Ausgabe 1975 - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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MANFRED HERMANN<br />
Das Rosenkranz-Altarbild aus der Pfarrkirche zu Inneringen<br />
Gleichwohl die aus dem Mittelalter stammende und 1739<br />
barock umgestaltete Pfarrkirche St. Martin 1861/62<br />
durch einen Neubau nach Plänen des fürstlichen Oberbaurats<br />
Joseph Laur in Sigmaringen ersetzt wurde, blieb<br />
doch eine Reihe von Ölbildern des alten Gotteshauses erhalten.<br />
Leider befinden sie sich zum Teil in bemitleidenswertem<br />
Zustand, da sie, auf einem Dachboden aufbewahrt,<br />
besonders Staub und Hitze ausgesetzt sind.<br />
Neben dem alten Hochaltarbild mit der Himmelfahrt<br />
Mariens 1 und dem bereits besprochenen Ölberg-Gemälde<br />
des einst auf der Frauenseite stehenden Allerseelenaltars,<br />
das die Gammertinger Malerbrüder Ambros und Anton<br />
Reiser 1779 geschaffen haben 2 , steht dort auch das<br />
Hauptblatt des ehemaligen Rosenkranz-Altares auf der<br />
Männerseite. In Form und Maßen entspricht es völlig<br />
dem Gegenüber 3 . Als Erinnerung an die einstige Rosenkranz-Bruderschaft<br />
stellt man es im Monat Oktober jeden<br />
Jahres auf den Marienaltar der heutigen Pfarrkirche.<br />
Rosenkranz-Bruderschaften entstanden in größerer Zahl<br />
in der Zeit des 30jährigen Krieges und kurz danach im<br />
Zug der religiösen Erneuerung und des geistigen Wiederaufbaus<br />
nach einer starken Verwilderung der Sitten<br />
während der Kriegsereignisse. Im Blick auf den gewaltigen<br />
Seesieg bei Lepanto über die Türken (1571), der von<br />
vielen Gläubigen dem Rosenkranz-Gebet zugeschrieben<br />
wurde, half diese Gebetsform zahlreichen Katholiken, im<br />
Aufblick zur Schutzmantelfrau die schweren Kriegs- und<br />
Pestjahre glücklich zu bestehen. Als Beispiele sollen die<br />
Rosenkranz-Bruderschaften von Pfullendorf (1615),<br />
Owingen bei Uberlingen (1627), Uberlingen (1632) und<br />
jene von Radolfzell aus dem gleichen Jahr dienen 4 . An<br />
allen vier Orten entstand sogleich durch die Bruderschaft<br />
ein prachtvoll geschmückter Rosenkranzaltar 5 . In<br />
Überlingen wird auch der Zusammenhang mit dem Dominikanerorden<br />
sichtbar, dessen Ordensgeneral die Errichtung<br />
einer Rosenkranz-Bruderschaft seit Pius V.<br />
(1566-72 Papst) vorbehalten war 6 : Am Fest Mariä<br />
Heimsuchung (2. 7.) 1632 setzte der Prior des Dominikanerklosters<br />
in Konstanz, P. Ambros Engelmann, die dortige<br />
Rosenkranz-Bruderschaft feierlich ein. Die Dominikaner<br />
waren es auch, die ein wenig später den Inhalt der<br />
Rosenkranz-Bilder festlegten: In der oberen Bildhälfte<br />
steht oder setzt Maria mit ihrem göttlichen Kind, den in<br />
der unteren Bildhälfte knienden hl. Dominikus und der<br />
hl. Katharina von Siena den Rosenkranz überreichend.<br />
So wurde auch in Inneringen durch den persönlichen<br />
Einsatz und Eifer des Pfarrers Jakob Schuler (1660 bis<br />
zu seinem Tod 1669 in Inneringen) am Sonntag Sexagesima,<br />
dem 12. Februar 1662, eine Erzbruderschaft des<br />
hl. Rosenkranzes, Jesu und Mariens feierlich gegründet 7 .<br />
Daß daran auch ein Pater aus dem Dominikanerkloster<br />
Konstanz, das im 18. Jahrhundert öfters von der Bruderschaft<br />
ein Almosen bekam, beteiligt war, steht zu vermuten.<br />
Die Bedeutung dieses religiösen Ereignisses<br />
kommt dadurch zum Ausdruck, daß sich als oberster<br />
Schutzherr Graf Hermann Egon von Fürstenberg, Heiligenberg<br />
und Werdenberg (1627-74) mit seiner Gemahlin<br />
Maria Franziska geb. Gräfin von Fürstenberg-Stühlingen<br />
(1638-80) in das Mitgliedsbuch eintragen ließ.<br />
Neben dem Namen des Begründers und Präses finden<br />
wir den des damaligen Pfarrers von Dürrenwaldstetten,<br />
des Paters Ambrosius Revellio, Konventuale des Benediktinerklosters<br />
Zwiefalten. Einige Zeit darauf ließ sich<br />
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Christian Wiedmann, von 1663-73 Pfarrer in Harthausen<br />
a. d. Scher einschreiben, ferner Johann Franz<br />
Schwab, Kurat in Inneringen. Als Präfekt der Bruderschaft<br />
erscheint Johann Christoph Gumppert, Vogt der<br />
fürstenbergischen Herrschaft Jungnau; als Sekretär<br />
Isaak Andreas Täglin, Amtsschreiber der Herrschaft. Die<br />
Liste der Inneringer Mitglieder führte Schultheiß Johann<br />
Böglin an.<br />
Das Titularfest der Erzbruderschaft begingen die Mitglieder<br />
in feierlicher Form jeweils am ersten Sonntag des<br />
Rosenkranzmonats Oktober. Es kam stets eine große<br />
Menge Beichtender zusammen, um den vollkommenen<br />
Ablaß zu gewinnen. Vor dem Festgottesdienst gab es<br />
eine Prozession um die Kirche; am Nachmittag nach der<br />
Vesper eine zweite feierliche Prozession mit dem Allerheiligsten<br />
im Ziborium durch das Dorf, angeführt von<br />
Kreuz und Fahnen, der Priester unter dem Traghimmel,<br />
mit 15 Mädchen bzw. Jungfrauen, die die Bruderschaftsschilde<br />
mit den aufgemalten Rosenkranzgeheimnissen<br />
und eine Kerze trugen, dazu sechs bis acht Jungfrauen,<br />
die auf einem Traggestell eine Madonnenfigur mit<br />
Kind 8 bei sich führten. Es ist selbstverständlich, daß die<br />
Mitglieder angehalten waren, eifrig das Rosenkranzgebet<br />
zu pflegen. Darüber hinaus wurde jeweils am ersten<br />
Sonntag eines Monats, dann auch an den Marienfesten<br />
nach der Vesper dieselbe Prozession, wie vorhin beschrieben,<br />
abgehalten. Es ist keine Frage, daß diese Veranstaltungen<br />
Höhepunkte des kirchlichen Lebens in Inneringen<br />
dargestellt u. ein prachtvoll-buntes Bild abgegeben<br />
haben. Nach den vier Marianischen Hauptfesten<br />
(Lichtmeß, Verkündigung, Himmelfahrt und Geburt)<br />
feierte man für die verstorbenen Mitglieder am Bruderschaftsaltar<br />
- daher auch seine Bedeutung - eine<br />
hl. Messe 9 . Somit wird deutlich, wie sehr auch eine solche<br />
Bruderschaft auf die Sicherung des Seelenheiles hin<br />
angelegt war: Jedes Mitglied hatte die Garantie, daß es<br />
auch über seinen Tod hinaus in das Gebet und das<br />
hl. Opfer der Gemeinschaft eingeschlossen blieb.<br />
Auch in Inneringen dürfte sogleich nach der Gründung<br />
der Bruderschaft der dortige Rosenkranzaltar durch die<br />
Mitglieder in Auftrag gegeben worden sein, wahrscheinlich<br />
noch 1662. Leider haben wir darüber keine Unterlagen<br />
mehr. Nur das Altarbild gibt noch Zeugnis von ihm,<br />
der Aufbau ist mit all seinem Zierat leider verloren.<br />
Entsprechend der durch die Dominikaner gelieferten<br />
Bildvorlage sitzt in der oberen Bildhälfte die Madonna<br />
mit Kind auf einer Wolkenbank, ihr lichtumflossenes<br />
Haupt trägt eine Krone. Unter ihr kniet - vom Beschauer<br />
aus gesehen - links der hl. Dominikus, den Rosenkranz<br />
aus der Hand der Gottesmutter empfangend<br />
und, das Gesicht im Profil wiedergegeben, zu ihr und<br />
ihrem Sohn aufblickend. Als Attribut ist dem Ordensmann<br />
ein Hund beigegeben, der eine Fackel im Maul<br />
trägt, auf das Wortspiel hinweisend „Domini canis = des<br />
Herren Hund" und auf den Traum seiner Mutter vor<br />
der Geburt, ihr Sohn werde durch sein Wirken gleichsam<br />
die Welt in Brand stecken. Rechts neben Dominikus<br />
kniet die hl. Katharina von Siena, dargestellt im Gewand<br />
der Dominikaner-Terziarinnen. Mit der emporgehaltenen<br />
Rechten erhält auch sie, diesmal aber aus der<br />
Hand des Kindes, den Rosenkranz überreicht; in der<br />
Linken trägt sie eine weiße Lilie als Zeichen der Jungfräulichkeit,<br />
auf dem Haupt eine Dornenkrone als Hin-