“<br />
Die Gemeindearbeit im Wohnzimmer<br />
• Bücherservice der Gemeindebücherei<br />
• Aufzeichnung aus dem Gottesdienst<br />
• jung besucht alt<br />
Unerwartet – aber nicht unerhofft<br />
... ALS EINMALIGER<br />
KONTAKT<br />
<strong>Besuchsdienst</strong><br />
... ALS REGELMÄSSIGE<br />
BEGLEITUNG<br />
Wir werden gebraucht:<br />
• im Alter<br />
• bei Krankheit<br />
• gegen Einsamkeit<br />
• bei Trauer<br />
• in Notlagen<br />
Anlässe für<br />
einen Besuch sind:<br />
• Besondere Geburtstage<br />
• Umzug und Neuanfang<br />
• Tauferinnerung<br />
ar b e I t s h I l f e n<br />
63
ar b e I t s h I l f e n<br />
64<br />
au t o r e n u n D au t o r I n n e n<br />
Helene Eißen-Daub ist Pastorin an den Berufsbildenden Schulen in Verden und Referentin<br />
in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit<br />
Prof. Dr. Heinrich Grosse ist Pastor und war bis zu seiner Pensionierung wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Sozialwissenschaftlichen Institut (SI) in Hannover<br />
Ilona Hassebrauck ist Diakonin und Bibliodramaleiterin, sie arbeitet in einer Schule in<br />
Herford<br />
Anke Kolster unterrichtet ev. Religion und Sport an der KGS Sehnde und arbeitet<br />
nebenberuflich als Kirchentänzerin. D.h. sie erarbeitet Seminare in<br />
der Erwachsenenbildung, Gottesdienstgestaltungen mit Tanz und<br />
Kirchenkunstauftritte und ist Gründungsmitglied der Christlichen AG<br />
Tanz in Spiritualität und Liturgie e.V.<br />
Jens- Peter Kruse ist Diakon, Diplom-Pädagoge und Leiter der Männerarbeit im <strong>Haus</strong><br />
<strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> in Hannover<br />
Frauke Migge ist Malerin in Worpswede<br />
Franziska Müller-Rosenau ist Pastorin, Dipl. Psychologin und Leiterin des Frauenwerks im <strong>Haus</strong><br />
<strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> in Hannover<br />
Ute Münch ist Leiterin des <strong>Besuchsdienst</strong>es in der Kirchengemeinde in Hittfeld-<br />
Klecken<br />
Marianne Storz ist Diakonin und Referentin in der <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit und lebt in<br />
Göttingen<br />
Gert Stührmann ist Pastor und Leiter des Fachgebietes <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit im <strong>Haus</strong><br />
<strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong> in Hannover<br />
ve r ö f f e n t l I c h u n g e n z u m th e m a<br />
Aus dem Fachgebiet <strong>Besuchsdienst</strong>arbeit im <strong>Haus</strong> <strong>kirchlicher</strong> <strong>Dienste</strong>:<br />
Artikel<br />
• Ingrid Lukatis: Zur Bedeutung von <strong>Besuchsdienst</strong>en in Kirche und Gesellschaft<br />
• Gert Stührmann: Vertrauen wagen – <strong>Der</strong> Glaube ist immer schon im Gespräch<br />
beide in: <strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong> 2002 „Vertrauen wagen“<br />
• Prof. Anne M. Steinmeier: Gemeinde in Kontakt als Fokus des Gemeindeaufbaus<br />
in: <strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong> 2005 „Aufeinander zugehen – Kontakte gestalten“<br />
<strong>Der</strong> <strong>Besuchsdienst</strong> 2004 „Kritik an der Kirche“<br />
Arbeitshilfen<br />
• Seid fröhlich in Hoffnung – Kräfte, die uns tragen<br />
• Christ sein ohne Kirche?<br />
• “Wenn dich jemand bei deinem nächsten Besuch fragt...“ –<br />
Wie kann ich Glaubenserfahrungen weitergeben?<br />
Aus anderen Landeskirchen<br />
• Unterwegs zu Menschen 2/05 „Spiritualität – Leben“<br />
• Unterwegs zu Menschen 1/07 „Warum?!“<br />
• Unterwegs zu Menschen 2/07 „Von Gott begrüßt“<br />
Zu beziehen über:<br />
Landeskirchenamt der EKKW, Gemeindeentwicklung und Missionarische <strong>Dienste</strong>, Wilhelmshöher<br />
Allee 330, 34131 Kassel
543017