online ansehen - St. Kosmas und Damian, Bilshausen
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Der Küster <strong>und</strong> das Krippenspiel<br />
Eine Geschichte zu Weihnachten<br />
Es war der 23. Dezember <strong>und</strong> in der Kirche war Panik ausgebrochen. Alle Kinder hatten sich<br />
zur Generalprobe des Krippenspiels eingef<strong>und</strong>en. Nein, nicht alle.<br />
Fast alle. Maria <strong>und</strong> Josef fehlten: „Beide Kinder sind krank! Wir müssen umorganisieren!“,<br />
hatte die Gruppenleiterin mit kreidebleichem Gesicht verkündet.<br />
In aller Eile wurden einige Rollen umbesetzt. Ein König wurde zum Josef, der <strong>St</strong>ern zur Maria,<br />
ein Schaf zum neuen König. Eine halbe <strong>St</strong><strong>und</strong>e später ward der neue Josef doch zur Maria,<br />
die Maria besser ein Schaf <strong>und</strong> so weiter <strong>und</strong> so fort. Nichts klappte mehr. Niemand<br />
beherrschte seine Rolle, <strong>und</strong> den Text schon gar nicht. Die Gruppenleiterin war den Tränen<br />
nahe.<br />
Da wurde es dem Küster zu viel. Er hatte sich mit einem Karton Opferkerzen in der Hand vorn<br />
in eine Kirchenbank gesetzt <strong>und</strong> das Verwirrspiel schon eine ganze Weile verfolgt. Wortlos<br />
stand er auf, holte eine lange <strong>St</strong>ehleiter aus dem Glockenturm <strong>und</strong> stellte diese direkt vor den<br />
Altar. Außerdem trug er nun ein langes Seil in der Hand. Er stieg auf die Leiter <strong>und</strong> befestigte<br />
das eine Ende des Seils an dem hölzernen Kreuz über dem Altar. Sogleich stieg er wieder<br />
hinab <strong>und</strong> lief mit Leiter <strong>und</strong> Seil zu der Halterung an der Wand, an dem auf gleicher Höhe die<br />
Spitze des riesengroßen Tannenbaumes mit dicken Drahtseilen befestigt war. Dort zog er das<br />
andere Ende des Seils durch die eiserne Öse des Wandhalters. Die Kinder schrien auf, als<br />
der Küster plötzlich an dem Seil zog, bis das Kreuz schließlich waagerecht über ihnen hing.<br />
Erst dann befestigte er das Seil mit einem festen Knoten an der Öse.<br />
Auch die Gruppenleiterin war entsetzt. Der Küster aber nahm seelenruhig den Karton<br />
Opferkerzen in die Hand <strong>und</strong> füllte weiter Kerzen nach, als sei nichts geschehen.<br />
„Was soll denn das?“, fragte die Gruppenleiterin schließlich. Entschlossen stellte der Küster<br />
den Karton wieder ab, begab sich zu den Kindern <strong>und</strong> stellte jedes Kind einfach an<br />
irgendeinen Platz: „So, jetzt spielt! <strong>St</strong>ellt euch vor: Das Kreuz über euch ist euer<br />
Marionettenkreuz. Denkt einfach, ihr hängt alle an<br />
Fäden <strong>und</strong> spielt nicht selbst, sondern werdet geführt.<br />
Ihr braucht gar nicht mehr zu tun als fest daran zu glauben. Lasst euch nur darauf ein <strong>und</strong><br />
vertraut auf Gott! Dann wird schon alles gut werden!“<br />
Dann setzte er sich mit der Gruppenleiterin in die erste Reihe <strong>und</strong> schaute der Vorstellung zu.<br />
Es gab keine weitere Probe <strong>und</strong> in dieser Kirche noch nie ein so schönes Krippenspiel wie an<br />
diesem Heiligen Abend, obwohl der Küster das Kreuz nach der Generalprobe wieder in die<br />
Senkrechte gelassen hatte.<br />
Die Kinder brauchten die Fäden gar nicht zu sehen. Sie vertrauten ganz einfach.<br />
5<br />
Karin Müller