Seniorenpost 2009/2 - Stiftung Diakoniestation Kreuztal

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K Der Adventsausflug tischste überhaupt für die beiden Knaben war die elektrische Eisenbahn in einem der Schaufenster! Sie hatten sich bis nach vorne durchgedrängelt und von einer Sekunde auf die nächste waren sie aus den Augen ihrer Mutter verschwunden. Wenige Augenblicke hatten genügt und Johanna erschrak zu tiefst, als sie feststellte, ihre Kinder waren nicht mehr da. Sie stürzte in den Kaufhof: Nichts! Sie ging die Straße einige Meter zurück: Nichts. Nochmals hinein in das Kaufhaus: Vergeblich. Johanna bekam Angst. Vielleicht sind sie weiter den Berg hinuntergelaufen, dachte sie und ging langsam die Oberstadt hinunter, Richtung Kölner Tor, ihre Kinder mit den Augen suchend. Die hatten inzwischen genug von der Eisenbahn und erschraken nicht minder, als sie feststellten: Die Mama ist weg! Karl- Heinz tröstete den kleinen Bruder, der begonnen hatte zu weinen und er beschloss den Weg zurück zu verfolgen, den sie mit der Mutter gekommen waren, denn dort würde sie ja nach ihnen suchen. Er konnte nicht wissen, dass sich die Mutter genau für den entgegengesetzten Weg für ihre Suche entschieden hatte. Bald hatten sie den Kaisergarten wieder erreicht, der J immer noch nicht kaiserlicher geworden war. Was nun? Helden, die von Siegen fast bis nach Langenau gelau- Ratlos standen die beiden Kinder am Straßenrand. Da fiel fen waren. Und so sah es wohl auch Anton, der Vater, der Blick des Älteren auf die Schienen der Straßenbahn der seine Sorgen um die Kinder schnell vergessen hatte von Karl-Heinz Böhm und er teilte seinem kleinen Bruder freudestrahlend mit, dass er die Lösung ihres Problemes gefunden hatte: „Wir und ein um das andere Mal voller Stolz seine beiden Buben an sich drückte. Zwei Straßenbahnen später gehen immer neben den Schienen her, dann kommen wir kam auch Mutter Johanna. Auch sie ging von der Hal- wieder nach Hause!“. Und das taten sie dann auch. Es testelle die Hüttenstraße hinauf, aber für sie war es ein war ein langer Weg. In Weidenau, etwa in der Höhe des Spießrutenlauf. In jedem Fenster lagen die Menschen Kreiskrankenhauses , mussten sie sich mit einem Jungen und lachten und freuten sich und gratulierten ihr auch prügeln, der sie nicht vorbeilassen wollte. Karl-Heinz noch zu den zwei Rangen. Na die können was erleben, Langenau, im Dezember 1952, kurz vor Weihnachten. schwor später Stein und Bein, dass dieser Junge einige dachte sie nur noch und als sie das Haus erreichte, vor Johanna hatte ihre beiden Söhne, Karl-Heinz, sieben, und Hans-Dieter, fünf Jahre alt, „stadtfein“ zurechtge- Jahre danach sein Klassenkamerad im Fürst-Johann- dem ihr Mann, mit den beiden Jungen auf sie wartete, macht. Stadtfein stimmte im wortwörtlichen Sinne, denn sie wollte mit den beiden Kindern in die „Stadt“ Moritz-Gymnasium gewesen sei. Hand in Hand gingen tat sie etwas, was sie im gleichen Moment bereute: Sie fahren, die gängige Bezeichnung im Siegerland für Siegen. sie unverdrossen weiter. Johanna in Siegen war der Ver- gab ihrem Ältesten eine saftige Ohrfeige und begann zweiflung nahe. Polizei und Feuerwehr rieten noch zum zu weinen. Anton nahm sie in den Arm, tröstete sie und Die beiden Jungen waren aufgeregt, denn sie würden ten Fluß, aber der interessierte sich mehr dafür, was der Abwarten, bevor sie mit einer Suchaktion beginnen wür- drückte den kleinen Hans-Dieter an seinen Oberschen- mit der „Elektrischen“, der Straßenbahn fahren. Das war Fahrer der Straßenbahn in seinem Führerstand, mit Händen den. Aber Mütter haben einen sechsten Sinn. Als sie am kel. Karl-Heinz, der sich eben noch als Held gefühlt an sich schon ein Erlebnis und dann war da ja noch die und Füßen anstellte. Kaisergarten! Sie waren ausgestie- Kölner Tor stand, inzwischen waren fast zwei Stunden hatte, blickte verdutzt zu seiner weinenden Mutter auf vorweihnachtliche Wunderwelt der großen Stadt, oh ja, gen und Karl-Heinz war sehr enttäuscht. Ein riesiger, vergangen, kam eine Straßenbahn, die nach Kreuztal und aus einem ihm unerfindlichen Grund verzichtete das war schon ein Ereignis, das Kinderherzen in höchste grauer Luftschutzbunker, ein paar Bretterbuden und Ru- fuhr und sie kannte den Fahrer. „Robert achte mal un- er darauf laut loszubrüllen, was er bei jeder anderen Verzückung versetzen konnte. Beim Gasthof Kolb war inen zerbomter Häuser, das sollte nun der Kaisergarten terwegs auf zwei Jungen, die die meinen sein könnten. Gelegenheit gewiss getan hätte. In der Adventszeit ist die Haltestelle und die Mama löste drei Fahrkarten bis sein? Unglaublich. Sie waren mit der Mutter den Kampen Ich weiß nicht mehr was ich machen soll!“ Und Robert Karl-Heinz, bis er erwachsen wurde, nicht mehr nach zum Kaisergarten in Siegen. Karl-Heinz hatte das genau hochgelaufen. Auch hier noch überall Ruinen. Das Mari- Spenner achtete. In Dillnhütten, beim Gasthof Reuter Siegen gefahren. mitbekommen, wie er auch sonst unterwegs alles in sich enkrankenhaus war schon wieder aufgebaut, aber überall sah er zwei Jungen und er wusste: Das sind sie! Längst aufnahm, was die Fahrt zu bieten hatte. Das große Werk waren noch die Spuren des Krieges zu sehen. Die beiden war natürlich die Hüttenstraße in Langenau alamiert, von Achenbach in Buschhütten, ein paar Kilometer weiter die Hochöfen der Stahlwerke in Geisweid, nur wenige hundert Meter weiter, und viel näher zur Straße hin die Birlenbacher Hütte, auch mit ihren Hochöfen. Dann der Kirchturm von St. Josef in Weidenau, so unendlich hoch. Karl-Heinz war beeindruckt. Auch vom Kegel der riesigen Schlackenhalde, die der Volksmund Monte Schlacko getauft hatte. In Weidenau überquerte die Straßenbahn die Sieg und Karl-Heinz zeigte seinem Bruder den brei- 44 52 Unterhaltsames -Der - Der Adventsausflug Jungen konnten nicht wissen, wie schön Siegen vor dem Krieg gewesen war. Als sie die Oberstadt erreichten, nahm die Menge der Menschen, die mit ihnen unterwegs waren, beträchtlich zu und Johanna ermahnte ihre Jungen bei ihr zu bleiben und nicht wegzulaufen. Ständig blieben die beiden stehen, denn in den Schaufenstern der Läden lagen die Wunderdinge der ganzen Welt, von denen man in Langenau nur träumen konnte. Und dann kam der Kaufhof! Der Magnet in Siegen schlechthin, aber das magnedass die Kinder von Johanna in Siegen verschwunden seien. Den Vater der Kinder hatte man von der Arbeit geholt und der wartete voller Unruhe auf das was weiter werden würde. Nachdem der Straßenbahnfahrer die beiden Jungen in Langenau aus seiner Bahn gesetzt hatte fanden die sich plötzlich im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Auf den zweihundert Metern, die sie von der Haltestelle die Hüttenstraße hinaufgehen mussten, bis sie zu Hause waren, wurden aus den Ausreißern kleine A A KLÖÄ G Unterhaltsames - - Der Adventsausflug 45 53 F

K Der<br />

Adventsausflug<br />

tischste überhaupt für die beiden Knaben war die elektrische<br />

Eisenbahn in einem der Schaufenster! Sie hatten<br />

sich bis nach vorne durchgedrängelt und von einer Sekunde<br />

auf die nächste waren sie aus den Augen ihrer Mutter<br />

verschwunden. Wenige Augenblicke hatten genügt und<br />

Johanna erschrak zu tiefst, als sie feststellte, ihre Kinder<br />

waren nicht mehr da. Sie stürzte in den Kaufhof: Nichts!<br />

Sie ging die Straße einige Meter zurück: Nichts. Nochmals<br />

hinein in das Kaufhaus: Vergeblich. Johanna bekam Angst.<br />

Vielleicht sind sie weiter den Berg hinuntergelaufen, dachte<br />

sie und ging langsam die Oberstadt hinunter, Richtung<br />

Kölner Tor, ihre Kinder mit den Augen suchend. Die hatten<br />

inzwischen genug von der Eisenbahn und erschraken<br />

nicht minder, als sie feststellten: Die Mama ist weg! Karl-<br />

Heinz tröstete den kleinen Bruder, der begonnen hatte<br />

zu weinen und er beschloss den Weg zurück zu verfolgen,<br />

den sie mit der Mutter gekommen waren, denn dort würde<br />

sie ja nach ihnen suchen. Er konnte nicht wissen, dass<br />

sich die Mutter genau für den entgegengesetzten Weg für<br />

ihre Suche entschieden hatte.<br />

Bald hatten sie den Kaisergarten wieder erreicht, der J<br />

immer noch nicht kaiserlicher geworden war. Was nun? Helden, die von Siegen fast bis nach Langenau gelau-<br />

Ratlos standen die beiden Kinder am Straßenrand. Da fiel fen waren. Und so sah es wohl auch Anton, der Vater,<br />

der Blick des Älteren auf die Schienen der Straßenbahn der seine Sorgen um die Kinder schnell vergessen hatte<br />

von Karl-Heinz Böhm<br />

und er teilte seinem kleinen Bruder freudestrahlend mit,<br />

dass er die Lösung ihres Problemes gefunden hatte: „Wir<br />

und ein um das andere Mal voller Stolz seine beiden<br />

Buben an sich drückte. Zwei Straßenbahnen später<br />

gehen immer neben den Schienen her, dann kommen wir kam auch Mutter Johanna. Auch sie ging von der Hal-<br />

wieder nach Hause!“. Und das taten sie dann auch. Es testelle die Hüttenstraße hinauf, aber für sie war es ein<br />

war ein langer Weg. In Weidenau, etwa in der Höhe des Spießrutenlauf. In jedem Fenster lagen die Menschen<br />

Kreiskrankenhauses , mussten sie sich mit einem Jungen und lachten und freuten sich und gratulierten ihr auch<br />

prügeln, der sie nicht vorbeilassen wollte. Karl-Heinz noch zu den zwei Rangen. Na die können was erleben,<br />

Langenau, im Dezember 1952, kurz vor Weihnachten.<br />

schwor später Stein und Bein, dass dieser Junge einige dachte sie nur noch und als sie das Haus erreichte, vor<br />

Johanna hatte ihre beiden Söhne, Karl-Heinz, sieben, und Hans-Dieter, fünf Jahre alt, „stadtfein“ zurechtge-<br />

Jahre danach sein Klassenkamerad im Fürst-Johann- dem ihr Mann, mit den beiden Jungen auf sie wartete,<br />

macht. Stadtfein stimmte im wortwörtlichen Sinne, denn sie wollte mit den beiden Kindern in die „Stadt“<br />

Moritz-Gymnasium gewesen sei. Hand in Hand gingen tat sie etwas, was sie im gleichen Moment bereute: Sie<br />

fahren, die gängige Bezeichnung im Siegerland für Siegen.<br />

sie unverdrossen weiter. Johanna in Siegen war der Ver- gab ihrem Ältesten eine saftige Ohrfeige und begann<br />

zweiflung nahe. Polizei und Feuerwehr rieten noch zum zu weinen. Anton nahm sie in den Arm, tröstete sie und<br />

Die beiden Jungen waren aufgeregt, denn sie würden ten Fluß, aber der interessierte sich mehr dafür, was der<br />

Abwarten, bevor sie mit einer Suchaktion beginnen wür- drückte den kleinen Hans-Dieter an seinen Oberschen-<br />

mit der „Elektrischen“, der Straßenbahn fahren. Das war Fahrer der Straßenbahn in seinem Führerstand, mit Händen<br />

den. Aber Mütter haben einen sechsten Sinn. Als sie am kel. Karl-Heinz, der sich eben noch als Held gefühlt<br />

an sich schon ein Erlebnis und dann war da ja noch die und Füßen anstellte. Kaisergarten! Sie waren ausgestie-<br />

Kölner Tor stand, inzwischen waren fast zwei Stunden hatte, blickte verdutzt zu seiner weinenden Mutter auf<br />

vorweihnachtliche Wunderwelt der großen Stadt, oh ja, gen und Karl-Heinz war sehr enttäuscht. Ein riesiger,<br />

vergangen, kam eine Straßenbahn, die nach <strong>Kreuztal</strong> und aus einem ihm unerfindlichen Grund verzichtete<br />

das war schon ein Ereignis, das Kinderherzen in höchste grauer Luftschutzbunker, ein paar Bretterbuden und Ru-<br />

fuhr und sie kannte den Fahrer. „Robert achte mal un- er darauf laut loszubrüllen, was er bei jeder anderen<br />

Verzückung versetzen konnte. Beim Gasthof Kolb war inen zerbomter Häuser, das sollte nun der Kaisergarten<br />

terwegs auf zwei Jungen, die die meinen sein könnten. Gelegenheit gewiss getan hätte. In der Adventszeit ist<br />

die Haltestelle und die Mama löste drei Fahrkarten bis sein? Unglaublich. Sie waren mit der Mutter den Kampen<br />

Ich weiß nicht mehr was ich machen soll!“ Und Robert Karl-Heinz, bis er erwachsen wurde, nicht mehr nach<br />

zum Kaisergarten in Siegen. Karl-Heinz hatte das genau hochgelaufen. Auch hier noch überall Ruinen. Das Mari-<br />

Spenner achtete. In Dillnhütten, beim Gasthof Reuter Siegen gefahren.<br />

mitbekommen, wie er auch sonst unterwegs alles in sich enkrankenhaus war schon wieder aufgebaut, aber überall<br />

sah er zwei Jungen und er wusste: Das sind sie! Längst<br />

aufnahm, was die Fahrt zu bieten hatte. Das große Werk waren noch die Spuren des Krieges zu sehen. Die beiden<br />

war natürlich die Hüttenstraße in Langenau alamiert,<br />

von Achenbach in Buschhütten, ein paar Kilometer weiter<br />

die Hochöfen der Stahlwerke in Geisweid, nur wenige<br />

hundert Meter weiter, und viel näher zur Straße hin die<br />

Birlenbacher Hütte, auch mit ihren Hochöfen. Dann der<br />

Kirchturm von St. Josef in Weidenau, so unendlich hoch.<br />

Karl-Heinz war beeindruckt. Auch vom Kegel der riesigen<br />

Schlackenhalde, die der Volksmund Monte Schlacko<br />

getauft hatte. In Weidenau überquerte die Straßenbahn<br />

die Sieg und Karl-Heinz zeigte seinem Bruder den brei-<br />

44 52 Unterhaltsames -Der - Der Adventsausflug Jungen konnten nicht wissen, wie schön Siegen vor dem<br />

Krieg gewesen war. Als sie die Oberstadt erreichten,<br />

nahm die Menge der Menschen, die mit ihnen unterwegs<br />

waren, beträchtlich zu und Johanna ermahnte ihre Jungen<br />

bei ihr zu bleiben und nicht wegzulaufen. Ständig blieben<br />

die beiden stehen, denn in den Schaufenstern der Läden<br />

lagen die Wunderdinge der ganzen Welt, von denen man in<br />

Langenau nur träumen konnte. Und dann kam der Kaufhof!<br />

Der Magnet in Siegen schlechthin, aber das magnedass<br />

die Kinder von Johanna in Siegen verschwunden<br />

seien. Den Vater der Kinder hatte man von der Arbeit<br />

geholt und der wartete voller Unruhe auf das was weiter<br />

werden würde. Nachdem der Straßenbahnfahrer die beiden<br />

Jungen in Langenau aus seiner Bahn gesetzt hatte<br />

fanden die sich plötzlich im Mittelpunkt des allgemeinen<br />

Interesses. Auf den zweihundert Metern, die sie von der<br />

Haltestelle die Hüttenstraße hinaufgehen mussten, bis<br />

sie zu Hause waren, wurden aus den Ausreißern kleine<br />

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