11.02.2013 Aufrufe

NJW Neue Juristische Wochenschrift

NJW Neue Juristische Wochenschrift

NJW Neue Juristische Wochenschrift

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Beilage <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 7*<br />

auf Dauer keinen Bestand haben kænnen, sondern es wird<br />

zu einer Konvergenz der Rechtsgrundlagen kommen mçssen.<br />

II. Geschåftsabschlçsse çber das Internet (Electronic<br />

Commerce)<br />

Geschåftsabschlçsse çber Fernkommunikationsmittel<br />

sind nichts <strong>Neue</strong>s. Schon in den 80er Jahren waren sie im<br />

Wege der Datenfernçbertragung çber das Btx-System36 auch mit Verbrauchern37 mæglich. Sie waren Gegenstand<br />

juristischer Diskussion in der Literatur38 , aber auch ± vor<br />

allem unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten ± der<br />

Rechtsprechung39 . Fçr Geschåftsabschlçsse çber das Internet<br />

gilt nichts grundsåtzlich <strong>Neue</strong>s, lediglich die Bedeutung<br />

der Thematik nimmt wegen des ståndigen rasanten<br />

Wachstums des E-Commerce erheblich zu.<br />

Neben Vertrågen çber den Bezug von Waren spielen,<br />

ohne dass die Probleme grundsåtzlich unterschiedlich wåren,<br />

entgeltliche Dienstleistungen, die online erbracht<br />

werden, eine zunehmende Rolle, seien es Datenbankbzw.<br />

Recherchedienstleistungen oder auch Beratungen<br />

einschlieûlich Finanzdienstleistungen.<br />

1. Vertragsrechtliche Fragen<br />

a) Angebot und Annahme çber das Netz. Die Pråsentation<br />

von Waren im Internet zum Zwecke des Verkaufs<br />

stellt nach h. M. kein Angebot i. S. von § 145 BGB dar,<br />

sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten<br />

(invitatio ad offerendum). Øhnlich dem klassischen<br />

Versandhandel wird sich der Anbieter in der Regel<br />

rechtlich nicht durch die Warenpråsentation binden, sondern<br />

sich nach Eingang einer Bestellung die Ûberprçfung<br />

seiner Lieferfåhigkeit und/oder der Bonitåt des Bestellers<br />

vorbehalten wollen. Nach anderer Auffassung liegt ein<br />

rechtlich bindendes Angebot ¹ad incertas personas`` vor,<br />

wenn kein einschrånkender Zusatz bei der Warenpråsentation<br />

erfolgt 40 . Eine Pråsentation von Waren oder<br />

Dienstleistungen kann in der Tat so gestaltet sein, dass der<br />

Kunde von der sofortigen Lieferbereitschaft ausgehen<br />

darf, z. B. wenn Formulierungen wie ¹bei Bestellung bis<br />

15 Uhr Auslieferung noch am gleichen Tag`` enthalten<br />

sind oder prinzipiell beliebig vermehrbare Leistungen angeboten<br />

werden, vor allem also Dienstleistungen oder<br />

auch der Verkauf von Standardsoftware per Download.<br />

Offenbar gibt es nur wenige Klagen von Kunden auf<br />

Erfçllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfçllung<br />

per Internet abgeschlossener Vertråge, so dass Judikatur<br />

hierzu bislang nicht vorliegt.<br />

Nach Art. 11 I erster Spiegelstrich E-Commerce-Richtlinie<br />

41 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen 42 , dass im<br />

Fall der Bestellung durch den Nutzer der Diensteanbieter<br />

den Eingang der Bestellung unverzçglich auf elektronischem<br />

Weg zu beståtigen hat. Die Richtlinie geht somit<br />

vom Regelfall der invitatio durch den Diensteanbieter aus.<br />

Erklårung unter Anwesenden oder unter Abwesenden.<br />

Bei der elektronischen Bestellung einer Ware oder Dienstleistung<br />

per E-Mail bzw. Antwortseite des Diensteanbieters<br />

liegt nach herrschender Meinung eine Willenserklårung<br />

unter Abwesenden gemåû § 147 II BGB vor 43 ,da<br />

keine unmittelbare Kommunikation stattfindet und deshalb<br />

ein wesentlicher Unterschied zur telefonischen Erklårung<br />

gemåû § 147 I S. 2 BGB besteht. Die Erklårung gilt<br />

danach als zugegangen, sobald mit dem Abruf der Nachricht<br />

gerechnet werden kann 44 . Der Mail-Server des Empfånger-Providers,<br />

in der die Nachricht bis zum Abruf<br />

zwischengespeichert wird, låsst sich zwanglos mit dem<br />

herkæmmlichen Briefkasten oder Postfach vergleichen 45 .<br />

Mail-Server sind Rechner, auf deren Festplatte fçr den<br />

jeweiligen Kunden Speicherplatz zur Zwischenspeicherung<br />

eingegangener Mails vorgehalten wird. Sie sind rund<br />

um die Uhr in Betrieb und ermæglichen deshalb die permanente<br />

Erreichbarkeit des Kunden fçr beliebige Dritte,<br />

auch wenn dieser keine Standleitung zum Provider unterhålt.<br />

Im Privatbereich und bei kleineren gewerblichen<br />

Teilnehmern wåhlt sich der Nutzer mit seinem çblicherweise<br />

als E-Mail Client bezeichneten Kommunikationsprogramm<br />

beim Mail-Server nach Bedarf ein und veranlasst<br />

den Download 46 eingegangener E-Mails nebst deren<br />

Anlagen. Teilweise sind aber auch technische Mæglichkeiten<br />

realisiert, wonach auch ohne das Schalten einer Wåhlleitung<br />

vom Kunden zu dessen Provider entweder die Betreff-Zeile<br />

eingegangener E-Mails sofort automatisch auf<br />

den PC oder gar das Handy des Kunden weitergeleitet<br />

oder die Nachricht zum Client komplett çbertragen wird.<br />

Letzteres ist beispielsweise fçr Kunden von Anbietern<br />

schneller Satellitençbertragungssysteme realisiert, bei denen<br />

die Telefon-Wåhlleitung nur fçr den Rçckkanal vom<br />

Kunden zum Provider benætigt wird.<br />

Ob bei Systemen, die den Empfånger durch Ûbermittlung<br />

der Betreff-Zeile sofort çber den Eingang einer<br />

Nachricht informieren, der Zugang zu einem frçheren<br />

Zeitpunkt anzunehmen ist als bei technisch einfacheren<br />

Systemen, ist ungeklårt. Die Situation ist in diesem Fall<br />

derjenigen beim Einwurf einer Sendung in den Hausbriefkasten<br />

sehr åhnlich, da in beiden Fållen ohne weitere Kosten<br />

und mit nur geringer Mçhe im ¹virtuellen`` bzw. im<br />

realen Briefkasten nach eingegangener Post geschaut werden<br />

kann. Es bietet sich deshalb an, insoweit gleiche<br />

Maûståbe anzuwenden.<br />

Bei der Frage, in welchen Zeitabstånden die damit geforderte<br />

Ûberprçfung der Mailbox zu geschehen hat, ist åhnlich der<br />

Rechtsprechung zum Zugang schriftlicher empfangsbedçrftiger<br />

Willenserklårungen 47 zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden<br />

als Empfångern dahingehend zu differenzieren, dass dem<br />

gewerblichen Diensteanbieter ein wesentlich håufigeres Nachprçfen<br />

zuzumuten ist als der Privatperson. Hierbei darf nicht aus<br />

den Augen verloren werden, dass der Privatperson in der Regel<br />

Kosten durch Herstellung einer Telefon-Wåhlleitung zum Provider<br />

entstehen, wenn er die Mailbox auf eingegangene Nachrichten<br />

hin çberprçft, so lange sich nicht sog. ¹Flatrates`` mit Pauschalpreisen<br />

durchgesetzt haben. Heute wird man deshalb rea-<br />

36) Bildschimtext, spåter Datex-P genannt, heute weiter entwickelt<br />

zum Internet-Provider T-Online.<br />

37) Allg. zum Thema: Mehrings, in: Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht,<br />

Teil 13.1.<br />

38) Vgl. die Zusammenfassung bei Mehrings, BB 1998, 2373.<br />

39) Soweit fçr die heutige Diskussion noch von Interesse, im Kapitel<br />

çber AGB-Recht nachgewiesen.<br />

40) Mehrings, BB 1998, 2373 (2375) m. w. Nachw., der als Vorbehaltsformulierungen<br />

vorschlågt: ¹Der Vertrag kommt zustande, sobald<br />

wir Ihre Bestellung beståtigen`` sowie ¹Liefermæglichkeit vorbehalten``.<br />

41) Richtlinie 2000/31/EG des Europåischen Parlaments und des Rates<br />

v. 8. 6. 2000 çber bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,<br />

insbesondere des elektronischen Geschåftsverkehrs,<br />

im Binnenmarkt (¹Richtlinie çber den elektronischen Geschåftsverkehr``),<br />

ABlEG Nr. L 178/1 vom 17. 7. 2000; Abdruck in Beilage zu<br />

<strong>NJW</strong> 2000, H. 36, 3.<br />

42) Mit Ausnahme abweichender Vereinbarung zwischen Nichtverbrauchern.<br />

43) Vgl. zum Meinungsstand: Mehrings, in: Hoeren/Sieber (Hrsg.) (o.<br />

Fuûn. 37) Teil 13.1 Randnrn. 64 ff., 73.<br />

44) Ausf. Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839 (841).<br />

45) Heermann, K&R 1999, 6 (8).<br />

46) Dieser Begriff steht fçr das Herunterladen ± also das Ûbertragen<br />

der Daten von einem als Server bezeichneten hierarchisch çbergeordneten<br />

Rechner auf den Arbeitsrechner (¹Client``) des Nutzers.<br />

47) Zum Zugang von Einschreibebriefen vgl. BGH, <strong>NJW</strong> 1998, 976.<br />

Zum Zugang eines durch Niederlegung zugestellten Schriftstçcks vgl.<br />

BGHZ 67, 271 (278) = <strong>NJW</strong> 1977, 194 = BB 1977, 67 = MDR 1977,<br />

388 = LM § 132 BGB Nr. 3 m. Anm. Treier; zur Bedeutung des OK-<br />

Vermerks im Sendebericht: BGH, <strong>NJW</strong> 1995, 665; OLG Rostock,<br />

<strong>NJW</strong>-RR 1998, 526.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!