NJW Neue Juristische Wochenschrift

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28* NJW 2001, Heft 14 Beilage stand, bejaht das AG Mçnchen die uneingeschrånkte Verantwortlichkeit des deutschen Geschåftsfçhrers gemåû § 5 I TDG, weil es sich um eigene Inhalte handele. Zur Begrçndung fçhrt das Urteil aus, zwar handele es sich um von Dritten hergestellte Inhalte; dies sei jedoch unbeachtlich, denn CompuServe Inc. habe diese Inhalte auf ihren Foren als eigene angeboten. Das LG Mçnchen I verneint in seinem den Angeklagten freisprechenden Berufungsurteil vom 17. 11. 1999285 die Mæglichkeit eines mittåterschaftlichen Handelns des Angeklagten, weil er bzw. die CompuServe GmbH der Muttergesellschaft vællig untergeordnet gewesen sei, weshalb es an der Tatherrschaft fehle und allenfalls Beihilfe in Betracht komme. Die Kammer verneint Vorsatz und Fahrlåssigkeit. Der Angeklagte sei aber auch freizusprechen aufgrund § 5 III TDG. Die Bestimmungen des TDG håtten keine Filterfunktion. Diese sei dem deutschen Strafrecht fremd. Selbst dann, wenn man die Ûberlegungen hierbei berçcksichtige, sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber durch ein Nebengesetz den klassischen Aufbau des Strafrechts: Tatbestand ± Rechtswidrigkeit ± Schuld habe åndern wollen. Die im TDG enthaltenen Begriffe ¹Kenntnis`` und ¹Verantwortlichkeit`` deuteten eindeutig darauf hin, dass die Bestimmungen lediglich bei der Schuldfrage angewendet werden kænnten. Die Verantwortlichkeitsbegrenzung nach § 5 III TDG komme dem Angeklagten zugute. Entgegen dem AG scheitere die Anwendung nicht daran, dass die CompuServe GmbH keine eigenen Kunden habe. Mit oder ohne Kunden çbe der Zugangsprovider die selbe Tåtigkeit aus. § 5 III TDG greife auch bezçglich des Vorwurfs eines fahrlåssigen Verstoûes gegen § 21 GjS. 4. Speichern von Raubkopien a) Einfçhrung. Auf den Servern der Online-Diensteanbieter sind in groûem Umfang Dateien gespeichert, deren Inhalt an sich nicht rechtswidrig ist, sondern nur deren Verbreitung. Erste Rechtsprechung zur Providerhaftung liegt einerseits fçr die Problematik des Urheberrechts, andererseits fçr das Markenrecht vor. b) Der Fall ¹AOL``. In diesem Rechtsstreit geht es um die Frage einer Schadensersatzhaftung des Diensteanbieters, wenn auf dem eigenen Server raubkopierte urheberrechtlich geschçtzte Musik-Dateien zum Download zur Verfçgung stehen. AOL, weltweit græûter Anbieter von Online-Dienstleistungen, wird auf Schadensersatz in diesem noch nicht rechtskråftig abgeschlossenen Fall in Anspruch genommen, weil in einem sog. Musik-Soundforum nach Vortrag der Klågerin Midi-Dateien abgespeichert waren, die AOL-Kunden in das Forum upgeloadet hatten, wobei die Klågerin Urheberrechte an diesen Dateien geltend macht. Das LG Mçnchen I hålt § 5 TDG fçr anwendbar auch auf urheberrechtliche Sachverhalte286 .In der Literatur ist dies allerdings teilweise abgelehnt worden, weil hier die Inhalte an sich nicht rechtswidrig sind287 . Das LG Mçnchen I bejaht sodann die Haftungsprivilegierung des Service-Providers nach § 5 II TDG, da das Forum eindeutig nicht eigene sondern fremde Inhalte aufgewiesen habe. Hierbei wird allerdings çbersehen, dass eigene Inhalte i. S. von § 5 I TDG auch von Dritten hergestellte Inhalte sein kænnen, die sich der Anbieter zu Eigen macht288 . Die Kammer låsst zur Bejahung der Kenntnis bedingten Vorsatz ausreichen, verlangt also keine positive Kenntnis des Inhalts der einzelnen Dateien. Sie begrçndet dies mit der entsprechenden Auffassung des Regierungsentwurfs289 und des Bundesrats. Gleicher Auffassung ist anscheinend das OLG Mçnchen290 , ebenfalls ein Teil der Literatur291 , wåhrend die çberwiegende Literatur eine positive Kenntnis des Inhalts als Haftungsvoraus- setzung verlangt, weil im Gesetzestext nicht der Vorsatzbegriff, sondern derjenige der Kenntnis verwendet wird 292 und der gesetzgeberische Wille im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen sei. Letztere Auffassung fçhrt zu dem nur schwer akzeptablen Ergebnis, dass derjenige Provider, der die Inhalte fremder auf seinem Server gespeicherter Dateien absichtlich nicht zur Kenntnis nimmt, von der Haftung befreit wird, wåhrend derjenige, der durch Kontrolle der Dateien versucht, rechtswidrige Inhalte zu vermeiden, mæglicherweise wegen einer Fehlbeurteilung haftet. Nach Auffassung des Verf. ist der Begriff der Kenntnis nach § 5 II TDG entsprechend der Rechtsprechung zum Begriff der Kenntnis von Mångeln u. å. bei der Arglist nach § 123 sowie insbesondere § 463 BGB auszulegen, so dass der positiven Kenntnis die Unkenntnis dann gleich zu stellen ist, wenn sich die geleugnete Tatsache geradezu aufdrångt. Nur diese Auslegung erscheint richtlinienkonform; denn Art. 14 I E-Commerce-Richtlinie verneint die Verantwortlichkeit, wenn der Anbieter keine tatsåchliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tåtigkeit oder Information hat und er sich auch keiner Tatsachen bewusst ist, aus denen die rechtswidrige Tåtigkeit oder Information offensichtlich wird 293 . Nach Ansicht des LG Mçnchen I ist Haftungsvoraussetzung nach § 5 II TDG nicht auch die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Inhalts 294 . Diese in § 5 TDG nicht ausdrçcklich geregelte Frage wird sicherlich in Zukunft noch Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzung sein. c) Markenrechtsverletzung. Gegenstand eines zweitinstanzlich vom OLG Mçnchen 295 entschiedenen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfçgung war ein auf dem FTP-Server einer Hochschule gespeichertes von amerikanischen Servern gespiegeltes Programm, dessen Name ¹CDBench`` in Deutschland fçr die Antragstellerin des Verfahrens geschçtzt ist. Der Antrag war gerichtet auf Untersagung der Benutzung der geschçtzten Kennzeichnung im geschåftlichen Verkehr fçr Software, wåhrend verschuldensabhångige Ansprçche nicht streitgegenståndlich waren. FTP 296 ist ein Internet-Dienst, der das Kopieren von Dateien auf einen anderen Rechner ermæglicht, und zwar sowohl von einem fremden auf den eigenen Rechner 297 als auch umgekehrt 298 . Das OLG Mçnchen stuft das Anbieten von Software im Internet çber einen FTP-Server als ein Handeln im geschåftlichen Verkehr ein, wenn eine Zugangsbeschrånkung im Sinne eines geschlos- 285) NJW 2000, 1051 m. Anm. Kçhne S. 1003 = MMR 2000, 171 = CR 2000, 117 m. Anm. Moritz = K&R 2000, 193 m. Anm. Barton. 286) LG Mçnchen I, MMR 2000, 431 m. Anm. Hoffmann = NJW 2000, 2214 = NJW-CoR 2000, 303 = K&R 2000, 307 m. Komm. Moritz. 287) Vgl. z. B. Spindler, in: Roûnagel, Recht der Multimedia-Dienste, Kap. 2, § 2 TDG Rdnr. 20ff.; ders., in: Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 29 Rdnr. 83 ff., 97, jeweils mit weiteren Nachw.; zur urheberrechtlichen Seite vgl. Wild, in: Schricker, UrheberR, 2. Aufl. (1999), § 97 Rdnr. 40a ± 40g sowie Decker, MMR 1999, 7. 288) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617 m. Anm. Hoffmann = CR 2000, 541 ± CDBench; ebenso die amtl. Begr. zum IuKDG, BT-Dr 13/ 7385, S. 19. 289) BT-Dr 13/7385, S. 20. 290) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617. 291) Påtzel, CR 1998, 625 (626); Gounalakis/Rhode, K&R 1998, 321 (328). 292) Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, NJW 1997, 2981 (2985); Sieber, CR 1997, 581 (583 Fuûn. 19); Pichler, MMR 1998, 79 (87); Spindler, NJW 1997, 3193 (3196); ders., Hdb. Multimedia-Recht, Kap. 29, Rdnr. 103 sowie Recht der Multimedia-Dienste, Kap. 29, § 2 TDG Rdnr. 75; Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, Mediengesetze, § 5 TDG Rdnrn. 17 f. 293) Nåher Hoffmann, MMR 2000, 434 (436). 294) Zur Problematik ob auch positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit zu verlangen ist oder hierfçr ein anderer Haftungsmaûstab gilt, vgl. z. B. Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, Mediengesetze, § 5 TDG Rdnr. 19. 295) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617 m. Anm. Hoffmann. 296) Abkçrzung fçr: File Transfer Protocol. 297) So genanntes Download. 298) So genanntes Upload.

Beilage NJW 2001, Heft 14 29* senen Benutzerkreises nicht existiert, und unterstellt sodann die Providerhaftung den Regeln des TDG 299 . Es verneint den Unterlassungsanspruch unter Anwendung von § 5 II bis IV TDG, da das Herausfiltern einzelner Dateien beim regelmåûigen Download einer Vielzahl von Programmen nicht zumutbar sei. Dieser Aufwand sei ins Verhåltnis zu setzen mit einer nur geringen Wirksamkeit einer solchen isolierten Maûnahme auf einem einzelnen Server. Das Verhåltnis der Abs. 1 bis 3 zu Abs. 4 von § 5 TDG wird in der Entscheidung nicht deutlich. Richtigerweise kann als Haftungsmaûstab fçr Unterlassungsansprçche nur Abs. 4 in Betracht kommen, weil die vorausgehenden Absåtze verschuldensabhångige Ansprçche zum Inhalt haben. 5. Hyperlinks a) Einfçhrung. Links oder ± synonym verwendet ± Hyperlinks gehæren zum Internet, speziell zur Darstellung von Inhalten im WWW-Dienst. Wer jemals das Internet genutzt hat, kennt diese Mæglichkeit, durch Anklicken hervorgehobener Textteile oder auch grafischer Elemente auf einen weiter fçhrenden Inhalt gefçhrt zu werden. Dieser Inhalt kann in der gleichen Datei an einer anderen Stelle platziert sein, auf einer anderen Seite innerhalb der gleichen Second-Level-Domain, oder auch auf einer beliebigen anderen Domain des gleichen oder eines anderen Anbieters. Wichtig fçr das Rechtsverståndnis ist die Tatsache, dass es neben dieser soeben dargestellten Unterscheidung zwischen sog. internen und externen Links einen wesentlichen Unterschied insoweit gibt, als Links entweder willentlich auf einen bestimmten anderen Inhalt gesetzt oder ± z. B. aufgrund einer Anfrage an eine Suchmaschine ± programmgesteuert erzeugt werden. Die Thematik der rechtlichen Bewertung von Hyperlinks soll ± auch was urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen betrifft, in diesem Kapitel im Zusammenhang dargestellt werden und wird deshalb im ansonsten einschlågigen Kapitel V nicht behandelt. b) Portale. Portale setzen sich im Internet immer mehr durch. Im Gegensatz zu reinen Suchmaschinen, die Hyperlinks aufgrund von Eingaben der Nutzer automatisiert entsprechend dem aktuellen Datenbestand erzeugen, wird hier eine nach Themen geordnete Auswahl von Links angeboten, wobei der Betreiber dieses Angebots die Auswahl nach eigenen Kriterien vornimmt und damit bewusst steuert. Bei der Beurteilung von Links auf externe Angebote muss beachtet werden, dass der Inhalt des Angebots, auf das der Link gesetzt ist, sich jederzeit åndern kann, weil der Link auf einen bestimmten Dateinamen unter einer bestimmten Internet-Adresse gesetzt und nicht etwa der Inhalt auf den eigenen Server çbernommen wird. Im Zeitpunkt des Setzens eines Links kann der damit verknçpfte Inhalt rechtlich unproblematisch sein und spåter durch inhaltliche Ønderungen strafbare Qualitåt erlangen, wie der oben beschriebene Fall ¹radikal`` zeigt. Wegen dieser Komplexitåt mæglicher Fallkonstellationen einerseits sowie der offenbar schwierig zu handhabenden Haftungsdifferenzierungen in § 5 TDG ist die rechtliche Qualifizierung von Hyperlinks in der Literatur streitig und von der Rechtsprechung nicht abschlieûend geklårt. c) Markt der Meinungen. In welchem Umfang derjenige haftet, der im Rahmen seines Internet-Auftritts Dritten die Mæglichkeit gibt, die eigene Meinung zu einem bestimmten Thema im Rahmen eines ¹Markts der Meinungen`` zu åuûern, war Gegenstand eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfçgung vor dem LG Potsdam. Die Landesregierung Brandenburg hatte einen Internet-Wettbewerb veranstaltet zur Thematik Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit unter ihrer eigenen Domain ¹brandenburg.de``. Die Beitråge wurden dort veræffentlicht mit dem mehrfachen Hinweis darauf, dass diese die Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und nicht der Veranstalter widerspiegelten. In einem Beitrag wurde eine Oppositionspartei mit der Behauptung angegriffen, sie besetze faschistische Themen. Die von dieser Partei geforderte Sperrung wurde vom Veranstalter abgelehnt mit der Begrçndung, die Landesregierung identifiziere sich nicht mit der politischen Zielsetzung dieses Artikels. Das LG Potsdam wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfçgung zurçck 300 . Es verwies zunåchst auf die Rechtsprechung des BGH 301 , die eine deutliche Distanzierung 302 verlangt. Den Haftungsausschluss begrçndet die Kammer mit § 5 III TDG. Das Land sei nicht verantwortlich fçr den fremden Inhalt, weil es lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt habe. Mit dieser Begrçndung wird çbersehen, dass § 5 III TDG nicht anwendbar war 303 . Dies aus doppeltem Grund: Einerseits war das Land kein Access-Provider, weil es nicht nur fremde Inhalte technisch zugånglich machte, sondern die Beitråge auf dem eigenen Server speicherte und damit die technische Mæglichkeit des Sperrens und Læschens hatte. Je nach Grad der Distanzierung handelte es sich damit um eigene Inhalte nach § 5 I TDG oder fremde Inhalte nach § 5 II TDG. Unabhångig von dieser Frage war fçr den geltend gemachten Anspruch jedoch § 5 IV TDG einschlågig, weil lediglich ein verschuldensunabhångiger Unterlassungsanspruch geltend gemacht worden war. Da die Sperrung bzw. Læschung der Datei ohne wesentlichen Aufwand mæglich war, håtte festgestellt werden mçssen, ob der beanstandete Inhalt rechtswidrig war. Werden Links wissentlich auf fremde Internet-Seiten mit beleidigendem Inhalt gesetzt, so reicht der bloûe Hinweis auf die eigene Verantwortung des fremden Site-Betreibers nicht aus, um eine Haftung zu verneinen, weil trotz dieses Hinweises ein Zueigenmachen des fremden Inhalts vorliegt, wenn es an einer hinreichend deutlichen Distanzierung fehlt 304 . d) Links auf wettbewerbswidrige Seiten. Das LG Frankfurt a. M. 305 bejaht eine wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers einer deutschen Homepage dafçr, dass der Nutzer von dort aus durch Aufruf mehrerer hintereinander geschachtelter Links auf englischsprachige Seiten der amerikanischen Schwestergesellschaft gelangt, in denen nach amerikanischem Wettbewerbsrecht 299) Dies ist in der Literatur umstritten, vgl. Meyer, in: Roûnagel (Hrsg.), Recht der Multimedia-Dienste, 1999, § 2 MDStV Rdnr. 66; Hoffmann, MMR 2000, 619 (620) (Urteilsanm.) m. w. Nachw. 300) NJW-RR 2000, 981 = MMR 1999, 739 = K&R 1999, 428 = CR 2000, 123 mit Anmerkung Schmitz. 301) NJW 1996, 1131. 302) Zur erforderlichen Deutlichkeit der Distanzierung vgl. neuestens: BGH, NJW 2000, 213 = WRP 1999, 1045 = K&R 1999, 465 = GRUR 1999, 977 = DB 1999, 2635; Vinck, LM H. 11/1999 § 9 PatG 1981 Nr. 7. Das OLG Schleswig hålt jedoch eine pauschale, auf das nicht rkr. gewordene Urteil des LG Hamburg (u. Fuûn. 304) hinweisende Distanzierung von allen Inhalten, auf die Links gesetzt werden, fçr ausreichend: Urt. v. 19. 12. 2000 ± 6 U 51/00 ± ¹Geschichte der Kleinen Leute von Swabedoo``. 303) Die vom LG Potsdam nicht problematisierte aber nicht triviale Frage, ob es sich in solchen Fållen um einen Mediendienst oder einen Teledienst handelt, wird hierbei ausgeklammert. 304) LG Hamburg, NJW 1998, 3650= MMR 1998, 547 = CR 1998, 565 = K&R 1998, 367 m. Anm. Gabel ± ¹D-Orfdepp des Monats``, nicht rkr. Im Berufungsrechtszug wurde der Fall nach Pressemitteilungen verglichen; das OLG Hamburg soll eine Haftung fçr den beleidigenden Inhalt gem. § 5 I TDG bejaht haben. Die Kenntnis der fremden Inhalte beruhe darauf, dass die Link-Sammlung eine Reaktion auf eine Abmahnung in Sachen ¹emergency.de`` gewesen sei (vgl. hierzu OLG Hamburg, NJW-RR 1999, 625 = MMR 1999, 159 = CR 1999, 184; Vorinstanz LG Hamburg, MMR 1998, 485 = K&R 1998, 509). 305) CR 1999, 45 m. Anm. Kloos.

28* <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 Beilage<br />

stand, bejaht das AG Mçnchen die uneingeschrånkte Verantwortlichkeit<br />

des deutschen Geschåftsfçhrers gemåû § 5 I TDG,<br />

weil es sich um eigene Inhalte handele. Zur Begrçndung fçhrt<br />

das Urteil aus, zwar handele es sich um von Dritten hergestellte<br />

Inhalte; dies sei jedoch unbeachtlich, denn CompuServe Inc.<br />

habe diese Inhalte auf ihren Foren als eigene angeboten.<br />

Das LG Mçnchen I verneint in seinem den Angeklagten<br />

freisprechenden Berufungsurteil vom 17. 11. 1999285 die<br />

Mæglichkeit eines mittåterschaftlichen Handelns des Angeklagten,<br />

weil er bzw. die CompuServe GmbH der Muttergesellschaft<br />

vællig untergeordnet gewesen sei, weshalb<br />

es an der Tatherrschaft fehle und allenfalls Beihilfe in<br />

Betracht komme. Die Kammer verneint Vorsatz und Fahrlåssigkeit.<br />

Der Angeklagte sei aber auch freizusprechen<br />

aufgrund § 5 III TDG. Die Bestimmungen des TDG håtten<br />

keine Filterfunktion. Diese sei dem deutschen Strafrecht<br />

fremd. Selbst dann, wenn man die Ûberlegungen<br />

hierbei berçcksichtige, sei nicht anzunehmen, dass der<br />

Gesetzgeber durch ein Nebengesetz den klassischen Aufbau<br />

des Strafrechts: Tatbestand ± Rechtswidrigkeit ±<br />

Schuld habe åndern wollen. Die im TDG enthaltenen<br />

Begriffe ¹Kenntnis`` und ¹Verantwortlichkeit`` deuteten<br />

eindeutig darauf hin, dass die Bestimmungen lediglich bei<br />

der Schuldfrage angewendet werden kænnten. Die Verantwortlichkeitsbegrenzung<br />

nach § 5 III TDG komme dem<br />

Angeklagten zugute. Entgegen dem AG scheitere die Anwendung<br />

nicht daran, dass die CompuServe GmbH keine<br />

eigenen Kunden habe. Mit oder ohne Kunden çbe der<br />

Zugangsprovider die selbe Tåtigkeit aus. § 5 III TDG<br />

greife auch bezçglich des Vorwurfs eines fahrlåssigen Verstoûes<br />

gegen § 21 GjS.<br />

4. Speichern von Raubkopien<br />

a) Einfçhrung. Auf den Servern der Online-Diensteanbieter<br />

sind in groûem Umfang Dateien gespeichert, deren<br />

Inhalt an sich nicht rechtswidrig ist, sondern nur deren<br />

Verbreitung. Erste Rechtsprechung zur Providerhaftung<br />

liegt einerseits fçr die Problematik des Urheberrechts, andererseits<br />

fçr das Markenrecht vor.<br />

b) Der Fall ¹AOL``. In diesem Rechtsstreit geht es um<br />

die Frage einer Schadensersatzhaftung des Diensteanbieters,<br />

wenn auf dem eigenen Server raubkopierte urheberrechtlich<br />

geschçtzte Musik-Dateien zum Download zur<br />

Verfçgung stehen. AOL, weltweit græûter Anbieter von<br />

Online-Dienstleistungen, wird auf Schadensersatz in diesem<br />

noch nicht rechtskråftig abgeschlossenen Fall in Anspruch<br />

genommen, weil in einem sog. Musik-Soundforum<br />

nach Vortrag der Klågerin Midi-Dateien abgespeichert<br />

waren, die AOL-Kunden in das Forum upgeloadet hatten,<br />

wobei die Klågerin Urheberrechte an diesen Dateien geltend<br />

macht. Das LG Mçnchen I hålt § 5 TDG fçr anwendbar<br />

auch auf urheberrechtliche Sachverhalte286 .In<br />

der Literatur ist dies allerdings teilweise abgelehnt worden,<br />

weil hier die Inhalte an sich nicht rechtswidrig<br />

sind287 .<br />

Das LG Mçnchen I bejaht sodann die Haftungsprivilegierung<br />

des Service-Providers nach § 5 II TDG, da das<br />

Forum eindeutig nicht eigene sondern fremde Inhalte aufgewiesen<br />

habe. Hierbei wird allerdings çbersehen, dass<br />

eigene Inhalte i. S. von § 5 I TDG auch von Dritten hergestellte<br />

Inhalte sein kænnen, die sich der Anbieter zu<br />

Eigen macht288 . Die Kammer låsst zur Bejahung der<br />

Kenntnis bedingten Vorsatz ausreichen, verlangt also<br />

keine positive Kenntnis des Inhalts der einzelnen Dateien.<br />

Sie begrçndet dies mit der entsprechenden Auffassung des<br />

Regierungsentwurfs289 und des Bundesrats.<br />

Gleicher Auffassung ist anscheinend das OLG Mçnchen290 ,<br />

ebenfalls ein Teil der Literatur291 , wåhrend die çberwiegende<br />

Literatur eine positive Kenntnis des Inhalts als Haftungsvoraus-<br />

setzung verlangt, weil im Gesetzestext nicht der Vorsatzbegriff,<br />

sondern derjenige der Kenntnis verwendet wird 292 und der gesetzgeberische<br />

Wille im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen<br />

sei. Letztere Auffassung fçhrt zu dem nur schwer akzeptablen<br />

Ergebnis, dass derjenige Provider, der die Inhalte fremder auf<br />

seinem Server gespeicherter Dateien absichtlich nicht zur Kenntnis<br />

nimmt, von der Haftung befreit wird, wåhrend derjenige, der<br />

durch Kontrolle der Dateien versucht, rechtswidrige Inhalte zu<br />

vermeiden, mæglicherweise wegen einer Fehlbeurteilung haftet.<br />

Nach Auffassung des Verf. ist der Begriff der Kenntnis nach<br />

§ 5 II TDG entsprechend der Rechtsprechung zum Begriff der<br />

Kenntnis von Mångeln u. å. bei der Arglist nach § 123 sowie<br />

insbesondere § 463 BGB auszulegen, so dass der positiven<br />

Kenntnis die Unkenntnis dann gleich zu stellen ist, wenn sich die<br />

geleugnete Tatsache geradezu aufdrångt. Nur diese Auslegung<br />

erscheint richtlinienkonform; denn Art. 14 I E-Commerce-Richtlinie<br />

verneint die Verantwortlichkeit, wenn der Anbieter keine<br />

tatsåchliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tåtigkeit oder Information<br />

hat und er sich auch keiner Tatsachen bewusst ist, aus<br />

denen die rechtswidrige Tåtigkeit oder Information offensichtlich<br />

wird 293 .<br />

Nach Ansicht des LG Mçnchen I ist Haftungsvoraussetzung<br />

nach § 5 II TDG nicht auch die Kenntnis von der<br />

Rechtswidrigkeit des Inhalts 294 . Diese in § 5 TDG nicht<br />

ausdrçcklich geregelte Frage wird sicherlich in Zukunft<br />

noch Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzung<br />

sein.<br />

c) Markenrechtsverletzung. Gegenstand eines zweitinstanzlich<br />

vom OLG Mçnchen 295 entschiedenen Antrags<br />

auf Erlass einer einstweiligen Verfçgung war ein auf dem<br />

FTP-Server einer Hochschule gespeichertes von amerikanischen<br />

Servern gespiegeltes Programm, dessen Name<br />

¹CDBench`` in Deutschland fçr die Antragstellerin des<br />

Verfahrens geschçtzt ist. Der Antrag war gerichtet auf<br />

Untersagung der Benutzung der geschçtzten Kennzeichnung<br />

im geschåftlichen Verkehr fçr Software, wåhrend<br />

verschuldensabhångige Ansprçche nicht streitgegenståndlich<br />

waren. FTP 296 ist ein Internet-Dienst, der das Kopieren<br />

von Dateien auf einen anderen Rechner ermæglicht,<br />

und zwar sowohl von einem fremden auf den eigenen<br />

Rechner 297 als auch umgekehrt 298 . Das OLG Mçnchen<br />

stuft das Anbieten von Software im Internet çber einen<br />

FTP-Server als ein Handeln im geschåftlichen Verkehr ein,<br />

wenn eine Zugangsbeschrånkung im Sinne eines geschlos-<br />

285) <strong>NJW</strong> 2000, 1051 m. Anm. Kçhne S. 1003 = MMR 2000, 171<br />

= CR 2000, 117 m. Anm. Moritz = K&R 2000, 193 m. Anm. Barton.<br />

286) LG Mçnchen I, MMR 2000, 431 m. Anm. Hoffmann = <strong>NJW</strong><br />

2000, 2214 = <strong>NJW</strong>-CoR 2000, 303 = K&R 2000, 307 m. Komm. Moritz.<br />

287) Vgl. z. B. Spindler, in: Roûnagel, Recht der Multimedia-Dienste,<br />

Kap. 2, § 2 TDG Rdnr. 20ff.; ders., in: Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia-Recht,<br />

Kap. 29 Rdnr. 83 ff., 97, jeweils mit weiteren Nachw.; zur<br />

urheberrechtlichen Seite vgl. Wild, in: Schricker, UrheberR, 2. Aufl.<br />

(1999), § 97 Rdnr. 40a ± 40g sowie Decker, MMR 1999, 7.<br />

288) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617 m. Anm. Hoffmann = CR<br />

2000, 541 ± CDBench; ebenso die amtl. Begr. zum IuKDG, BT-Dr 13/<br />

7385, S. 19.<br />

289) BT-Dr 13/7385, S. 20.<br />

290) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617.<br />

291) Påtzel, CR 1998, 625 (626); Gounalakis/Rhode, K&R 1998,<br />

321 (328).<br />

292) Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, <strong>NJW</strong> 1997, 2981 (2985);<br />

Sieber, CR 1997, 581 (583 Fuûn. 19); Pichler, MMR 1998, 79 (87);<br />

Spindler, <strong>NJW</strong> 1997, 3193 (3196); ders., Hdb. Multimedia-Recht,<br />

Kap. 29, Rdnr. 103 sowie Recht der Multimedia-Dienste, Kap. 29, § 2<br />

TDG Rdnr. 75; Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, Mediengesetze, § 5<br />

TDG Rdnrn. 17 f.<br />

293) Nåher Hoffmann, MMR 2000, 434 (436).<br />

294) Zur Problematik ob auch positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit<br />

zu verlangen ist oder hierfçr ein anderer Haftungsmaûstab gilt, vgl.<br />

z. B. Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, Mediengesetze, § 5 TDG<br />

Rdnr. 19.<br />

295) OLG Mçnchen, MMR 2000, 617 m. Anm. Hoffmann.<br />

296) Abkçrzung fçr: File Transfer Protocol.<br />

297) So genanntes Download.<br />

298) So genanntes Upload.

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