Duch zakladatelů - Collegium Bohemicum
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Attraktivität des Spektakulären öffnete sich die französische Bildberichterstattung der realistischen<br />
oder sozialkritischen, vom Naturalismus eines Emile Zola (in seinem Bergarbeiterdrama<br />
Germinal) oder Gerhard Hauptmann (Die Weber) beeinflussten Darstellung. Die Lebensund<br />
Arbeitsbedingungen des Proletariats werden mit fast jedem der großen Arbeitskämpfe<br />
zum Gegenstand ausführlicher Bildberichte. Besonders bekannt wurden die Darstellungen<br />
von Bergarbeitertypen, in ihrer traditionellen Bekleidung (mit Lampe und Gerät), unter- wie<br />
übertage, als Hauer, Dienstältester, Maschinenführer oder Untertageposten. Auch die übertage<br />
arbeitenden Kohlenverleserinnen wurden auf Postkarten abgelichtet, ebenso wie ihre<br />
führende Teilnahme in einem Streikkomitee. In ähnlicher Weise berichteten Londoner Zeitungen<br />
über die Arbeit der Docker anlässlich des großen Streiks im Londoner Hafen (1889),<br />
der zum Wendepunkt der gesamten britischen Arbeiterbewegung wurde.<br />
Anlässlich eines Streiks südfranzösischer Glasbläser, der zur Gründung einer berühmten<br />
Glasbläser-Kooperative führte, wurde eine Bildserie über diesen Berufszweig veröffentlicht.<br />
Auch bei Ausständen von Eisenbahnern und Bauarbeitern wurden Arbeitsplätze und Großbaustellen<br />
oder die Gefährdung beim damals wichtigsten Symbol der Moderne, dem Eiffelturm,<br />
dargestellt 11 . Auf diese Weise wurden die Forderungen gerade der Berg- und<br />
Bauarbeiter nach entscheidender Verbesserung des Arbeitsschutzes sowie der Unfall- und<br />
Rentenversicherung auch seitens der bürgerlichen Illustriertenpresse unterstützt. Das politisch<br />
offenere, parlamentarische System Frankreichs bot den Arbeiterparteien größere Möglichkeiten<br />
der gesetzgeberischen Gestaltung als das halbabsolutistische Regierungssystem<br />
des Deutschen Kaiserreichs. Ähnliche Bildberichte über Lebens- und Arbeitsverhältnisse ließen<br />
sich in den beiden führenden Illustrierten des Kaiserreichs, der Hamburger und der<br />
Leipziger „Illustrirten Zeitung“ nicht nachweisen.<br />
Die Bildberichterstattung der Illustration ging sogar noch weiter. Anlässlich der großen<br />
Arbeitskämpfe vor und nach 1890 und im Zusammenhang mit der von der „Großen Depression“<br />
ausgelösten Arbeitslosigkeit brachte die Zeitung ausführliche Bildberichte über das<br />
Elend der Pariser Armenviertel (siehe die Arbeitsküche eines Pariser Knopfdrehers). Ähnliche<br />
sozialkritische Bildserien kennen wir in Deutschland allenfalls in der bildenden Kunst z.<br />
B. von Käthe Kollwitz oder von Heinrich Zille, der für seine Zeichnung ebenfalls photographische<br />
Vorlagen benutzte. Dennoch fällt auf, dass der enge Zusammenhang von Streik und<br />
sozialdokumentarischer bzw. sozialkritischer Bildberichterstattung in den Printmedien Deutschlands<br />
bis 1914 offenbar kaum Nachahmung gefunden hat. 12<br />
Die Selbstdarstellung<br />
Wollte man dem verzerrten, tumulthaften Image des Streiks entgegenwirken, so blieb nur<br />
der Weg über andere Bilder, d. h. über eine dokumentarische Darstellung. Dies macht den<br />
11 Zwischen Fahrrad und Fließband dokumentiert die Bedeutung des Eiffelturms für die<br />
Kunstgeschichte.<br />
12 Pohl, Allegorie und Arbeiter, S. 128 ff.<br />
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