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5.Chemnitzer Textilmaschinentagung - Cetex Institut für Textil

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Seite 284 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

6.5 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen<br />

klimaaktiven Sitzmodulen <strong>für</strong> behindertengerechte<br />

Sitze<br />

Referent: Dr.-Ing. Dietrich Kresse,<br />

Dipl.-Ing. Matthias Horn, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernhard Wielage,<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Konstruktion und Verbundbauweisen, Chemnitz,<br />

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Heinrich, Dipl.-Ing. Bert Böhme,<br />

<strong>Cetex</strong> <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Textil</strong>- und Verarbeitungsmaschinen<br />

gemeinnützige GmbH, Chemnitz,<br />

Dipl.-Ing. Henrik Dommes, Faserinstitut Bremen<br />

1 Einleitung<br />

Es ist bekannt, dass in einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, in welcher<br />

an vielen Stellen zusätzlich immer mehr individuelle Mobilität verlangt wird, das<br />

relativ passive Sitzen eines Menschen in Fahrzeugen, Büros aber auch an Spezialarbeitsplätzen<br />

wie zum Beispiel in Großraumbaggern oder Krananlagen gezwungenermaßen<br />

immer mehr zur bevorzugten Körperhaltung wird.<br />

Entsprechend entwickeln sich Ansprüche, Sitzfunktionen, Sitzkonzepte und die notwendigen<br />

Technologien der Herstellung in den verschiedensten Anwendungsbereichen<br />

immer weiter. Das fast grundsätzlich bei einer technischen Weiterentwicklung<br />

auftretende Spannungsfeld zwischen Funktionsvielfalt, Funktionskomplexität und<br />

dem da<strong>für</strong> notwendigen Bauteilgewicht, gewinnt daher auch im Bereich moderner<br />

Sitze immer mehr an Bedeutung. Dabei ist die konkrete Ausprägung dieses Spannungsfeldes<br />

von Anwendung zu Anwendung verschieden. Die Aufgabe, optimale ergonomische<br />

Eigenschaften und eine möglichst große Überlastsicherheit bei möglichst<br />

geringem Strukturgewicht darzustellen, bleibt aber in allen Fällen im Wesentlichen<br />

gleich.<br />

Die Verfügbarkeit an Energieressourcen hält diesen wachsenden Ansprüchen heute<br />

schon und in naher Zukunft erst recht nicht stand. Aus diesem Hauptgrund und auch<br />

wegen der globalen Notwendigkeit, die beim Treibstoffverbrauch anfallenden Schadstoffemissionen<br />

zu reduzieren, sind zum Beispiel neue Konzepte <strong>für</strong> ultraleichte, im<br />

Einsatz energiesparende komfortable und individuell angepasste serientaugliche Sitze<br />

in Fahrzeugen aller Arten von größtem Interesse. [1] [2] [3]<br />

2 Stand der Technik<br />

2.1 Fahrzeugsitze allgemein<br />

Renommierte Sitzhersteller befassen sich infolge einer zu erwartenden Nachfrage<br />

immer intensiver speziell mit der Entwicklung von sehr leichten aber festen und steifen<br />

Fahrzeugsitzen. Bisherige Sitzkonzepte <strong>für</strong> Sitze allgemein sind abgesehen von<br />

Ansätzen in der Flugzeugindustrie und der Raumfahrt zu schwer, zu teuer, nicht auf<br />

individuelle Ansprüche angepasst, besitzen nur ungenügende klimaphysiologische<br />

Eigenschaften und keine ausreichenden Komfortbedingungen. In den unterschiedlichsten<br />

Bereichen der Fahrzeugindustrie besteht ein dringender Bedarf an innovativen<br />

Sitzen, insbesondere hinsichtlich Leichtbaus, Ergonomie und ökonomischer<br />

Herstellung. Faserverbundbauweisen bieten dazu viele Möglichkeiten. Bekannte<br />

Technologien <strong>für</strong> komplexe Baugruppen aus faserverstärkten Kunststoffen, FVK, sind


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 285<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

nur unzureichend <strong>für</strong> Serien oder Großserien geeignet. Dadurch leitet sich ein erheblicher<br />

und weiter wachsender Kostendruck auf die Sitzhersteller ab, und es entstehen<br />

bei der Produktion von Sitzen und deren Komponenten hohe Zielanforderungen.<br />

Auf dem Gebiet der Sitzherstellung hat in den letzten 20 Jahren kein Entwicklungssprung<br />

stattgefunden. Bisher nehmen insbesondere die Fortschritte in der Materialtechnik<br />

und bei den Fertigungsverfahren von Faserverbundwerkstoffen und textilen<br />

Halbzeugen als Grundmaterial <strong>für</strong> Verbundwerkstoffe und als Polsterungs- und Bezugsmaterial<br />

einen sehr geringen Einfluss auf faserverstärkte Fahrzeugsitze, so dass<br />

diese zu schwer, unbequem und in Fertigung und Montage zu kostenintensiv sind. [1]<br />

[2] [3]<br />

2.1.1 Behindertengerechte Sitze<br />

Im Besonderen gilt das passive Sitzen eines Menschen <strong>für</strong> behinderte Kinder, die<br />

sowohl auf fremde Hilfe als auch auf ein beschwerdefreies körpergerechtes und komfortables<br />

Sitzen in einem behindertengerechten Kindersitz angewiesen sind.<br />

Abb. 1: Sitzsystem EASyS - multifunktional und ergonomisch anpassbar [4]<br />

Abb. 1 zeigt aus dem Stand der Technik zwei multifunktional und ergonomisch anpassbare<br />

Kindersitze, das Sitzsystem EASyS der Firma Thomas GmbH, welche als<br />

Ausgangsprodukte <strong>für</strong> die Projektarbeiten dienten.<br />

Ein bisheriger Behindertensitz besteht in seiner Rahmenkonstruktion aus Metallprofilen<br />

und Blechen <strong>für</strong> Sitzflächen, Lehne, Fuß- und Kopfstütze. Im Sitzbereich gibt es<br />

vielfältige Einstellungsmöglichkeiten. Dazu gehören die Variation der Sitzlänge durch<br />

zwei aufeinander liegende Bleche, die Variation der Sitzbreite über Verschieben der<br />

Seitenführungs-Winkel und die Variation der Längslage der Seitenführung. Weiter<br />

sind Länge und Winkel der Lehne, Höhe und Winkel der Fußstütze und Lage der<br />

Kopfstütze einstellbar. Über einen Adapter mit mechanischem Klinkenverschluss wird<br />

der Sitz auf einem fahrbaren Untersatz lösbar und fest verbunden.<br />

2.1.2 Aufgabenstellung<br />

Die Aufgabe war, optimale ergonomische Eigenschaften und eine möglichst große<br />

Überlastsicherheit bei möglichst geringem Strukturgewicht <strong>für</strong> die wesentlichen Sitzmodule<br />

zu entwickeln, herzustellen und in einem Funktionsmuster zu testen. Faserverbundkunststoffe<br />

(FVK) bieten dazu viele Möglichkeiten. Bekannte Fertigungstechnologien<br />

<strong>für</strong> komplexe Baugruppen aus FVK sind bedingt durch den hohen personellen<br />

Einsatz unzureichend <strong>für</strong> Großserien geeignet. Der erhebliche Kostendruck erfordert<br />

neue Fertigungstechnologien zur Erstellung von FVK.


Seite 286 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Ziel der Forschungsarbeit war damit, die Entwicklung ultraleichter ergonomischer<br />

klimaaktiver Module <strong>für</strong> Sitze, die zunächst im Bereich der Pädiatrie eingesetzt werden<br />

sollen. Die Sitzmodule sind unter Verwendung von technischen <strong>Textil</strong>ien und<br />

Verbundwerkstoffen herzustellen, da in diesem Bereich das größte Potential in Bezug<br />

auf eine Gewichtseinsparung besteht.<br />

3 Projektpartner<br />

Für einen neuartigen Leichtbau-Sitz sind materialspezifisch unterschiedliche ultraleichte<br />

Sitzmodule notwendig. Zwecks ergonomischer Optimierung und erheblicher<br />

Komfortsteigerungen des Sitzes wurden in einem branchenübergreifenden Verbundprojekt<br />

neue ultraleichte FVK-Sitzmodule von den Projektpartnern Faserinstitut Bremen,<br />

Fibre, dem <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Konstruktion und Verbundbauweisen, KVB, in Chemnitz<br />

als Projektkoordinator und leichte klimaaktive Platz sparende abgepasst herzustellende<br />

textile Abstandsgewirke als Sitzpolster von dem <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Textil</strong>- und Verarbeitungsmaschinen<br />

gemeinnützige GmbH, CETEX, in Chemnitz und der Firma Spitzen<br />

und Gardinen, Spiga, in Falkenau entwickelt, hergestellt und lösbar befestigt.<br />

Praktische Anwendung finden die neu zu entwickelnden Sitzmodule und Polsterelemente<br />

in einem Funktionsmuster auf Basis der in Abb. 1 dargestellten Sitze des Sitzsystems<br />

EASyS der Fa. Thomas Technik, ebenfalls Projektpartner und fachlicher<br />

Koordinator <strong>für</strong> die durch den Markt bestimmten Festlegungen zur Anforderungsliste.<br />

4 Präzisierung der Aufgaben / Entwicklungskonzept<br />

Im Projekt wurde ein neues Sitzkonzept entwickelt, welches unter Einsatz von Faserverbundwerkstoffen<br />

und neuartigen <strong>Textil</strong>ien einen größtmöglichen Komfort, beste<br />

klimaphysiologische Eigenschaften bei geringem Gewicht bietet und den Anforderungen<br />

sowohl aus Sicht der Pädiatrie als auch der Herstellbarkeit des potentiellen<br />

Sitzherstellers Thomas Technik entsprechen sollte.<br />

Folgende Anforderungen gelten <strong>für</strong> die Faserverbundbauteile:<br />

• ähnliche Steifigkeit und Festigkeit wie Referenz-Original-Bauteile,<br />

• hohe Verschleißbeständigkeit,<br />

• geringeres Strukturgewicht als bisherige Komponenten,<br />

• geringere Montagezeit als Standard-Bauteile,<br />

• keine Erhöhung der Fertigungskosten und<br />

• nur geringfügige Geometrieänderungen der Bauteilstruktur.<br />

FVK-Bauteile als ultraleichte Module des behindertengerechten Sitzes<br />

Für das KVB wurden zur Entwicklung bestimmt:<br />

• die verstellbare Sitzplatte als eigentliche Sitzfläche,<br />

• eine linke und rechte Seitenführung,<br />

• die Kopfstütze,<br />

• die Fußstütze und<br />

• die Rohrkonstruktion des Untergestelles.


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 287<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Für das Fibre wurden zur Entwicklung bestimmt:<br />

• der Rahmen <strong>für</strong> die Rückenlehne und<br />

• der Sitzadapter.<br />

Sitzpolstermodule als ultraleichte Module des behindertengerechten Sitzes<br />

Für CETEX und Spiga wurden zur Entwicklung bestimmt:<br />

• die ultraleichten klimaaktiven Sitzpolstermodule.<br />

5 Konstruktion ultraleichter FVK-Sitzmodule<br />

5.1 Sitzfläche mit Masseeinsparung von 443 g<br />

Von der bisherigen Sitzflächenkonzeption ist in Abb. 2 das CAD-Modell gezeigt. Das<br />

verwendete Blechmaterial ist Aluminium mit einer Wandstärke von ca. 2 bis 3 mm.<br />

Damit sind die Teile steif und besitzen eine ungenügende Federwirkung. Diese ist<br />

ausschließlich von der Polsterung zu erbringen. Subjektiv hinterlässt der Sitz einen<br />

stabilen, aber auch schweren unbequemen Eindruck.<br />

Abb. 2: Sitzkonstruktion des bisherigen Sitzes links, ein neuer Entwurf rechts<br />

Die Blechteile sind eben, teilweise abgewinkelt ausgeführt und ermöglichen so das<br />

Verschieben. Die Entwicklung von belastungsgerecht gestalteten Leichtbauteilen<br />

führt über die Erfassung der zu ertragenden Belastungen, den Analysevergleich der<br />

bisherigen Sitzmodule mit neuen Konstruktionsentwürfen, wie zum Beispiel <strong>für</strong> die<br />

Sitzflächenkonstruktion in Abb. 2 links des bisherigen Sitzes mit einem neuen Entwurf<br />

rechts im Bild, die Dimensionierung mit Entwurfsrechnungen, die Nachrechnung<br />

mit einem schrittweise angenäherten Finite-Elemente-Modell, FEM, zur Konstruktion<br />

des Werkzeuges und letztlich zur Herstellung des Bauteiles, zum Beispiel einer GFK-<br />

Blattfeder, wie es Abb. 3 links, in der Mitte und rechts zeigt.<br />

Abb. 3: CAD-Modell, FEM-Modell und Muster einer GFK-Blattfeder


Seite 288 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Das Muster einer mit GFK-Blattfedern konzipierten Sitzfläche wurde hergestellt und<br />

vom <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung,<br />

IGAP, in Bremervörde getestet. Danach bewirkt die Zweiteilung der Sitzfläche<br />

einen Kippeffekt. Dieser kann unerwünschte Fehlhaltungen des Körpers beim<br />

Patienten verstärken. Im Ergebnis entsprachen die möglichen Bewegungen, welche<br />

ein Proband beim Sitzen auf dieser mit GFK-Blattfedern gelagerten Sitzfläche ausführen<br />

konnte, nicht der Bewegungsfreiheit, die <strong>für</strong> eine unbewusste mikrostimulierende<br />

Wirkung auf die kleine Wirbelsäulenmuskulatur eines behinderten Kindes notwendig<br />

ist, damit dieses Kind 12 Stunden und länger mit einem therapeutischen<br />

Wohlfühl-Effekt sitzen kann. Behinderte Kinder sind zum Teil nicht in der Lage, ihren<br />

Körper bewusst aufrecht zu halten.<br />

Abb. 4: CAD-Modell der CFK-Sandwich-Sitzplatte mit Gummifederung<br />

In Auswertung dieser Erfahrungen wurde das in Abb. 4 gezeigte räumlich beweglichere<br />

Gummi-Feder-System gesucht und ausgewählt, welches mit jeweils einem<br />

Gummifeder-Schwingelement an den Sitzflächenecken die gewünschte Beweglichkeit<br />

erlaubt. Das in Abb.5 dargestellte Sitzplattenmuster wurde nach den genannten<br />

Kriterien getestet, <strong>für</strong> ein mikrostimulierendes Sitzen positiv bewertet und in die<br />

Konstruktion des Labormusters mit einer Masseeinsparung von 443 g integriert.<br />

5.2 linke und rechte Seitenführung mit Masseeinsparung von 266 g<br />

Die im Originalsitz als flache 3 mm dicke Aluminiumbleche ausgeführten Seitenführungen<br />

wurden, wie Abb. 5 links zeigt, ersetzt durch CFK-Teile, 1 mm dicke 3D-<br />

Schalen mit umlaufendem Rand und tiefer gelegten Langlöchern modelliert und hergestellt.<br />

Diese sind bei notwendiger Steifigkeit ca. 266 g leichter. In Abb. 5 rechts<br />

sind diese verschieb- und justierbar an dem Sitzmodul befestigt.<br />

Abb. 5: CFK-Seitenführungen und CFK-Sandwich-Sitzplatte mit Gummifederung


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 289<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

5.3 Kopfstütze mit Masseeinsparung von 483 g<br />

Das Leichtbaukonzept <strong>für</strong> die Kopfstütze baut auf vereinfachten Verstell- und Halteelementen<br />

auf, welche durch die höheren Festigkeiten faserverstärkter Leichtbauteile<br />

sowohl größere Klemmkräfte als auch größere Stützbelastungen in einem Crashfall<br />

sichern siehe Abb. 6. Die Trägerplatte des Schaumpolsters zur Abstützung des Kopfes<br />

ist aus einer hochfesten ausgeformten CFK-Schaum-Sandwich-Struktur, wie es<br />

Abb. 6 in der Mitte zeigt. Dabei tragen der CFK-Werkstoff, die Bauteilstruktur und die<br />

spezifischen Festigkeiten mit geringer Dichte und hoher Festig- und Steifigkeit zum<br />

ultraleichten Bauteilkonzept und einer Masseeinsparung von 483 g bei. Abb. 6 zeigt<br />

rechts die komplette CFK-Kopfstütze am Sitzrahmen montiert.<br />

Abb. 6: Kopfstütze als CAD-Modell links, CFK-Schaum-Kopfstütze Mitte und rechts<br />

5.4 Fußstütze mit Masseeinsparung von 348 g<br />

Besonders im Hinblick auf den Missbrauchslastfall, bei dem der Benutzer mit vollem<br />

Körpergewicht auf der Vorderkante der Fußstütze steht, ist es erforderlich, dass die<br />

Fußstütze eine stabile und zuverlässige Kraftaufnahme garantiert. Belastungsgerecht<br />

ist die Fußstütze in Hybridbauweise entwickelt, wobei die Integration eines 2 mm dicken<br />

abgewinkelten Aluminium-Einlegeteiles, in Abb. 7 links schwarz dargestellt, der<br />

Krafteinleitung in die Faserverbundschale dient. Zwecks Massereduktion ist die<br />

Schale in Sandwich-Bauweise ausgeführt. Die Deckschichten weisen eine Dicke von<br />

jeweils 0,5 mm auf, der Schaumkern 2 mm. Im Bereich der Metallbügel wird das<br />

Kernmaterial ausgespart. Auf diese Weise lässt sich eine gleichbleibende Wandstärke<br />

erreichen. In Abb. 7 ist links das CAD-Modell und rechts eine hergestellte und bereits<br />

im Sitzgestell montierte Fußstütze zu sehen. Die Möglichkeiten zur Optimierung<br />

der Bauteilstruktur sind mit der realisierten Masseneinsparung von 348 g nicht vollständig<br />

ausgeschöpft.<br />

Abb. 7: Fußstütze in CFK-Alu-Hybridbauweise, links CAD-Modell, rechts als Bauteil montiert


Seite 290 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

5.5 Rohrkonstruktion des Untergestelles mit Masseeinsparung von 324 g<br />

Die aus Stahl bestehenden Verbindungsrohre des Original-Untergestells beinhalten<br />

ein erhebliches Leichtbaupotential. Deshalb wurden sie in die Untersuchungen einbezogen.<br />

Das Ergebnis ist die Substitution von Stahl durch CFK in Form von pultrudierten<br />

CFK-Rohren mit identischen Abmessungen. Es konnten bei Einhaltung der<br />

notwendigen Stabilität ca. 324 g eingespart werden. Das in Abb. 8 dargestellte Untergestell<br />

des Sitzes besteht jetzt aus zwei spritzgegossenen Kunststoffteilen, welche<br />

durch zwei pultrudierte CFK-Rohre verbunden sind und so die Stabilität des Untergestells<br />

garantieren.<br />

Abb. 8: Rohrkonstruktion des Untergestells mit CFK-Verbindungsrohren<br />

5.6 Fazit <strong>für</strong> die FVK-Bauteile des KVB<br />

Die durch konsequenten Strukturleichtbau erreichte Masseeinsparung der einzelnen<br />

FVK-Sitzmodule des KVB sind in Tabelle 1 aufgelistet. In Summe konnten mit den in<br />

Tabelle 1 vorgestellten Sitzmodulen 1.864 g Masse eingespart werden.<br />

Tabelle 1: Masseeinsparung durch ultraleichte FVK-Sitzmodule<br />

Sitzmodul Masse [g] - alt Masse [g] - neu Masseeinsparung [g]<br />

Sitzplatten 664 221 443<br />

Seitenführung 2mal 174 2mal 41 266<br />

Kopfstütze 786 303 483<br />

Fußstütze 1023 675 348<br />

Verbindungsrohre 2mal 205 2mal 43 324<br />

Gesamtmasse 3.231 1.367 1.864<br />

5.6.1 Rohrrahmen <strong>für</strong> die Rückenlehne mit Masseeinsparung von 180 g = 50%<br />

Zur Fertigung einer Sitzstruktur aus FVK ist besonders im Lehnenbereich die Schalenbauweise<br />

optimal. Wegen der vom Sitzhersteller Thomas Technik gestellten Anforderungen<br />

musste jedoch die Sitzstruktur der bisherigen Rahmenbauweise entsprechend<br />

entwickelt und hergestellt werden. Bei Beachtung der hauptsächlichen<br />

Bewertungskriterien Gewicht und Kosten kommen <strong>für</strong> den Rahmen vier Herstellmöglichkeiten<br />

mit unterschiedlichen Faserhalbzeugen in Betracht:<br />

• das Pultrusionsverfahren mit Triaxialgelege,<br />

• das Schlauchblasverfahren mit Flechtschlauch,<br />

• die Langfaserextrusion mit Rovings und<br />

• das Spritzgießen von langfaserverstärktem Thermoplast (LFT) mit anschließender<br />

Wasserinjektionstechnik (WIT)


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 291<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Aufgrund fehlender Belastungsdaten bei einer Unfallsituation konnte kein Lastszenario<br />

der einzelnen Sitzelemente und im Besonderen des Rahmens mit FEM-Analyse<br />

erstellt und ebenso keine Aussage über Potenziale und Sicherheiten getroffen werden.<br />

Der Standard-Sitz wird in einem Crash-Test geprüft, siehe Abb. 9. Die Geschwindigkeit<br />

beträgt hierbei 14 m/s und die negative Beschleunigung 235 m/s². Es<br />

werden die Belastungen auf einen Dummy und nicht die wirkenden Kräfte auf den<br />

Sitz gemessen. Der Sitz hat den Test bestanden, wenn der Dummy keine schweren<br />

Schäden aufweist und sich keine Teile schwerer als 100 g vom Sitz lösen.<br />

Abb. 9: Sitz mit Dummy vor dem Crash-Test links und danach rechts<br />

Abb. 10 zeigt links den Entwurf und rechts das fertige CFK-Bauteil des Rahmens im<br />

Schlauchblasverfahren. Die eingezeichneten Gelenkwinkel werden im Werkzeug positioniert<br />

und über bei der Harzinjektion mit dem Rahmen verklebt. Eine zusätzliche<br />

Vernietung ist nicht erforderlich. Die Masseeinsparung beträgt mit 180 g = 50 % des<br />

Originalgewichtes von 360 g.<br />

Gelenkwinkel Gelenkwinkel<br />

Abb. 10: Prototypenrahmen <strong>für</strong> den Ultra-Sitz, CAD-Entwurf links, CFK-Bauteil rechts


Seite 292 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

5.6.2 Sitzadapter mit Masseeinsparung von 610 g = 63 %<br />

Der fasergerecht konstruierte Sitzadapter aus Organoblechen in Abb. 11 rechts hat<br />

ein gegenüber dem Originalteil links im Bild ein geändertes Design. Die Kontaktflächen<br />

zur Montage der Winkel und Laschen zur Kraftaufnahme mussten wesentlich<br />

vergrößert werden. Der neue Sitzadapter besteht aus einer Grundplatte, die zur Erhöhung<br />

der Biegesteifigkeit mit äußeren Kanten versehen ist. Die Kanten bilden mit<br />

der Grundplatte einen Winkel von 105°, so dass beim Thermoformen der Pressdruck<br />

auch an den Kantenflächen wirken kann. Die Lasteinleitungselemente sind großflächig<br />

mit der Grundplatte verschweißt. Es sind keine zusätzlichen Niete erforderlich.<br />

Abb. 11: Standard-Sitzadapter, links und CAD-Modell des Organoblech-Sitzadapter, rechts<br />

Die Rohre aus PA können sehr gut mit den Organoblechen über Ultraschall verschweißt<br />

werden. Durch die Faserorientierung in ±45° und die umlaufenden Kanten<br />

hat der Sitzadapter eine vergleichbare Torsionssteifigkeit wie die bisherige Konstruktion.<br />

Abb. 12 zeigt links den Standard-Sitzadapter im Original und rechts den neuen<br />

CFK-Sitzadapter mit Organoblechen. Das Gewicht beträgt statt 970 nur 360g. Somit<br />

wurde das Bauteilgewicht um 63% also um 610 g reduziert.<br />

Abb. 12: Standard-Sitzadapter, links und neuer CFK-Sitzadapter mit Organoblechen, rechts


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 293<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

5.7 Fazit <strong>für</strong> die FVK-Bauteile des FIBRE<br />

Der Rohrrahmen <strong>für</strong> die Rückenlehne mit umflochtenen Carbonfasern hat zwar nicht<br />

die gleiche Biegesteifigkeit wie der Aluminium-Rohr-Rahmen, wiegt aber nur 180 g.<br />

Dies entspricht einer Gewichtsreduzierung von 50%. Für die gleiche Biegesteifigkeit<br />

wäre ein größerer Rohrdurchmesser erforderlich gewesen, jedoch ließen sich dann<br />

die <strong>für</strong> den Demonstrator 2 notwendigen Gelenkwinkel nicht mehr einsetzen.<br />

Der Sitzadapter besteht aus Organoblechwinkeln und aus der handlaminierten<br />

Grundplatte. Das Handlaminieren ist sehr zeitaufwendig, gestattet es nicht, die gewünschten<br />

Faservolumengehalte zu erreichen und macht die Qualität des Bauteils<br />

stark vom Geschick des Mitarbeiters abhängig. Das Fertigungsverfahren ist ebenfalls<br />

nicht <strong>für</strong> eine Serienproduktion geeignet.<br />

Die Massereduzierungen der Sitzmodule Rohrrahmen und Sitzadapter sind in<br />

Tabelle 2 zusammengefasst und betragen in Summe:<br />

Tabelle 2: Masseeinsparung durch ultraleichte FVK-Sitzmodule<br />

Sitzmodul Masse [g] - alt Masse [g] - neu Masseeinsparung [g]<br />

Rohrrahmen <strong>für</strong> Rückenlehne 360 180 180<br />

Sitzadapter 970 360 610<br />

Gesamtmasse 1.330 540 790<br />

6 Entwicklung ultraleichter klimaaktiver Sitzpolstermodule<br />

Die vom <strong>Cetex</strong> <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Textil</strong>- und Verarbeitungsmaschinen gemeinnützige GmbH<br />

und der Firma Spitzen und Gardinen, Spiga, entwickelten Abstandsgewirke erfüllen<br />

aufgrund ihrer druckelastischen und klimaphysiologischen Eigenschaften die hohen<br />

Anforderungen an ein im Rehabilitationsbereich eingesetztes Sitzpolster.<br />

Für einen neuartigen Leichtbau-Sitz werden spezielle ultraleichte Sitzmodule eingesetzt.<br />

Zwecks ergonomischer Optimierung und erheblicher Komfortsteigerungen des<br />

Sitzes wurden neue klimaaktive, Platz sparende und abgepasst herzustellende textile<br />

Abstandsgewirke als Polster entwickelt, hergestellt und geeignet befestigt.<br />

Praktische Anwendung finden diese Polsterelemente als Sitzpolster <strong>für</strong> das Sitzsystem<br />

EASyS der Firma Thomas Technik.<br />

Die Firma Thomas- Technik besitzt ein umfangreiches Fachwissen speziell auf dem<br />

Gebiet der Kinderrehabilitation. Thomashilfen entwickelt und vermarktet unter anderem<br />

spezielle Produkte <strong>für</strong> den Kinder- Reha- und Pflegebereich, wie das bereits erwähnte<br />

EASyS, ein hochergonomisches Sicherheits- Sitzsystem.<br />

6.1 Abstandsgewirke als Hilfsmittel zur Therapie<br />

Hauptsächlich wird das oben genannte Sitzsystem EASyS (Kinderrollstuhl) als Hilfsmittel<br />

<strong>für</strong> an Cerebralparese (CP) erkrankte Kinder angewendet. CP ist eine vom Gehirn<br />

ausgelöste Lähmung oder Bewegungseinschränkung.<br />

Ziel des Systems ist die Rehabilitation sowie die stete Verbesserung des körperlichen<br />

Wohlbefindens dieser Kinder.<br />

Ein endkonturnahes Polster aus 3D-Gewirke bringt entscheidende Vorteile <strong>für</strong> das<br />

Sitzsystem. Wegen der speziellen Eigenschaften des 3D-Gewirkes ist eine optimale<br />

Thermoregulation durch Druckverminderung, Feuchteabtransport und Wärmeab-<br />

bzw. –zufuhr gewährleistet. Die individuelle Sitz- bzw. Liegeposition sowie die Größenanpassung<br />

sind durch textile Gelenke einstellbar. Spezielle Funktionssektoren


Seite 294 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

gewährleisten eine optimale Stütz- bzw. Entlastungsfunktion. Ein hygienisch einwandfreier<br />

Wiedereinsatz durch Wasch- und Desinfizierbarkeit ist garantiert. Die<br />

Polsterelemente kommen meist ohne zusätzliche Bezugsstoffe aus.<br />

Therapeutisch notwendige Elemente wie Tuberkante im Sitzbereich und Abduktionsführungen<br />

im Beinbereich werden direkt in das Sitzpolster eingearbeitet. Der Sitzbereich<br />

teilt sich somit in zwei Zonen mit unterschiedlichen Eindruckhärten. Die Tuberkante<br />

wird härter gestaltet als die <strong>für</strong> die Sitzhöcker vorgesehenen Polsterteilelemente.<br />

Die Beine werden über eine mit höherer Eindruckhärte gestaltete Abduktionsführung<br />

in einer weicheren Zone gehalten.<br />

Trotz der vielen in das Sitzpolster integrierten Funktionselemente wird das Ausgangsteil<br />

in einem Arbeitsgang hergestellt. Eine anschließende Konfektionierung ist<br />

allerdings zusätzlich notwendig.<br />

6.2 Herstellung des Sitzpolsters<br />

Polster aus Abstandsgewirke werden immer <strong>für</strong> einen konkreten Einsatz entwickelt.<br />

Sie müssen folglich konkrete geometrische und polsterelastische Eigenschaften aufweisen.<br />

Um diese Eigenschaften realisieren zu können, werden entsprechende maschinentechnische<br />

und textiltechnologische Parameter ermittelt und festgelegt.<br />

Abb. 13: Musterfertigung<br />

Die Umsetzung des Polsters sowie der oben beschriebenen Funktionselemente erfolgte<br />

mit den Mitteln der 3D-Wirktechnik. Die Fertigung erster Muster (Abb. 13) erfolgte<br />

auf einer Kettenwirkmaschine Typ HighDistance der Firma Karl Mayer <strong>Textil</strong>maschinenfabrik<br />

GmbH, Obertshausen.<br />

Auf der Suche nach der optimalen Deckfläche wurden verschiedene Bindungen getestet.<br />

Die bisherige Gestaltung der textilen Oberflächen in Franse-Schuss-Bindung ergibt<br />

eine relativ offene Oberflächenstruktur. Um die im Rollstuhl sitzenden Kinder besser<br />

vor Umwelteinflüssen (beispielsweise Wind) schützen zu können, wurden auf Hin-


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 295<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

weis der Firma Thomas Technik die Sitzpolster variiert. Es entstanden Varianten <strong>für</strong><br />

geschlossene und offene Oberflächen.<br />

6.2.1 Kombibindung<br />

Die Grundlegeschienen L2 und L5 arbeiten eine Maschebindung, die in Abb. 14<br />

schwarz dargestellt ist.<br />

Abb. 14: Legungsmuster <strong>für</strong> Grundlegeschienen<br />

Die grüne Darstellung zeigt die von den Grundlegeschienen L1 und L6 ausgeführte<br />

Schussbindung.<br />

6.2.2 Trikotbindung<br />

Beide Grundlegeschienen je Maschinenseite (L1 und L2 sowie L6 und L5) arbeiten<br />

gegenlegig eine Maschebindung (Trikotbindung) mit gleichem Fadenverbrauch.<br />

Abb. 15: Legungsmuster <strong>für</strong> Grundlegeschienen


Seite 296 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Damit wäre es möglich, jeweils beide Legeschienen von einem Kettbaum aus arbeiten<br />

zu lassen. Abb. 15 zeigt das Legungsmuster <strong>für</strong> die Grundlegeschienen L1 und<br />

L2 sowie L6 und L5.<br />

6.2.3 Atlasfilet<br />

Mit Atlasfilet-Bindung wird eine offene Oberflächenstruktur, siehe Abb. 16 links und<br />

eine geschlossene Oberflächenstruktur in Abb. 16 rechts erzielt.<br />

Atlasfilet, zweireihig, offen Atlasfilet, zweireihig, geschlossen<br />

Abb. 16: Mustervarianten <strong>für</strong> Grundlegeschienen<br />

In weiteren Arbeitschritten wurde das vorhandene Sitzpolster unter therapeutischen<br />

und optischen Aspekten verbessert.<br />

Therapeutisch notwendige Elemente wie Tuberkante (im Sitzbereich) und Abduktionsführungen<br />

(im Beinbereich) wurden eingearbeitet (Abb. 21).<br />

Die endgültige Sitzpolstervariante ließ sich mit dem Grundwarenmuster Atlasfilet,<br />

zweireihig geschlossen herstellen.<br />

Die Fertigung erfolgte auf einem älteren Maschinentyp. Umfangreiche Maschinenumbauten<br />

waren deshalb notwendig. Für die Realisierung einer Masche-Masche-<br />

Bindung ist die verwendete Wirkmaschine nicht ausgelegt. Zur Realisierung der geforderten<br />

Masche-Masche-Bindung musste die Zungennadelbewegung durch Verdrehen<br />

der Antriebskurvenscheiben auf der Antriebswelle verschoben werden. Der<br />

erforderliche Verdrehwinkel wurde mit einem CAD-Getriebeprogramm ermittelt. Abb.<br />

17 zeigt die alte und neue Lage der Kurve <strong>für</strong> die Hubbewegung der Zungennadel.<br />

Die neue Nadelhubbewegung ermöglicht ein Fangen der Überlegung durch das längere<br />

Verweilen in der oberen Lage. Die Koppelkurve wird insgesamt enger, d. h. Auf-<br />

und Abbewegung der Nadel nähern sich an.


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 297<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Abb. 17: Lage der Zungennadelhubbewegung<br />

A - Kurve Zungennadelhub alt, B - Kurve Zungennadelhub neu<br />

Wegen der veränderten Nadelhubbewegung müssen alle Legeschienen neu in ihrer<br />

Lage zu den Zungennadeln und zueinander mit einem Abstand von 0,3 mm eingestellt<br />

werden. In Abb. 18 sind die Legeschienen in ihrer neuen Lage dargestellt.<br />

Abb. 18: Einstellung der Legeschienen auf 0,3 mm Abstand<br />

Die unterschiedlichen Härtezonen im Sitzbereich, wie in Abb. 21 dargestellt, werden<br />

über die Voreinstellung verschiedener Werte der Polfadendichte realisiert. Im Beinbereich<br />

ist es möglich, zur Erzeugung der Abduktionsführungen ebenfalls mit unterschiedlichem<br />

Einzug der Pollegeschienen zu arbeiten.<br />

Im Anschluss an die Gewirkeherstellung folgen, wie in Abb. 19 dargestellt, der Prozess<br />

der Thermofixierung, welcher <strong>für</strong> die Einstellung der endgültigen Gebrauchseigenschaften<br />

des textilen Werkstückes unbedingt notwendig ist und die Konfektionierung.


Seite 298 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Abb. 19: Thermofixierung<br />

Optisch lässt sich das Sitzpolster durch eine kindgerechte Farbgestaltung, in einer<br />

ersten Ausführungsvariante blau-schwarz, siehe Abb. 20, aufwerten.<br />

Abb. 20: Sitzpolster, thermofixiert und konfektioniert<br />

Die gewünschten und eingestellten druckelastischen Eigenschaften sind mittels einer<br />

Materialprüfmaschine nach DIN EN ISO 3386-1 und DIN EN ISO 2439 zu prüfen und<br />

im laufenden Produktionsprozess zu überwachen.<br />

Abb. 21 zeigt die Lage der Nähte und der Funktionselemente Tuberkanten- und Sitzbereich.<br />

Zur Bewertung der mechanischen Eigenschaften dient die in Abb. 22 dargestellte<br />

Kurve der Druckspannungs-Verformungseigenschaften. Die Druckspannung im Sitzpolster<br />

in kPa und die Stauchung des Polsters in % werden durch Aufsetzen und Absenken<br />

eines Prüfstempels messtechnisch erfasst und aufgezeichnet.<br />

Für den Bereich der Abduktionsführungen im Vergleich zum übrigen Beinbereich liegen<br />

keine Messungen vor. Für diese relativ schmalen Bereiche ist noch kein entsprechender<br />

Prüfstempel in der angewendeten Messeinrichtung verfügbar. Bei manueller<br />

Prüfung wird jedoch der Unterschied in der Eindruckhärte deutlich.


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 299<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Abb. 21: Sitzkissen mit Funktionselementen<br />

1 – Tuberkantenbereich, 2- Sitzbereich<br />

Abb. 22: Ausschnitt aus Messprotokoll Sitzpolster<br />

Messkurve 1 in Abb. 22 zeigt den Druckspannungsverlauf im Tuberkantenbereich,<br />

Messkurve 2 den des Sitzhöckerbereiches. Der Tuberkantenbereich weist deutlich<br />

höhere Werte <strong>für</strong> die Eindruckhärte auf. Somit ist das angestrebte therapeutische<br />

Ziel erreicht.<br />

6.3 Fazit <strong>für</strong> die Sitzpolsterelemente von CETEX und Spiga<br />

Das gefertigte Funktionsmuster des Sitzpolsters <strong>für</strong> einen Kinderrollstuhl erfüllt alle<br />

gestellten Anforderungen hinsichtlich Klimakomfort sowie Wohlbefinden und kann<br />

gemeinsam mit einem neuen Kinderrollstuhl oder als Zubehör <strong>für</strong> derzeitig im Markt<br />

befindliche Kinderrollstühle vermarktet werden. Durch Variationen des Sitzpolsters,<br />

wie Änderung der geometrischen Abmessungen, der Eindruckhärte sowie der Ausführung<br />

der Deckflächen ergeben sich neue Einsatzfelder. So lässt sich die bisher relativ<br />

offene Struktur der textilen Oberfläche durch geeignete Bindungsauswahl geschlossener<br />

gestalten, um beispielsweise die im Rollstuhl sitzenden Kinder besser


Seite 300 Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

vor Umwelteinflüssen wie Wind zu schützen. Anwendungen sind im gesamten häuslichen<br />

oder klinischen Pflege- und Therapiebereich denkbar.<br />

7 Zusammenfassung<br />

Im Ergebnis des branchenübergreifenden Projektes wurden die entwickelten und<br />

hergestellten ultraleichten Sitzmodule in einem Demonstrator 2 vom Sitzhersteller<br />

Thomas Technik montiert und auf der REHACARE-Messe in Düsseldorf vom 15.-18.<br />

Oktober 2008 dem Fachpublikum präsentiert. Nach Aussage von Thomas Technik<br />

wird der hohe Innovationsgrad des Ultra-Sitzes ein großes Interesse und Nachfrage<br />

erzeugen. Jedoch gibt es im bundesdeutschen Gesundheitssystem eine Obergrenze<br />

<strong>für</strong> die Kostenübernahme eines Sitzes seitens der Krankenkassen. Noch liegen die<br />

Fertigungskosten <strong>für</strong> Faserverbundbauteile wesentlich über denen <strong>für</strong> metallische<br />

Bauteile, so dass es nur durch konsequente Automatisierung und Bauteilreduzierung<br />

mit Funktionsintegration möglich sein wird, den Sitz zu marktfähigen Preisen anzubieten.<br />

Abb. 23: Prototyp eines ultraleichten behindertengerechten Kindersitzes<br />

In Abb. 23 ist ein Prototyp des ultraleichten behindertengerechten Kindersitzes abgebildet.<br />

Von den insgesamt 4.560 g konnten etwa 58%, das sind 2.650 g, Masse reduziert,<br />

die klimaphysiologischen und Sitz-Komfortbedingungen durch atmungsaktives<br />

Sitzpolster mit körpergerechten Funktionsbereichen entwickelt und hergestellt<br />

werden.


Faserverbunde in ultraleichten ergonomischen klimaaktiven Sitzmodulen Seite 301<br />

<strong>für</strong> behindertengerechte Sitze<br />

Literatur<br />

[1] Klaus Jansen, Projektskizze-Sitzmodule-22-09.2005, Konstruktionsentwürfe,<br />

Thomas GmbH + Co. Technik + Innovation KG, noch unveröffentlicht<br />

[2] D. Kresse, G. Thielemann, M. Horn, KVB, Abschlussbericht zum Forschungsthema<br />

„Ultra-Sitz“, Teilthema KVB: „Entwicklung von Verfahren und Vorrichtungen<br />

zur Herstellung ultraleichter hochfester Sitzmodule, Armlehne und<br />

Sitzschale aus Faserverbunden“; PRO INNO II, AiF-Reg.-Nr.: KF-0037604<br />

UK6, noch unveröffentlicht<br />

[3] B. Böhme, C. Köhler, H.-J. Heinrich, CETEX, Abschlussbericht zum Forschungsthema<br />

„Ultra-Sitz“, Teilthema CETEX: „Entwicklung und Musterfertigung<br />

abgepasster Abstandsgewirke mit speziellen Funktionssektoren sowie<br />

der dazu notwendigen maschinenbautechnischen Entwicklungen“; PRO INNO<br />

II, AiF-Reg. - Nr.: KF 0087103 UK6, noch unveröffentlicht<br />

[4] Impressum Thomas GmbH + Co. Technik + Innovation KG, Bremervörde,<br />

http://www.thomas-technik.de/paediatrie.htm<br />

[5] H. Dommes, Abschlußbericht zum Forschungsthema „Ultra-Sitz“, Teilthema<br />

FIBRE „Auslegung, Konstruktion und Fertigung der Module Sitzfuß und Rückenlehne<br />

aus Hochleistungsfaserverbundwerkstoffen PRO INNO II, AiF-Reg. -<br />

Nr.: KF 0348201 UK6, noch unveröffentlicht

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