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NJW Neue Juristische Wochenschrift

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Beilage <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 5*<br />

Dr. Helmut Hoffmann, Ulm<br />

Die Entwicklung des Internet-Rechts*<br />

Mit diesem Bericht beginnt eine Aufsatzreihe, in der aktuelle<br />

Entwicklungen des Internetrechts dargestellt werden sollen. Der<br />

Beitrag zeichnet in erster Linie die Rechtsprechungsentwicklung<br />

zum Internetrecht nach. Viele Themenbereiche sind allerdings<br />

bisher in der Rechtsprechung noch nicht behandelt worden,<br />

werden aber zumindest kurz mit Hinweisen auf Literaturfundstellen<br />

skizziert, um eine angesichts des noch recht frçhen Stadiums<br />

der Rechtsentwicklung sich erst abzeichnende Strukturierung<br />

der Materie zu ermæglichen. Entscheidungen, in denen<br />

zwar das Internet erwåhnt wird, die aber keine hierfçr spezifischen<br />

Fragen behandeln, werden nicht oder nur am Rande erwåhnt.<br />

Die Gesetzgebungsorgane befinden sich in einem permanenten<br />

Kampf darum, mit der wirtschaftlichen und technischen<br />

Entwicklung mitzuhalten oder gar im besten Fall, diese in einer<br />

als sachgerecht empfundenen Weise zu steuern. Der Beitrag<br />

weist deshalb jeweils an geeigneter Stelle auf die aktuellen rechtspolitischen<br />

Entwicklungen und gesetzgeberischen Reformvorhaben<br />

einerseits des deutsches Gesetzgebers und andererseits der<br />

europåischen Institutionen hin.<br />

I. Einfçhrung<br />

Das Internetrecht stellt eine Querschnittsmaterie dar.<br />

Nahezu alle rechtlich relevanten Vorgånge im Zusammenhang<br />

mit dem ¹Netz der Netze`` und dessen Diensten wie<br />

zum Beispiel dem World Wide Web (WWW) oder dem E-<br />

Mail-Dienst lassen sich unter bisher schon bekannte juristische<br />

Kategorien einordnen. Andererseits sind damit erzielte<br />

Ergebnisse nicht stets sachgerecht, wenn die vorhandenen<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen moderne Formen<br />

des Waren- und Dienstleistungsverkehr behindern oder<br />

gar rechtlich unmæglich machen. Hinzu kommt die Internationalitåt<br />

des Internet. Deshalb ist in der ersten Phase<br />

der Kommerzialisierung die Rechtsentwicklung dadurch<br />

geprågt, dass die Literatur und in Ansåtzen auch die<br />

Rechtsprechung sich mit den neuen Herausforderungen<br />

an die alte Rechtslage befassen. Sowohl die europåischen<br />

als auch die nationalen Gesetzgebungsorgane haben einen<br />

Handlungsbedarf fçr die Schaffung neuer rechtlicher Rahmenbedingungen<br />

erkannt. Dies fçhrte auf europåischer<br />

Ebene zu einer Anzahl neuer Richtlinien, die teilweise1 bereits verabschiedet sind. Erwåhnt seien an dieser Stelle:<br />

die Fernabsatzrichtlinie2 , die Signatur-Richtlinie3 und die<br />

E-Commerce-Richtlinie4 .<br />

Parallel hierzu låuft die Umsetzung in nationales Recht.<br />

Zugleich findet eine politische Diskussion darçber statt,<br />

ob bestehende nationale Rechtsvorschriften in Zeiten zunehmender<br />

Globalisierung von Geschåftsvorgången noch<br />

ihre Daseinsberechtigung haben oder zu einer Bevorzugung<br />

auslåndischer Unternehmen bei Geschåftsvorgången<br />

im Inland fçhren, weil auslåndische Firmen wegen des<br />

grundsåtzlich geltenden Herkunftslandprinzips nach<br />

Art. 3 E-Commerce-Richtlinie von ihrem Heimatland aus<br />

ohne entsprechende gesetzliche Einschrånkungen international<br />

wirtschaftlich tåtig sein kænnen.<br />

Mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz5 wurde ein erster Schritt zur Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen<br />

fçr die verschiedenen Nutzungsmæglichkeiten der<br />

elektronischen Dienste geschaffen6 . Es beansprucht, dem tiefgreifenden<br />

Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

Rechnung zu tragen7 . Es handelt sich um ein sog. Artikelgesetz,<br />

das neue Gesetze schuf, nåmlich das TDG8 , das<br />

TDDSG9 und das SigG10 , sowie eine Reihe bestehender Gesetze,<br />

nåmlich das StGB, das OWiG, das GjS, das UrhG, das PangG<br />

sowie die PAngV, ånderte. Es trat mit Ausnahme der Ønderungen<br />

des Urheberrechts, die erst zum 1. 1. 1998 in Kraft getreten sind,<br />

am 1. 8. 1997 in Kraft 11 , zeitgleich mit dem Mediendienste-<br />

Staatsvertrag der Bundeslånder 12 .<br />

Die Rechtsprechung hat sich im Berichtszeitraum bereits<br />

in einer Reihe von Entscheidungen mit dem TDG<br />

befassen mçssen, insbesondere mit der grundsåtzlichen<br />

Regelung der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern<br />

nach § 5, zusåtzlich mit der Definition des Geltungsbereichs<br />

dieses Gesetzes in Abgrenzung zu den Mediendiensten<br />

nach dem MDStV einerseits 13 und den Telekommunikationsdiensten<br />

nach dem Telekommunikationsgesetz 14<br />

andererseits 15 .<br />

Das TDDSG hat fçr die Teledienste bereichsspezifische<br />

Bestimmungen eingefçhrt. Der MDStV enthålt åhnliche<br />

*Dr.Helmut Hoffmann ist Richter am Oberlandesgericht Stuttgart.<br />

1) Noch nicht verabschiedet ist die Richtlinie zur umsatzsteuerlichen<br />

Behandlung elektronisch erbrachter Dienstleistungen, vgl. Richtlinienvorschlag<br />

der EU-Kommission v. 7. 6. 2000 ± KOM (2000) 349 endg.<br />

Hierzu Roettger, K&R 2000, 442.<br />

2) Richtlinie 97/7/EG des Europåischen Parlaments und des Rates v.<br />

20. 5. 1997 çber den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlçssen im<br />

Fernabsatz (ABlEG Nr. L 144 S. 19).<br />

3) Richtlinie des Europåischen Parlaments und des Rates çber gemeinsame<br />

Rahmenbedingungen fçr elektronische Signaturen v. 13. 12.<br />

1999, ABlEG Nr. L 13 v. 19. 1. 2000, 12; Abdruck in Beilage zu <strong>NJW</strong><br />

2000, H. 36, 13. Die Umsetzungsfrist låuft bis 19. 7. 2001. Die Richtlinie<br />

ist in Ansåtzen durch das Fernabsatzgesetz (§ 361 a BGB i. d. F.<br />

von Art. 2 Nr. 3 sowie § 11 Nr. 15 lit. b S. 2 AGBG i. d. F. von Art. 3<br />

Nr. 2) bereits umgesetzt worden und soll im Ûbrigen durch das Gesetz<br />

çber Rahmenbedingungen fçr elektronische Signaturen (GesE d. BReg.<br />

v. 18. 8. 2000; BR-Dr 496/00) und das Formvorschriftengesetz umgesetzt<br />

werden. Im Berichtszeitraum wurde der RegE. v. 6. 9. 2000 eines<br />

Ges. z. Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer<br />

Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr vorgelegt, abrufbar unter<br />

www. bmj. bund.de/inhalt.htm, dort als ¹bgbrege1.pdf``; BR-Dr 535/00<br />

v. 8. 9. 2000. Vgl. zum GesE: Dressel, CR 2000, 378; Redeker, CR<br />

2000, 455. Der BR hat am 20. 10. 2000 die Einfçhrung der ¹Textform``<br />

abgelehnt und bezçglich der ¹elektronischen Form`` die Prçfung<br />

angeregt, ob Regelungen çber den Zugang sowie çber die Beståtigung<br />

des Empfangs notwendig sind (BR-Dr 535/00 [Beschluss]).<br />

4) Richtlinie 2000/31/EG des Europåischen Parlaments und des Rates<br />

v. 8. 6. 2000 çber bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,<br />

insbesondere des elektronischen Geschåftsverkehrs,<br />

im Binnenmarkt (¹Richtlinie çber den elektronischen Geschåftsverkehr``),<br />

ABlEG Nr. L 178/1 v. 17. 7. 2000. Die Richtlinie ist bis 17. 1.<br />

2002 umzusetzen.<br />

5) Ges. z. Regelung der Rahmenbedingungen fçr Informations- und<br />

Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-<br />

Gesetz ± IuKDG) v. 22. 7. 1997, BGBl I, 1870.<br />

6) Gesetzeszweck nach Art. 1 § 1 IuKDG.<br />

7) Begr. des RegE zum IuKDG, BT-Dr 13/7385, 1.<br />

8) Ges. çber die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz ±<br />

TDG), Art. 1 IuKDG.<br />

9) Ges. çber den Datenschutz bei Telediensten (Teledienstedatenschutzgesetz<br />

± TDDSG), Art. 2 IuKDG.<br />

10) Ges. zur digitalen Signatur (Signaturgesetz ± SigG), Art. 3<br />

IuKDG. Das Gesetz wird mit dem Inkrafttreten des Gesetzes çber Rahmenbedingungen<br />

fçr elektronische Signaturen (s. Fuûn. 3) auûer Kraft<br />

treten.<br />

11) Art. 11 IuKDG.<br />

12) Staatsvertrag çber Mediendienste vom 20. 1./12. 2. 1997, Baden-<br />

WçrttGBl. 1997, 181; BayGVBl 1997, 226; BerlGVBl 1997, 360;<br />

BgbGVBl 1997, 75; MVGVBl 1997, 242; NdsGVBl 1997, 280;<br />

NWGVBl 1997, 158; RhPfGVBl 1997, 235; SaarlABl 1997, 318;<br />

SachsGVBl 1997, 500; SachsAnhGVBl 1997, 572; SchlHGVBl 1997,<br />

318; ThçrGVBl 1997, 258.<br />

13) Zum MDStV vgl. einfçhrend Gounalakis, <strong>NJW</strong> 1997, 2993.<br />

14) Telekommunikationsgesetz (TKG) v. 25. 7. 1996, BGBl I, 1120.<br />

15) Zum TKG vgl. einfçhrend Scherer, <strong>NJW</strong> 1996, 2953; zur Entwicklung<br />

des Telekommunikationsrechts vgl. ders., <strong>NJW</strong> 1998, 1607<br />

sowie <strong>NJW</strong> 2000, 772. Allg. zum TKG: Beck'scher TKG-Kommentar,<br />

2. Aufl. (2000), sowie Holznagel/Enaux/Nienhaus, Grundzçge des TelekommunikationsR,<br />

2001.

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