NJW Neue Juristische Wochenschrift
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Beilage <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 29*<br />
senen Benutzerkreises nicht existiert, und unterstellt sodann<br />
die Providerhaftung den Regeln des TDG 299 . Es<br />
verneint den Unterlassungsanspruch unter Anwendung<br />
von § 5 II bis IV TDG, da das Herausfiltern einzelner<br />
Dateien beim regelmåûigen Download einer Vielzahl von<br />
Programmen nicht zumutbar sei. Dieser Aufwand sei ins<br />
Verhåltnis zu setzen mit einer nur geringen Wirksamkeit<br />
einer solchen isolierten Maûnahme auf einem einzelnen<br />
Server. Das Verhåltnis der Abs. 1 bis 3 zu Abs. 4 von § 5<br />
TDG wird in der Entscheidung nicht deutlich. Richtigerweise<br />
kann als Haftungsmaûstab fçr Unterlassungsansprçche<br />
nur Abs. 4 in Betracht kommen, weil die vorausgehenden<br />
Absåtze verschuldensabhångige Ansprçche zum<br />
Inhalt haben.<br />
5. Hyperlinks<br />
a) Einfçhrung. Links oder ± synonym verwendet ± Hyperlinks<br />
gehæren zum Internet, speziell zur Darstellung<br />
von Inhalten im WWW-Dienst. Wer jemals das Internet<br />
genutzt hat, kennt diese Mæglichkeit, durch Anklicken<br />
hervorgehobener Textteile oder auch grafischer Elemente<br />
auf einen weiter fçhrenden Inhalt gefçhrt zu werden.<br />
Dieser Inhalt kann in der gleichen Datei an einer anderen<br />
Stelle platziert sein, auf einer anderen Seite innerhalb der<br />
gleichen Second-Level-Domain, oder auch auf einer beliebigen<br />
anderen Domain des gleichen oder eines anderen<br />
Anbieters.<br />
Wichtig fçr das Rechtsverståndnis ist die Tatsache, dass<br />
es neben dieser soeben dargestellten Unterscheidung zwischen<br />
sog. internen und externen Links einen wesentlichen<br />
Unterschied insoweit gibt, als Links entweder willentlich<br />
auf einen bestimmten anderen Inhalt gesetzt oder<br />
± z. B. aufgrund einer Anfrage an eine Suchmaschine ±<br />
programmgesteuert erzeugt werden.<br />
Die Thematik der rechtlichen Bewertung von Hyperlinks soll<br />
± auch was urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen<br />
betrifft, in diesem Kapitel im Zusammenhang dargestellt werden<br />
und wird deshalb im ansonsten einschlågigen Kapitel V nicht<br />
behandelt.<br />
b) Portale. Portale setzen sich im Internet immer mehr<br />
durch. Im Gegensatz zu reinen Suchmaschinen, die Hyperlinks<br />
aufgrund von Eingaben der Nutzer automatisiert<br />
entsprechend dem aktuellen Datenbestand erzeugen, wird<br />
hier eine nach Themen geordnete Auswahl von Links<br />
angeboten, wobei der Betreiber dieses Angebots die Auswahl<br />
nach eigenen Kriterien vornimmt und damit bewusst<br />
steuert. Bei der Beurteilung von Links auf externe Angebote<br />
muss beachtet werden, dass der Inhalt des Angebots,<br />
auf das der Link gesetzt ist, sich jederzeit åndern kann,<br />
weil der Link auf einen bestimmten Dateinamen unter<br />
einer bestimmten Internet-Adresse gesetzt und nicht etwa<br />
der Inhalt auf den eigenen Server çbernommen wird. Im<br />
Zeitpunkt des Setzens eines Links kann der damit verknçpfte<br />
Inhalt rechtlich unproblematisch sein und spåter<br />
durch inhaltliche Ønderungen strafbare Qualitåt erlangen,<br />
wie der oben beschriebene Fall ¹radikal`` zeigt. Wegen<br />
dieser Komplexitåt mæglicher Fallkonstellationen einerseits<br />
sowie der offenbar schwierig zu handhabenden Haftungsdifferenzierungen<br />
in § 5 TDG ist die rechtliche Qualifizierung<br />
von Hyperlinks in der Literatur streitig und<br />
von der Rechtsprechung nicht abschlieûend geklårt.<br />
c) Markt der Meinungen. In welchem Umfang derjenige<br />
haftet, der im Rahmen seines Internet-Auftritts Dritten<br />
die Mæglichkeit gibt, die eigene Meinung zu einem bestimmten<br />
Thema im Rahmen eines ¹Markts der Meinungen``<br />
zu åuûern, war Gegenstand eines Antrags auf Erlass<br />
einer einstweiligen Verfçgung vor dem LG Potsdam.<br />
Die Landesregierung Brandenburg hatte einen Internet-Wettbewerb<br />
veranstaltet zur Thematik Gewalt, Rechtsextremismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit unter ihrer eigenen Domain ¹brandenburg.de``.<br />
Die Beitråge wurden dort veræffentlicht mit dem mehrfachen<br />
Hinweis darauf, dass diese die Meinung der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer und nicht der Veranstalter widerspiegelten.<br />
In einem Beitrag wurde eine Oppositionspartei mit der<br />
Behauptung angegriffen, sie besetze faschistische Themen. Die<br />
von dieser Partei geforderte Sperrung wurde vom Veranstalter<br />
abgelehnt mit der Begrçndung, die Landesregierung identifiziere<br />
sich nicht mit der politischen Zielsetzung dieses Artikels. Das<br />
LG Potsdam wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen<br />
Verfçgung zurçck 300 . Es verwies zunåchst auf die Rechtsprechung<br />
des BGH 301 , die eine deutliche Distanzierung 302 verlangt.<br />
Den Haftungsausschluss begrçndet die Kammer mit § 5 III<br />
TDG. Das Land sei nicht verantwortlich fçr den fremden Inhalt,<br />
weil es lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt habe.<br />
Mit dieser Begrçndung wird çbersehen, dass § 5 III<br />
TDG nicht anwendbar war 303 . Dies aus doppeltem<br />
Grund: Einerseits war das Land kein Access-Provider,<br />
weil es nicht nur fremde Inhalte technisch zugånglich<br />
machte, sondern die Beitråge auf dem eigenen Server speicherte<br />
und damit die technische Mæglichkeit des Sperrens<br />
und Læschens hatte. Je nach Grad der Distanzierung handelte<br />
es sich damit um eigene Inhalte nach § 5 I TDG<br />
oder fremde Inhalte nach § 5 II TDG. Unabhångig von<br />
dieser Frage war fçr den geltend gemachten Anspruch<br />
jedoch § 5 IV TDG einschlågig, weil lediglich ein verschuldensunabhångiger<br />
Unterlassungsanspruch geltend<br />
gemacht worden war. Da die Sperrung bzw. Læschung der<br />
Datei ohne wesentlichen Aufwand mæglich war, håtte<br />
festgestellt werden mçssen, ob der beanstandete Inhalt<br />
rechtswidrig war.<br />
Werden Links wissentlich auf fremde Internet-Seiten<br />
mit beleidigendem Inhalt gesetzt, so reicht der bloûe Hinweis<br />
auf die eigene Verantwortung des fremden Site-Betreibers<br />
nicht aus, um eine Haftung zu verneinen, weil<br />
trotz dieses Hinweises ein Zueigenmachen des fremden<br />
Inhalts vorliegt, wenn es an einer hinreichend deutlichen<br />
Distanzierung fehlt 304 .<br />
d) Links auf wettbewerbswidrige Seiten. Das LG<br />
Frankfurt a. M. 305 bejaht eine wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit<br />
des Betreibers einer deutschen Homepage<br />
dafçr, dass der Nutzer von dort aus durch Aufruf mehrerer<br />
hintereinander geschachtelter Links auf englischsprachige<br />
Seiten der amerikanischen Schwestergesellschaft gelangt,<br />
in denen nach amerikanischem Wettbewerbsrecht<br />
299) Dies ist in der Literatur umstritten, vgl. Meyer, in: Roûnagel<br />
(Hrsg.), Recht der Multimedia-Dienste, 1999, § 2 MDStV Rdnr. 66;<br />
Hoffmann, MMR 2000, 619 (620) (Urteilsanm.) m. w. Nachw.<br />
300) <strong>NJW</strong>-RR 2000, 981 = MMR 1999, 739 = K&R 1999, 428 =<br />
CR 2000, 123 mit Anmerkung Schmitz.<br />
301) <strong>NJW</strong> 1996, 1131.<br />
302) Zur erforderlichen Deutlichkeit der Distanzierung vgl. neuestens:<br />
BGH, <strong>NJW</strong> 2000, 213 = WRP 1999, 1045 = K&R 1999, 465 =<br />
GRUR 1999, 977 = DB 1999, 2635; Vinck, LM H. 11/1999 § 9 PatG<br />
1981 Nr. 7. Das OLG Schleswig hålt jedoch eine pauschale, auf das<br />
nicht rkr. gewordene Urteil des LG Hamburg (u. Fuûn. 304) hinweisende<br />
Distanzierung von allen Inhalten, auf die Links gesetzt werden,<br />
fçr ausreichend: Urt. v. 19. 12. 2000 ± 6 U 51/00 ± ¹Geschichte der<br />
Kleinen Leute von Swabedoo``.<br />
303) Die vom LG Potsdam nicht problematisierte aber nicht triviale<br />
Frage, ob es sich in solchen Fållen um einen Mediendienst oder einen<br />
Teledienst handelt, wird hierbei ausgeklammert.<br />
304) LG Hamburg, <strong>NJW</strong> 1998, 3650= MMR 1998, 547 = CR<br />
1998, 565 = K&R 1998, 367 m. Anm. Gabel ± ¹D-Orfdepp des Monats``,<br />
nicht rkr. Im Berufungsrechtszug wurde der Fall nach Pressemitteilungen<br />
verglichen; das OLG Hamburg soll eine Haftung fçr den beleidigenden<br />
Inhalt gem. § 5 I TDG bejaht haben. Die Kenntnis der<br />
fremden Inhalte beruhe darauf, dass die Link-Sammlung eine Reaktion<br />
auf eine Abmahnung in Sachen ¹emergency.de`` gewesen sei (vgl. hierzu<br />
OLG Hamburg, <strong>NJW</strong>-RR 1999, 625 = MMR 1999, 159 = CR 1999,<br />
184; Vorinstanz LG Hamburg, MMR 1998, 485 = K&R 1998, 509).<br />
305) CR 1999, 45 m. Anm. Kloos.