Hans Christian Andersen - Ministère de l'éducation nationale et de ...
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…<br />
einer Verbeugung. Sein Gespür für weiche<br />
Herzen war ausgeprägt und die Damen<br />
fan<strong>de</strong>n seine naiv-unbeholfene Art so<br />
rührend, dass die Herren <strong>de</strong>r Häuser <strong>de</strong>n<br />
Teller kreisen ließen und <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> – wie<br />
z.B. beim Singmeister Siboni – mit 80<br />
Reichstaler wie<strong>de</strong>r weiterzog. Hinter <strong>de</strong>r<br />
vorgehaltenen Hand mokierte sich die<br />
feine Gesellschaft über sein „ekelhaftstörrisches<br />
Verhalten“, aber <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong>, <strong>de</strong>r<br />
schon sehr jung ein feines Gespür für die<br />
Labyrinthe <strong>de</strong>r Macht hatte, wusste bei<br />
wem er hingebungsvoll antichambrieren<br />
musste – bis er erreichte, wozu er sich<br />
geboren fühlte.<br />
Neben <strong>de</strong>r Kaufmannsfamilie Collin war es<br />
H.C. Ørstedt, <strong>de</strong>r Erfin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Elektromagn<strong>et</strong>ismus,<br />
<strong>de</strong>r schon 1820 die geniale<br />
Ausstattung <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong>s erkannte und ihm<br />
über Jahrzehnte ein verlässlicher För<strong>de</strong>rer<br />
blieb – intellektuell und finanziell. Der<br />
Vielleser <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> fand im Hause Ørstedt<br />
eine vorzügliche Bibliothek, aus <strong>de</strong>r er<br />
1829 für sein „Philologicum“ und „Philosophicum“<br />
an <strong>de</strong>r Universität Kopenhagen<br />
ausgiebig profitierte. Von H.C. Ørstedt<br />
stammt die frühe Sentenz, dass <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
mit seinen Märchen unsterblich wer<strong>de</strong>n<br />
wür<strong>de</strong>. <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> selbst fand sich – wie<br />
könnte es an<strong>de</strong>rs sein – schon in jungen<br />
Jahren hinreißend. „Meine ganz son<strong>de</strong>rbare<br />
Persönlichkeit erregte ihr Interesse“ – da<br />
war <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> gera<strong>de</strong> Mal 30 und mit „ihr“<br />
meinte er „die vornehmen Familien“. Und<br />
als er mit 33 in <strong>de</strong>n Spiegel schaut, im eleganten<br />
Wintermantel, da fin<strong>de</strong>t <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
sich „richtig schön. Der Dichter ist ja gar<br />
nicht hässlich, sagen die Damen, und zwar<br />
feine Damen. Sie stoßen einan<strong>de</strong>r an und<br />
machen Augen.“<br />
Das konnte <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong>, und er konnte auch<br />
nicht an<strong>de</strong>rs: Er war <strong>de</strong>r schüchterne<br />
– verschämte Liebhaber – wie z.B. bei<br />
Riborg Voigt o<strong>de</strong>r Jenny Lind – <strong>de</strong>r das<br />
Lieb-Haben auch spielen konnte und kunstvoll<br />
in Verse einwickelte – und zwar so – als<br />
ob er wollte, aber dann doch – unglücklicherweise<br />
– zurückstand, verzicht<strong>et</strong>e, für<br />
Höheres. Er war ein außeror<strong>de</strong>ntlich lei<strong>de</strong>nschaftlicher,<br />
beharrlicher, platonischer<br />
Liebhaber. Ob tatsächlich „<strong>de</strong>r Verlust <strong>de</strong>r<br />
mütterlichen Fürsorge die alleinige, tiefe<br />
Ursachen war zu seiner nicht ausgelebten<br />
sexuellen Ambivalenz, sowie seiner<br />
lebenslangen Unfähigkeit, sich Frauen<br />
gegenüber zu öffnen“ die ihn faszinierten,<br />
dazu ist noch mehr zu recherchieren, um<br />
die „verklebten Blätter im Tagebuch seines<br />
Herzens“ vorsichtig voneinan<strong>de</strong>r zu lösen<br />
und dann zu lesen.<br />
14 MINISTÈRE DE L´ÉDUCATION NATIONALE | LUXEMBOURG 2005<br />
Einziehen und Ausziehen (Wohnungen),<br />
am Montag hier, am Freitag dort einkehren,<br />
dazwischen an drei Tagen im Park ein Brot<br />
essen, das brauchte <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> und das reichte<br />
ihm auch. Es begann bei <strong>de</strong>r „reichen Witwe<br />
Blügel“, s<strong>et</strong>zte sich fort bei weiteren „anständigen<br />
Witwen“, „vornehmen Familien“ und<br />
im Laufe <strong>de</strong>r Zeit häufig bei angesehenen<br />
Persönlichkeiten, Fürsten, Herzögen, Grafen,<br />
Königen. Um von solchen einflussreichen<br />
Kreisen wahr- und aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n,<br />
bedurfte es einer enormen Seelen-Mischung<br />
an Zähigkeit, Erregung von Mitleid, Naivität,<br />
einer gehörigen Portion Unverschämtheit,<br />
Eitelkeit und inszenierter Selbstdarstellung.<br />
<strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> ließ in seinem Bestreben kulturell<br />
Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s zu wer<strong>de</strong>n nicht locker;<br />
seine Versuche als Schauspieler, Sänger,<br />
Tänzer o<strong>de</strong>r Bibliothekar zu reussieren,<br />
<strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> liess in seinem Bestreben<br />
kulturell Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s zu wer<strong>de</strong>n nicht<br />
locker; seine Versuche als Schauspieler,<br />
Sänger, Tänzer o<strong>de</strong>r Bibliothekar zu<br />
reussieren, mit Empfehlungsschreiben<br />
bekannter Stadtpersonen unterstützt,<br />
sind <strong>de</strong>n Anstrengungen eines Marathon-<br />
läufers ebenbürtig.<br />
mit Empfehlungsschreiben bekannter<br />
Stadtpersonen unterstützt, sind <strong>de</strong>n<br />
Anstrengungen eines Marathonläufers<br />
ebenbürtig. Immer wie<strong>de</strong>r versuchte er<br />
seine Gedichte und dramatischen Stücke<br />
ins Publikum zu tragen. Und immer wie<strong>de</strong>r<br />
musste er erfahren und erlei<strong>de</strong>n, wie<br />
abhängig er war und wie die Ablehnung,<br />
wenn wie<strong>de</strong>r ein Stück verworfen wur<strong>de</strong>,<br />
ihn fast zur Verzweiflung trieb. Fast<br />
– <strong>de</strong>nn dass die an<strong>de</strong>ren mit ihren Kritiken<br />
danebenlagen, daran ließ <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> mit<br />
bissigen Bemerkungen keinen Zweifel.<br />
Kierkegaard machte sich lustig über ihn,<br />
Heiberg überzog ihn mit Kritik, um <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
später dann doch zu verstehen. <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
beacht<strong>et</strong>e je<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>druck, erinnerte<br />
sich je<strong>de</strong>r Bemerkung, registrierte, wer ihm<br />
die Tür öffn<strong>et</strong>e (das Dienstmädchen o<strong>de</strong>r<br />
Chamisso selbst, spähte(!) umher, ob sich<br />
nicht Missgünstiges auf <strong>de</strong>n Gesichtern <strong>de</strong>r<br />
Anwesen<strong>de</strong>n abzeichn<strong>et</strong>e. Sein Narzissmus<br />
zeigte sich auch, wenn er festzuhalten<br />
glaubte, dass ihm laute Anerkennung<br />
und <strong>de</strong>r „jubelndste Beifall entgegenscholl;“<br />
o<strong>de</strong>r er das Lob <strong>de</strong>s Dichterkollegen Hauch<br />
zitierte: „Die Hauptsache in <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
besten und am meisten durchgearbeit<strong>et</strong>en<br />
Schriften in <strong>de</strong>nen, worin die reichste<br />
Phantasie, das tiefste Gefühl, die bewegteste<br />
Dichterseele hervortritt, ist ein<br />
Talent o<strong>de</strong>r wenigstens eine edlere Natur,<br />
die sich aus knapper und drücken<strong>de</strong>r Lage<br />
hervorkämpfen will.“<br />
Reich, tief, bewegt – solche Qualifizierungen<br />
reichten nicht – reichste, tiefste,<br />
bewegteste, das waren <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> genehme<br />
Superlative. So wie sich <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> von<br />
einer Wohnung in die an<strong>de</strong>re hangelte,<br />
von reichen Witwen zu vornehmen Familien<br />
durchbiss, so bewies er auch sein<br />
Stehvermögen bei seinen künstlerischen<br />
Versuchen als Sänger, Schauspieler und<br />
Tänzer, bei <strong>de</strong>nen er die Erfahrung von<br />
Verzweiflung und Abhängigkeit oftmals<br />
durchlei<strong>de</strong>n musste. Sein Gesamtkörper<br />
kam <strong>de</strong>n Schönheitsi<strong>de</strong>alen damaliger Zeit<br />
wohl nicht sehr nahe. Da <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> ein<br />
außergewöhnlich hellsichtiger Selbstb<strong>et</strong>rachter<br />
war, was aus seinen Tagebüchern<br />
zu erkennen ist, sah er im Spiegel einen<br />
jungen Mann, <strong>de</strong>r keinen beson<strong>de</strong>rs<br />
anziehen<strong>de</strong>n Eindruck auf seine Mitmenschen<br />
ausübte und es blieb ihm, als<br />
beson<strong>de</strong>rs hellhörigem Zeitgenossen,<br />
nicht verborgen, wie hochnäsig und mit<br />
welch gehässiger Scha<strong>de</strong>nfreu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Kreisen, in die er sich vorwagte, über<br />
ihn gesprochen wur<strong>de</strong>. <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> war<br />
ausgesprochen dünn, hochaufgeschossen<br />
mir sehr großen Hän<strong>de</strong>n und Füßen, die<br />
Arme baumelten ihm um <strong>de</strong>n Körper und<br />
seine Bewegungen kamen <strong>de</strong>nen eines<br />
hüpfen<strong>de</strong>n Kranichs nahe. Den traurig,<br />
ironischen Gesichtsausdruck prägte in herausragen<strong>de</strong>r<br />
Weise eine große Adlernase.<br />
Dass solch ein hässliches Entlein mit einem<br />
langen Schwanenhals und geblähten<br />
Nasenhöhlen sich flügelschlagend über<br />
an<strong>de</strong>re erheben wollte, zeigt eine bissige<br />
Karikatur <strong>de</strong>s polnischen Malers Andrzej<br />
Ploski.<br />
Friedrich Hebbel beschrieb in seinem Tagebuch<br />
<strong>An<strong>de</strong>rsen</strong> als eine „lange, schlotterige,<br />
lemurenhaft eingeknickte Gestalt mit<br />
einem ausnehmend hässlichen Gesicht.“<br />
Noch grausamer bezeichn<strong>et</strong>e ihn die britische<br />
Autorin Elizab<strong>et</strong>h Rigby als einen<br />
langen, mageren, fleischlosen Mann mit<br />
einem hohlwangigen, kadaverartigen<br />
Gesicht, <strong>de</strong>r sich wand und buckelte wie<br />
eine Ei<strong>de</strong>chse. Die Kränkungen, die <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong><br />
einsammelte, trieben ihn in manche<br />
Depression und Verzagtheit, diese Qualen<br />
und sein gera<strong>de</strong>zu halsbrecherischer<br />
Ehrgeiz trieben ihn aber in eine geniale<br />
Bewältigung durch Schreiben. Nur zwölf<br />
Märchen gingen auf Vorlagen zurück, 144<br />
waren <strong>An<strong>de</strong>rsen</strong>s Erfindungen, und schon …