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NJW Neue Juristische Wochenschrift

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26* <strong>NJW</strong> 2001, Heft 14 Beilage<br />

gangspunkt kein durchgreifender Zweifel an der Pfåndbarkeit<br />

dieser Rechte bestehen. Das Recht zur Benutzung<br />

des eigenen Namens wird durch die Verwendung dieses<br />

Namens als Domain jedenfalls bei Gleichnamigkeit nicht<br />

bestritten, wobei nach der oben zitierten Rechtsprechung<br />

bereits die Benutzung als Pseudonym ausreicht. Dem bisherigen<br />

Domain-Inhaber steht es frei, seinen Namen auch<br />

im Internet unter einer anderen TLD und/oder mit einem<br />

beliebigen Zusatz zu verwenden. Rechtlich problematisch<br />

ist lediglich die Ûbertragung auf einen nicht Gleichnamigen,<br />

wenn man anschlieûend nach allgemeinen Grundsåtzen<br />

einen namensrechtlichen Anspruch gegen diesen auf<br />

Unterlassung oder gar auf Ûbertragung bejahen mçsste.<br />

IV. Verantwortlichkeit<br />

1. Einfçhrung<br />

Inwieweit die Internet-Diensteanbieter fçr gespeicherte<br />

und/oder çbermittelte Daten der verschiedensten Art ±<br />

Inhalte, Programme, Links (Querverweise auf fremde Informationen)<br />

zivil- und strafrechtlich verantwortlich sind,<br />

hat die Justiz bereits in einer Reihe von Verfahren, die<br />

teilweise ein erhebliches Medieninteresse hervorgerufen<br />

haben, beschåftigt. Auf der normativen Ebene liegen die<br />

Probleme vor allem in der Auslegung der fçr Tele- und<br />

Mediendienste insoweit çbereinstimmenden spezialgesetzlichen<br />

Regelungen der § 5 TDG und § 5 MDStV einerseits,<br />

in der Multifunktionalitåt und Globalitåt des Internet268<br />

andererseits. § 5 TDG und § 5 MDStV regeln die<br />

Verantwortlichkeit von Anbietern, worunter im Anwendungsbereich<br />

des TDG natçrliche oder juristische Personen<br />

oder Personenvereinigungen zu verstehen sind, die<br />

eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereit halten<br />

oder den Zugang zur Nutzung vermitteln269 . TDG und<br />

MDStV begrçnden keine eigenen Haftungsnormen, sondern<br />

knçpfen an die bereits vorhandenen an. Sie sollen<br />

nach der Intention des Gesetzgebers dem Gedanken der<br />

Unzumutbarkeit einer Pråventivkontrolle Ausdruck verleihen<br />

und so Rechtssicherheit fçr die Anbieter schaffen270<br />

. Dies soll erreicht werden durch eine abgestufte<br />

Verantwortlichkeit:<br />

± volle Verantwortlichkeit fçr eigene Inhalte, die zur Nutzung<br />

bereit gehalten werden, nach den allgemeinen Gesetzen,<br />

± eingeschrånkte Verantwortlichkeit fçr fremde Inhalte, die zur<br />

Nutzung bereit gehalten werden, bei Kenntnis dieser Inhalte<br />

und nur wenn es dem Anbieter technisch mæglich und zumutbar<br />

ist, deren Nutzung zu verhindern,<br />

± keine Verantwortlichkeit fçr fremde Inhalte, zu denen der<br />

Anbieter lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt, selbst<br />

bei positiver Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Inhalte;<br />

unter diese Privilegierung fallen auch diejenigen Anbieter, die<br />

nicht nur den technischen Zugang zu Informationen vermitteln,<br />

sondern auch diejenigen, die eine automatische und<br />

kurzzeitige Zwischenspeicherung fremder Inhalte auf Nutzerabfrage<br />

auf einem eigenen Rechner vornehmen271 ,<br />

± unabhångig von diesen differenzierten Haftungseinschrånkungen<br />

sind Diensteanbieter zur Sperrung der Nutzung<br />

rechtswidriger Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen verpflichtet,<br />

soweit ihm mæglich und zumutbar.<br />

Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die<br />

Ansprçche des Zivilrechts und des æffentlichen Rechts auf<br />

Unterlassung unbeschadet obiger Haftungseinschrånkungen<br />

bestehen bleiben 272 .<br />

Diese viele Fragen offen lassende differenzierte Regelung<br />

sollte nach der Intention des Gesetzgebers vermeiden,<br />

tausende von vor allem zivil- und strafrechtlichen<br />

Gesetze im Sinne einer Haftungseinschrånkung im oben<br />

beschriebenen Sinn åndern zu mçssen, gleichsam als ¹vor<br />

die Klammer gezogene`` allgemein gçltige ¹horizontale``<br />

Regelung 273 . Die Rechtsprechung hat bislang diesen ge-<br />

setzgeberischen Willen allerdings nur teilweise erkannt,<br />

akzeptiert und umgesetzt. Zunåchst sollen einige besonders<br />

spektakulåre und in der Úffentlichkeit kontrovers<br />

diskutierte Fålle zur Veranschaulichung der Problematik<br />

etwas breiter dargestellt werden; im Anschluss daran die<br />

weiteren bekannt gewordenen Entscheidungen zur Thematik,<br />

insbesondere unter dem Aspekt des § 5 TDG.<br />

2. Der Fall ¹Radikal``<br />

Der erste in der Úffentlichkeit bekannt gewordene Fall,<br />

in dessen Rahmen sich die Frage der Einschrånkung einer<br />

Verantwortlichkeit fçr nicht selbst geschaffene rechtswidrige<br />

Inhalte stellte, ereignete sich vom zugrunde liegenden<br />

Sachverhalt her vor dem Inkrafttreten des TDG, wåhrend<br />

die ± strafrechtlichen ± Wertungen nach dessen Inkrafttreten<br />

getroffen wurden. Im Sommer 1996 waren Auszçge<br />

aus der im Juni 1996 erschienenen Druckschrift ¹Radikal``<br />

Nr. 154 von Unbekannten ins Internet gestellt worden,<br />

und zwar Artikel mit Aufforderungen zu Sabotageakten<br />

gegen die Deutsche Bahn. Die Haupttåter konnten<br />

nicht ermittelt werden.<br />

a) Beihilfe durch Link. Eine Berlinerin hatte bereits seit<br />

April 1996 ein eigenes Angebot im Internet, das sie mit<br />

einem Link zur Homepage der ¹Radikal`` versehen hatte,<br />

wobei allerdings eine Zwischenseite existierte, die auf die<br />

Freiheit des Andersdenkenden hinwies und eine Auseinandersetzung<br />

mit der ¹Radikal`` enthielt. Von dort aus<br />

war ein weiterer Link gesetzt, der nunmehr zu dem Angebot<br />

dieser Zeitschrift hinfçhrte. Angeklagt wurde die Betreiberin<br />

der Homepage wegen Beihilfe zu einer Anleitung<br />

zu Straftaten274 sowie zu einer Billigung von Straftaten275 .<br />

Da der Link zu einem Zeitpunkt gesetzt worden war, als<br />

die strafbaren Artikel noch nicht veræffentlicht waren,<br />

kam nur Beihilfe durch Unterlassen wegen Stehenlassens<br />

des Links in Frage. Das AG Berlin-Tiergarten276 hålt eine<br />

Beihilfe unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz fçr denkbar,<br />

und zwar wegen Unterlassens einer regelmåûigen<br />

Ûberprçfung des eigenen Links, wirft sodann die Frage<br />

auf, in welchen Zeitabstånden eine Ûberprçfung zu fordern<br />

wåre, und bejaht schlieûlich die Mæglichkeit einer<br />

fahrlåssigen Begehung, die jedoch bei den angeklagten<br />

Delikten nicht unter Strafe gestellt sei, weshalb die Angeklagte<br />

wegen nicht nachgewiesenen Vorsatzes freizusprechen<br />

sei. Das TDG wird in der Entscheidung nicht erwåhnt,<br />

weshalb die Entscheidung sich auch nicht mit der<br />

Frage befasst, unter welche Alternative des § 5 TDG das<br />

Setzen von Links zu subsumieren ist.<br />

b) DFN-Verein. Etwa zeitgleich ermittelte der Generalbundesanwalt<br />

gegen den Vorstand des ¹Vereins zur Færde-<br />

268) Spindler, in: Hoeren/Sieber, Hdb. Multimedia Recht, Kap. 29<br />

Rdnr. 1.<br />

269) S. § 3 TDG.<br />

270) IuKDG-Evaluierungsbericht der BReg. vom 18. 6. 1999, BT-Dr<br />

14/1191, S. 10. Øhnlich bereits die Begr. zum RegE, BT-Dr 13/7385,<br />

S. 20.<br />

271) Sog. Proxy-Cache-Server. Zur Verpflichtung, auf die Læschung<br />

einer beanstandeten Domain in einem solchen Server hinzuwirken, vgl.<br />

LG Berlin, MMR 2000, 495.<br />

272) IuKDG-Evaluierungsbericht (o. Fuûn. 270), S. 10.<br />

273) Tettenborn, K&R 2000, 386 (388), fordert aus rechtspolitischer<br />

Sicht fçr die kçnftige Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie åhnlich<br />

konstruierte Gesetze, um Regelungslçcken zu vermeiden; eine intelligente<br />

Regulierung im Bereich der neuen IuK-Dienste erfordere zunehmend<br />

horizontale Regelungen zur Erfassung aller Lebensbereiche. Die<br />

Rechtsprechung wird sich darauf einstellen mçssen, entgegen hergebrachter<br />

Gesetzestechnik kçnftig ¹vor die Klammer gezogene`` Regelungen<br />

vermehrt in Spezialgesetzen zu finden.<br />

274) §§ 130a I, 27 StGB.<br />

275) §§ 140Nr. 2, 27 StGB.<br />

276) MMR 1998, 49 m. Anm. Hçtig = CR 1998, 111 m. Anm. Vassilaki.

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