Das Jahrbuch 2009 - CittyMedia Communicators and Publishers ...
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Vom Süden Wentorfs zu Wentorf Süd<br />
Auf ehemaligem Militärgelände<br />
entst<strong>and</strong> ein neuer Stadtteil<br />
Wer früher die von Villen gesäumte B<br />
207 von Bergedorf stadtauswärts fuhr,<br />
merkte kaum, dass er die Stadtgrenze<br />
überquerte. Erst, wenn rechter H<strong>and</strong><br />
die Kasernen auftauchten, wusste man,<br />
dass man in Wentorf war. Diesen Orientierungspunkt<br />
gibt es nicht mehr.<br />
Wo früher das Militär residierte, ist in<br />
einem vorbildlichen Konversionsprojekt<br />
ein völlig neuer Stadtteil mit einer<br />
neuen Ortsmitte entst<strong>and</strong>en.<br />
Die Gemeinde Wentorf bei Hamburg liegt<br />
im südlichen Teil des Kreises Herzogtum<br />
Lauenburg und grenzt im Süden und Westen<br />
an HamburgBergedorf. Erstmals<br />
im Jahre 1217 urkundlich erwähnt, konnte<br />
Wentorf lange seinen dörflichen Charakter<br />
bewahren. Bis in das 20. Jahrhundert<br />
hinein entwickelte es sich wegen<br />
seiner l<strong>and</strong>schaftlich reizvollen Lage im<br />
Billetal zu einem beliebten Hamburger<br />
Vorort mit 1.200 Einwohnern. Zwischen<br />
1870 und 1914 entst<strong>and</strong>en Villenkolonien,<br />
die durch imposante Wohnhäuser,<br />
große Gärten und einen reichen Baumbest<strong>and</strong><br />
geprägt waren. Um die Jahrhundertwende<br />
galten Wentorf und das benachbarte<br />
Reinbek als „die vornehmste,<br />
schönste, gesündeste und teuerste<br />
Hamburger Sommerfrische“. Die gute<br />
Anbindung durch Eisenbahn und L<strong>and</strong>straße<br />
ermöglichte das weitere Heranwachsen<br />
an die Großstadt. Dadurch<br />
bekam Wentorf ganz <strong>and</strong>ere Entwicklungsmöglichkeiten<br />
als seine Nachbargemeinden,<br />
die ihren ländlichen Charakter<br />
bis heute bewahrt haben. 1935<br />
entst<strong>and</strong> im Wentorfer Stadtpark die erste<br />
zusammenhängende Siedlung, und<br />
immer mehr Neubürger kamen in den<br />
Ort, so dass sich die Einwohnerzahl nahezu<br />
verdoppelte.<br />
Wentorf als St<strong>and</strong>ort des Militärs<br />
<strong>Das</strong> Strohdachhaus ist Sitz des Traditionsverb<strong>and</strong>es der früher in Wentorf<br />
stationierten Panzergrenadierbrigade 16. Bilder: Jan Heitmann.<br />
Die jüngere Geschichte Wentorfs ist vor<br />
allem durch das Militär geprägt, denn<br />
der Bau der BoseBergmannKaserne<br />
an der Berliner L<strong>and</strong>straße und der<br />
BismarckKaserne an der Hamburger<br />
L<strong>and</strong>straße brachte einschneidende<br />
Veränderungen mit sich. Von nun an<br />
prägten mächtige Militärbauten das<br />
Stadtbild. 1938 zogen ein Infanterie<br />
und ein Artillerieregiment mit mehreren<br />
tausend Soldaten in die 60 Hektar<br />
umfassenden Liegenschaften ein.<br />
Organisatorisch bildete die Garnison<br />
den St<strong>and</strong>ortbereich HamburgBergedorf,<br />
weshalb häufig von den „Bergedorfer<br />
Kasernen“ die Rede war. Nach<br />
Kriegsende dienten die Kasernen als<br />
Unterkunft für ausländische Arbeiter,<br />
die so genannten Displaced Persons.<br />
Zeitweilig waren hier bis zu 15.000 Personen<br />
untergebracht. Im August 1952<br />
wurde ein Durchgangslager für Vertriebene<br />
aus Ostdeutschl<strong>and</strong> und Flüchtlinge<br />
aus der DDR eingerichtet. So<br />
wurde Wentorf für mehrere Jahre zum<br />
größten Flüchtlingslager Westeuropas.<br />
Ende 1960 kamen wieder Soldaten<br />
nach Wentorf, denn nach dem Auszug<br />
der letzten Flüchtlinge verlegte die 1957<br />
aufgestellte Panzergrenadierbrigade<br />
16 der Bundeswehr von Flensburg nach<br />
Wentorf. Fortan bestimmten olivgrüne<br />
Fahrzeuge und Uniformen das Stadtbild.<br />
Die an der innerdeutschen Grenze<br />
eingesetzte Brigade hatte den Auftrag,<br />
das südliche SchleswigHolstein gegen<br />
Angriffe des Warschauer Paktes über<br />
den ElbeLübeckKanal zu schützen.<br />
Mehr als 35 Jahre leisteten die 3.000<br />
Wentorfer Soldaten ihren Beitrag für<br />
Alt und Neu auf einen Blick: Links alte Kasernengebäude, weiter hinten<br />
neue Wohnhäuser.<br />
Frieden und Freiheit. Sie kannten jeden<br />
Fußbreit des Geländes am ElbeLübeck<br />
Kanal, jeden Weg, jeden Hügel, jede<br />
Schneise. Rasche Alarmierung, die Ablösung<br />
des Bundesgrenzschutzes an<br />
der Grenze, das Beziehen von Verteidigungsstellungen<br />
am „Gudower Balkon“<br />
und am Kanal bestimmten ihre<br />
Planungen und das Szenario unzähliger<br />
Übungen. Der Zuzug von immer<br />
mehr Soldaten und ihren Familien ließ<br />
in großem Umfang Wohnraum entstehen.<br />
Wentorf wuchs nicht nur in der Fläche,<br />
sondern durch den Geschoßwohnungsbau<br />
auch in die Höhe. Aus dem<br />
ehemaligen Dorf im Grünen wurde ein<br />
zentraler Ort mit 11.000 Einwohnern.<br />
<strong>Das</strong> Verhältnis zwischen der Bundeswehr<br />
und der Bevölkerung war in besonderem<br />
Maße von Vertrauen und ge<br />
Bauen und Wohnen 57