Der Karakorum-Highway mit dem Handbike (PDF, 4 - Escales-Verlag
Der Karakorum-Highway mit dem Handbike (PDF, 4 - Escales-Verlag
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Rollstuhl-Kurier<br />
Rollstuhl-Kurier<br />
Heft Nr. 1-2009 . März 2009 . 3,80 €<br />
DAS MAGAZIN FÜR ROLLSTUHLFAHRER & GEHBEHINDERTE<br />
“<strong>Der</strong> <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong>”<br />
erschienen in der Zeitschrift “ROLLSTUHL-Kurier”<br />
Heft Nr. 1/2009, März 2009, Autor: Albert Hirschbichler<br />
Große Übersicht: Die schönsten Reisen für Rollstuhlfahrer / Behinderte 2009<br />
FMG-<strong>Verlag</strong>, Postfach 2154, D-40644 Meerbusch<br />
Postvertriebsstück, Entgelt bezahlt, G 8153<br />
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Nachdrucke, Abschriften oder Vervielfältigungen dürfen, auch auszugsweise,<br />
nur <strong>mit</strong> vorheriger schriftlicher Genehmigung des <strong>Verlag</strong>es bzw. des Urhebers erfolgen.<br />
<strong>Der</strong> Ausdruck und die Verwendung dieses Artikels<br />
für den privaten Gebrauch ist gestattet.
Abenteuer & Reisen<br />
Albert Hirschbichler:<br />
<strong>Der</strong> <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
Jahrelang hatte meine Schwester schon versucht, mich<br />
für eine Reise nach Pakistan, ihre Lieblingsurlaubsregion,<br />
zu gewinnen. Bis dahin erfolglos. Pakistan: nicht<br />
behindertengerecht, Probleme <strong>mit</strong> der Verdauung,<br />
Taliban, Bomben usw... Nichts für mich, dachte ich.<br />
Irgendwann überlegte ich es mir doch anders, bevor ich<br />
noch zu alt werde. Von München über Dubai geht der<br />
Flug nach Islamabad. Dort eine Übernachtung und erste<br />
Eindrücke vom Land, am nächsten Tag lange Wartezeit<br />
und Ungewissheit. Schließlich wird doch geflogen, um<br />
17 Uhr statt um neun Uhr. Eine Dreiviertelstunde dauert<br />
der Flug von Islamabad nach Skardu, der Hauptstadt<br />
Baltistans im nördlichen Teil ("Northern Areas") von<br />
Pakistan.<br />
Wäre der Flug ausgefallen, wir hätten 700 Kilometer <strong>mit</strong><br />
<strong>dem</strong> örtlichen Bus zurücklegen dürfen, Fahrzeit zwölf bis<br />
18 Stunden, was unsere Duldsamkeit - trotz bescheidener<br />
Ansprüche an Komfort - zweifelsohne einer harten<br />
Bewährungsprobe unterzogen hätte. Meine Schwester<br />
kennt die Strecke, der Bus hält praktisch nie an,<br />
rätselhaft bleibt, ob und wann die Pakistani auch einmal<br />
"müssen". <strong>Der</strong> Flug am Nanga Parbat vorbei ist<br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
- 44 -<br />
Foto oben: Unterwegs auf <strong>dem</strong> <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong>.<br />
eindrucksvoll. Ein gewaltiger Berg, Hängegletscher<br />
fallen nach allen Seiten ab. Mit diesem letzten, die<br />
umliegenden Berge weit überragenden Achttausender<br />
endet die Himalaya-Kette. Für schwache Nerven<br />
gewöhnungsbedürftig ist der Landeanflug durch die<br />
Indusschlucht, bedenklich nah kommen die Felsen und<br />
Hänge links und rechts der Tragflächen. Quasi zur<br />
Begrüßung liegt im Sand neben der Landebahn das<br />
Tankfahrzeug, das eigentlich das Flugzeug hätte<br />
auftanken sollen, aber leider zuvor umgestürzt ist.<br />
Ein Taxi bringt uns zum Quartier, Hotel Concordia, in<br />
wundervoller Lage auf einer Anhöhe über <strong>dem</strong> Indus.<br />
<strong>Der</strong> aus Tibet kommende Fluss hat dort schon mehr als<br />
tausend Kilometer hinter sich. Stundenlang sitze ich in<br />
den folgenden Tagen nur auf der Hotelterrasse und<br />
schaue <strong>dem</strong> ruhig dahinfließenden Wasser zu.<br />
Ansonsten stehen Besuche des Basars von Skardu und<br />
Besichtigungen der Bauprojekte meiner Schwester auf<br />
<strong>dem</strong> Programm. Sie gründete vor einigen Jahren den<br />
Verein "Himalaya-<strong>Karakorum</strong>-Hilfe". Ohne viel Aufhe-
Bild oben: Albert Hirschbichler <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Rollstuhl unterwegs in Skardu.<br />
bens darum zu machen, wurden in den umliegenden<br />
Gebirgstälern bemerkenswerte Projekte realisiert,<br />
Wasserleitungen, eine Krankenstation, Schulpatenschaften<br />
etc. In Skardu entsteht derzeit ein Wohnheim<br />
Wohnheim für Schulkinder in Skardu, ein Projekt des<br />
Vereins Himalaya-<strong>Karakorum</strong>-Hilfe e.V.<br />
für 130 Kinder aus <strong>dem</strong> nahen und doch so fernen<br />
Braldotal. Nur so wird für diese ein Schulbesuch<br />
möglich, <strong>mit</strong> der Möglichkeit, anschließend einen qualifi-<br />
zierten Beruf zu erlernen. Die Lebens- und Existenzbedingungen<br />
der Menschen dort sind so unglaublich, dass<br />
ich hier <strong>mit</strong> einer Beschreibung erst gar nicht anfangen<br />
möchte. Die meisten besitzen kaum mehr, als sie auf<br />
<strong>dem</strong> Leib tragen. Ein Bankkonto hat - braucht - so gut<br />
wie niemand. Aber die Menschen sind ganz offensichtlich<br />
froher und zufriedener als bei uns, was doch<br />
verwunderlich ist, und worüber man einmal nachdenken<br />
sollte.<br />
Schließlich zu meinem Projekt: Vom <strong>Karakorum</strong>-<br />
<strong>Highway</strong> hatte ich daheim schon gehört. In Pakistan vier<br />
Wochen nur herumsitzen, das ist auch nichts, dachte ich<br />
mir. Da nehme ich lieber mein Rad <strong>mit</strong>. Von Gilgit auf<br />
1500 Meter könnte man über 270 Kilometer zum<br />
Khunjerab-Pass an der Grenze zu China fahren, 4733<br />
Meter hoch, und asphaltiert auch noch, das wär doch<br />
mal was... Mit <strong>dem</strong> Handradl in Mont-Blanc-Höhe<br />
herumfahren, das stellte ich mir interessant vor.<br />
Zu fünft brechen wir vom Hotel in Skardu <strong>mit</strong> einem Jeep<br />
auf: <strong>Der</strong> Chauffeur, ein junger Bursche namens Mateen,<br />
meine Schwester Bärbel, ihr Mann Rasool, Annette, die<br />
Kamerafrau aus Salzburg, die einen Film über die<br />
Hilfsprojekte dreht und ich, das <strong>Handbike</strong> am<br />
Dachträger festgebunden. Die Fahrt durch die<br />
Indusschlucht erfordert bedingungsloses Vertrauen in<br />
- 45 - Rollstuhl-Kurier 1/2009
Abenteuer & Reisen: <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
Typisches Landschaftsbild am <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong>.<br />
den Fahrer und das Vehikel, besonders die Bremsen.<br />
Wie wir feststellen konnten, besteht die landesübliche<br />
technische Überprüfung der Fahrzeuge aus gelegentlichen<br />
Fußtritten gegen die Reifen. Nach etwa acht<br />
Stunden Fahrt (für 130 Kilometer) kommen wir in Gilgit<br />
an, scheinbar ein unruhiges Pflaster, Militärpräsenz<br />
überall, <strong>mit</strong>ten in der Stadt sind Straßensperren zu<br />
passieren.<br />
Wir finden ein nettes Hotel. Als wir ankommen, verlässt<br />
gerade ein örtlicher Politiker die Lokalität. Etwa zehn<br />
bewaffnete Uniformierte dienen seiner Sicherheit. Für<br />
uns ist es wohl trotz<strong>dem</strong> sicherer, wenn der weg ist. Das<br />
Abendessen ist wirklich ausgezeichnet. Am nächsten<br />
Vor<strong>mit</strong>tag starten Bärbel und Rasool in der Frühe schon<br />
in die Stadt, um ein Fahrrad zu erstehen. Wir anderen<br />
warten und warten, gegen Mittag kommen sie<br />
schließlich wieder daher, ohne Rad. <strong>Der</strong> einzige<br />
Fahrradhändler hat geschlossen, keiner weiß warum, er<br />
müsste eigentlich da sein. Auch telefonisch ist er nicht zu<br />
erreichen. Mit viel Glück finden wir dann doch noch ein<br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
Ein Bus voller Mädchen erfreut sich am Anblick des Handradfahrers.<br />
- 46 -<br />
Rad, es war eigentlich schon verkauft, der Käufer wollte<br />
nur noch das Geld holen. Ein beträchtlicher Aufpreis<br />
überzeugte den Händler dann jedoch von der für uns<br />
existenziellen Bedeutung eines Fahrraderwerbs. "Nichts<br />
geht" und "alles geht" liegen nah beisammen in<br />
Pakistan.<br />
Es ist schon Nach<strong>mit</strong>tag. Eigentlich sollte die erste<br />
Etappe des <strong>Highway</strong>s schon hinter uns liegen. Jetzt aber<br />
los, nur noch tanken! Aber da haben wir gleich das<br />
nächste Problem: In ganz Gilgit gibt es heute kein<br />
Benzin, und vermutlich morgen auch nicht. Auch das<br />
Problem wird pakistanisch gelöst. Die guten<br />
Beziehungen Rasools zu maßgeblichen Personen<br />
führen zu einem Anruf einer dieser Personen bei der<br />
Tankstelle, worauf uns 25 Liter Diesel ausgehändigt<br />
werden. Scheinbar ewig dauert es noch, bis wir aus<br />
Gilgit herauskommen. In einem Stadtviertel hängen die<br />
Stromleitungen zwischen den Häusern so tief, dass wir<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> am Dach befestigten neuen Fahrrad kaum<br />
durchkommen.<br />
Zwischen uns und <strong>dem</strong> <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> befindet<br />
sich nur noch ein ziemlich großer Fluss. Endlich eine<br />
Brücke, und vier Uhr Nach<strong>mit</strong>tag ist es auch schon. Jetzt<br />
aber los! Die Räder kommen vom Dach, wir beeilen uns.<br />
Endlich haben wir den <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> unter den<br />
Rädern!<br />
Und ordentlich bergauf gehts auch gleich, bei ca. 30<br />
Grad im Schatten... Daheim würde man sich erst einmal<br />
ausziehen, kurze Hose, Unterhemd... Dummerweise<br />
geht das hier nicht. Im Land der Muslime ist der Körper<br />
bedeckt zu halten. Ich schwitze fürchterlich, die Steigung<br />
zieht sich, endlich oben geht es gleich wieder hinunter,<br />
fast die ganzen Höhenmeter wieder vertan - und das ist
Abenteuer & Reisen: <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
Blick auf den Rakaposhi (7788 m) von einer Straßenbrücke aus.<br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
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Abenteuer & Reisen: <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
- 50 -
Gelegentlich sind Furten zu durchqueren.
Abenteuer & Reisen: <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
oft so auf der ersten Hälfte der gesamten Wegstrecke,<br />
wie wir bald merken.<br />
Gut 40 Kilometer weit kommen wir heute bloß. Es<br />
dämmert schon leicht, als wir plötzlich ganz unver<strong>mit</strong>telt<br />
unter <strong>dem</strong> gewaltigen Rakaposhi, beinahe 7800 Meter<br />
hoch, stehen. Von der Straßenbrücke geht es mehr oder<br />
weniger in einem Schwung über 6000 Meter hoch bis<br />
zum Gipfel, der im goldenen Licht der Abendsonne wie<br />
nicht zu dieser Welt gehörig herunterschaut. Wir stehen<br />
vermutlich unter der höchsten durchgehenden<br />
Steilflanke der Welt. Zum Glück steht da auch noch ein<br />
Hotel. Ich bin wirklich müde.<br />
Am nächsten Tag geht es weiter, immer <strong>dem</strong> Hunzafluss<br />
folgend, nach Karimabad. Ein schöner Ort, drum<br />
residierte dort lange der Mir von Hunza, der Landesfürst,<br />
der sich das Fortkommen gern <strong>mit</strong> einem<br />
Privathubschrauber erleichterte. Das Hotel ist nett, ein<br />
Garten <strong>mit</strong> Wiese und schöner Aussicht, besonders auf<br />
den Ultar, einen Siebentausender direkt oberhalb. Zu<br />
den Hotels im Hunzatal ist grundsätzlich zu sagen, dass<br />
man immer wieder ganz ordentliche vorfindet, die<br />
durchaus unseren Standards genügen, wenn man bereit<br />
ist, die für dortige Verhältnisse sehr hohe Summe von<br />
zehn bis 15 Euro (für viele dort ein halber Monatslohn)<br />
pro Übernachtung auszugeben. Ich bin reichlich fertig<br />
und schlafe am Nach<strong>mit</strong>tag auf einer Matte im Gras.<br />
<strong>Der</strong> dritte Tag beginnt <strong>mit</strong> einer langen Steigung. Die<br />
Landschaft ist wirklich großartig. Durch eine Schlucht<br />
<strong>mit</strong> gewaltigen Dimensionen führt die Straße, die Berge<br />
ringsum sind immerhin sechs- bis siebentausend Meter<br />
hoch. Immer wieder meint man, dass es gleich nicht<br />
mehr weitergehen kann und die Welt zu Ende sein<br />
muss, und bald darauf weitet sich das Tal, es wird wieder<br />
grün, Felder tauchen auf, Dörfer. Heute kommen wir bis<br />
zum 2600 Meter hoch gelegenen Passu im Gebiet des<br />
Batura. Im Ort Gul<strong>mit</strong> wenige Kilometer vor unserem<br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
Seltsames Gefährt im Hunzatal.<br />
- 52 -<br />
Ziel erreicht ein Gletscher fast den Talboden. Rau wirkt<br />
hier alles. Ziemlich nah liegen Dutzende Kilometer lange<br />
Gletscher, die sich von über siebentausend Meter hohen<br />
Bergen talwärts ziehen.<br />
Das Handrad als Attraktion für die Kinder.<br />
Es findet sich eine ordentliche Unterkunft <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
klangvollen Namen "Hotel Ambassador". Finanzielle<br />
Zuwendungen eines nach Amerika ausgewanderten<br />
Familienangehörigen des Betreibers ermöglichten den<br />
Bau des Hotels aus soliden Granitsteinen. Am nächsten<br />
Tag ist ein Ruhetag angesagt. Bei bewölktem Wetter<br />
fahre ich am Nach<strong>mit</strong>tag doch noch los, um die Etappe<br />
des nächsten Tages zu verkürzen. Die anderen bleiben<br />
im Hotel bzw. gehen spazieren. Ganz allein fahre ich<br />
durch eine Landschaft, wie man sie sich wilder kaum<br />
vorstellen kann. Heftige Windböen peitschen mir<br />
Regentropfen ins Gesicht und wirbeln den Staub auf.<br />
Kaum noch Vegetation hält sich hier, Blockwerk und<br />
Schotter überall.
Schließlich sehe ich ins Tal des Baturagletschers.<br />
Dort hinten ist es passiert vor 50 Jahren, ein Wettersturz,<br />
eine Schlechtwetterperiode, viel Neuschnee, und<br />
als man wieder hinaufsah, waren Lager und fünf<br />
Menschen - einschließlich unseres Vaters - spurlos<br />
verschwunden. Zum Verständnis ist zu sagen, dass<br />
unser Vater, der ein hervorragender Kletterer war, 1959<br />
zur Teilnahme an einer englischen Bergsteiger-<br />
Expedition eingeladen wurde. Ziel war der 7785 Meter<br />
hohe Batura-Hauptgipfel. Die Bergsteiger erreichten<br />
vermutlich den Gipfel, wurden aber beim Abstieg vom<br />
besagtem Wettersturz überrascht.<br />
Wie schnell das Leben<br />
vorbei sein kann!<br />
Die Schlucht verengt<br />
sich und der Wind wird<br />
so stark, dass ich nicht<br />
mehr weiterfahren<br />
kann. Zwei kurze Gegenanstiege<br />
liegen auf<br />
<strong>dem</strong> Rückweg, sonst<br />
rollt es von allein. Zehn<br />
Kilometer waren es<br />
trotz<strong>dem</strong>.<br />
Am nächsten Tag bringt<br />
mich das Begleitfahrzeug<br />
<strong>mit</strong>samt <strong>dem</strong> Bike<br />
zum Umkehrpunkt des<br />
Vortages. Bärbel startet<br />
natürlich beim Hotel.<br />
<strong>Der</strong> Wind hat sich in der<br />
Nacht gelegt und bei<br />
angenehmen Temperaturverhältnissen<br />
geht<br />
es 30 Kilometer weiter<br />
Ganz selten kommen bunt bemalte Lastwagen vorbei.<br />
nach Sost. Abwechselnd wild, schluchtartig, und auch<br />
wieder lieblich <strong>mit</strong> Wiesen ist die Landschaft. Endlich<br />
läuft es auch so richtig <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Rad, die Arme haben<br />
anscheinend gemerkt, was von ihnen verlangt wird.<br />
Sost, auf knapp 3000 Meter Höhe, ist der letzte Ort <strong>mit</strong><br />
Schlafgelegenheit. Bis hierher fahren die großen<br />
chinesischen Containertrucks, die vom Khunjerab-Pass<br />
kommen und nach <strong>dem</strong> Umladen über die gleiche<br />
Strecke wieder zurückfahren.<br />
- 53 - Rollstuhl-Kurier 1/2009
Abenteuer & Reisen: <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong><br />
Noch 80 Kilometer sind es bis zum Pass. 30 davon<br />
schaffen wir am Nach<strong>mit</strong>tag noch bis zum Straßenposten<br />
in Dhee. Die Räder werden eingestellt, <strong>mit</strong> <strong>dem</strong><br />
Jeep gehts zurück nach Sost. Dubioses Volk, zwielichtige<br />
Gestalten bevölkern die Siedlung <strong>mit</strong> dürftigen<br />
Unterkünften aus Wellblech und einigen Läden, die<br />
feilbieten, was Truck-Fahrer so brauchen. Am besten<br />
sieht noch die Tankstelle aus in diesem staubigen Kaff.<br />
Am nächsten Morgen befördert uns der Jeep zum<br />
Straßenposten von Dhee.<br />
Von hier gehts <strong>mit</strong> den Rädern im Khunjerab-Nationalpark<br />
weiter. Eine mäßige aber konstante Steigung<br />
entlang eines Baches, links und rechts zeigen sich<br />
Hänge aus schwarzglänzen<strong>dem</strong> Schotter und Schiefer.<br />
<strong>Karakorum</strong> bedeutet "schwarzes Geröll". Es ist eine<br />
völlig einsame Gegend, ohne Siedlungen, es gibt so gut<br />
wie keinen Verkehr, nur noch die Schlucht und die<br />
Berge. Weiter oben weht uns ein kalter Wind entgegen,<br />
man merkt die Höhe von bald 4000 Metern. Nach 35<br />
Kilometern erreichen wir die letzte Militärstation vor <strong>dem</strong><br />
Pass, wo bereits unser Begleitfahrzeug steht. Hier<br />
beginnt die eigentliche Steigung.<br />
Rollstuhl-Kurier 1/2009<br />
Letzter Militärposten vor <strong>dem</strong> Pass.<br />
Die Schneegrenze rückt näher.<br />
- 54 -<br />
Kinder im Hunza-Tal.<br />
Weit hinten im Tal stehen einsame Schneeberge,<br />
wolkenverhangen, unwirtlich, man hat den Eindruck,<br />
dass nichts weniger hierher passt als Menschen.<br />
Die jungen Soldaten, die hier ihren Dienst verrichten<br />
(wozu eigentlich?), sind durchwegs freundlich.<br />
Wochenlang hocken die dort oben in <strong>dem</strong> Ödland in<br />
einer nicht beheizbaren Hütte ohne vernünftige<br />
Schlafgelegenheit. Decken am Boden, das ist alles. Ein<br />
paar Mal am Tag die Schranke hochziehen, wenn ein<br />
Lastwagen vorbeikommt, recht viel mehr ist dort nicht<br />
los. Aber sie sind immer gut aufgelegt.<br />
Noch 14 Kilometer, 700 Höhenmeter bis zur Passhöhe<br />
des Khunjerab. Ziemlich müde bin ich. Ein halber<br />
Liter Coca-Cola und ein Müsliriegel setzen ungeahnte<br />
Kräfte frei, und ich kann wieder weiterfahren. In<br />
Serpentinen überwindet die Straße eine Steilstufe,<br />
oberhalb weitet sich das Tal und die Straße schlängelt<br />
sich in Richtung Passhöhe.<br />
Ziemlich kalt ist es, die Schneegrenze ist nicht mehr<br />
weit. Fünf Kilometer weit komme ich noch, dann geht<br />
die Zeit noch vor der Kraft aus. Wir müssen schließlich<br />
noch <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Jeep zurück zum Hotel nach Sost fahren.<br />
Eine nähere Unterkunft gibt es nicht. Und Zurückfahren<br />
wollen wir nicht im Finsteren. Also Schluss für heute. Wir<br />
rollen zurück zum Militärposten, wo die Räder unter<br />
einer Plastikfolie verbleiben. Wegen der paar Kilometer,<br />
die noch fehlen bis zur Passhöhe, müssen wir mehr als<br />
60 Kilometer zurück nach Sost fahren und morgen<br />
wiederkommen. Aber es hilft nichts, der Pass ist erst da<br />
oben aus und ich will auf jeden Fall die ganze Strecke<br />
<strong>mit</strong> meinem Rad schaffen. Außer<strong>dem</strong> ist die Landschaft<br />
so großartig, dass man sie sich schon öfters anschauen<br />
kann.<br />
Befürchtungen wegen des Wetters erweisen sich als<br />
unbegründet. Am nächsten Tag ist es wieder schön und<br />
sogar etwas wärmer. Bei der Militärstation wird mein<br />
Rad noch einmal aufs Jeep-Dach geladen - Bärbel fährt<br />
derweil schon einmal los - und wenig später erreiche<br />
auch ich <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Auto den gestrigen Umkehrpunkt.<br />
Ein letztes Mal schwinge ich mich auf mein braves<br />
Handrad, das hoffentlich noch durchhält.
Grenzstation am Khunjerab-Pass (4733 m). Am Ziel!<br />
Ganz zum Schluss riss gestern noch ein Seilzug der<br />
Schaltung, aber die "kleinen" Gänge funktionieren noch.<br />
Ich fühle mich frisch. Die letzten Kilometer machen keine<br />
Probleme. Über weite Hänge <strong>mit</strong> dürftigem Bewuchs ist<br />
die Straße in mäßiger Steigung angelegt. Kurz vor <strong>dem</strong><br />
Pass erwartet uns ein riesiges Schild <strong>mit</strong> Ortsnamen<br />
und Kilometerangaben für die ganze Straße, wie bei uns<br />
auf der Autobahn. Komische Einfälle haben sie schon<br />
die Chinesen, die hier für die Straße zuständig sind.<br />
Schließlich kommt die Passhöhe in Sicht <strong>mit</strong> der<br />
Grenzstation. Drei Kilometer davor hat Bärbel den<br />
letzten Platten <strong>mit</strong> ihrem chinesischen Rad, das zwar<br />
nett bunt bemalt, aber ansonsten ein rechter Schrott ist.<br />
Schieben gilt nicht. Als Frau <strong>mit</strong> sportlichem Ehrgeiz<br />
fährt sie eben ohne Luft weiter. Die Höhe macht sich<br />
erstaunlich wenig bemerkbar, wir sind offensichtlich gut<br />
akklimatisiert. Und Schnelligkeit ist sowieso kein Thema.<br />
Schließlich die letzten Meter. Ist es wirklich geschafft?<br />
Anscheinend, weil da einige Chinesen stehen und uns<br />
<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Handy fotografieren. Sie grinsen, so etwas<br />
haben sie noch nie gesehen. Ansonsten ist es wie früher<br />
nach einer großen Klettertour. Am Anfang ist man nur<br />
froh, dass die Anstrengung vorbei ist. Die Tiefe des<br />
Erlebnisses kommt später.<br />
Erste Befahrung<br />
des <strong>Karakorum</strong>-<strong>Highway</strong>s <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Handbike</strong>:<br />
Reisedatum 23.08. bis 29.08.2008.<br />
Strecke: Nomal bei Gilgit (1500 m)<br />
bis Khunjerab-Pass (4733 m)<br />
Kilometer: 250<br />
Höhenmeter: 3200 (wegen der vielen Abfahrten sind es<br />
aber wesentlich mehr)<br />
<strong>Handbike</strong>: Sopur Spirit 470<br />
Reifen: Schwalbe Marathon Plus<br />
Schaltung: Shimano XT<br />
Eine Befahrung (<strong>mit</strong> <strong>Handbike</strong>) ohne Begleitfahrzeug<br />
und ortskundigen Begleiter ist nicht ratsam! Die<br />
Organisation ist möglich über www.shipton-trekking.com.<br />
Text und Bilder: Albert Hirschbichler<br />
<strong>Der</strong> Artikel ist gewidmet Frau Dr. Doris Maier,<br />
BG Unfallklinik Murnau.<br />
© <strong>Verlag</strong> FMG GmbH, Nordkanalstr. 52, 20097 Hamburg<br />
Tel. 040 - 5480 7877, Fax: 040 - 5480 7937<br />
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nur <strong>mit</strong> vorheriger schriftlicher Genehmigung des <strong>Verlag</strong>es bzw. des Urhebers erfolgen.<br />
<strong>Der</strong> Ausdruck und die Verwendung dieses Artikels<br />
für den privaten Gebrauch ist gestattet.<br />
Bitte beachten: Reiseberichte und Hinweise auf Reiseangebote für Rollstuhlfahrer / behinderte Menschen auf unserer Internetseite<br />
sind zum Teil älteren Datums. Die Bedingungen können sich also zwischenzeitlich geändert haben. Wir können die Richtigkeit der<br />
Informationen in diesen Beiträgen nicht gewähren. Bitte wenden Sie sich daher stets an den jeweiligen Anbieter, wenn Sie auf absolut<br />
zuverlässige Informationen angewiesen sind.<br />
- 55 - Rollstuhl-Kurier 1/2009