11.02.2013 Aufrufe

NJW Neue Juristische Wochenschrift

NJW Neue Juristische Wochenschrift

NJW Neue Juristische Wochenschrift

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

36* <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 Beilage<br />

årztekammern und mit ihnen die Rechtsprechung haben es zunåchst<br />

als wettbewerbswidrig angesehen, wenn ein Zahnarzt im<br />

Internet fçr seine Praxis wirbt, indem er die Praxis beschreibt,<br />

zahnårztliche Behandlungen anbietet und Empfehlungen fçr zum<br />

Verkauf angebotene Zahnpflegeartikel gibt 379 . Am 18. 10. 2000<br />

kam es zu einer Einigung zwischen der Landeszahnårztekammer<br />

und dem Zahnarzt, wonach die Klage zurçckgenommen und<br />

auch das Berufsgerichtsverfahren beendet wurde. Es ist zu erwarten,<br />

dass damit die Kammern keine Einwendungen mehr<br />

gegen eine sachbezogene Internet-Pråsentation åhnlich den fçr<br />

Rechtsanwålte geltenden Maûståben erheben werden.<br />

Dem gegençber hålt es das OLG Kæln fçr eine jedenfalls<br />

aufgrund der Pråsentationsform berufswidrige, gem. § 1 UWG<br />

zu unterlassende Werbung, wenn sich ein Zahnarzt im Internet<br />

çber ein virtuelles Praxisschild und mit vorgeschaltetem Foto<br />

von sich mit seinem Namen, seiner Fachbezeichnung ¹Kieferorthopådie``,<br />

seiner Adresse nebst Telefon- und Telefaxnummer,<br />

einem Lageplan des Praxisstandortes sowie einer Aufzåhlung<br />

seiner Mitgliedschaften in zahlreichen Berufsorganisationen vorstellt.<br />

8. Internet-Apotheken<br />

Seit 8. 6. 2000 betreibt eine in den Niederlanden ansåssige<br />

Apotheke den Vertrieb von Medikamenten. Kunden<br />

kænnen çber das Internet Bestellungen aufgeben 380 .Ob<br />

dieser Vertrieb an in Deutschland wohnhafte Verbraucher<br />

rechtlich zulåssig ist, war Gegenstand zweier Antråge auf<br />

Erlass einer einstweiliger Verfçgung. Das LG Frankfurt<br />

a. M. gab den Antrågen mit im Wesentlichen gleich lautenden<br />

Urteilen statt 381 . Die internationale Zuståndigkeit<br />

ergebe sich aus § 5 Nr. 3 EuGVÛ. Der gewerbliche Versandhandel<br />

via Internet sei mit §§ 43 I und 73 I AMG<br />

nicht vereinbar. Die Ausnahmevorschrift des § 73 II<br />

Nr. 6 a AMG sei nicht einschlågig. Auûerdem verletze die<br />

Versandhandelståtigkeit die Vorschriften der §§ 88 II<br />

Alt. 2, 3 a und 10HWG. Im Versandhandelsverbot fçr<br />

Arzneimittel sei ein Verstoû gegen den Grundsatz des<br />

freien Warenverkehrs gem. Art. 28 EGV nicht zu sehen;<br />

nichts Anderes gelte bezçglich der E-Commerce-Richtlinie,<br />

da das Werbeverbot durch Art. 1 III der Richtlinie<br />

gerechtfertigt sei.<br />

9. Unverlangte E-Mail-Werbung<br />

Die unverlangte Zusendung von E-Mails findet in groûem<br />

Umfang statt und wird je nach subjektiver Betrachtungsweise<br />

als Belåstigung oder als innovative Werbeform<br />

382 empfunden. Die Vorteile fçr die Werbetreibenden<br />

liegen auf der Hand. Der gleiche Werbeinhalt kann an<br />

beliebig viele Empfånger gesandt werden, wobei auf eine<br />

Datenbank mit E-Mail Adressen zugegriffen werden<br />

kann; solche Adressenlisten werden zum Kauf angeboten.<br />

Der Versand verursacht im Verhåltnis zum Telefax nahezu<br />

keinerlei Kosten 383 . Auûerdem kænnen attraktivere Inhalte<br />

wie z. B. Bilder, Musik- und Videoclips integriert<br />

werden. Aus der Sicht des Empfångers besteht deshalb die<br />

nahe liegende Gefahr einer Ûberschwemmung mit unerwçnschten<br />

Werbematerialien.<br />

Es fragt sich daher, ob die Rechtsprechung des BGH 384 ,<br />

wonach unverlangte Telefax-Werbung unzulåssig ist, auf<br />

E-Mails anwendbar ist. Eine hæchstrichterliche Rspr.<br />

hierzu liegt nicht vor; jedoch hat der BGH zur unverlangten<br />

Werbung im frçheren Btx-System entschieden, dass<br />

diese Werbemethode, wenn ein gewisser Grad der Belåstigung<br />

erreicht wird, unzulåssig ist 385 .<br />

Je mehr die kommerzielle Nutzung des Internet und die Versendung<br />

von E-Mails um sich greifen, um so stårker tritt ein<br />

Belåstigungseffekt in den Vordergrund, weil dem Empfånger der<br />

Werbung Kosten und Zeitaufwand durch das unfreiwillige Herunterladen<br />

selbst dann entstehen, wenn er Werbenachrichten<br />

ohne Lesen des vollen Textes anhand des Betreffs und der Absenderangaben<br />

sofort læscht. Es kann sogar der fçr den Empfang<br />

von E-Mails zur Verfçgung stehende Plattenspeicher durch Wer-<br />

bung verbraucht werden, so dass erwçnschte Nachrichten nicht<br />

mehr ankommen. Die Auffassung, Werbung sei wettbewerbswidrig<br />

(§ 1 UWG), wenn der Absender nicht das Einverståndnis<br />

des Empfångers vermuten kann, erscheint deshalb richtig.<br />

Gegen unerlaubte Werbung kann daher durch konkurrierende<br />

Betriebe oder berechtigte Vereinigungen wettbewerbsrechtlich<br />

vorgegangen werden. Auch das Recht des<br />

einzelnen Adressaten, gegen unverlangte Werbung vorzugehen,<br />

wird in einer Reihe von Entscheidungen bejaht.<br />

Soweit in den Entscheidungen die Anspruchsgrundlage<br />

genannt wird, wird entweder auf § 1 UWG abgestellt<br />

oder ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 I BGB<br />

oder ein Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch entspr.<br />

§ 1004 BGB bejaht. Soweit hierzu in den Urteilen Ausfçhrungen<br />

zu finden sind, wird als verletztes Rechtsgut<br />

i. S. des § 823 I BGB in der Regel das allgemeine Persænlichkeitsrecht386<br />

oder das Recht am eingerichteten und<br />

ausgeçbten Gewerbebetrieb387 genannt388 .<br />

Auch wird die ¹negative Informationsfreiheit`` als geschçtztes<br />

Rechtsgut diskutiert389 .<br />

Gegenteiliger Ansicht sind das AG Kiel390 und das LG Kiel391 .<br />

Nach deren Auffassung verletzt die unerwçnschte Zusendung<br />

von E-Mail-Werbung an einen Betreiber einer privaten Homepage<br />

kein Schutzgesetz i. S. von § 823 II BGB. Ebenso wenig<br />

liegt ein Eingriff in das allgemeine Persænlichkeitsrecht nach<br />

§ 823 I BGB oder ein Verstoû gegen die ¹negative Informationsfreiheit``<br />

vor. Das AG Kiel unterstellt, dass der Empfånger der<br />

Werbung diese ohne vollståndigen Download allein aus der çbertragenen<br />

Liste heraus læschen kænne und deshalb der Aufwand<br />

sowohl der Datençbertragung als auch des Durchsehens eingegangener<br />

Mails gering sei. Allerdings dçrfte entgegen der Ansicht<br />

des AG Kiel auch heute noch die Zahl der Provider eher gering<br />

sein, die dem Kunden auf dessen PC zunåchst lediglich die Betreff-Zeile<br />

der eingegangenen E-Mails çbertrågt und erst in einem<br />

weiteren Schritt nach Eingabe eines entsprechenden Befehls<br />

379) LG Trier, WRP 1996, 1231 = CR 1997, 81, Berufung: OLG<br />

Koblenz, <strong>NJW</strong> 1997, 1932 = CR 1997, 343 = ZIP 1997, 377 = WRP<br />

1997, 478 (einstweilige Vfg.); LG Trier, CR 1998, 303, nicht rkr.<br />

(Hauptsachverfahren).<br />

380) ¹www.0800DocMorris.com``.<br />

381) LG Frankfurt a. M, ZIP 2000, 2080; EWiR § 1 UWG 1/01, 39<br />

(Hoeren). Das LG Berlin wies dagegen einen Antrag auf Erlass einer<br />

einstweiligen Verfçgung zurçck (103 O 192/00), da der Apotheker sich<br />

auf die Ausnahmevorschrift des § 73 II Nr. 6 a AMG berufen kænne.<br />

382) So Zehentmeier, BB 2000, 940.<br />

383) Das gilt auch fçr den Empfang, wenn man auf die einzelne E-<br />

Mail abstellt, vgl. Jankowski, K&R 2000, 499.<br />

384) BGH, <strong>NJW</strong> 1996, 660= BB 1996, 131 = GRUR 1996, 208 =<br />

WRP 1996, 100.<br />

385) BGHZ 103, 203 = <strong>NJW</strong> 1988, 1670. Zur Telefax-Werbung:<br />

BGH, <strong>NJW</strong> 1996, 660= BB 1996, 131 = DB 1996, 573 = DZWir<br />

1996, 162 = GRUR 1996, 208 = MDR 1996, 381 = WM 1996, 216 =<br />

WRP 1996, 100. Zur Btx-Werbung s. auch BGH, <strong>NJW</strong> 1992, 2235 ±<br />

Btx Werbung II.<br />

386) BGH, <strong>NJW</strong> 1999, 1864 = ZIP 1999, 846 = MMR 1999, 477<br />

m. Anm. Schmittmann = CR 1999, 567 = DuD 1999, 414 zur Telefonwerbung.<br />

387) Zuletzt: AG Charlottenburg, MMR 2000, 775. Zum Schutz des<br />

eingerichteten und ausgeçbten Gewerbebetriebs gegençber den Medien<br />

vgl. BGHZ 138, 311 = <strong>NJW</strong> 1998, 2141 = MMR 1998, 608 mit Anm.<br />

Hoeren.<br />

388) LG Traunstein, <strong>NJW</strong>-CoR 1997, 494 = MMR 1998, 53; LG<br />

Ellwangen, MMR 1999, 675 m. Anm. Schmittmann; AG Brakel, <strong>NJW</strong><br />

1998, 3209 = MMR 1998, 492; LG Augsburg, <strong>NJW</strong>-CoR 1999, 52<br />

sowie <strong>NJW</strong> 2000, 593: allg. Persænlichkeitsrecht; LG Berlin, CR 1998,<br />

623; LG Berlin, <strong>NJW</strong> 1998, 3208: keine Angabe = MMR 1998, 491 =<br />

CR 1998, 499 m. Anm. Schmittmann = K&R 1998, 304; LG Berlin,<br />

MMR 1999, 43 m. Anm. Westerwelle = CR 1999, 187 = <strong>NJW</strong>-CoR<br />

1999, 52 L: Eingriff in den Gewerbebetrieb des Rechtsanwalts; ebenso<br />

LG Berlin, <strong>NJW</strong>-RR 2000, 1229 = MMR 2000, 441 = CR 2000, 622;<br />

LG Berlin, MMR 2000, 704: allgemeines Persænlichkeitsrecht und negative<br />

Informationsfreiheit.<br />

389) Fikentscher/Mællers, <strong>NJW</strong> 1998, 1337 (1343); LG Berlin,<br />

<strong>NJW</strong>E-WettbR 2000, 91 = <strong>NJW</strong>-CoR 1998, 431 = CR 1998, 623.<br />

390) AG Kiel, MMR 2000, 51 = K&R 2000, 201 m. Anm. Vehslage.<br />

391) LG Kiel, MMR 2000, 704 = MDR 2000, 1331 m. Anm. Hårting<br />

= K&R 2000, 514 (Berufungsurteil zu AG Kiel, MMR 2000, 51).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!