Das Jahrbuch 2009 - CittyMedia Communicators and Publishers ...
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dass ihre Mitstreiter offen sind für ein<br />
einzigartiges Projekt und sich auf den<br />
Austausch mit dem Publikum einlassen<br />
wollen. Die Zwölf suchten sich jeweils<br />
eine Skulptur, einen Ort oder ein<br />
Denkmal als Bezugspunkt für ihr Projekt<br />
aus.<br />
Wie sich zeigte, waren auch die Menschen<br />
sehr an den entstehenden<br />
Kunstwerken und Aktionen interessiert.<br />
Christiane Lüdtke, die an den<br />
vier Tagen immer wieder die Bronzestatue<br />
„Albis“ von Götz Loepelmann<br />
im Schlosspark abformte, hatte immer<br />
wieder Interessierte, die sie nach ihrer<br />
Arbeit befragten. Es gab sogar Menschen,<br />
die regelmäßig vorbeischauten<br />
und verfolgten, wie die Kunstwerke<br />
entst<strong>and</strong>en<br />
Einige Highlights<br />
Dem Künstler Johannes Zech war aufgefallen,<br />
dass die Büste Wilhelms I.<br />
in einen Dornröschenschlaf verfallen<br />
ist, weil sich kaum noch jem<strong>and</strong> an<br />
den ersten deutschen Kaiser nach der<br />
Reichsgründung 1871 erinnert. Mit seinem<br />
Projekt „Selbstredend“ wollte er<br />
die Büste auf spielerischironische Art<br />
zum Leben erwecken. Er breitete also<br />
alte L<strong>and</strong>karten aus, spielte Reden<br />
des Kaisers ab, Schlachtenlärm, preußische<br />
Märsche oder Spottverse. Immerhin<br />
war Wilhelm I. auch derjenige,<br />
der die Revolution 1848/49 blutig niederschlug<br />
und zahlreiche badische Revolutionäre<br />
st<strong>and</strong>rechtlich erschießen<br />
ließ. Wegen seiner harten Linie gegen<br />
die Revolutionäre in Berlin nannte<br />
man ihn den „Kartätschenprinz“. Einige<br />
Passanten sahen in Zech einen NaziSympathisanten<br />
und riefen die Polizei.<br />
Politisch hintersinnig war auch die Installation<br />
von Karin Lieschke. Sie stellte<br />
acht Stelen im Rosengarten auf,<br />
die acht herausragenden Frauen aus<br />
Bergedorf gewidmet waren. Schriftstellerinnen<br />
und Lehrerinnen waren darunter,<br />
aber auch die im 17. Jahrhundert als<br />
Hexe verurteilte und inhaftierte Margarete<br />
Ahlers. Dem einen oder <strong>and</strong>eren<br />
mag noch die Lehrerin und Autorin Elsa<br />
Hayden (1896 – 1985) im Gedächtnis<br />
sein. Sie schrieb Theaterstücke über<br />
den Komponisten Hasse, ein Buch über<br />
den Bergedorfer Komponisten und einen<br />
B<strong>and</strong> mit Geschichten aus dem alten<br />
Bergedorf. Auch die Stifterin Inge<br />
Badenhoop (1937 – 2000) ist eher der<br />
Zeitgeschichte als der Historie zuzu<br />
ordnen. Sie unterstützte Projekte des<br />
Museums für Bergedorf und die Vierl<strong>and</strong>e.<br />
Im Schlosspark war die Künstlerin Dorothea<br />
Koch unterwegs – mit einem<br />
Brustbrotkasten. Sie trug ihn vor dem<br />
Oberkörper und öffnete ihn, wenn sich<br />
Parkbesucher näherten. Die waren<br />
dann sehr erstaunt und lächelten, wenn<br />
sie die Brote und Brötchen sahen.<br />
Mit hintergründigem Humor und paradodistischen<br />
Elementen arbeiteten die<br />
Künstlerinnen Jokinen und Yol<strong>and</strong>a Gutierrez.<br />
Sie verw<strong>and</strong>elten das Bismarck<br />
Denkmal in ein ‚AgraricusDenkmal‘,<br />
also ein Monument für den schlichten<br />
Champignon.<br />
Mit fingierten Dokumentationen, Statistiken<br />
und Vorträgen erläuterten die<br />
beiden, welche Bedeutung das Pilz<br />
Denkmal für die Bergedorfer und die<br />
Der Brustbrotkasten der Künstlerin Dorothea Koch.<br />
Vierländer hat und warum es errichtet<br />
wurde. Yol<strong>and</strong>a Gutierrez selbst führte<br />
in einer Tanzperformance vor, was<br />
mit jem<strong>and</strong>em geschieht, der zuviele<br />
Champignons gegessen hat.<br />
Führungen informierten Parkbesucher<br />
über die einzelnen Projekte und gaben<br />
ihnen Gelegenheit, mit den Künstlern<br />
zu diskutieren. Umgekehrt suchten die<br />
Künstler auch das Gespräch mit dem<br />
Publikum. Ein interessanter, wechselseitiger<br />
Austausch entst<strong>and</strong>.<br />
Am Ende der vier Tage trafen sich die<br />
Künstler zu einer Abschlußpräsentation<br />
im Schloßhof. „Dort haben wir eine<br />
kleine Nachlese mit Beamer und proji<br />
zierten Fotos gehalten“, sagt Christiane<br />
Lüdtke.<br />
Die Organisatorin<br />
Die Bildhauerin lebt seit 13 Jahren in<br />
Bergedorf. „Ich mache alles außer<br />
Stein“, sagt sie über ihre Kunst. Neben<br />
Skulpturen stellt sie auch Collagen und<br />
Graphiken her. Sie arbeitet gerne mit<br />
Konzepten, zu denen sie sich dann die<br />
passenden Materialien sucht.<br />
Ihr erstes Atelier unterhielt sie in der<br />
alten Motorenfabrik am Weidenbaumsweg.<br />
Dort entst<strong>and</strong> auch die Idee zum<br />
ersten „going public“ vom 17. Mai bis<br />
zum 3. Juni 2000. Der Vermieter überließ<br />
ihr Räumlichkeiten für zwei Wochen.<br />
Die Ausstellung f<strong>and</strong> dann in einer der<br />
leeren Werkhallen und in den angrenzenden<br />
Gebäuden statt. Auch das zwei<br />
te „going public“ ein Jahr später veranstaltete<br />
Christiane Lüdtke dort. <strong>Das</strong><br />
dritte organisierte sie im Herbst 2005 im<br />
damaligen Gartenparadies Glunz.<br />
Sie braucht für jedes dieser Projekte einen<br />
Ort, auf den sie und die Künstler,<br />
die sie einlädt, reagieren können. Die<br />
teilnehmenden Künstler kommen überwiegend<br />
aus Hamburg. Sie kennt deren<br />
Werk von <strong>and</strong>eren Ausstellungen oder<br />
bekam eine Empfehlung. <strong>2009</strong> wird es<br />
kein „going public“ geben. Einem starren<br />
Rhytmus von Projekten mag sie<br />
sich nicht unterwerfen.<br />
(Liste aller Teilnehmer auf Seite 18.)<br />
Friedrich List<br />
Kunst und Kultur 17