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Dem Leben auf der Spur - Ich entscheide mich selbst

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„<strong>Dem</strong> <strong>Leben</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Spur</strong> ...“<br />

o<strong>der</strong><br />

„<strong>Ich</strong> <strong>entscheide</strong> <strong>mich</strong> <strong>selbst</strong>“<br />

Es war kalt und vor allem Winter, als ich am 11. Januar<br />

2009 im Recollectio-Haus in Münsterschwarzach<br />

ankam. In meinem Herzen und meiner Seele schien<br />

es ähnlich zu sein. <strong>Ich</strong> fühlte <strong>mich</strong> ausgebrannt, traurig<br />

und erhoffte mir Hilfe für meinen weiteren Weg.<br />

Drei Monate Auszeit – Auftanken – ganz bei sich zu<br />

sein und spüren, welche Gefühle da sind - Wegbegleitung<br />

– Entscheidung – Neu<strong>auf</strong>bruch.<br />

Das alles erlebte ich in dieser Zeit mit einem Team<br />

aus spiritueller und psychotherapeutischer Kompetenz.<br />

Und die Gruppe tat mir gut – ich war nicht allein!<br />

Von einer kleinen Auswahl meiner Erlebnisse und<br />

Eindrücke möchte ich berichten.<br />

Mich <strong>selbst</strong> wahrnehmen<br />

Die Einstimmung in den Tag begann oft mit <strong>der</strong> Leibarbeit.<br />

„Wie geht es mir gerade?“, leitete Sr. Christiane<br />

den Morgen ein, wenn wir uns mit einer Decke und<br />

einer Nackenrolle <strong>auf</strong> den Boden legen sollten. Die<br />

Fußzonenreflexmassage mit Tennisbällen konnte<br />

manchen Schmerz lokalisieren; die eutonischen Übungen<br />

führten bei mir zu einem ganz neuen Körpererlebnis.<br />

Meinen Gefühlen trauen und Ausdruck verleihen<br />

Malstunde – einmal ganz an<strong>der</strong>s! Sr. Christiane stellte<br />

uns die Aufgabe, ein Bild zum Thema „Mein Schatten“<br />

o<strong>der</strong> „Meine Beziehungen“ zu malen. <strong>Ich</strong> war <strong>selbst</strong><br />

erstaunt, was ich zu Papier bringen konnte, wenn ich<br />

meinen Gefühlen traute. Beim anschließenden Auswertungsgespräch<br />

in <strong>der</strong> Gruppe sah ich auch in den<br />

Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Anteile in mir.<br />

„Was sagt Ihnen das Gefühl?“ klingt jetzt noch nach,<br />

wenn ich mal wie<strong>der</strong> nur den Verstand vorschieben<br />

wollte.<br />

Aber auch das freie Tanzen nach Musik bei P. Meinrad<br />

tat meiner Seele gut.<br />

Intimität ist mehr als Sex<br />

„Heute behandeln wir ein wun<strong>der</strong>schönes Thema:<br />

Intimität,“ sagte Dr. Wunibald Müller zu Beginn eines<br />

Vortrags. Der anschließende Austausch setzte viele<br />

Emotionen frei: Erfahrungen, Unterdrückung, Ängste,<br />

Verletzungen! All das konnten wir im geschützten<br />

Rahmen zu Wort bringen. Darüber in <strong>der</strong> Gruppe<br />

sprechen zu können, war für <strong>mich</strong> eine sehr wertvolle<br />

Erfahrung. Und die Ermutigung zur Intimität war das<br />

Fazit.<br />

Tiefe Freundschaften, Zärtlichkeiten und das Gefühl<br />

von Geborgenheit und Angenommen-Sein bereichern<br />

ja schließlich mein <strong>Leben</strong>.<br />

Die Antidepressionsübung<br />

Brustkorb raus, <strong>auf</strong>recht stehen, die Beine etwas gespreizt<br />

und ausatmen: eine Aufwärmübung beim Walken.<br />

Dr. Ott, unser Trainer beim L<strong>auf</strong>treff, gab uns<br />

einen Bewegungspass für 12 Wochen. Zum Walken<br />

sagte er: „Je<strong>der</strong> solle sein Tempo finden“. Also – wie<br />

im <strong>Leben</strong>. Es geht nicht darum, Leistung zu bringen.<br />

An sportlichen Betätigungsfel<strong>der</strong>n gab es genügend<br />

Auswahl.<br />

Aikido, Reiten, Tanzen, Kraftraum, Wan<strong>der</strong>n, Fahrrad<br />

fahren o<strong>der</strong> schwimmen: alles zum Wohle für Körper,<br />

Geist und Seele.<br />

Es atmet <strong>mich</strong><br />

Frau Dr. Ilse Müller führte uns in die Geheimnisse des<br />

Autogenen Trainings ein. „Es atmet <strong>mich</strong>“ war einer<br />

<strong>der</strong> Sätze, die sechsmal wie<strong>der</strong>holt wurden und dann<br />

immer mit „<strong>Ich</strong> bin vollkommen ruhig“ abgeschlossen<br />

wurden. Es tat mir einfach gut. Auch eine Form, wie<br />

ich den Tag gelassener beginnen kann.<br />

Poseidon – ein Pferd, das immer Hunger hatte<br />

<strong>Ich</strong> nahm Reitunterricht. Poseidon war unser Voltigierpferd.<br />

Unter guter Anleitung lernten wir erst mal<br />

das Pferd putzen. <strong>Ich</strong> hatte schon etwas Angst. <strong>Ich</strong><br />

merkte, dass die eigene Verfasstheit auch das Pferd<br />

spürte. Knien – Bein nach hinten strecken – Arme<br />

kreisen: und das alles <strong>auf</strong> dem Pfer<strong>der</strong>ücken. Als das<br />

Wetter dann im März wärmer wurde, verlagerten wir<br />

den Unterricht von <strong>der</strong> Halle nach draußen und ritten<br />

aus. Einer von uns führte und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e saß hoch zu<br />

Ross. Doch beim saftigen Grün <strong>der</strong> Wiesen konnte<br />

Poseidon dann nicht wi<strong>der</strong>stehen. Er hatte Hunger<br />

und legte erst mal eine Pause ein.<br />

Auch wenn Reiten nicht zu meinem großen Hobby<br />

wird, machte es doch viel Freude.<br />

Intensivstation Küchenteam<br />

Neben Hausdienst und <strong>der</strong> Arbeit in den Betrieben<br />

war <strong>der</strong> Küchendienst sicher am zeitintensivsten. Und<br />

wir erfuhren uns intensiv in einer Sechsergruppe.<br />

Dafür gab es auch Supervision. Vier Wochen lang war<br />

hier Absprache und Teamwork angesagt. Dann wechselten<br />

die Dienste wie<strong>der</strong>.<br />

Geselligkeit<br />

Das Kaminzimmer war <strong>der</strong> Ort, an dem wir uns bei<br />

Frankenwein und Knabbergebäck oft trafen - zumindest<br />

bis zur Fastenzeit ziemlich regelmäßig. Gerade<br />

anfangs war es wichtig, um uns näher kennen zu ler-


nen. Außerdem waren Geburtstage, Namenstage<br />

o<strong>der</strong> Jubiläen immer ein Anlass zu feiern. Ins Recohaus<br />

zog auch <strong>der</strong> Fasching ein. Haus schmücken,<br />

geschminkt werden und Polonaise gehörten einfach<br />

dazu.<br />

Aufgerichtet werden<br />

Ausgehend vom Aufrichten <strong>der</strong> gekrümmten Frau<br />

durch Jesus in <strong>der</strong> Hl. Schrift, machte P. Anselm mit<br />

uns den Versuch, gekrümmt - mit dem Kopf zum Boden<br />

zeigend - durch den Raum zu gehen. Es war ein<br />

beklemmendes Gefühl, als ob ich keine Luft mehr<br />

kriegen würde. P. Anselm ging zum ersten hin und<br />

richtete ihn <strong>auf</strong>. Die Aufgerichteten machten dies an<br />

den nächsten usw. Die Erfahrung, von <strong>der</strong> Beklemmung<br />

und <strong>der</strong> Enge zu einem neuen Selbstwertgefühl<br />

und Festigkeit zu gelangen, hatte etwas Befreiendes.<br />

Auftanken<br />

Vesper in <strong>der</strong> Abteikirche und die Gottesdienste in <strong>der</strong><br />

Gruppe waren für <strong>mich</strong> Tankstellen für die Seele. Die<br />

Einübung in die Stille mit P. Daniel war für <strong>mich</strong> sicher<br />

nicht einfach, weil viele Gedanken <strong>mich</strong> bewegten.<br />

Aber ich sah es als eine Chance, in <strong>der</strong> Stille auch<br />

Gott handeln zu lassen.<br />

<strong>Leben</strong> mit <strong>der</strong> Reco-Box<br />

Wie bin ich gerüstet für die Zeit danach, wenn ich<br />

wie<strong>der</strong> in meine Gemeinschaft zurückkehre? Eine<br />

Frage, die <strong>mich</strong> gerade in den letzten Wochen des<br />

Aufenthaltes immer stärker beschäftigte. Dazu half mir<br />

das Erstellen <strong>der</strong> Reco-Box. Aufgabe war es, einen<br />

Karton außen mit Bil<strong>der</strong>n aus Kalen<strong>der</strong>blättern zu<br />

bekleben mit dem Augenmerk: Was ist mir wichtig?<br />

„Gut für sich selber sorgen“, war immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Tenor in <strong>der</strong> Gruppe. Darum sollte in die Box auch<br />

alles, was ich angehen will, was mein <strong>Leben</strong> bereichern<br />

kann. Und zu Hause ab und zu reinschauen,<br />

damit ich es nicht vergesse, <strong>auf</strong> <strong>mich</strong> besser acht zu<br />

geben.<br />

Denn ich bin <strong>der</strong> Dirigent, <strong>der</strong> die eigene <strong>Leben</strong>s-<br />

Symphonie schreibt und sie interpretiert - eine Erkenntnis<br />

aus einem meiner Einzelgespräche. Und<br />

eine Herausfor<strong>der</strong>ung, zu sagen: „<strong>Ich</strong> will ...“<br />

Winter ade ...<br />

12 Wochen Intensivkurs und Rüstzeug für ein gutes<br />

und geschmackvolles <strong>Leben</strong>. Und manche Knoten<br />

wie<strong>der</strong> entwirren. <strong>Ich</strong> bekam viele Möglichkeiten angeboten,<br />

das „<strong>Leben</strong> mit all seinen Kostbarkeiten neu<br />

zu schmecken.“ Es war für <strong>mich</strong> eine wertvolle Zeit in<br />

Münsterschwarzach mit manchen innerlichen Kämpfen<br />

und <strong>der</strong> Entscheidung nach meinem guten Weg.<br />

Danke dem Team für das sensible und wertschätzen-<br />

de Mitgehen und <strong>der</strong> Gruppe für die Offenheit, für<br />

Lachen und Weinen, für die Geselligkeit und <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

Wegstrecke.<br />

In einem Jahr sehen wir uns wie<strong>der</strong> zur Reflexion. <strong>Ich</strong><br />

bin gespannt, welchen Weg je<strong>der</strong> von uns eingeschlagen<br />

hat und welche Entscheidungen getroffen<br />

wurden.<br />

Die Reco-Box steht <strong>auf</strong> meiner Kommode, damit ich<br />

sie sehe und erinnert werde: da war doch was in<br />

Münsterschwarzach ... was ich als Geschenk erfahren<br />

durfte und was mir wichtig geworden ist. Und ich will<br />

gut <strong>auf</strong> <strong>mich</strong> <strong>auf</strong>passen. Das wünsche ich auch meinen<br />

Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern.<br />

M. W.

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