Duch zakladatelů - Collegium Bohemicum
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unbedeutend waren) mit einer landesweiten Kampagne für das allgemeine Wahlrecht 11 , verlegten sich in ihrer Propaganda dann allerdings (ähnlich den niederösterreichischen Christlichsozialen) auf einen zum Teil sehr aggressiven Antisemitismus. 12 Zweitens verstand sich die Sozialdemokratie bekanntlich als politische Vertreterin der „objektiven Interessen der Arbeiterklasse“. Dieser gehörten nun nicht nur diejenigen Personen an, die das entsprechende Bewusstsein entwickelt hatten, sondern auch jene, die dieses Bewusstsein nicht teilten, aber auf Grund eines „objektiven Kriteriums“ – ihrer Stellung im Produktionsprozess – hinzuzuzählen waren. Dagegen gehörten die Arbeiter und die übrigen Angehörigen der „unterbürgerlichen“ Schichten den „Nationen“ zunächst explizit nicht an. Im liberalen Verständnis beschränkte sich der Kreis der Angehörigen einer Nation auf jene Personen, die sich einerseits zu dieser Angehörigkeit bekannten und andererseits in den nationalen „Kommunikationsprozess“ integriert waren. In etwa umfasste dieser Kreis um die Jahrhundertmitte potentiell jene, die berechtigt waren, den Nationalgarden beizutreten und später jene, die zumindest auf kommunaler Ebene wahlberechtigt waren. „Nation“ war also gleichzeitig sozial exklusiv und von der bewussten Zustimmung ihrer Angehörigen abhängig. Sie war damit eine große (aber wenig in sich gegliederte) soziale Gruppe, zu der sich deren Angehörige bekannten, ohne dass es aber erforderlich war objektive Kriterien der Zugehörigkeit positiv zu bestimmen. Nur insofern kann zunächst von einer „deutschen Stadt“ Aussig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Rede sein. Aufgrund der weitgehenden Ausschließung der Angehörigen der „unterbürgerlichen“ Schichten von der kommunalen Öffentlichkeit wurden auch praktisch keine Überlegungen angestellt, wie weit diese einer Nation zuzurechnen seien. (Auch umgekehrt dürfte die Frage einer nationalen Zugehörigkeit angesichts des Kampfes um die materielle Existenz kaum eine Rolle gespielt haben. Weit größere Probleme dürften die vielen „unterbürgerlichen“ Zuwanderer wohl damit gehabt haben, wie sie sich – zumeist wohl aus dem ländlichen Raum stammend – im Milieu der rasch wachsenden Stadt zurecht finden können.) „Die Deutschen“ in Aussig – also das Aussiger Bürgertum – waren als Gruppe keineswegs so homogen, wie es die nationale Bezeichnung suggerieren könnte. Vielmehr waren sie zu Beginn der 90er-Jahre stark fragmentiert und in eine Reihe tiefgreifender innerer Konflikte involviert, die kaum zu verdrängen, geschweige denn zu überbrücken waren. 11 Vgl. Hans Peter Hye, Der Aufstieg der Jungtschechen im böhmischen Landtag im Spiegel der Quellen der Wiener Regierung, in: Pavla Vošahlíková, Milan Řepa (Hgg.), Bratři Grégrové a česká společnost v druhé polovině 19. Stoleti (Praha 1997) 67—85, hier 82. 12 Grundlegend hierzu: Michal Frankl, The Background of the Hilsner Case. Political Antisemitism and Allegations of Ritual Murder 1896—1900, in: Judaica Bohemiae 36 (2001) 34—118. 44
Ein diesbezüglicher Indikator ist zweifellos der Umstand, dass es ab dieser Zeit vermehrt zu Spaltungen von Vereinen bzw. zur Bildung von „Gegenvereinen“ gekommen ist. Nationale Angelegenheiten spielten innerhalb dieser Konflikte bis 1895, wenn überhaupt, eine höchst marginale Rolle. Dies sollte sich im Sommer 1896 allerdings schlagartig ändern, als – sicherlich im Zusammenhang mit der im Juni 1896 in Kraft getretenen Reform des Reichsratswahlrechtes 13 – die im jungtschechischen Fahrwasser befindlichen Sokol-Vereine in einer Art „konzertierten Aktion“ in den „deutschen“ Städten Nordböhmens Feste und Feierlichkeiten veranstalten wollten, was auf entschiedene Ablehnung der Stadtverwaltungen – insbesondere auch in Aussig – stieß und den „furor teutonicus“ eigentlich erst auslöste. 14 Die eigentliche Brisanz dieser Angelegenheit lag nämlich in dem Umstand, dass die tschechisch sprechende Arbeiterschaft das Zielpublikum dieser Initiative gewesen ist – womit ein mehrfacher Bruch mit den bislang geltenden Paradigmen erfolgte: Erstens bedeutete dies nämlich den Versuch einer bislang unvorstellbaren sozialen Ausweitung der Nation auf die unterbürgerlichen Schichten. Auch wenn dieser Versuch letztendlich wenig Erfolge zeitigte – in Aussig deklarierten sich 1900 gerade einmal 774 von insgesamt mehr als 37.200 Bewohnern als Tschechen 15 – standen die Bürger in Aussig und anderen nordböhmischen Städten diesem „Konventionsbruch“ geradezu ohnmächtig gegenüber. Der Kampf um die Stimmen der Arbeiterschaft in Böhmen insgesamt wurde in diesen 13 Diese führte eine fünfte Wählerklasse ein, aus der auf der Basis eines allgemeinen und gleichen Männerwahlrechtes 72 zusätzliche Abgeordnete in der Reichsrat zu wählen waren. Von von diesen waren 18 aus Böhmen zu entsenden. 14 Diese tatsächliche Wende in den „Nationalbeziehungen” ist nach Ansicht des Autors bislang viel zu wenig beachtet worden. Hier ist sicherlich ein wesentliches Moment für die deutschnationale Radikalisierung der Folgezeit zu suchen. Dies gilt nicht nur für das „Badeni-Jahr” 1897 sondern auch für den kometenhaften Aufstieg Karl Hermann Wolfs. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Debatte im Wiener Reichsrat vom 1. und 3. Oktober 1896. Vgl. Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses, 510., 511. und 512. Sitzung der XI. Session, 26101f., 26105-26124, 26138-26180. Auf den Seiten 26117-26119 eine sehr bemerkenswerte Rede Ministerpräsident Kasimir Felix Graf Badenis zu dieser Angelegenheit. 15 Auch wenn verschiedentlich Repressionen seitens der Arbeitgeber und Wohnungsvermieter in Rechnung zu stellen sind, sprechen diese Zahlen doch deutlich dafür, dass unter den vielen zugewanderten tschechischsprachigen Arbeitern eine relativ hohe Bereitschaft zur Assimilation bzw. zu diesem Zeitpunkt eine nur sehr geringe Neigung zur Integration in die eigene „Nation” verbreitet war. Grund hierfür könnte wohl auch sein, dass die nationalen Parteien zu diesem Zeitpunkt den Arbeitern (vor allem auch im Vergleich zur Sozialdemokratie) eigentlich wenig anzubieten hatten. 45
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Interessen der Arbeiterklasse“. Dieser gehörten nun nicht nur diejenigen Personen<br />
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Dagegen gehörten die Arbeiter und die übrigen Angehörigen der „unterbürgerlichen“<br />
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Nur insofern kann zunächst von einer „deutschen Stadt“ Aussig in der zweiten Hälfte des<br />
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der „unterbürgerlichen“ Schichten von der kommunalen Öffentlichkeit wurden auch<br />
praktisch keine Überlegungen angestellt, wie weit diese einer Nation zuzurechnen seien.<br />
(Auch umgekehrt dürfte die Frage einer nationalen Zugehörigkeit angesichts des Kampfes<br />
um die materielle Existenz kaum eine Rolle gespielt haben. Weit größere Probleme dürften<br />
die vielen „unterbürgerlichen“ Zuwanderer wohl damit gehabt haben, wie sie sich – zumeist<br />
wohl aus dem ländlichen Raum stammend – im Milieu der rasch wachsenden Stadt zurecht<br />
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„Die Deutschen“ in Aussig – also das Aussiger Bürgertum – waren als Gruppe keineswegs<br />
so homogen, wie es die nationale Bezeichnung suggerieren könnte. Vielmehr waren<br />
sie zu Beginn der 90er-Jahre stark fragmentiert und in eine Reihe tiefgreifender innerer<br />
Konflikte involviert, die kaum zu verdrängen, geschweige denn zu überbrücken waren.<br />
11 Vgl. Hans Peter Hye, Der Aufstieg der Jungtschechen im böhmischen Landtag im<br />
Spiegel der Quellen der Wiener Regierung, in: Pavla Vošahlíková, Milan Řepa (Hgg.),<br />
Bratři Grégrové a česká společnost v druhé polovině 19. Stoleti (Praha 1997) 67—85, hier<br />
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12 Grundlegend hierzu: Michal Frankl, The Background of the Hilsner Case. Political<br />
Antisemitism and Allegations of Ritual Murder 1896—1900, in: Judaica Bohemiae 36<br />
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