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Der kräftearme Wiener Übergangsbogen - MplusM

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Vorwort<br />

<strong>Der</strong> <strong>kräftearme</strong> <strong>Wiener</strong> <strong>Übergangsbogen</strong><br />

Gerard Presle<br />

Die Geodäsie kann für den präzisen Verlauf der Fahrkante eines Gleises sorgen. Die Beschreibung<br />

der Gleislinienführung - mit heutigen mathematischen Methoden – führt zu Erkenntnissen,<br />

die einen kräfteärmeren Verlauf, als heute üblich, bei der Linienführung zulassen<br />

würden.<br />

In der Praxis lässt sich diese neue Geometrie allerdings nur mit neuesten geodätischen<br />

Methoden verlegen.<br />

Klassische Gleislinienführung<br />

Bei der Fahrt durch einen Kreisbogen wirken auf das Fahrzeug und die Insassen Zentrifugalkräfte.<br />

Um diese zu vermindern, werden Gleisbögen überhöht. Gleichzeitig wird die<br />

freie unausgeglichene Seitenbeschleunigung begrenzt (0,85 m/s²).<br />

Zur Verbindung zwischen dem in der Gerade liegendem Gleis und dem Kreisbogen wird<br />

der <strong>Übergangsbogen</strong> herangezogen. In diesem wird die Krümmung und die Überhöhung<br />

von den Werten der Geraden bis zu denen des Kreisbogens gesteigert. Das alte Vorschriftenwerk<br />

der Österreichischen Bundesbahnen ließ hauptsächlich die Klotoide als <strong>Übergangsbogen</strong>form<br />

zu. Das hatte vor allem den Grund, dass das Abbild der Klotoide im<br />

Krümmungsbild durch eine Gerade dargestellt wird, womit sich mit Millimeterpapier in der<br />

täglichen Praxis sehr leicht der Krümmungsverlauf für jeden Punkt bestimmen ließ.<br />

Zu Beginn der 90ziger Jahre wurde von den ÖBB in einem Forschungsprojekt an Fahrzeugsimulationen<br />

gearbeitet. Zur rechentechnisch klaren und einfachen Gleisbeschreibung<br />

wurde damals, in der Eisenbahntechnik neu, der Begriff des „geodätischen Streifens“ (s.<br />

auch Farbtafel ##, S. ###) aus der Differentialgeometrie verwendet; er lässt sich in jedem<br />

Punkt durch den Tangentenvektor, den Seitenvektor und dem normalen Vektor darstellen.<br />

Bei der Berechnung waren klar die Nachteile der klassischen verwendeten Gleisgeometrien<br />

zu sehen. Es kam vor allem am <strong>Übergangsbogen</strong>anfang und am <strong>Übergangsbogen</strong>ende zu<br />

einem Ruck für den Fahrzeugschwerpunkt. <strong>Der</strong>en Folgen sind höhere Rad-Schiene-Kräfte<br />

und auch ein höherer Erhaltungsaufwand im Bereich der Bogenhauptpunkte.


2<br />

G. Presle<br />

Klothoide mit ausgerundeter Überhöhungsrampe<br />

Überhöhungswinkel:<br />

Krümmung:<br />

Seitenbeschleunigung:<br />

Die Knickbereiche der geraden Rampe<br />

bewirken Seitenbeschleunigungen im<br />

Schwerpunkt des Fahrzeuges !<br />

Außerdem zeigte sich, dass in der Praxis Ausrundungsbögen im Bereich <strong>Übergangsbogen</strong>anfang<br />

und <strong>Übergangsbogen</strong>ende verwendet wurden. Wir untersuchten nun im Modell die<br />

näheren Ursachen dafür und überlegten, ob nicht eine Bogenform existieren würde, mit der<br />

man die – zusätzlich zur Zentrifugalkraft -auftretenden Kräfte minimieren könnte. Es zeigte<br />

sich, dass die freie Seitenbeschleunigung und der Ruck in den herkömmlichen <strong>Übergangsbogen</strong>formen<br />

für die Schwerpunkthöhe 0, also für einen Schwerpunkt der auf der Gleisachse<br />

liegen würde, trassiert wird.


<strong>Der</strong> <strong>kräftearme</strong> <strong>Wiener</strong> <strong>Übergangsbogen</strong> 3<br />

Nachteile der derzeit verwendeten Gleisgeometrien<br />

Modell:<br />

Fahrzeug entlang Gleisachse geführt<br />

Da die Schwerpunkthöhe für die<br />

meisten Fahrzeuge zwischen 1,50 bis 2<br />

Meter anzusetzen ist, resultieren durch<br />

das Hineinkippen des Fahrzeugs in die<br />

Überhöhung beachtliche Kräfte. Es<br />

wurden daher Trassierungen überlegt,<br />

1. die die Fahrzeuge um den Schwerpunkt<br />

drehten<br />

2. <strong>Übergangsbogen</strong>formen zu verwenden,<br />

die beim Befahren ein Minimum<br />

an Kräften verursachen.<br />

Das führte zu neuen <strong>Übergangsbogen</strong>formen<br />

mit einer ausschwingenden<br />

Leitlinie des Gleisstreifens, vgl. mit der<br />

Spur eines Radfahrers der in einem<br />

Bogen fährt und dabei auch ausholt.<br />

Ruck für den<br />

Fahrzeug - Schwerpunkt<br />

an ÜA und ÜE<br />

Höhere Rad / Schiene Kräfte<br />

bei ÜA und ÜE<br />

Höherer Erhaltungsaufwand<br />

Lineare Überhöhungsrampe<br />

nicht realisierbar<br />

Trassen- und Fahrzeugquerschnitt


4<br />

G. Presle<br />

Neuer Gleisbogen: Versuchsweise Realisierung<br />

Lageplan :<br />

Ausschwingende Leitlinie des realen<br />

Gleisstreifens<br />

(s. auch Farbtafel ##, S. ###).<br />

Neue Linienführung „<strong>Wiener</strong> Bogen“<br />

Krümmungsverlauf :<br />

Höhere Ableitungen der Krümmung<br />

stetig<br />

Es wurden dann einige Bögen versuchsweise realisiert und über 6 Jahre hindurch beobachtet.<br />

Es zeigte sich, dass durch die geringeren Kräfte zwischen Rad und Schiene es zu geringeren<br />

Verdrückungen am Anfang und Ende des <strong>Übergangsbogen</strong>s kam und 6 Jahre lang keine<br />

Erhaltung notwendig war. Bei Vergleichsbögen herkömmlicher Geometrie waren zwei<br />

Gleislagestopfungen mit Geometrieberichtigungen dazwischen notwendig.<br />

Die Ergebnisse waren daher klar eine längere Liegedauer des Gleises und eine höhere Wirtschaftlichkeit<br />

im Bereich der Erhaltung. Die Schwierigkeiten lagen damals im Aufwand bei<br />

der geodätischen Vermessung, bei der Weitergabe der errechneten Hebe- und Richtwerte<br />

mittels Datenträgern an die Stopfmaschinen und ebenso bei der Dokumentation für die<br />

Kontrollen.<br />

Parallel dazu entstanden im Fahrweg der Österreichischen Bundesbahnen die Gleisvermarkung,<br />

die elektronische Gleisdatenbank und der EMSAT 120. In der Gleisdatenbank ist die<br />

vermarkte Sollgleislage des Gleises präzis enthalten. <strong>Der</strong> EMSAT dient dazu, die geodätische<br />

Istlage des Gleises zu vermessen. Die Messergebnisse des EMSAT werden in die<br />

Datenbank gespielt und dort durch den Vergleich der Ist- und Sollgleislage die Hebe- und<br />

Richtwerte für das Gleis bestimmt, sodass eine Gleisstopfmaschine, die mit diesen Daten<br />

dann agiert, das Gleis dann wieder in die Sollgleislage bringen kann.<br />

In der Zwischenzeit wurde auch die CEN-Arbeitsgruppe TC 256 SC 1 WG 15 (Railway<br />

applications: Track alignment design parameters) ins Leben gerufen. Hier ging es um allgemeine<br />

Trassierungsvorschriften für europäische Bahnen.


<strong>Der</strong> <strong>kräftearme</strong> <strong>Wiener</strong> <strong>Übergangsbogen</strong> 5<br />

Österreich konnte hier im Annex A (moderne Entwurfs- und Beurteilungsregeln, tabellarische<br />

Ausarbeitung für alle konventionelle Übergangsbögen und Überhöhungsrampen) die<br />

weiterentwickelte neue Gleisgeometrie einbringen.<br />

Vor einigen Jahren begannen auch die <strong>Wiener</strong> Linien sich sehr intensiv mit diesen <strong>Übergangsbogen</strong>typen<br />

zu befassen. Es wurden im Bereich der U-Bahnlinie U 4 einige Bögen<br />

probeweise verlegt und mit spezieller Messtechnik ausgestattete U-Bahnzüge Versuchsfahrten<br />

unternommen. Es zeigte sich auch hier, dass ein um etwa 15 % niedrigeres Kräfteniveau<br />

im Bereich der Übergangsbögen erreicht wurde. Diese gemeinsame Weiterentwicklung<br />

von den ÖBB mit den <strong>Wiener</strong> Linien und Dr. Herbert Hasslinger (Ziviling.-büro<br />

Dr. Hasslinger, Wien) wurde als „<strong>Wiener</strong> Bogen“ bezeichnet.<br />

Modell: Fahrzeugschwerpunkt<br />

entlang fiktivem Gleisstreifen<br />

geführt<br />

Resumee<br />

Vorteile der neuen Gleisgeometrie<br />

Proportionalität zwischen<br />

Überhöhungswinkel<br />

und Krümmung<br />

Kein Ruck an ÜA und ÜE<br />

im Fahrzeug Schwerpunkt<br />

Geringere R/S - Kräfte an<br />

ÜA und ÜE<br />

Geringerer Erhaltungsaufwand<br />

Höhere stetige Ableitungen<br />

für Überhöhungswinkel<br />

und Krümmung<br />

Er fand Eingang in das neue Regelwerk der <strong>Wiener</strong> Linien und kommt in der im Bau befindlichen<br />

Verlängerung der U-Bahnlinie U 2 zur Anwendung. Ebenso ist bei den ÖBB<br />

Ende des Jahres 2004 die neue Vorschrift B 50 (Trassierungsvorschrift) fertig gestellt worden.<br />

In dieser wird auch der neuen Geometrie des „<strong>Wiener</strong> Bogens“ Rechnung getragen.<br />

Durch die modernen Vermessungsverfahren mittels EMSAT, Gleisdatenbank, Trassierungsprogrammen<br />

und computergesteuerter Stopfmaschinen steht ab jetzt der großen<br />

Verbreitung des „<strong>Wiener</strong> Bogens“ nichts mehr im Wege.<br />

An diesem Fall zeigt sich, dass der Weg von der Erkenntnis eine bessere Geometrie bauen<br />

zu können bis zu ihrer tatsächlichen Durchführung nur mit Hilfe modernster geodätischer<br />

Verfahren und deren Anwendung in den Maschinen möglich geworden ist.

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