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Der Vormund und Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ( UMF ...

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<strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> <strong>Unbegleitete</strong> <strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> ( <strong>UMF</strong> ) von Manfred Fuchs<br />

<strong>UMF</strong> sind noch nicht 18 Jahre alte junge Menschen, die meist aus Kriegsgebieten oder als<br />

politisch Verfolgte, z.B. aus dem Iran, nach Deutschland geflüchtet sind, <strong>und</strong> ihre Eltern in<br />

ihrem Heimatland zurückgelassen haben. Oft traumatisiert, werden sie nach einer oft<br />

zermürbenden wochenlangen Flucht in Deutschland aufgegriffen, können sich mangels<br />

Deutschkenntnissen kaum verständlich machen <strong>und</strong> haben in der Regel kaum Hilfe, bis sie<br />

vom Jugendamt in Obhut genommen werden.<br />

Wie auch deutsche Minderjährige (bis 18) sind sie rechtlich nicht handlungsfähig <strong>und</strong> dem<br />

Verwaltungshandeln der Behörden (Polizei) ausgesetzt. Was soll denn der <strong>minderjährige</strong><br />

Flüchtling machen, wenn er – nahe der Grenze aufgegriffen – abgeschoben wird, nach der<br />

Einschätzung des Polizeibeamten „wahrscheinlich 18 Jahre alt“ oder „mindestens 18 Jahre<br />

alt“?<br />

<strong>UMF</strong> können allein z.B. nicht rechtswirksam einen Miet- oder Handy-Vertrag abschließen, da<br />

ihre - an sich dafür zuständigen – Eltern nicht zur Verfügung stehen. Gegen rechtswidrige<br />

staatliche Maßnahmen, z.B. Abschiebungen, können sie nichts unternehmen, schon<br />

mangels Geld.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), §§ 1773 ff, zwingend vor, dass<br />

diese <strong>minderjährige</strong>n Jugendlichen einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> (Mann oder Frau) erhalten. <strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong><br />

hat diejenigen Entscheidungen für den Jugendlichen zu treffen, für die sonst seine Eltern<br />

zuständig wären. Dabei brauchen die <strong>UMF</strong> ganz besonders dringend <strong>und</strong> schnell einen<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong>, weil sie wegen ihrer hilflosen Lage extrem schutzbedürftig sind.<br />

Die <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaft ( allgemein)<br />

<strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> ersetzt sozusagen die nicht präsenten Eltern. Er ist rechtlicher Vertreter des<br />

Minderjährigen anstelle der Eltern <strong>und</strong> soll für das Wohlergehen des Jugendlichen sorgen.<br />

Wie auch Eltern muss der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> keine besonderen Rechtskenntnisse haben, wohl aber<br />

einen „ges<strong>und</strong>en Menschenverstand“. Bei Fragen kann er sich an das Familiengericht oder<br />

das Jugendamt wenden, die zur Hilfe <strong>und</strong> Auskunft verpflichtet sind.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> ist zuständig für Entscheidungen betreffend den Jugendlichen (welches Heim<br />

ist für ihn am besten?). Er muss keine praktische Arbeit für den Jugendlichen leisen (<br />

Zimmer aufräumen ).<br />

Dabei hat der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> durchaus einseitig allein das Wohl des Jugendlichen im Auge zu<br />

behalten. Er muss wirklich unabhängig sein, auch gegenüber dem Jugendamt <strong>und</strong> dem<br />

Gericht. Er muss sich in etwa so verhalten wie ein Vater / eine Mutter in Bezug auf sein / ihr<br />

<strong>minderjährige</strong>s Kind.<br />

Vielfach werden Mitarbeiter des Jugendamts oder Vereinsmitglieder zum <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> bestellt,<br />

die sicher versuchen, ihre Pflicht zu tun. Diese Amts- oder Vereinsvormünder haben aber so<br />

viele Fälle zu betreuen, dass sie die Jugendlichen kaum in der erforderlichen persönlichen<br />

Weise unterstützen können. Außerdem kann ihre Unabhängigkeit, meint hier die „<br />

Einseitigkeit „ zu Gunsten des Jugendlichen, manchmal fraglich sein. Amtsvormünder<br />

können einem Interessenwiderstreit ausgesetzt sein, weil der Jugendamtsmitarbeiter zwar<br />

eigentlich nur „dem Wohl des Kindes“ verpflichtet ist, dem aber staatliche- <strong>und</strong><br />

Kosteninteressen manchmal entgegenstehen. Deshalb ist es wichtig, dass Einzelpersonen ,<br />

für die – im Rahmen der Möglichkeiten – nur das Wohl des Jugendlichen entscheidend ist,<br />

<strong>und</strong> die ganz auf der Seite des Jugendlichen stehen, <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> werden.<br />

Das ist auch ausdrücklich das Ziel des Gesetzgebers. Wenn eine geeignete Einzelperson als<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zur Verfügung steht, darf das Familiengericht keinen Amts- oder Vereinsvorm<strong>und</strong><br />

bestellen, muss sogar einen schon bestellten Amts- oder Vereinsvorm<strong>und</strong> entlassen (§§<br />

1779, 1719 a, 1887 BGB). <strong>Der</strong> Amts- oder Vereinsvorm<strong>und</strong> ist nach dem Gesetz also nur<br />

eine Notlösung.<br />

1


Wer kann <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> sein?<br />

Praktisch jeder geschäftsfähige, volljährige (über 18) Bürger (z.B. auch Studenten, Rentner,<br />

ein Ehepaar ). Verwandte werden bevorzugt. Ausländer/innen, die selbst <strong>Flüchtlinge</strong> waren,<br />

z.B. aus dem Iran sind als Vormünder für iranische <strong>Flüchtlinge</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich sehr geeignet,<br />

da sie in Kenntnis der Landeskultur mit dem Minderjährigen in der Landessprache besseren<br />

Kontakt haben können; in diesem Fall sollte der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> jedoch gute Deutschkenntnisse<br />

haben <strong>und</strong> sich in der deutschen „Behördenlandschaft“ auskennen.<br />

Für welche Personen kann ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> bestellt werden?<br />

Für <strong>minderjährige</strong> Jugendliche (unter 18), deren Eltern verstorben sind oder die ihr<br />

elterliches Sorgerecht überhaupt nicht oder auf längere Zeit nicht ausüben können. (Beispiel:<br />

17-jähriger Iraner flieht nach Deutschland. Eltern bleiben zurück. Die Eltern können sich<br />

praktisch nicht mehr um ihren Sohn kümmern. In diesem Fall ordnet das Familiengericht an,<br />

dass die elterliche Sorge ruht (§ 1674 BGB). Es bestellt einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>. Ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> wird<br />

auch bestellt, wenn der Familienstand des Minderjährigen nicht zu ermitteln ist, oder wenn<br />

die Eltern unbekannten Aufenthalts sind. Es spielt nicht die geringste Rolle, ob der<br />

Minderjährige die deutsche oder eine ausländische Staatsangehörigkeit hat (siehe unten).<br />

Für welche Aufgaben ist der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zuständig?<br />

<strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> hat das Recht <strong>und</strong> die Pflicht, für die Person (Personensorge) <strong>und</strong> das<br />

Vermögen (Vermögenssorge) des Minderjährigen zu sorgen, insbes. auch den<br />

Minderjährigen zu vertreten, z. B. beim Abschluss eines Heimvertrages.<br />

Die Vermögenssorge soll hier nicht behandelt werden, weil <strong>Flüchtlinge</strong> kaum nennenswertes<br />

Vermögen haben. Soweit der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> Vermögen des Minderjährigen zu verwalten hat, hat<br />

er es jedenfalls mündelsicher anzulegen <strong>und</strong> dem Familiengericht darüber zu berichten (§§<br />

1807 ff BGB).<br />

Die Sorge für die Person des Jugendlichen bedeutet, dass der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> dafür sorgt, dass es<br />

dem Jugendlichen nach den Möglichkeiten gut geht <strong>und</strong> auch die Verantwortung dafür trägt.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> ( nicht das Jugendamt, nicht das Gericht ) entscheidet bei allem, was das<br />

Leben des Jugendlichen gr<strong>und</strong>sätzlich betrifft (<strong>und</strong> nicht über die Abläufe im Heim oder in<br />

der Schule im einzelnen). <strong>Der</strong> <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> entscheidet z.B., welche Schule für den<br />

Minderjährigen die beste ist, <strong>und</strong> welche Ausbildung er am besten machen sollte. Eine<br />

schwerwiegende Operation bedarf der Einwilligung des <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s ebenso wie eine<br />

Abtreibung.<br />

Alles das sollte mit dem Jugendlichen besprochen werden (persönlich, Mails, Telefonate). Je<br />

älter der Minderjährige ist, um so mehr ist seine Meinung zu berücksichtigen. Fühlt sich der<br />

Jugendliche in einem Heim sehr unwohl, sollte der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> die Unterbringung in einer<br />

anderen Einrichtung prüfen, damit sich der Jugendliche gut entwickeln <strong>und</strong> ungefährdet<br />

aufwachsen kann.<br />

Wenn der Jugendliche in einem Heim lebt <strong>und</strong> mit dem Sozialarbeiter des Jugendamts<br />

Hilfeplan- <strong>und</strong> Erziehungsgespräche führt, bei denen es um die Unterstützung des<br />

Jugendamts geht, sollte der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> immer an der Seite des Jugendlichen stehen <strong>und</strong> auch<br />

einfordern, was diesem zusteht. <strong>Der</strong> Minderjährige hat einen Anspruch auf Hilfen zur<br />

Erziehung. Wenn das Jugendamt Anträge gegen die Überzeugung des <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s ablehnt,<br />

kann dieser Widerspruch einlegen <strong>und</strong> notfalls vor dem Verwaltungsgericht klagen. Bei allem<br />

sollte der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> seine Entscheidungen nicht nur mit dem Jugendlichen, sondern auch mit<br />

den Vertretern des Jugendamts besprechen, die in der Regel sehr fachk<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> bemüht<br />

sind. In der Praxis wird der Sozialarbeiter des Jugendamts ohnehin die meisten<br />

Entscheidungen kompetent <strong>und</strong> unvoreingenommen empfehlen, sodass für den <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> in<br />

der Regel nicht so viel Arbeit anfällt, außer aufzupassen, dass nichts dem „Wohl des Kindes“<br />

zuwiderläuft. Auf keinen Fall dürfen <strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> schlechter behandelt werden<br />

als deutsche Minderjährige.<br />

2


Wie wird man <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>?<br />

Das Familiengericht (eine Abteilung des Amtsgerichts) ist für die Bestellung des <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s<br />

zuständig. Das Familiengericht entscheidet meist in einer kurzen Verhandlung (etwa 15<br />

Minuten) über die Anordnung der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaft. Ein Vertreter des Jugendamts, der<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> natürlich der Jugendliche werden kurz angehört. Es ist sinnvoll <strong>und</strong> auch nicht<br />

unüblich, wenn schon vorher die <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaft beim Jugendamt abgeklärt ist.<br />

Kurze Zeit später muss der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> noch mal zum Amtsgericht. Dann wird der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu<br />

„ treuer <strong>und</strong> gewissenhafter Führung der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaft „ verpflichtet, <strong>und</strong> er erhält eine<br />

Bestallungsurk<strong>und</strong>e (§§ 1789, 1791 BGB).<br />

Das Familiengericht hat die Vormünder bei Bedarf zu beraten <strong>und</strong> führt sie auch in ihre<br />

Aufgaben ein. In Abständen von einem halben oder einem ganzen Jahr hat der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> in<br />

einfachen Worten kurz zu berichten.<br />

Da das Familiengericht von Amts wegen für einen <strong>UMF</strong> einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> bestellen muss,<br />

kann jedermann einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen, sowohl das<br />

Jugendamt, der Kölner Flüchtlingsrat wie auch der „Ehrenamtler“, der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> für einen<br />

<strong>UMF</strong> werden möchte. Besondere Formalitäten sind nicht zu beachten. Gleichzeitig sollte<br />

ggf., auch formlos, ein Antrag auf „ Ruhen der elterlichen Sorge „ gestellt werden. Dabei<br />

genügen die Angabe von Name <strong>und</strong> Anschrift des Jugendlichen <strong>und</strong> des zukünftigen<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s sowie eine kurze Begründung, aus welchen Gründen die Eltern des <strong>UMF</strong> das<br />

Sorgerecht nicht ausüben können. <strong>Der</strong> Flüchtlingsrat würde bei Bedarf behilflich sein.<br />

Durch eine „einstweilige Anordnung“( ein Schnellverfahren ) kann in weniger als drei Tagen<br />

eine <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaft – quasi im schriftlichen Verfahren – ohne Anhörung der Beteiligten<br />

erreicht werden. Von dieser Möglichkeit sollte bei gerade angekommenen <strong>UMF</strong> ausgiebig<br />

Gebrauch gemacht werden.<br />

Im Übrigen:<br />

�� Ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> kann mehrere <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaften übernehmen.<br />

�� Ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> erhält seine Aufwendungen von der Justizkasse ersetzt<br />

(§ 1835 BGB). Er muss die Aufwendungen, z.B. Fahrtkosten, aber nachweisen.<br />

Ohne jeden Nachweis erhält der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> jährlich eine Aufwandspauschale von 323<br />

Euro ( § 1835 a BGB ), <strong>und</strong> zwar für jeden betreuten <strong>UMF</strong>, also für 5<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong>schaften 1619 Euro. Beruflich tätige Vormünder ( meist Sozialarbeiter )<br />

erhalten zusätzlich eine Vergütung zwischen 19,50 <strong>und</strong> 33,50 pro St<strong>und</strong>e.<br />

<strong>Der</strong> unbegleitete <strong>minderjährige</strong> Flüchtling braucht einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong><br />

Das in Deutschland geltende Asyl- <strong>und</strong> Flüchtlingsrecht sollte „in christlicher Nächstenliebe“<br />

nach dem Motto „Alle Menschen sind gleich“ ausgerichtet sein <strong>und</strong> die Menschenwürde<br />

(Art.1 Gr<strong>und</strong>gesetz) achten, in Wahrheit hat es eine gegenteilige Tendenz, ist<br />

flüchtlingsfeindlich. Eine Zusammenschau der einschlägigen deutschen Bestimmungen<br />

ergibt das Bild eines Staates, der ausländischen <strong>Flüchtlinge</strong>n mit allen gerade noch<br />

zulässigen Mitteln die Geltendmachung des Gr<strong>und</strong>rechts auf Asyl erschweren will<br />

(Drittstaatenregelung) <strong>und</strong> sie durch erschwerte Aufenthaltsbedingungen (abgelegene,<br />

integrationsfeindliche Asylbewerberheime, erschwerte Arbeitsaufnahme etc) „rausekeln“ will,<br />

auch, um andere potentielle <strong>Flüchtlinge</strong> abzuschrecken. Dies gilt immer noch für volljährige<br />

<strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

Dies gilt nach der neueren Rechtslage aber nicht mehr für <strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong>.<br />

So ist es mittlerweile auch in der Praxis ( z.B. der Jugendämter ) angekommen, dass <strong>UMF</strong> –<br />

im Gegensatz zu Erwachsenen – nicht mehr abgeschoben werden dürfen, dass sie nicht<br />

mehr in Asylbewerberheime für Erwachsene untergebracht werden dürfen, dass für sie das<br />

Jugendhilferecht mit z.B. dem Clearingverfahren gilt.<br />

3


Minderjährige <strong>Flüchtlinge</strong> sind wie deutsche Minderjährige zu behandeln. Für beide Gruppen<br />

ist allein <strong>und</strong> vorrangig „das Wohl des Kindes“ maßgeblich.<br />

Dies ergibt sich zwingend aus folgenden internationalen Bestimmungen, die nunmehr auch<br />

in Deutschland unmittelbar geltendes Recht sind (Soweit deutsches Ausländerrecht den<br />

unten genannten Bestimmungen zum Nachteil des <strong>UMF</strong> widerspricht, darf es nicht mehr<br />

angewendet werden.):<br />

Europäische Menschenrechtskonvention ( EMRK ), UN Kinderrechtskonvention ( KRK ),<br />

Genfer Flüchtlingskonvention ( GFK ), Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003,<br />

Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004. Alle Vorbehalte Deutschlands sind inzwischen<br />

zurückgenommen.<br />

Dabei hat bei der Ausübung von Verwaltungsermessen das Kindeswohl nicht nur die<br />

Bedeutung eines Belanges unter vielen, sondern ist der wesentliche, ausschlaggebende<br />

Faktor, wenn Entscheidungen über <strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zu treffen sind; das Kindeswohl<br />

steht also über Kostenerwägungen oder Abschreckungstendenzen.<br />

In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es unter Art. 22 im Hinblick auf <strong>minderjährige</strong><br />

unbegleitete <strong>Flüchtlinge</strong>: „ … ist dem Kind… derselbe Schutz zu gewähren wie jedem<br />

anderen Kind, das aus irgendeinem Gr<strong>und</strong> dauernd oder vorübergehend aus seiner<br />

familiären Umgebung herausgelöst ist“.<br />

Nach Art. 24 KRK hat das Kind ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Ges<strong>und</strong>heit,<br />

nach Art. 26 ein Recht auf soziale Sicherheit (einschließlich der Sozialversicherung) <strong>und</strong><br />

nach Art. 28 ein Recht auf Schulbesuch <strong>und</strong> Berufsausbildung. Nach Art. 1 ist Kind jeder<br />

Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.<br />

Das Verhältnis zwischen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> ausländischem Minderjährigem wird<br />

- wie die Familie – durch Art. 6 Gr<strong>und</strong>gesetz geschützt, Art. 8 EMRK.<br />

Nach der Richtlinie 2003/9 EG ist der Asylantrag eines <strong>UMF</strong> beschleunigt zu bearbeiten.<br />

Nach den Richtlinien des UNHCR vom Februar 1997 unter 8.3 sollen auch ausländische<br />

<strong>minderjährige</strong> <strong>Flüchtlinge</strong> zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Jahren Zugang zu einem qualifizierten<br />

Rechtsvertreter haben. Sie haben einen Anspruch auf kindgerechte Verfahrensgarantien.<br />

Im Klartext:<br />

Wenn für deutsche Minderjährige ohne Eltern zwingend <strong>und</strong> sofort ein <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu bestellen<br />

ist, muss dies erst recht für einen <strong>UMF</strong> gelten, der in der Regel in einer ungleich<br />

schwierigeren Situation ist, vor allem gleich nach seiner Ankunft in Deutschland, als der<br />

deutsche Minderjährige ohne Eltern.<br />

In den Richtlinien 2003/9 EG heißt es demnach auch folgerichtig: „Die Mitgliedsstaaten<br />

sorgen so bald wie möglich für die erforderliche Vertretung von unbegleiteten<br />

Minderjährigen; die Vertretung übernimmt ein gesetzlicher <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> oder erforderlichenfalls<br />

eine Organisation, die für die Betreuung <strong>und</strong> das Wohlergehen von Minderjährigen<br />

verantwortlich ist“.<br />

Nach der Richtlinie 2003/9/EG, Art. 5 haben die deutschen Behörden (Polizei, Jugendamt,<br />

Ausländerbehörden) dafür Sorge zu tragen, dass die <strong>UMF</strong> Informationen darüber erhalten,<br />

welche Organisationen oder Personengruppen spezifischen Rechtsbeistand gewähren <strong>und</strong><br />

ihnen behilflich sein oder sie informieren können, <strong>und</strong> zwar in der Sprache des Flüchtlings<br />

<strong>und</strong> tunlichst auch schriftlich.<br />

Aus allem ergibt sich zwingend, dass der <strong>UMF</strong> möglichst sofort nach seiner Ankunft in<br />

Deutschland über sein Recht zu belehren ist, einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu erhalten, der im Gegensatz<br />

zu dem <strong>UMF</strong> in der Lage ist, die Rechte des <strong>UMF</strong> wahrzunehmen. Die Bestellung eines<br />

<strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s sollte sofort, das heißt ggf. auch vor der Inobhutnahme durch das Jugendamt<br />

erfolgen, damit schon gleich die richtigen Weichen, z.B. im Clearingverfahren, gestellt<br />

werden können.<br />

Aus zwei weiteren Gründen sind die schnelle Bestellung eines <strong>Vorm<strong>und</strong></strong>s, <strong>und</strong> damit eine<br />

Beratung des <strong>UMF</strong> wichtig.<br />

1. Es ist höchst problematisch, dass nach einer aufreibenden Flucht aufgegriffene<br />

traumatisierte <strong>UMF</strong> von meist diesbezüglich ungeschulten Polizeibeamten zu Fluchtgründen<br />

<strong>und</strong> Reiseweg befragt werden , was oft zu ungenauen <strong>und</strong> missverständlichen Angaben<br />

führt, die dem <strong>UMF</strong> im Asylverfahren zum Verhängnis werden können, ohne dass ein böser<br />

4


Wille des <strong>UMF</strong> vorliegt. Widersprüchliche Aussagen des Asylbewerbers sind einer der<br />

Hauptgründe für die Ablehnung eines Asylantrags.<br />

Die PDV (Polizeiliche Dienst Verordnung) regelt die Vernehmung der <strong>UMF</strong> nicht unmittelbar,<br />

wohl aber die Vernehmung Minderjähriger (PDV 3.6 ff.) Danach sind <strong>minderjährige</strong><br />

Jugendliche über ihre Rechte zu belehren. Meines Erachtens gehört dazu auch das Recht,<br />

einen <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> zu verlangen <strong>und</strong> mit diesem vor der Vernehmung sprechen zu können. Da<br />

der <strong>UMF</strong> keinesfalls schlechter als ein Beschuldigter gestellt werden darf, hat er auch das<br />

Recht, einen Anwalt in Anspruch zu nehmen ( was jedoch unrealistisch ist, weil der <strong>UMF</strong><br />

dafür kein Geld haben dürfte ). Jeder Schwerstverbrecher kann seine Aussage verweigern,<br />

jedenfalls auch solange, bis er von seinem Recht auf Beratung Gebrauch machen konnte.<br />

Soll dies für einen <strong>minderjährige</strong>n Flüchtling, der zudem meist in einer schlimmen Notlage<br />

ist, <strong>und</strong> eben noch nicht einmal Angeklagter ist, nicht gelten?!<br />

Wenn aus Kostengründen ein Anwalt nicht zur Verfügung steht, kann die Beratung am<br />

besten durch einen eingeführten potentiellen Einzelvorm<strong>und</strong> oder eine Organisation wie der<br />

Kölner Flüchtlingsrat, die Caritas oder die Diakonie erfolgen. Zwar hat die Polizei einen <strong>UMF</strong><br />

sofort dem Jugendamt „zuzuführen“,<br />

das nach Inobhutnahme praktisch eine Amtsvorm<strong>und</strong>schaft veranlassen wird <strong>und</strong> muss. Es<br />

ist jedoch fraglich, ob das Jugendamt den <strong>UMF</strong> asylrechtlich beraten will <strong>und</strong> kann. Gerade<br />

für letzteres erscheint der Einzelvorm<strong>und</strong> geeigneter, <strong>und</strong> er sollte so bald wie möglich den<br />

zunächst praktisch kaum vermeidbaren Amtsvorm<strong>und</strong> ersetzen.<br />

2. Dem Einzelvorm<strong>und</strong> scheint auch eine besondere Bedeutung zuzukommen, wenn es<br />

darum geht, das Alter des ausländischen Flüchtlings festzustellen. Ist dieser minderjährig, ist<br />

er voll im System der Jugendhilfe. Ist er über 18 Jahre alt, kann ihm diese Wohltat nicht zu<br />

Gute kommen, <strong>und</strong> er kann z.B. in einem weit entfernten Asylbewerberheim mit<br />

Erwachsenen ohne Ausbildungsmöglichkeiten untergebracht werden. Die Frage des Alters<br />

ist also äußerst wichtig <strong>und</strong> möglichst schnell zu klären, zumal auch bei einem<br />

Minderjährigen sofort das erforderliche Clearingverfahren durchzuführen ist.<br />

Da oft keine Papiere zur Altersfeststellung zur Verfügung stehen, hat das Jugendamt von<br />

Amts wegen das Alter zu ermitteln ( nicht das Ausländeramt ). Dabei „schätzt“ das<br />

Jugendamt das Alter des Flüchtlings, z.B. auf Gr<strong>und</strong> von Angaben des Flüchtlings,<br />

Dokumenten, Inaugenscheinnahme des Betroffenen, vor allem auf Gr<strong>und</strong> einer ärztlichen<br />

Meinung. Nicht selten werden röntgenologische Eingriffe ( Handwurzeluntersuchungen ) zur<br />

Altersfeststellung vorgenommen, die manchmal auch das gewollte Ergebnis (über 18)<br />

„ermitteln“. <strong>Der</strong>en Zulässigkeit ist höchst umstritten.<br />

Abgesehen davon, dass es für röntgenologische Eingriffe zum Zwecke der Altersfeststellung<br />

ohne medizinische Indikation keine eindeutige gesetzliche Ermächtigungsgr<strong>und</strong>lage gibt, hat<br />

eine britische Untersuchung z.B. ergeben, dass die Ergebnisse nachweislich um mehr als 3<br />

Jahre von der Wirklichkeit abweichen können. Die Universität Köln <strong>und</strong> andere medizinischwissenschaftliche<br />

Einrichtungen lehnen aus diesem Gr<strong>und</strong> die röntgenologischen<br />

Knochenuntersuchungen ab. In jedem Fall gilt entsprechend dem alten Rechtsgr<strong>und</strong>satz „Im<br />

Zweifel für den Angeklagten“: Im Zweifel für die Minderjährigkeit <strong>und</strong> damit für die<br />

Jugendhilfe (So auch der BGH, Beschluss v.29.9.2010). Das Landgericht Braunschweig<br />

(Beschluss v.6.8.2009) hat festgestellt, dass die Handwurzeluntersuchung keine<br />

ausreichende Gr<strong>und</strong>lage für die Altersbestimmung Jugendlicher ist. Die Deutsche<br />

Gesellschaft für Rechtsmedizin empfiehlt körperliche Untersuchungen, jedoch ausdrücklich<br />

ohne Röntgenaufnahmen.<br />

Es erscheint nur schwer vorstellbar, dass Handwurzeluntersuchungen gegen die<br />

Überzeugung <strong>und</strong> den ausdrücklichen Willen des Einzelvorm<strong>und</strong>s oder gegen den<br />

ausdrücklichen Willen des – informierten – Flüchtlings vorgenommen werden. Auch deshalb<br />

ist der – informierte – Einzelvorm<strong>und</strong> so wichtig.<br />

Des weiteren muss der <strong>Vorm<strong>und</strong></strong> dafür sorgen, dass der <strong>UMF</strong> nicht in einer<br />

Asylbewerbereinrichtung oder einer anderen nicht jugendgerechten Einrichtung<br />

untergebracht wird (keine jugendspezifische Betreuung, keine Heimaufsicht, keine Verlegung<br />

aus der Ankunftsstadt, Art.19 EU-Richtlinie). Er soll beim Clearingverfahren auf Seiten des<br />

Jugendlichen mitwirken (Klärung der Situation <strong>und</strong> der Zukunftsaussichten des <strong>UMF</strong>,<br />

5


erzieherischer Bedarf, Bleibemöglichkeit, Familienzusammenführung, Asylantragstellung<br />

etc).<br />

6

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