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Duch zakladatelů - Collegium Bohemicum

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großen Wert der Streikpostkartensammlungen aus. Naturgemäß waren auch diese Fotos<br />

geprägt vom Blick des Fotografen (bürgerlicher Herkunft), der das Ereignis des Streiks zum<br />

Anlaß seiner Bildberichte nahm. Die von ihm oder einem lokalen Verlag produzierten Postkarten<br />

dienten jedoch weniger der überregionalen Sensationspresse als dem lokalen Markt,<br />

dem Käufer. Dies konnte sowohl der einfache Soldat sein, der Grüße von seinem außergewöhnlichen<br />

Einsatz nach Hause sandte, wie auch der Konsument, der über chaotische Verkehrsverhältnisse<br />

anlässlich eines Trambahnstreiks erregt oder belustigt war. Vielfach aber<br />

nutzen Streikende, Streikführungen und auch Politiker das neue Postkartenmedium zur<br />

Selbstdarstellung. Somit bot sich auf Grund der stetig verbesserten Reproduzierbarkeit der<br />

Fotografie ab etwa 1900 eine neue Dimension: Die Streikenden konnten der bildnerischen<br />

Fremdbestimmung durch die Medien entgehen und zumindest teilweise die eigene Sicht<br />

der Dinge dokumentieren und propagieren. Die Bildpostkarte wurde – wie beispielsweise<br />

in Fougčres oder Mazamet – zu einem wichtigen Dokument für die eigene Sache und die<br />

eigenen Forderungen: Mit diesen Bildern, selbst mit den schrecklichsten, z. B. von der größten<br />

Bergwerkskatastrophe der Zeit in Courričres (1.100 Tote) kann man Werbung machen.<br />

Die hier beispielhaft herausgegriffene Serie der Streikpostkarten von Fougčres wurden im<br />

ganzen Land, vor allem in Paris, vertrieben, um Streikunterstützungen zu sammeln. Die Bildserie<br />

verdeutlicht: Der Arbeitskampf zog sich 98 Tage hin, der Ausschuss für Arbeit der Nationalversammlung<br />

besuchte die Schuhstadt, die Stadtverwaltung ließ Brot an die Streikenden<br />

verteilen, die katholischen Schulen ernährten die nicht aufs Land oder nach Rennes verbrachten<br />

Kinder. Eine enorme Solidaritätswelle ergriff ganz Frankreich (und Teile der ausländischen<br />

Arbeiterbewegung). In Paris wurden Benefiz-Konzerte abgehalten, so u. a. von der<br />

Comédie Fran aise, von der Oper und von einer berühmten Schauspielerin im Theater am<br />

Montmartre (ebenfalls als Werbepostkarte verbreitet). Die Rückkehr der Kinder aus Rennes<br />

wurde festlich begangen und von den Bürgern Jaurčs und Benezech begleitet.<br />

Die ausführlichen Bildgeschichten einzelner Arbeitskämpfe zeigen viel mehr als das Spektakuläre.<br />

Allein rund 30 Streikpostkarten (von angeblich rund 200) über die Arbeitskämpfe<br />

der Eisenbahner Nordfrankreichs oder über den der Berg- und Stahlarbeiter Lothringens<br />

1910, oder die 23 Karten über Streik und Aussperrung der Beschäftigten der Schuhindustrie<br />

in Fougčres 1906/07 belegen: Der Arbeitskampf ist zunächst ein komplexes Organisationsgebilde<br />

mit Vollversammlung, Streikkomitee, Delegation, Aufstellung der Forderungen,<br />

Abstimmungen, Geldsammlungen etc. Zu erwähnen sind auch Parlamentsdebatten, Ausschusssitzungen,<br />

Besichtigungen durch Pariser Abgeordnete. Immer wieder dokumentiert<br />

sind auch die besonderen Solidaritätsleistungen der Streikenden: das gemeinsame Mittagessen<br />

(la soupe communiste) und die Verschickung der Kinder in die umliegenden Städte.<br />

Da sind die 10-Stunden-Tag-Kämpferinnen aus Crimmitschau, die Schuharbeiterinnen der<br />

neugegründeten unabhängigen Arbeitsbörse von Fougčres oder die Männer und Frauen<br />

vom Streikkomitee der Bergarbeiter aus Douai, die diesen Proletarierstolz im Gesicht tragen.<br />

Selbst Niederlagen (wie in Crimmitschau) werden mittels dieser Erinnerungen zu Siegen.<br />

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