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Duch zakladatelů - Collegium Bohemicum

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aus dem benachbarten Tetschen. Bei einem meiner Besuche bei ihm in Maisons Laffitte bei Paris,<br />

meinte er, wir sollten ein bisschen im nahe gelegenen St. Germain en Laye spazieren gehen. Es<br />

war ein wunderschöner Spätsommertag. Auf der berühmten Terrasse des Schlosses angekommen,<br />

entschuldigte er sich, dass er mich an den Ort geführt hatte, an dem einst meine Niederlage<br />

besiegelt wurde. Als Pole, der das Wiedererstehen des polnischen Staates nach dem ersten<br />

Weltkrieg miterlebt hatte, gehörte er zu den Siegern. Aber eigentlich waren wir ein surreales Bild:<br />

Er, der Sieger von verblüffender physischer Ähnlichkeit mit dem Besiegten. Trotz seines Sieges<br />

hatte er dreimal seine immer neuen Heimaten endgültig verlassen müssen. Mir, dem Besiegten,<br />

hatte nur die Gnade der späten Geburt ein vergleichbares Schicksal erspart.<br />

Habe ich nicht recht mit dem Müllhaufen der Geschichte? Ich freue mich, mit so hoch<br />

gebildeten Menschen auf diesem Seminar zusammen sein zu können. Ich werde Sie noch<br />

vieles fragen.<br />

Mein Großvater Franz Thun sagte mir einmal, vielleicht nicht ganz frei von aristokratischem<br />

Hochmut: „Nationalität war eigentlich nicht unsere Sache, dass hat mehr die Leute<br />

beschäftigt. Wir haben dem österreichischen Staat und unserem Kaiser gedient“ Diese Einstellung<br />

wurde in St Germain endgültig und folgenreich korrigiert.<br />

Mein polnischer Schwiegervater erzählte mir, dass, als er nach einer schweren Verwundung<br />

im zweiten Weltkrieg irgendwo zwischen Rumänien und der heutigen Ukraine wieder<br />

zu sich gekommen war, er die örtlichen Bauern fragte, zu welcher Nation sie gehörten. Sie<br />

antworteten ihm: „Wir sind hiesige“. Danach fragte ich einen jungen polnischen Dominikanerpater,<br />

ob eine nationale Identität ein zwingender Bestandteil der menschlichen Person<br />

sei. Er sagte, ja, das sei so. Ich weiß nicht, ob er sein Theologiestudium schon abgeschlossen<br />

hatte. Ist Warschau nach den 14 Jahren, die ich dort lebe, und nirgendwo anders habe ich je<br />

so lange gelebt, meine Heimatstadt? Sie ist sicher die Heimatstadt meiner Kinder. Neulich<br />

fragte mich ein polnischer Arbeitskollege, ob meine Frau nicht in einem ständigen Loyalitätskonflikt<br />

lebe - einerseits als Polin, andererseits als Vertreterin der Europäischen Kommission<br />

in Polen. Ist Europa vor allem eine mentale Baustelle?<br />

Ich will die Leistungen der Nationenbildung und der nationalen Erweckung nicht in Frage<br />

stellen. Ohne diese Leistungen wären Demokratie, aktives Staatsbürgertum, soziale Emanzipation<br />

und Solidarität, wie wir sie heute in Europa erleben, kaum vorstellbar. Wurde aber<br />

damit nicht auch die Herausbildung eines Ideals, des ethnisch reinen Nationalstaats begünstigt?<br />

Insbesondere, wenn ich daran denke, was wir angerichtet haben, Lidice, Theresienstadt,<br />

um nur zwei Orte aus der hiesigen Gegend zu nennen, weiß ich, dass wir dieses Ideal<br />

nicht in andere Kontinente exportieren dürfen, wenn wir Blutbäder verhindern wollen. War<br />

die in St Germain und den anderen Pariser Vororten geschaffene Ordnung die beste für<br />

Europa? Und wenn nicht die beste, vielleicht die einzig mögliche? Ist das, was im westlichen<br />

Balkan passierte und passiert, die Vollendung dieser Ordnung? Wäre nicht der Weg der<br />

Schweiz eine Alternative gewesen- die Schweiz, die der Europäischen Union nicht beitreten<br />

muss, weil sie selbst schon eine Europäische Union ist, - im Kleinen.<br />

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