Seniorenpost 2009/2 - Stiftung Diakoniestation Kreuztal

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Demenz von Bettina Eberbach –eb- Voller Unruhe und Sorge steht sie immer wieder auf, läuft umher, versucht sich zu orientieren und gibt immer wieder auf: „Ech verstoah nix.“ Auch der Tagesablauf ist ihr nicht erklärlich, immer wieder beginnt sie, Jacke und Pullover auszuziehen. Dann merkt sie, dass fremde Leute da sind, und zieht sich wieder an. Aber gelegentlich gelingt es den Betreuern und Betreuerinnen, ihr ein Lächeln oder gar ein Lachen ins Gesicht zu zaubern, wenn man gemeinsam singt, oder eine schöne Blüte anschaut, oder den Weg zu einer freudigen Erinnerung findet. Dann ist sie genauso schön, wie sie es als Mädchen war. An einem Tisch für sich sitzt mein alter Lehrer, den ich viele Jahre nicht gesehen und gesprochen habe. Viel habe ich ihm zu verdanken; er hat meine Liebe zur Musik, zur Literatur, meine Berufswahl mit beeinflusst. Nun kennt er mich nicht mehr. Er hat vergessen, dass er ein guter Musiker war. Er hat vergessen, dass er zig Schülergenerationen auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben begleitet 22 Aktuelles - Demenz - Ein Mensch geht - Ein Mensch geht „ Ihr mosst mich schwinn noa heim brenge, sost wern ich arig geschannt. Oos Babbe wird emmer so börs!“ So bittet die kleine, schmale Dame ihre Gesprächspartner immer mal wieder. Sie ist deutlich über achtzig Jahre alt, aber in ihrer Vorstellung ist sie ein kleines Mädchen, das sich vor dem strengen Vater fürchtet. hat. Aber er hat immer noch Sorge, dass etwas schief ist, nicht passt, nicht in Ordnung ist. Er will immer noch wissen, wie etwas funktioniert, wo die Linien verlaufen, wie die Dinge zusammenhängen. Er bemüht sich, er forscht, er untersucht die Dinge in seinem Bereich. Ob es Fensterbeschläge oder Steckverbindungen oder Zaunlatten oder Wegeplatten sind - alles interessiert ihn, alles inspiziert er und alles ist immer wieder neu. Auch ein bisschen eitel ist er immer noch, er streicht sich ordnend über das jetzt weiße Haar, er rückt sein Käppi zurecht, er will nicht zuviel essen, damit er nicht dick wird. Diese beiden Menschen sind dement. Sie haben große Teile ihrer Erinnerungen verloren. Sie können nicht mehr logisch denken, sie sind in Raum und Zeit und in Bezug auf die eigene Person nicht mehr richtig orientiert. Das macht ihr Leben schwierig. Und das macht das Leben ihrer Angehörigen schwierig. Aber das Menschsein, das Wunderbare und Einzigartige eines jeden einzelnen Menschen bleibt auch in der Krankheit erhalten. Demenzkranke Menschen sind genauso verschieden wie gesunde Menschen. Bei jedem Einzelnen zeigt sich eine andere Facette. Manchmal verstärken sich Charakterzüge. Manchmal verändert sich der Charakter sehr stark. Manche Kranke hören auf zu sprechen, manche ersetzen die Worte durch rythmische Töne, die an Bellen oder Husten erinnern. Manche reden viel und gern, aber der Gesprächspartner versteht den Sinn nicht. Manche werden heiter und gelassen, andere bemerken ihren Verfall und sind tief deprimiert. Manche reagieren mit Wut und Gegenwehr auf ihre Unsicherheit, auf das zunehmende Fremdwerden der Umgebung. Ursachen für die Krankheit gibt es mehrere. Allen Krankheitsbildern gemeinsam ist, dass es keine Heilung gibt. Die Zerstörungen des Gehirns sind nicht umkehrbar. Und es ist eine Krankheit der Alten. Je mehr Menschen sehr alt werden, desto mehr Menschen werden dement. Menschen unter 60 Jahren erleiden nur sehr selten demenzielle Veränderungen. Bei den über 90jährigen ist es fast die Hälfte, die an Demenz leidet. Also gilt: Mit dem Alter steigt das Risiko einer Demenzerkrankung. Mit etwas Hilfe und Entlastung Aber auch mit einer Demenz gibt es frohe, helle, heitere Momente und Tage. Mit etwas Hilfe von kundigen Menschen kann es den Angehörigen gelingen, die Krankheit zu akzeptieren, den Alltag verträglich zu gestalten. Und mit gelegentlicher Entlastung durch Fachdienste wird es in vielen Fällen möglich, dass der Mensch mit Demenz lange in seinem vertrauten Umfeld bleiben kann und nicht in ein Pflegeheim umziehen muss. Für die Kreuztalerinnen und Kreuztaler gibt es Wege der Unterstützung für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz: Stundenweise Betreuung zu Hause und damit Entlastung für die Angehörigen durch auszeit-Entlastungsdienst e.V. Kontakt über die Einsatzleiterin Cornelia Hillnhütter, Telefon 02732/ 97 41 600 Stundenweise Betreuung im Demenzcafé (ab Januar 2010) in der Seniorenwohnanlage Ernsdorfstraße 2, 57223 Kreuztal, über die Diakoniestation – Telefon 02732/ 1026. Stunden- und tageweise Betreuung in Einrichtungen der Tagespflege, z.B. im Tagespflegehaus Eremitage Eremitage 9, 57234 Wilnsdorf Telefon 0271 / 39121 Tagespflegezentrum Freudenberg Bahnhofstraße 84 57258 Freudenberg Telefon 02734/ 4389941 Alle Angebote werden von qualifizierten Kräften durchgeführt. Die Helferinnen und Helfer sind besonders für den wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz geschult und qualifiziert. Weitere Informationen gibt es bei der Senioren-Service- Stelle der Stadt Kreuztal, Helga Rother, Zimmer 23 im Rathaus, Telefon 51-314. Aktuelles - Demenz - Ein Mensch geht 23

Demenz<br />

von Bettina Eberbach –eb-<br />

Voller Unruhe und Sorge steht sie immer wieder auf,<br />

läuft umher, versucht sich zu orientieren und gibt immer<br />

wieder auf: „Ech verstoah nix.“ Auch der Tagesablauf ist<br />

ihr nicht erklärlich, immer wieder beginnt sie, Jacke und<br />

Pullover auszuziehen. Dann merkt sie, dass fremde Leute<br />

da sind, und zieht sich wieder an. Aber gelegentlich gelingt<br />

es den Betreuern und Betreuerinnen, ihr ein Lächeln<br />

oder gar ein Lachen ins Gesicht zu zaubern, wenn man<br />

gemeinsam singt, oder eine schöne Blüte anschaut, oder<br />

den Weg zu einer freudigen Erinnerung findet. Dann ist<br />

sie genauso schön, wie sie es als Mädchen war.<br />

An einem Tisch für sich sitzt mein alter Lehrer, den ich<br />

viele Jahre nicht gesehen und gesprochen habe. Viel habe<br />

ich ihm zu verdanken; er hat meine Liebe zur Musik, zur Literatur,<br />

meine Berufswahl mit beeinflusst. Nun kennt<br />

er mich nicht mehr. Er hat vergessen, dass er ein guter<br />

Musiker war. Er hat vergessen, dass er zig Schülergenerationen<br />

auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben begleitet<br />

22 Aktuelles - Demenz - Ein Mensch geht<br />

- Ein Mensch geht<br />

„ Ihr mosst mich schwinn noa heim brenge, sost wern ich arig geschannt. Oos Babbe wird emmer so börs!“ So<br />

bittet die kleine, schmale Dame ihre Gesprächspartner immer mal wieder. Sie ist deutlich über achtzig Jahre<br />

alt, aber in ihrer Vorstellung ist sie ein kleines Mädchen, das sich vor dem strengen Vater fürchtet.<br />

hat. Aber er hat immer noch Sorge, dass etwas schief ist,<br />

nicht passt, nicht in Ordnung ist. Er will immer noch wissen,<br />

wie etwas funktioniert, wo die Linien verlaufen, wie die<br />

Dinge zusammenhängen. Er bemüht sich, er forscht, er<br />

untersucht die Dinge in seinem Bereich. Ob es Fensterbeschläge<br />

oder Steckverbindungen oder Zaunlatten oder<br />

Wegeplatten sind - alles interessiert ihn, alles inspiziert<br />

er und alles ist immer wieder neu. Auch ein bisschen eitel<br />

ist er immer noch, er streicht sich ordnend über das jetzt<br />

weiße Haar, er rückt sein Käppi zurecht, er will nicht zuviel<br />

essen, damit er nicht dick wird.<br />

Diese beiden Menschen sind dement.<br />

Sie haben große Teile ihrer Erinnerungen verloren. Sie<br />

können nicht mehr logisch denken, sie sind in Raum und<br />

Zeit und in Bezug auf die eigene Person nicht mehr richtig<br />

orientiert. Das macht ihr Leben schwierig. Und das<br />

macht das Leben ihrer Angehörigen schwierig.<br />

Aber das Menschsein, das Wunderbare und Einzigartige<br />

eines jeden einzelnen Menschen bleibt auch in der Krankheit<br />

erhalten. Demenzkranke Menschen sind genauso<br />

verschieden wie gesunde Menschen. Bei jedem Einzelnen<br />

zeigt sich eine andere Facette. Manchmal verstärken<br />

sich Charakterzüge. Manchmal verändert sich der Charakter<br />

sehr stark. Manche Kranke hören auf zu sprechen,<br />

manche ersetzen die Worte durch rythmische Töne, die<br />

an Bellen oder Husten erinnern. Manche reden viel und<br />

gern, aber der Gesprächspartner versteht den Sinn nicht.<br />

Manche werden heiter und gelassen, andere bemerken<br />

ihren Verfall und sind tief deprimiert. Manche reagieren<br />

mit Wut und Gegenwehr auf ihre Unsicherheit, auf das<br />

zunehmende Fremdwerden der Umgebung.<br />

Ursachen für die Krankheit gibt es mehrere. Allen Krankheitsbildern<br />

gemeinsam ist, dass es keine Heilung gibt.<br />

Die Zerstörungen des Gehirns sind nicht umkehrbar. Und<br />

es ist eine Krankheit der Alten. Je mehr Menschen sehr<br />

alt werden, desto mehr Menschen werden dement. Menschen<br />

unter 60 Jahren erleiden nur sehr selten demenzielle<br />

Veränderungen. Bei den über 90jährigen ist es fast<br />

die Hälfte, die an Demenz leidet. Also gilt: Mit dem Alter<br />

steigt das Risiko einer Demenzerkrankung.<br />

Mit etwas Hilfe und Entlastung<br />

Aber auch mit einer Demenz gibt es frohe, helle, heitere<br />

Momente und Tage. Mit etwas Hilfe von kundigen Menschen<br />

kann es den Angehörigen gelingen, die Krankheit<br />

zu akzeptieren, den Alltag verträglich zu gestalten. Und<br />

mit gelegentlicher Entlastung durch Fachdienste wird es<br />

in vielen Fällen möglich, dass der Mensch mit Demenz<br />

lange in seinem vertrauten Umfeld bleiben kann und<br />

nicht in ein Pflegeheim umziehen muss.<br />

Für die <strong>Kreuztal</strong>erinnen und <strong>Kreuztal</strong>er gibt es Wege der<br />

Unterstützung für pflegende Angehörige von Menschen<br />

mit Demenz:<br />

Stundenweise Betreuung zu Hause und damit Entlastung<br />

für die Angehörigen durch auszeit-Entlastungsdienst e.V.<br />

Kontakt über die Einsatzleiterin Cornelia Hillnhütter,<br />

Telefon 02732/ 97 41 600<br />

Stundenweise Betreuung im Demenzcafé (ab Januar 2010)<br />

in der Seniorenwohnanlage Ernsdorfstraße 2, 57223 <strong>Kreuztal</strong>,<br />

über die <strong>Diakoniestation</strong> – Telefon 02732/ 1026.<br />

Stunden- und tageweise Betreuung in Einrichtungen der<br />

Tagespflege, z.B. im<br />

Tagespflegehaus Eremitage<br />

Eremitage 9,<br />

57234 Wilnsdorf<br />

Telefon 0271 / 39121<br />

Tagespflegezentrum Freudenberg<br />

Bahnhofstraße 84<br />

57258 Freudenberg<br />

Telefon 02734/ 4389941<br />

Alle Angebote werden von qualifizierten Kräften durchgeführt.<br />

Die Helferinnen und Helfer sind besonders für<br />

den wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz<br />

geschult und qualifiziert.<br />

Weitere Informationen gibt es bei der Senioren-Service-<br />

Stelle der Stadt <strong>Kreuztal</strong>,<br />

Helga Rother, Zimmer 23 im Rathaus, Telefon 51-314.<br />

Aktuelles - Demenz - Ein Mensch geht 23

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