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NJW Neue Juristische Wochenschrift

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8* <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 Beilage<br />

listischerweise davon ausgehen mçssen, dass Privatkunden meist<br />

nur ein geringes E-Mail-Aufkommen haben und nur sporadisch<br />

çberprçfen, ob Nachrichten eingegangen sind.<br />

Art. 11 I zweiter Spiegelstrich E-Commerce-Richtlinie<br />

48 erklårt die Bestellung und die Empfangsbeståtigung<br />

als ¹eingegangen``, wenn die Parteien, fçr die sie bestimmt<br />

sind, sie abrufen kænnen. Ungeklårt ist, ob darunter der<br />

im deutschen Recht maûgebliche Begriff des Zugangs zu<br />

verstehen ist.<br />

Art. 1 Nr. 5 des aktuellen Entwurfs eines Formvorschriftengesetzes<br />

49 sieht eine Ausweitung des Anwendungsbereichs<br />

der Willenserklårung unter Anwesenden<br />

vor. Der Entwurf lautet insoweit:<br />

¹In § 147 Abs. 4 Satz 2 werden hinter den Wærtern ,mittels<br />

Fernsprechers` die Wærter ,oder einer sonstigen technischen Einrichtung`<br />

eingefçgt.``<br />

Damit dçrfte allerdings nicht die Ûbersendung von E-<br />

Mails gemeint sein, sondern nur der Nachrichtenaustausch<br />

in der Situation, dass Sender und Empfånger als<br />

Person gleichzeitig am Rechner arbeiten. Denn das durch<br />

eine technische Einrichtung çbermittelte Angebot muss<br />

weiterhin ¹von Person zu Person`` und somit in direkter<br />

Kommunikation erfolgen. Ein telefonisches Vertragsangebot,<br />

das auf einen Anrufbeantworter gesprochen wird, ist<br />

unter Abwesenden und nicht unter Anwesenden erfolgt,<br />

weil es an der direkten menschlichen Kommunikation<br />

fehlt; nichts anderes kann bei Bestellungen per Internet<br />

gelten, wenn der Erklårungsempfånger nicht ± wie bei<br />

einem ¹Chat`` ± telefonåhnlich mit dem Erklårenden kommuniziert.<br />

b) Beweisprobleme. Der allgemeine Grundsatz, wonach<br />

derjenige die tatbestandlichen Voraussetzungen darlegen<br />

und gegebenenfalls beweisen muss, der sich zur Begrçndung<br />

seiner Rechtsposition darauf stçtzt, gilt auch fçr<br />

online abgegebene Willenserklårungen. Insoweit besteht<br />

zur Zeit noch ein gesetzgeberisches Regelungsdefizit, weil<br />

das Signaturgesetz 50 die materiellrechtlichen und prozessualen<br />

Folgen einer digitalen Signierung elektronisch<br />

çbersandter Dokumente nicht im Einzelnen festgelegt,<br />

sondern lediglich einen organisatorisch-technischen Rahmen<br />

geschaffen hat, bei dessen Einhaltung gem. § 1 I<br />

SigG digitale Signaturen einer bestimmten Person zuzuordnen<br />

sind, und die Signatur als sicher vor Fålschung<br />

sowie signierte Daten als sicher vor Verfålschung gelten<br />

kænnen. Die Lçcke soll durch das bereits erwåhnte Formvorschriftengesetz<br />

51 geschlossen werden. Im IuKDG-Evaluierungsbericht<br />

52 hatte die Bundesregierung den weiteren<br />

Fortgang an die Verabschiedung der EG-Richtlinie zu den<br />

elektronischen Signaturen geknçpft. Die Signaturrichtlinie<br />

53 ist nach Art. 13 I bis 18. 7. 2001 umzusetzen. Dies<br />

soll durch ein Gesetz çber Rahmenbedingungen fçr elektronische<br />

Signaturen geschehen 54 .<br />

Da nach gegenwårtigem Stand der Technik unverschlçsselte<br />

und nicht digital signierte E-Mails geradezu<br />

beliebig manipulierbar sind, ist im Streitfall unter Anwendung<br />

des § 286 ZPO durch Augenschein in einen vorgelegten<br />

Ausdruck, durch Zeugenvernehmung bezçglich des<br />

Zugangs der E-Mail oder auch durch Sachverståndigengutachten<br />

ein Beweis nur selten zu erbringen 55 . Rechtsprechung<br />

zur Beweiskraft durch Sende- oder Empfangsprotokolle<br />

von E-Mails liegt gegenwårtig nicht vor. Die<br />

umfangreiche Rechtsprechung zu Beweisfragen bei umstrittenen<br />

Telefonrechnungen oder auch Btx-Anbietervergçtungen<br />

spielt hier keine Rolle wegen der vællig anders<br />

gearteten technischen Gegebenheiten 56 und soll deshalb<br />

hier nicht dargestellt werden.<br />

c) Irrtumsanfechtung. Bei elektronisch çbermittelten<br />

Willenserklårungen gelten die allgemeinen Regeln der<br />

§§ 119 f. BGB çber die Anfechtung bei Inhalts- oder Erklårungsirrtçmern.<br />

Die forensische Bedeutung der Irrtumsanfechtungs-Tatbestånde<br />

wird im Regelungsbereich<br />

des Fernabsatzgesetz gering sein, da dem Verbraucher ein<br />

Widerrufs- oder Rçckgaberecht zusteht, dessen Ausçbung<br />

im Gegensatz zur Irrtumsanfechtung keiner Begrçndung<br />

bedarf und keine Schadensersatzansprçche auslæst.<br />

Eingabefehler (z. B. Tippfehler) rechtfertigen die Anfechtung<br />

nach § 119 I BGB wegen Erklårungsirrtums, wenn der Irrtum<br />

unveråndert in eine Willenserklårung eingeht, die so zum Empfånger<br />

gesandt wird. Auch bei der automatisierten Erklårung<br />

liegt im Falle einer fehlerhaften Bedienung ein beachtlicher Irrtum<br />

in der Erklårungshandlung vor 57 . Gleiches muss auch bei<br />

¹Klickfehlern`` gelten: Der Besteller klickt mit der Maus versehentlich<br />

auf ein falsches Feld, ein falsches Produkt, und bestellt<br />

damit etwas anderes als gewollt 58 .<br />

Nach Art. 11 II E-Commerce-Richtlinie 59 stellen die<br />

Mitgliedstaaten sicher, dass ± auûer im Fall abweichender<br />

Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher<br />

sind ± der Diensteanbieter dem Nutzer angemessene,<br />

wirksame und zugångliche technische Mittel zur Verfçgung<br />

stellt, mit denen er Eingabefehler vor Abgabe der<br />

Bestellung erkennen und korrigieren kann. Nach Art. 10I<br />

lit. a hat der Diensteanbieter çber die einzelnen technischen<br />

Schritte, die zu einem Vertragsabschluss fçhren,<br />

klar, verståndlich und unzweideutig zu informieren. Die<br />

erforderliche Umsetzung in deutsches Recht wird Regelungen<br />

enthalten mçssen, in welchem Umfang Korrekturmæglichkeiten<br />

bei Tippfehlern bzw. ¹Klickfehlern`` noch<br />

vor der Absendung von Bestellungen anzubieten sind und<br />

welche Sanktionen bei Verstoû des Diensteanbieters gegen<br />

diese Verpflichtung eintreten. Viele E-Commerce-Anbieter<br />

sehen schon heute vor, dass Kunden ausgewåhlte Angebote<br />

zunåchst in einen ¹virtuellen Warenkorb`` legen, indem<br />

sie bei dem einzelnen Produkt mit der Maus einen<br />

entsprechenden Button anklicken; abgesandt wird die<br />

elektronische Bestellung erst, wenn der Kunde eine Tabelle<br />

mit dem von ihm gerade gefçllten ¹Warenkorb`` vor<br />

Augen hat und dort einen Bestellbutton anklickt. Diese<br />

Pråsentationsmethode in Verbindung mit einem Hinweis<br />

zur Bedeutung des zuletzt anzuklickenden Bestellbuttons<br />

48) S. o. Fuûn. 41.<br />

49) RegE eines Ges. z. Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts<br />

an den modernen Rechtsverkehr v. 6. 9. 2000; vgl. o. Fuûn. 3.<br />

50) Ges. z. digitalen Signatur (Signaturgesetz ± SigG), Art. 3 des Gesetzes<br />

zur Regelung der Rahmenbedingungen fçr Informations- und<br />

Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-<br />

Gesetz ± luKDG) v. 22. 7. 1997, BGBl I, 1870.<br />

51) S. o. Fuûn. 49.<br />

52) Bericht der BReg. çber die Erfahrungen und Entwicklungen bei<br />

den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten im Zusammenhang<br />

mit der Umsetzung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes<br />

(IuKDG) v. 18. 6. 1999, BT-Dr 14/1191, Absch. 2.7, S. 20.<br />

53) Richtlinie des Europåischen Parlaments und des Rates çber gemeinsame<br />

Rahmenbedingungen fçr elektronische Signaturen v. 13. 12.<br />

1999, ABlEG Nr. L 13/12 v. 19. 1. 2000; Abdruck in Beil. zu <strong>NJW</strong><br />

2000, H. 36, 13. Vgl. hierzu: Geis, MMR 2000, 667; Roûnagel, K&R<br />

2000, 314.<br />

54) Zu digitalen Signaturen und Verschlçsselungen sowie zur Rechtsentwicklung<br />

aufgrund der Signatur-Richtlinie vgl. unten Absch. 3.<br />

55) Waltl, in: Loewenheim/Koch (Hrsg.), Praxis des Online-Rechts,<br />

1998, S. 179, 184.<br />

56) Dort werden die einzelnen Verbindungen bzw. die einzelnen Abrufe<br />

entgeltpflichtiger Btx-Seiten konkret vom Netzbetreiber erfasst und<br />

gespeichert, was bei der Internet-Nutzung fçr den Netzbetreiber weder<br />

zulåssig noch mæglich ist.<br />

57) OLG Hamm, <strong>NJW</strong> 1993, 2321; zust. Palandt/Heinrichs, BGB,<br />

59. Aufl. (2000), § 119 Rdnr. 10; a. A. Kæhler, AcP 182, 135.<br />

58) Ebenso: Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371 [373] m. w. Nachw.<br />

59) S. o. Fuûn. 41.

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