Der Vormund und Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ( UMF ...

Der Vormund und Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ( UMF ... Der Vormund und Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ( UMF ...

12.02.2013 Aufrufe

Minderjährige Flüchtlinge sind wie deutsche Minderjährige zu behandeln. Für beide Gruppen ist allein und vorrangig „das Wohl des Kindes“ maßgeblich. Dies ergibt sich zwingend aus folgenden internationalen Bestimmungen, die nunmehr auch in Deutschland unmittelbar geltendes Recht sind (Soweit deutsches Ausländerrecht den unten genannten Bestimmungen zum Nachteil des UMF widerspricht, darf es nicht mehr angewendet werden.): Europäische Menschenrechtskonvention ( EMRK ), UN Kinderrechtskonvention ( KRK ), Genfer Flüchtlingskonvention ( GFK ), Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003, Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004. Alle Vorbehalte Deutschlands sind inzwischen zurückgenommen. Dabei hat bei der Ausübung von Verwaltungsermessen das Kindeswohl nicht nur die Bedeutung eines Belanges unter vielen, sondern ist der wesentliche, ausschlaggebende Faktor, wenn Entscheidungen über minderjährige Flüchtlinge zu treffen sind; das Kindeswohl steht also über Kostenerwägungen oder Abschreckungstendenzen. In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es unter Art. 22 im Hinblick auf minderjährige unbegleitete Flüchtlinge: „ … ist dem Kind… derselbe Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist“. Nach Art. 24 KRK hat das Kind ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit, nach Art. 26 ein Recht auf soziale Sicherheit (einschließlich der Sozialversicherung) und nach Art. 28 ein Recht auf Schulbesuch und Berufsausbildung. Nach Art. 1 ist Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Das Verhältnis zwischen Vormund und ausländischem Minderjährigem wird - wie die Familie – durch Art. 6 Grundgesetz geschützt, Art. 8 EMRK. Nach der Richtlinie 2003/9 EG ist der Asylantrag eines UMF beschleunigt zu bearbeiten. Nach den Richtlinien des UNHCR vom Februar 1997 unter 8.3 sollen auch ausländische minderjährige Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren Zugang zu einem qualifizierten Rechtsvertreter haben. Sie haben einen Anspruch auf kindgerechte Verfahrensgarantien. Im Klartext: Wenn für deutsche Minderjährige ohne Eltern zwingend und sofort ein Vormund zu bestellen ist, muss dies erst recht für einen UMF gelten, der in der Regel in einer ungleich schwierigeren Situation ist, vor allem gleich nach seiner Ankunft in Deutschland, als der deutsche Minderjährige ohne Eltern. In den Richtlinien 2003/9 EG heißt es demnach auch folgerichtig: „Die Mitgliedsstaaten sorgen so bald wie möglich für die erforderliche Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen; die Vertretung übernimmt ein gesetzlicher Vormund oder erforderlichenfalls eine Organisation, die für die Betreuung und das Wohlergehen von Minderjährigen verantwortlich ist“. Nach der Richtlinie 2003/9/EG, Art. 5 haben die deutschen Behörden (Polizei, Jugendamt, Ausländerbehörden) dafür Sorge zu tragen, dass die UMF Informationen darüber erhalten, welche Organisationen oder Personengruppen spezifischen Rechtsbeistand gewähren und ihnen behilflich sein oder sie informieren können, und zwar in der Sprache des Flüchtlings und tunlichst auch schriftlich. Aus allem ergibt sich zwingend, dass der UMF möglichst sofort nach seiner Ankunft in Deutschland über sein Recht zu belehren ist, einen Vormund zu erhalten, der im Gegensatz zu dem UMF in der Lage ist, die Rechte des UMF wahrzunehmen. Die Bestellung eines Vormunds sollte sofort, das heißt ggf. auch vor der Inobhutnahme durch das Jugendamt erfolgen, damit schon gleich die richtigen Weichen, z.B. im Clearingverfahren, gestellt werden können. Aus zwei weiteren Gründen sind die schnelle Bestellung eines Vormunds, und damit eine Beratung des UMF wichtig. 1. Es ist höchst problematisch, dass nach einer aufreibenden Flucht aufgegriffene traumatisierte UMF von meist diesbezüglich ungeschulten Polizeibeamten zu Fluchtgründen und Reiseweg befragt werden , was oft zu ungenauen und missverständlichen Angaben führt, die dem UMF im Asylverfahren zum Verhängnis werden können, ohne dass ein böser 4

Wille des UMF vorliegt. Widersprüchliche Aussagen des Asylbewerbers sind einer der Hauptgründe für die Ablehnung eines Asylantrags. Die PDV (Polizeiliche Dienst Verordnung) regelt die Vernehmung der UMF nicht unmittelbar, wohl aber die Vernehmung Minderjähriger (PDV 3.6 ff.) Danach sind minderjährige Jugendliche über ihre Rechte zu belehren. Meines Erachtens gehört dazu auch das Recht, einen Vormund zu verlangen und mit diesem vor der Vernehmung sprechen zu können. Da der UMF keinesfalls schlechter als ein Beschuldigter gestellt werden darf, hat er auch das Recht, einen Anwalt in Anspruch zu nehmen ( was jedoch unrealistisch ist, weil der UMF dafür kein Geld haben dürfte ). Jeder Schwerstverbrecher kann seine Aussage verweigern, jedenfalls auch solange, bis er von seinem Recht auf Beratung Gebrauch machen konnte. Soll dies für einen minderjährigen Flüchtling, der zudem meist in einer schlimmen Notlage ist, und eben noch nicht einmal Angeklagter ist, nicht gelten?! Wenn aus Kostengründen ein Anwalt nicht zur Verfügung steht, kann die Beratung am besten durch einen eingeführten potentiellen Einzelvormund oder eine Organisation wie der Kölner Flüchtlingsrat, die Caritas oder die Diakonie erfolgen. Zwar hat die Polizei einen UMF sofort dem Jugendamt „zuzuführen“, das nach Inobhutnahme praktisch eine Amtsvormundschaft veranlassen wird und muss. Es ist jedoch fraglich, ob das Jugendamt den UMF asylrechtlich beraten will und kann. Gerade für letzteres erscheint der Einzelvormund geeigneter, und er sollte so bald wie möglich den zunächst praktisch kaum vermeidbaren Amtsvormund ersetzen. 2. Dem Einzelvormund scheint auch eine besondere Bedeutung zuzukommen, wenn es darum geht, das Alter des ausländischen Flüchtlings festzustellen. Ist dieser minderjährig, ist er voll im System der Jugendhilfe. Ist er über 18 Jahre alt, kann ihm diese Wohltat nicht zu Gute kommen, und er kann z.B. in einem weit entfernten Asylbewerberheim mit Erwachsenen ohne Ausbildungsmöglichkeiten untergebracht werden. Die Frage des Alters ist also äußerst wichtig und möglichst schnell zu klären, zumal auch bei einem Minderjährigen sofort das erforderliche Clearingverfahren durchzuführen ist. Da oft keine Papiere zur Altersfeststellung zur Verfügung stehen, hat das Jugendamt von Amts wegen das Alter zu ermitteln ( nicht das Ausländeramt ). Dabei „schätzt“ das Jugendamt das Alter des Flüchtlings, z.B. auf Grund von Angaben des Flüchtlings, Dokumenten, Inaugenscheinnahme des Betroffenen, vor allem auf Grund einer ärztlichen Meinung. Nicht selten werden röntgenologische Eingriffe ( Handwurzeluntersuchungen ) zur Altersfeststellung vorgenommen, die manchmal auch das gewollte Ergebnis (über 18) „ermitteln“. Deren Zulässigkeit ist höchst umstritten. Abgesehen davon, dass es für röntgenologische Eingriffe zum Zwecke der Altersfeststellung ohne medizinische Indikation keine eindeutige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gibt, hat eine britische Untersuchung z.B. ergeben, dass die Ergebnisse nachweislich um mehr als 3 Jahre von der Wirklichkeit abweichen können. Die Universität Köln und andere medizinischwissenschaftliche Einrichtungen lehnen aus diesem Grund die röntgenologischen Knochenuntersuchungen ab. In jedem Fall gilt entsprechend dem alten Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“: Im Zweifel für die Minderjährigkeit und damit für die Jugendhilfe (So auch der BGH, Beschluss v.29.9.2010). Das Landgericht Braunschweig (Beschluss v.6.8.2009) hat festgestellt, dass die Handwurzeluntersuchung keine ausreichende Grundlage für die Altersbestimmung Jugendlicher ist. Die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin empfiehlt körperliche Untersuchungen, jedoch ausdrücklich ohne Röntgenaufnahmen. Es erscheint nur schwer vorstellbar, dass Handwurzeluntersuchungen gegen die Überzeugung und den ausdrücklichen Willen des Einzelvormunds oder gegen den ausdrücklichen Willen des – informierten – Flüchtlings vorgenommen werden. Auch deshalb ist der – informierte – Einzelvormund so wichtig. Des weiteren muss der Vormund dafür sorgen, dass der UMF nicht in einer Asylbewerbereinrichtung oder einer anderen nicht jugendgerechten Einrichtung untergebracht wird (keine jugendspezifische Betreuung, keine Heimaufsicht, keine Verlegung aus der Ankunftsstadt, Art.19 EU-Richtlinie). Er soll beim Clearingverfahren auf Seiten des Jugendlichen mitwirken (Klärung der Situation und der Zukunftsaussichten des UMF, 5

Minderjährige <strong>Flüchtlinge</strong> sind wie deutsche Minderjährige zu behandeln. Für beide Gruppen<br />

ist allein <strong>und</strong> vorrangig „das Wohl des Kindes“ maßgeblich.<br />

Dies ergibt sich zwingend aus folgenden internationalen Bestimmungen, die nunmehr auch<br />

in Deutschland unmittelbar geltendes Recht sind (Soweit deutsches Ausländerrecht den<br />

unten genannten Bestimmungen zum Nachteil des <strong>UMF</strong> widerspricht, darf es nicht mehr<br />

angewendet werden.):<br />

Europäische Menschenrechtskonvention ( EMRK ), UN Kinderrechtskonvention ( KRK ),<br />

Genfer Flüchtlingskonvention ( GFK ), Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003,<br />

Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004. Alle Vorbehalte Deutschlands sind inzwischen<br />

zurückgenommen.<br />

Dabei hat bei der Ausübung von Verwaltungsermessen das Kindeswohl nicht nur die<br />

Bedeutung eines Belanges unter vielen, sondern ist der wesentliche, ausschlaggebende<br />

Faktor, wenn Entscheidungen über <strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zu treffen sind; das Kindeswohl<br />

steht also über Kostenerwägungen oder Abschreckungstendenzen.<br />

In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es unter Art. 22 im Hinblick auf <strong>minderjährige</strong><br />

unbegleitete <strong>Flüchtlinge</strong>: „ … ist dem Kind… derselbe Schutz zu gewähren wie jedem<br />

anderen Kind, das aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> dauernd oder vorübergehend aus seiner<br />

familiären Umgebung herausgelöst ist“.<br />

Nach Art. 24 KRK hat das Kind ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Ges<strong>und</strong>heit,<br />

nach Art. 26 ein Recht auf soziale Sicherheit (einschließlich der Sozialversicherung) <strong>und</strong><br />

nach Art. 28 ein Recht auf Schulbesuch <strong>und</strong> Berufsausbildung. Nach Art. 1 ist Kind jeder<br />

Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.<br />

Das Verhältnis zwischen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> ausländischem Minderjährigem wird<br />

- wie die Familie – durch Art. 6 Gr<strong>und</strong>gesetz geschützt, Art. 8 EMRK.<br />

Nach der Richtlinie 2003/9 EG ist der Asylantrag eines <strong>UMF</strong> beschleunigt zu bearbeiten.<br />

Nach den Richtlinien des UNHCR vom Februar 1997 unter 8.3 sollen auch ausländische<br />

<strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Jahren Zugang zu einem qualifizierten<br />

Rechtsvertreter haben. Sie haben einen Anspruch auf kindgerechte Verfahrensgarantien.<br />

Im Klartext:<br />

Wenn für deutsche Minderjährige ohne Eltern zwingend <strong>und</strong> sofort ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu bestellen<br />

ist, muss dies erst recht für einen <strong>UMF</strong> gelten, der in der Regel in einer ungleich<br />

schwierigeren Situation ist, vor allem gleich nach seiner Ankunft in Deutschland, als der<br />

deutsche Minderjährige ohne Eltern.<br />

In den Richtlinien 2003/9 EG heißt es demnach auch folgerichtig: „Die Mitgliedsstaaten<br />

sorgen so bald wie möglich für die erforderliche Vertretung von unbegleiteten<br />

Minderjährigen; die Vertretung übernimmt ein gesetzlicher <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> oder erforderlichenfalls<br />

eine Organisation, die für die Betreuung <strong>und</strong> das Wohlergehen von Minderjährigen<br />

verantwortlich ist“.<br />

Nach der Richtlinie 2003/9/EG, Art. 5 haben die deutschen Behörden (Polizei, Jugendamt,<br />

Ausländerbehörden) dafür Sorge zu tragen, dass die <strong>UMF</strong> Informationen darüber erhalten,<br />

welche Organisationen oder Personengruppen spezifischen Rechtsbeistand gewähren <strong>und</strong><br />

ihnen behilflich sein oder sie informieren können, <strong>und</strong> zwar in der Sprache des Flüchtlings<br />

<strong>und</strong> tunlichst auch schriftlich.<br />

Aus allem ergibt sich zwingend, dass der <strong>UMF</strong> möglichst sofort nach seiner Ankunft in<br />

Deutschland über sein Recht zu belehren ist, einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu erhalten, der im Gegensatz<br />

zu dem <strong>UMF</strong> in der Lage ist, die Rechte des <strong>UMF</strong> wahrzunehmen. Die Bestellung eines<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s sollte sofort, das heißt ggf. auch vor der Inobhutnahme durch das Jugendamt<br />

erfolgen, damit schon gleich die richtigen Weichen, z.B. im Clearingverfahren, gestellt<br />

werden können.<br />

Aus zwei weiteren Gründen sind die schnelle Bestellung eines <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s, <strong>und</strong> damit eine<br />

Beratung des <strong>UMF</strong> wichtig.<br />

1. Es ist höchst problematisch, dass nach einer aufreibenden Flucht aufgegriffene<br />

traumatisierte <strong>UMF</strong> von meist diesbezüglich ungeschulten Polizeibeamten zu Fluchtgründen<br />

<strong>und</strong> Reiseweg befragt werden , was oft zu ungenauen <strong>und</strong> missverständlichen Angaben<br />

führt, die dem <strong>UMF</strong> im Asylverfahren zum Verhängnis werden können, ohne dass ein böser<br />

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