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Ausgabe 1975 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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MAREN KUHN-REHFUS<br />

Der Übergang der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und<br />

Hohenzollern-Sigmaringen an Preußen<br />

Ein Quellenbeispiel<br />

Die bürgerlich-liberale Revolution der Jahre 1848/49<br />

war für die beiden Fürsten von Hohenzollern-Hechingen<br />

und Hohenzollern-Sigmaringen der Anlaß, abzudanken<br />

und ihre Kleinststaaten an Preußen abzutreten. Noch nie<br />

hatten die Fürsten von Hohenzollern ihren Untertanen<br />

so machtlos gegenübergestanden wie im März 1848 In<br />

dieser Lage machte Friedrich Wilhelm Konstantin von<br />

Hohenzollern-Hechingen, der nach den im März und<br />

April 1848 ihm abgerungenen Zugeständnissen - vor<br />

allem Durchsetzung des Verfassungsstaates — Koliken<br />

bekam und seine Psyche pflegen mußte, „um einen Ersatz<br />

hierin zu finden für meine nun entblätterte materielle<br />

und politische Existenz" 2 , den Anfang und bot<br />

sein Land zunächst seinem Sigmaringer Verwandten an,<br />

nach dessen Ablehnung aber dem preußischem Königshaus,<br />

dem im Familienvertrag von 1695 die Anwartschaft<br />

auf die schwäbischen Stammlande der preußischen<br />

Königsfamilie zugesichert worden war. Konstantin war<br />

zwar den „Staatsgeschäften und ernster Arbeit wenig<br />

zugetan" 3 , konnte aber seine Entmachtung nicht verwinden.<br />

Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen hingegen<br />

fürchtete in erster Linie die Verstaatlichung der<br />

Domänen, die von den Sigmaringer Demokraten in- und<br />

außerhalb des Landtages immer dringender gefordert<br />

wurde. Aus seiner Sicht war die Revolution ein Vertrauensbruch<br />

der Untertanen und bewies Undankbarkeit gegen<br />

seine Verdienste um das Land. Den neuen politischen<br />

Ideen fremd gegenüberstehend, enttäuscht und regierungsmüde<br />

folgte er dem Beispiel seines Hechinger Verwandten,<br />

um seiner Familie den Domänenbesitz zu erhalten<br />

4 . Er verhandelte zunächst mit Preußen über die<br />

Abtretung der Souveränität und nach dessen ablehnender<br />

Haltung mit der deutschen Zentralgewalt in Frankfurt.<br />

Im August 1848 dankte Fürst Karl jedoch zugunsten<br />

seines Sohnes Karl Anton ab. Dieser, noch in der<br />

Tradition aufgeklärt-absolutistischer und patriarchalischer<br />

Vorstellungen befangen, war anfänglich nicht zum<br />

Verzicht auf die Landesherrschaft bereit, wurde aber<br />

durch die Sigmaringer Septemberrevolution, die radikale<br />

Züge annahm, und durch die Befürchtungen vor einer<br />

Annektion durch Württemberg oder Bayern bewogen,<br />

mit der Frankfurter Zentralgewalt einen Vertragsentwurf<br />

über die Übertragung des Landes auf die provisorische<br />

Reichsregierung aufzusetzen. Auch für ihn stand<br />

das Wohl seines Hauses im Vordergrund 5 .<br />

Gegen diesen mit der Frankfurter Regierung aufgesetzten<br />

Vertrag nun protestierte Preußen, worauf die beiden<br />

hohenzollerischen Fürsten in abermalige, sich über ein<br />

Jahr hinziehende Verhandlungen über die Übernahme<br />

ihrer Länder durch Preußen eintraten. Friedrich Wilhelm<br />

IV. von Preußen lehnte einerseits die Vergrößerung<br />

der preußischen Monarchie durch Hohenzollern ab,<br />

wollte andererseits die Fürstentümer, auf die Preußen ein<br />

Erbrecht hatte, aber auch keinem anderen Staat überlassen.<br />

Ausschlaggebend wurde die romantische Zuneigung zu<br />

den schwäbischen Stammlanden, zum Ursprung der Hohenzollern<br />

auf dem preußischen Königsthron, und am<br />

7. Dezember 1849 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet,<br />

der den Fürsten den Domänenbesitz garantierte und<br />

ihnen als Ersatz für die abgetretenen Hoheitsrechte eine<br />

Jahresrente zusicherte. Am 6. April 1850 wurde das<br />

50<br />

Land Hohenzollern-Sigmaringen, am 8. April das Land<br />

Hohenzollern-Hechingen feierlich an Preußen übergeben.<br />

Die abgedruckten Dokumente zeigen zunächst, in welcher<br />

Form die Übergabe von Staaten an neue Herrscher<br />

vor 125 Jahren vollzogen wurde. Aufschlußreicher jedoch<br />

ist das in ihnen zum Ausdruck kommende Selbstverständnis<br />

der souveränen Landesherren noch Mitte des<br />

vorigen Jahrhunderts, die das Heil ihrer Länder nur<br />

durch die Alleinherrschaft des Monarchen verwirklicht<br />

sehen konnten. Die Verfassungen wurden von ihnen widerwillig<br />

eingeführt, denn das patriarchalische System<br />

schien ihnen für die für unmündig gehaltene Bevölkerung<br />

die beste Staatsform zu sein 6 . Die Mitwirkung der<br />

Ständeversammlung faßten sie vor allem als Behinderung<br />

ihrer Regierungsgewalt auf. Den Zielen der Revolution<br />

mußten sie zwangsläufig ablehend gegenüberstehen,<br />

weil sie in ihr nur Negatives sahen wie Umsturz aller<br />

bestehenden Werte, Untergrabung von Sittlichkeit,<br />

Moral, Religion und Autorität, Verlust von Anhänglichkeit<br />

und Vertrauen, Angriffe auf die Rechte der Besitzenden.<br />

Verständnislos standen sie der Tatsache gegenüber,<br />

daß die Bevölkerung ihre Regierungsarbeit nicht<br />

mehr kritiklos akzeptierte, sondern mit angeblicher Undankbarkeit<br />

beantwortete 7 .<br />

Besonders deutlich tritt diese Haltung des sich für einen<br />

wohlmeinenden aber mißverstandenen und ungerecht behandelten<br />

Landesvater haltenden Fürsten in der Abschiedsrede<br />

Konstantins an seine Untertanen zutage: Als<br />

patriarchalisch regierender Fürst betrachtete er die ihm<br />

von Gott übertragene Pflicht als Legitimation und das<br />

ihm von seinen Untertanen entgegengebrachte Vertrauen<br />

und ihre kindliche Anhänglichkeit als Grundlage seiner<br />

Herrschaft. Dieses Vertrauen, das das eigene Geschick<br />

vorbehaltlos in die Hände des Vaters legen muß, wurde<br />

in seinen Augen durch die „Katastrophe" von 1848 zerstört:<br />

Die Untertanen wollten mit einemmal ihr politisches<br />

Geschick selbst gestalten und nicht mehr vom Monarchen<br />

bestimmen lassen. Diese Undankbarkeit drohte<br />

seiner Auffassung nach die Menschen ins Verderben zu<br />

stürzen. Die Auffassung seiner Regierung als landesväterliche<br />

Fürsorge erforderte daher, daß Konstantin als<br />

stets dem Wohl seines Landes verpflichteter Herrscher<br />

das Schlimmste zu verhüten versuchte, indem er nach einer<br />

festen Hand suchte, die der Entwicklung Einhalt gebieten<br />

konnte. Diese fand er im König von Preußen,<br />

dem er nun Land und Untertanen zu ihrem eigenen Besten<br />

— wie der Fürst es sah - anvertraute. Die betroffene<br />

Bevölkerung wurde selbstverständlich nicht nach<br />

ihrer Zustimmung zum Wechsel ihrer Staatsangehörigkeit<br />

gefragt.<br />

Auch der Zuruf des preußischen Königs an seine neuen<br />

hohenzollerischen Untertanen beschwört die Ereignisse<br />

der Jahre 1848/49 und weist warnend auf den aus der<br />

Untreue der Untertanen entspringenden Unsegen für<br />

Land und Leute hin. Daher ermahnte er sie zu Treue<br />

und Gehorsam, wofür er ihnen seine landesväterliche<br />

Fürsorge und seinen Schutz zusagte. Auch hier zeigt sich<br />

also das patriarchalische Herrschaftsverständnis. Als<br />

weiteres Moment in diesem Zuruf kommt jedoch die gefühlsbetonte<br />

Beziehung Friedrich Wilhelms von Preußen<br />

zu dem ihm an sich völlig fremden süddeutschen Hohenzollern<br />

zum Ausdruck. Dieses Land war für ihn zualler-

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