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NJW Neue Juristische Wochenschrift

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Beilage <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 27*<br />

rung eines deutschen Forschungsnetzes e. V.`` und stellte<br />

das Verfahren durch Verfçgung vom 26. 11. 1997 wegen<br />

geringer Schuld nach § 153 StPO ein 277 . Der DFN-Verein<br />

færdert die Schaffung der wissenschaftlich-technischen<br />

Voraussetzungen fçr die Errichtung, den Betrieb und die<br />

Nutzung eines rechnergestçtzten Informations- und Kommunikationssystems<br />

fçr die æffentlich gefærderte und die<br />

gemeinnçtzige Forschung in der Bundesrepublik Deutschland<br />

auf der Basis æffentlicher Ûbertragungsnetze. Den<br />

angeschlossenen Nutzern vermittelt er den Zugang in das<br />

Internet; Nutzer sind insbesondere Universitåten und sonstige<br />

wissenschaftliche Institutionen. Der DFN-Verein betåtigt<br />

sich also als reiner Zugangsvermittler 278 mit der<br />

Rechtsfolge des Ausschlusses einer Verantwortlichkeit<br />

nach § 5 III TDG. Die wird in der Einstellungsverfçgung<br />

erkannt. Die Begrçndung fçhrt sodann aus, dies wçrde<br />

eine ± auch strafrechtliche ± Verantwortlichkeit des Vereins<br />

bzw. der Beschuldigten im vorliegenden Fall bezçglich<br />

des Vorwurfs, die Abrufmæglichkeit zu den aus einem<br />

auslåndischen Server gespeicherten Informationen nicht<br />

verhindert zu haben, ausschlieûen. Der Generalbundesanwalt<br />

bejaht trotzdem die Verantwortlichkeit, und zwar<br />

çber § 5 IV TDG, weil gegen die Verpflichtung zur Sperrung<br />

der Nutzung verstoûen worden sei. Bestimmte<br />

URLs 279 håtten nåmlich çber sog. Proxy-Server ausgefiltert<br />

werden kænnen und mçssen. Ûber solche Server verfçge<br />

der DFN-Verein zwar nicht; geeignete Maûnahmen,<br />

um den Zugang zu den inkriminierten Texten zu unterbinden<br />

oder so weit wie mæglich zu erschweren, seien<br />

aber nicht von vornherein unzumutbar. Zwar habe der<br />

Gesetzgeber beabsichtigt, die strafrechtliche und deliktische<br />

Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nur in den<br />

Absåtzen 1 bis 3 des § 5 TDG zu regeln, wåhrend Abs. 4<br />

lediglich verschuldensunabhångige Unterlassungsverpflichtungen<br />

regele. Diese dem Gesetzentwurf und dem<br />

damit wærtlich çbereinstimmenden Gesetzestext zu<br />

Grunde liegende Auffassung finde jedoch im Gesetzeswortlaut<br />

keine Stçtze.<br />

Die Begrçndung der Einstellungsverfçgung ist auf heftige Kritik<br />

gestoûen. Hoeren 280 spricht in seiner Anmerkung von einer<br />

Gehorsamsverweigerung der Strafverfolgungsbehærde gegençber<br />

dem Gesetzgeber. Der Generalbundesanwalt habe sich offensichtlich<br />

nicht mit dem Gesetz zufrieden geben und ein eigenes<br />

Recht schaffen wollen. Ernst 281 argumentiert, der Zweck der<br />

Norm und ausdrçckliche Wille des Gesetzgebers wçrden vællig<br />

çbergangen, das Ziel des IuKDG werde auûer Acht gelassen.<br />

Ebenfalls ungewæhnlich deutlich hat auch die Bundesregierung<br />

reagiert. Sie greift zwar nicht direkt den Einstellungsbeschluss<br />

an, sondern nur indirekt, indem sie kritisiert, dass die gemeinsame<br />

Stelle der Lånder ¹jugendschutz.net`` die Rechtsauffassung<br />

des Generalbundesanwalt çbernommen habe; es stelle sich<br />

grundsåtzlich die Frage nach der Rechtsverbindlichkeit dieser<br />

Rechtsauffassung und ihrer rechtlichen Auûenwirkung. Die Bundesregierung<br />

geht davon aus, dass sich insgesamt eine sachgerechte<br />

Rechtsprechung zu dieser Frage entwickeln wird 282 . Sie<br />

verweist auch darauf, dass die E-Commerce-Richtlinie åhnlich<br />

§ 5 TDG eine differenzierte Haftung im Sinne der Intention des<br />

deutschen Gesetzgebers enthalte.<br />

3. Der Fall ¹CompuServe``<br />

Kaum ein anderes erstinstanzlich vor einem Amtsgericht<br />

verhandeltes Strafverfahren hat ein åhnlich groûes<br />

weltweites Medieninteresse hervorgerufen wie die Anklage<br />

gegen Felix Somm, den frçheren Geschåftsfçhrer<br />

der CompuServe GmbH, 100%-ige Tochtergesellschaft<br />

der US-amerikanischen Firma CompuServe Inc., die weltweit<br />

Internet-Dienstleistungen mannigfacher Art anbietet.<br />

Die CompuServe GmbH schafft die technischen Voraussetzungen<br />

dafçr, dass in Deutschland ansåssige Kunden<br />

Zugang zu den Servern der Muttergesellschaft in den USA<br />

erhalten; auûerdem vertreibt sie die Dienstleistungen der<br />

Muttergesellschaft und çbernimmt in Deutschland das<br />

Inkasso. Die dem Strafverfahren zugrunde liegenden strafbaren<br />

Inhalte waren nicht auf Servern der CompuServe<br />

GmbH gespeichert, sondern der CompuServe Inc. in den<br />

USA. Gegenstand der Anklage war der Vorwurf, nicht<br />

hinreichend fçr die Sperrung des Zugangs zu strafbaren<br />

kinderpornographischen Abbildungen in Beitrågen von<br />

CompuServe-Kunden auf dem News-Server der amerikanischen<br />

Muttergesellschaft gesorgt zu haben. Letztere,<br />

håtte sie ihren Sitz in Deutschland, wçrde nach § 5 II<br />

TDG haften, sobald sie von den strafbaren fremden Inhalten<br />

auf ihrem eigenen Server Kenntnis erlangt und nicht<br />

fçr die Sperrung sorgt.<br />

Nachdem die Strafverfolgungsbehærde die CompuServe<br />

GmbH auf strafbare Inhalte hinwies und eine Liste mit<br />

282 beanstandeten Newsgroups çbergab, çbermittelte der<br />

Geschåftsfçhrer dies der CompuServe Inc. mit der Bitte<br />

um Sperrung, was diese sofort tat, die Sperrung spåter<br />

aber zum græûten Teil wieder aufhob, nachdem sie ihren<br />

Kunden eine ¹Kinderschutz-Software`` zur Sperrung des<br />

Abrufs dieser Inhalte zur Verfçgung gestellt hatte.<br />

Die Staatsanwaltschaft warf dem Geschåftsfçhrer vor,<br />

åhnlich dem Vorwurf im oben dargestellten Fall DFN-<br />

Verein, er habe es unterlassen, den Zugriff der deutschen<br />

Nutzer auf die strafbaren Inhalte in den USA durch Einbau<br />

von Filtern zu verhindern. Der vom AG Mçnchen<br />

hierzu befragte Sachverståndige fçhrte aus, eine Ausfilterung<br />

strafbarer Inhalte durch die CompuServe GmbH sei<br />

technisch nicht mæglich. Das AG Mçnchen 283 bejaht<br />

gleichwohl die Mittåterschaft des damaligen Geschåftsfçhrers<br />

der CompuServe GmbH bezçglich eines æffentlich<br />

zugånglich Machens pornographischer Schriften 284 , gemeinschaftlich<br />

mit CompuServe Inc. begangen. Der Tatbeitrag<br />

habe darin bestanden, dass er die deutschen Kunden<br />

der CompuServe Inc. çber die von ihm bereit gestellten<br />

Einwahlknoten via Standleitung mit dem Rechenzentrum<br />

der Muttergesellschaft verbunden habe. Der Tatbeitrag<br />

der CompuServe Inc. habe in der Zugangsvermittlung<br />

zum Internet bestanden, verbunden mit der Nutzungsbereithaltung<br />

der Dateninhalte auf ihren Servern, genauer<br />

die Unterlassung des Herausfilterns strafbarer Inhalte in<br />

den dortigen News-Diensten.<br />

Das AG Mçnchen verneint eine Freistellung von der Verantwortlichkeit<br />

des Access Providers gem. § 5 III TDG mit der<br />

Begrçndung, ein Access Provider vermittle seinen Kunden direkt<br />

den Zugang zu Computernetzen, insbesondere zum Internet. Die<br />

CompuServe GmbH habe jedoch keine eigenen Kunden und vermittle<br />

auch nicht den Zugang zum Netz; dies sei die Muttergesellschaft<br />

wåhren die Tochtergesellschaft lediglich dafçr zuståndig<br />

sei, die Kunden der CompuServe Inc. in Deutschland çber<br />

einen ortsnahen Einwahlknoten via Standleitung mit der Muttergesellschaft<br />

zu verbinden. Diese Standleitung mache die CompuServe<br />

GmbH nicht zum Access Provider. Das Gericht wendet<br />

§ 5 II TDG auf die Dienstleistung der CompuServe GmbH an<br />

und stellt insoweit auf die ¹Gesamtorganisation von Mutter und<br />

Tochter`` mit einem arbeitsteiligen tåtig Werden ab.<br />

Bezçglich der zugleich erhobenen Anklage wegen eines fahrlåssigen<br />

Verstoûes gegen das GjS, wie jugendgefåhrdende Computerspiele<br />

auf dem Rechner der CompuServe Inc. gespeichert<br />

waren und zur Nutzung durch deutsche Kunden zur Verfçgung<br />

277) MMR 1998, 93 m. Anm. Hoeren = <strong>NJW</strong>-CoR 1998, 175 mit<br />

Anm. Ernst.<br />

278) Sog. Access-Provider.<br />

279) Abk. fçr: Uniform Resource Locator.<br />

280) MMR 1998, 97.<br />

281) <strong>NJW</strong>-CoR 1998, 175.<br />

282) IuKDG-Evaluierungsbericht (o. Fuûn. 270), S. 11.<br />

283) <strong>NJW</strong> 1998, 2836 = MMR 1998, 429 m. Anm. Sieber = CR<br />

1998, 500 m. Anm. Moritz = K&R 1998, 406 m. Anm. Eichler; v. Gravenreuth,<br />

CR 1998, 624; Hoeren, <strong>NJW</strong> 1998, 2792.<br />

284) §§ 184 III Nr. 2, 11 III, 13, 14 I Nr. 1, 25 II, 52 StGB.

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