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Affine Ebene, Kongruenz, Mittelsenkrechtensatz, Höhensatz

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<strong>Affine</strong> <strong>Ebene</strong>, <strong>Kongruenz</strong>, <strong>Mittelsenkrechtensatz</strong>, <strong>Höhensatz</strong><br />

Frieder Knüppel<br />

Gegeben sei eine Menge P (Interpretation: Punktmenge) und eine Menge L (Geradenmenge, lines)<br />

und eine Relation I ⊆ P × L (Inzidenz). Statt (a, Γ) ∈ I schreibt man a I Γ.<br />

Übliche Redeweise: a liegt auf Γ für a I Γ.<br />

M ⊆ P heißt kollinear, wenn es eine Gerade Γ mit a I Γ für alle a ∈ M gilt.<br />

1.1 Definition Wir nennen die ’Inzidenzstruktur’ (P, L, I) eine affine <strong>Ebene</strong>, wenn gilt:<br />

(V) (Existenz und Eindeutigkeit der Verbindungsgeraden) Für alle a, b ∈ P mit a �= b existiert<br />

genau ein Γ ∈ L mit a, b I Γ. Bezeichnung: a ∨ b<br />

(P) (euklidisches Parallelenaxiom) Zu a ∈ P und Γ ∈ L mit a � IΓ existiert genau eine Gerade Ω<br />

durch a, die mit Γ keinen Punkt gemein hat.<br />

(R) (Reichhaltigkeit) Es gibt drei verschiedene nicht kollineare Punkte<br />

(gemeint: die Menge der drei Punkte ist nicht kollinear).<br />

Im folgenden sei (P, L, I) eine affine <strong>Ebene</strong>.<br />

Bemerkung Wir nennen Geraden Γ, Ω parallel, Γ�Ω, wenn sie gleich sind oder keinen gemeinsa-<br />

men Punkt haben.<br />

Dann verlangt (P)(euklidisches Parallelenaxiom): Zu jedem a ∈ P und Γ ∈ L existiert genau ein<br />

Ω ∈ L mit a I Ω und Γ�Ω. Bezeichnung: (a�Γ).<br />

Daraus folgt:<br />

1.2 Lemma Die Parallel-Relation auf L ist eine Äquivalenzrelation.<br />

Die Klassen paralleler Geraden nennt man Parallelbüschel.<br />

1.3 Definition Ein Isomorphismus einer affinen <strong>Ebene</strong> (P, L, I) auf eine affine <strong>Ebene</strong> (P ′ , L ′ , I ′ )<br />

ist eine bijektive Abbildung ϕ : P → P ′ mit der Eigenschaft:<br />

a, b, c kollinear ⇔ ϕ(a), ϕ(b), ϕ(c) kollinear, für alle a, b, c ∈ P .<br />

Statt Isomorphismus ist (bei Inzidenzstrukturen) das Wort Kollineation üblich.<br />

Die Menge aller Kollineationen einer affinen <strong>Ebene</strong> auf sich bildet (mit der Nacheinanderausführung<br />

von Abbildungen als Verknüpfung) eine Gruppe, die Automorphismengruppe (Kollineationsgrup-<br />

pe) der affinen <strong>Ebene</strong>.<br />

Bemerkung (Geraden als Punktreihen) Jeder Geraden Γ von (P, L, I) ordne man zu die ’Punkt-<br />

reihe’ PΓ := {a ∈ P | a I Γ }, d.h. die Menge der mit Γ inzidierenden Punkte. Man setze P ′ := P ,<br />

L ′ := {PΓ | Γ ∈ L } (Menge der Punktreihen), I ′ :=∈. Dann ist ϕ := idP ein Isomorphismus von<br />

(P, L, I) auf die affine <strong>Ebene</strong> (P ′ , L ′ , I ′ ). Die affine <strong>Ebene</strong> (P ′ , L ′ , I ′ ) entsteht aus (P, L, I), indem<br />

1


man jede Gerade Γ ∈ L durch die zugehörige Punktreihe ersetzt.<br />

Deshalb können wir uns auf affine <strong>Ebene</strong>n beschränken, in denen jede Gerade eine Teilmenge der<br />

Punktmenge ist.<br />

Im folgenden betrachten wir eine solche affine <strong>Ebene</strong> (P, L, I).<br />

1.4 Definition Ein Parallelogramm ist ein Tupel (a, b, c, d) aus 4 verschiedenen Punkten mit<br />

a ∨ b�c ∨ d und b ∨ c�d ∨ a.<br />

Beobachtung(vierter Parallelogramm-Punkt) Wenn a, b, d nicht kollineare Punkte einer affinen<br />

<strong>Ebene</strong> sind, gibt es genau einen Punkt c mit der Eigenschaft: (a, b, c, d) ist ein Parallelogramm.<br />

Jeder 2-dimensionale Vektorraum liefert eine affine <strong>Ebene</strong>:<br />

1.5 Satz Sei V eine 2-dimensionaler Vektorraum über einem Schiefkörper K.<br />

Setze P := V . Eine Gerade sei eine Teilmenge von V der Form a + U mit a ∈ V und U ein<br />

1-dimensionaler Untervektorraum von V ; L sei die Menge aller Geraden. Dann ist (P, L, ∈) eine<br />

affine <strong>Ebene</strong>.<br />

Zusätze<br />

1.5 a) Für Geraden a + U, b + W gilt:<br />

a + U ⊆ b + W ⇔ a + U = b + W ⇔ a − b ∈ U = W<br />

1.5 b) Für Geraden a + U, b + W gilt: a + U�b + W ⇔ U = W<br />

1.5 c) Seien a, b ∈ V verschieden. Dann ist a ∨ b = a+ < b − a >.<br />

1.5 d) Seien a, b, c, d ∈ V paarweise verschieden und je drei der Punkte nicht kollinear. Dann gilt:<br />

(a, b, c, d) ist ein Parallelogramm ⇔ b − a = c − d.<br />

Beweis der letzten Aussage. ⇒: Man hat < b − a >=< d − c > und < c − b >=< d − a >. Also<br />

b − a = λ(d − c) und c − b = µ(d − a) für passende λ, µ ∈ K. Addieren liefert (d − a) − (d − c) =<br />

c − a = µ(d − a) + λ(d − c). Nun sind (d − a), (d − c) linear unabhängig (sonst wären a, c, d auf der<br />

gemeinsamen Geraden d+ < d−a >= d+ < d−c >). Es folgt 1 = µ und −1 = λ, also b−a = c−d.<br />

⇐: Wenn b − a = c − d ist, folgt a ∨ b = a+ < b − a > �c+ < d − c >= c ∨ d und analog a ∨ d�b ∨ c.<br />

Vorsicht! Es gibt affine <strong>Ebene</strong>n, die nicht zu einer affinen <strong>Ebene</strong> über einem 2-dimensionalen Vek-<br />

torraum isomorph sind. Spter lernen wir geometrische Eigenschaften, welche affine <strong>Ebene</strong> über<br />

Vektorräumen kennzeichnen.<br />

1.6 Die euklidische <strong>Ebene</strong> Auf der affinen <strong>Ebene</strong> zum Vektorraum V = IR 2 haben wir den eu-<br />

klidische Abstand |a − b| := � f(a − b, a − b) (euklidische Norm von a − b) zwischen zwei Punkten<br />

a, b ∈ V .<br />

Diese affine <strong>Ebene</strong> zusammen mit der euklidischen Abstandsfunktion |a − b| nennt man die eukli-<br />

dische <strong>Ebene</strong>.<br />

2


Allein aus dem euklidischen Abstand |a − b| kann man das Skalarprodukt rekonstruieren! Denn es<br />

gilt 2 · f(a, b) = f(a − b, a − b) − f(a, a) − f(b, b) = |a − b| 2 − |a − 0| 2 − |b − 0| 2 .<br />

1.7 Beobachtungen: <strong>Kongruenz</strong> in der euklidischen <strong>Ebene</strong> Seien {a, b}, {c, d} ⊆ V 2-<br />

elementige Mengen. Wenn gilt |a−b| = |c−d| (d.h. Abstand von a zu b ist gleich dem Abstand von<br />

c zu d) nennt man die beiden Mengen {a, b}, {c, d} kongruent und schreibt dafür {a, b} ≡ {c, d}<br />

oder kurz ab ≡ cd.<br />

Offenbar ist ≡ eine Äquivalenzrelation auf der Menge der 2-elementigen Teilmengen von V .<br />

Aus 1.5 d) folgt: Wenn (a, b, c, d) ein Parallelogramm ist, gilt {a, b} ≡ {c, d}.<br />

Als Übungsaufgabe wurde gezeigt:<br />

Für alle a, b ∈ V mit a �= b ist Ma,b := {v ∈ V | {v, a} ≡ {v, b} eine Gerade (nämlich die Mittel-<br />

senkrechte 1<br />

2 (a + b)+ < a − b >⊥ ).<br />

Wenn m, a ∈ V sind und a �= m, so ist {v ∈ V | {v, m} ≡ {a, m} } der Kreis mit Mittelpunkt m<br />

durch den Punkt a. Die Gerade a ∨ m schneidet den Kreis in genau zwei Punkten (a und 2m − a).<br />

Der Punkt 2m − a ist das Bild von a unter der ’Spiegelung’ V → V , v ↦→ 2m − v am Punkt m.<br />

1.8 Bemerkung zur Historie Eine Kennzeichnung der euklidischen <strong>Ebene</strong> aus geometrischen<br />

Begriffen ist recht schwierig (zu umfangreich für eine allgemeine Geometrie-Vorlesung). Einer sol-<br />

che Charakterisierung muss ja insbesondere eine geometrische Beschreibung der reellen Zahlen<br />

innewohnen. Eine Lösung dieser Aufgabe wurde erst 1900 von Hilbert in dem berühmten Buch<br />

’Grundlagen der Geometrie’ angegeben.<br />

1.9 Definition ’<strong>Affine</strong> <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation’ Nun sei (P, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong><br />

und ≡ eine Äquivalenzrelation auf der Menge der 2-elementigen Teilmengen von P .<br />

Wir setzen voraus:<br />

(PG) (Parallelogramm-Axiom) Wenn (a, b, c, d) ein Parallelogramm ist, gilt {a, b} ≡ {c, d}.<br />

KS (Kreisschnittaxiom) Seien a, m ∈ P , a �= m. Dann gibt es genau einen Punkt b auf der Geraden<br />

a ∨ m mit b �= a, m und {a, m} ≡ {b, m}.<br />

Bezeichnung: b = a m .<br />

(MS) (Mittelsenkrechte) Für alle a, b ∈ V mit a �= b ist Ma,b := {x ∈ P | {x, a} ≡ {x, b} } eine<br />

Gerade. Jede Gerade von (P, L, I) läßt sich in der Form Ma,b schreiben.<br />

1.10 Bemerkung Die Definition einer affinen <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation (manchmal auch ’ei-<br />

ne euklidische <strong>Ebene</strong>’ genannt) verwendet nur recht anschauliche geometrische Begriffe (Punkt,<br />

Gerade, Inzidenz, <strong>Kongruenz</strong>, d.h. abstandsgleich). Die verlangten Axiome (d.h. Voraussetzungen)<br />

(PG), (KS), (MS) akzeptiert man gerne, weil sie physikalische Erfahrungen beim Zeichnen spiegeln.<br />

Die euklidische <strong>Ebene</strong> ist eine sehr spezielle affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation.<br />

3


Im folgenden sei (P, L, ∈, ≡) eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation.<br />

1.11 Definition (⊥ ) Nenne Geraden Γ, Ω senkrecht, geschrieben Γ ⊥ Ω, wenn es verschiedene<br />

Punkte a, b auf Ω gibt mit Γ = Ma,b.<br />

1.12 Bemerkung In der euklidischen <strong>Ebene</strong> gilt: Ma,b = 1<br />

2 (a+b)+(a−b)⊥ . Daraus folgt: Geraden<br />

c+ < u > und d+ < v > der euklidischen <strong>Ebene</strong> sind genau dann senkrecht, wenn f(u, v) = 0<br />

gilt (f=Skalarprodukt), d.h. u ⊥ v (das Symbol ⊥ wird in doppelter Bedeutung benutzt; das kann<br />

hier aber nicht zu Verwechslungen führen).<br />

1.13 Bemerkung zur Schuldidaktik Viele aus der Schule bekannten Sätze der ’Elementargeo-<br />

metrie’ gelten bereits in affinen <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation. In der Schule wird man nicht im<br />

Detail alle Aussagen herleiten; zum Beispiel wird man die Existenz von Punktspiegelungen oder<br />

Lotgeraden ohne Herleitung akzeptieren. Auch wird man stillschweigend voraussetzen: wenn Γ, Ω<br />

parallel sind, so ist jede Senkrechte zu Γ auch senkrecht zu Ω. Die genannten Aussagen sind in<br />

jeder affinen <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation beweisbar (was garnicht ganz einfach ist).<br />

Im Rahmen geometrischer Anschauung können Schüler selber Ideen entwickeln und Beweise ver-<br />

stehen.<br />

Das ist beim Rechnen in der euklidischen <strong>Ebene</strong> mit dem Skalarprodukt nicht so leicht möglich.<br />

1.14 Lemma Senkrechtstehen von Geraden ist symmetrisch, d.h. Γ ⊥ Ω ⇒ Ω ⊥ Γ.<br />

Beweis. Wir haben Ω = a ∨ b und Γ = Ma,b.<br />

Wähle c ∈ Ma,b mit c �∈ a ∨ b. Es gibt einen Punkt d derart, daß a, c, b, d ein Parallelogramm ist.<br />

Wegen dem Parallelogramm-Axiom (PG) gilt {b, d} ≡ {a, c} und {b, c} ≡ {a, d}. Mit {a, c} ≡ {b, c}<br />

folgt {b, d} ≡ {a, c} ≡ {b, c} ≡ {a, d}. Also c ∨ d = Ma,b = Γ und Ω = a ∨ b = Mc,d. Also Ω ⊥ Γ.<br />

Wir beweisen nun den <strong>Mittelsenkrechtensatz</strong> und den <strong>Höhensatz</strong>.<br />

Dabei verwenden wir Aussagen, die im Schulunterricht selbstverständlich sind und deren Beweis<br />

wir nachliefern (gekennzeichnet durch (???)).<br />

1.15 Satz (<strong>Mittelsenkrechtensatz</strong>) Seien (a, b, c) ein Dreieck (Tripel nicht kollinearer Punkte) und<br />

Ma,b, Mb,c, Mc,a die Mittelsenkrechten. Dann gibt es genau einen Punkt m mit m ∈ Ma,b, Mb,c, Mc,a.<br />

Dies ist der Mittelpnkt des a, b, c enthaltenden Kreises (Umkreis des Dreiecks).<br />

Beweis. Angenommen, Ma,b�Mb,c. Da a ∨ b zu Ma,b senkrecht ist, ist (nach (???)) a ∨ b auch zu<br />

Mb,c senkrecht. Da auch b∨c ⊥ Mb,c ist, folgt wegen der Loteindeutigkeit (???) (durch einen Punkt<br />

auf eine Gerade gibt es genau eine Lotgerade): a ∨ b = b ∨ c, Widerspruch ( a, b, c nicht kollinear).<br />

Also haben Ma,b, Mb,c genau einen Schnittpunkt m.<br />

Es gilt am ≡ mb und bm ≡ cm. Also am ≡ cm. Das bedeutet m ∈ Ma,c.<br />

4


1.16 Satz (<strong>Höhensatz</strong>) Sei (a, b, c) ein Dreieck (Tripel nicht kollinearer Punkte). Sei Γa das Lot<br />

(Lotgerade) durch a auf b ∨ c; entsprechend Γb und Γc (Existenz? Eindeutigkeit?). Dann sind<br />

Γa, Γb, Γc kopunktal.<br />

Beweis. Seien a ′ , b ′ , c ′ Punkte derart, dass (a, b, c, b ′ ), (c, a, b, a ′ ), (b, c, a, c ′ ) Parallelogramme sind.<br />

Das Parallelogramm-Axiom liefert<br />

(1) b ′ a ≡ bc ≡ ac ′ .<br />

Wäre b ′ = c ′ , so wäre c∨c ′ = c∨b ′ �a∨b; die Diagonalen c∨c ′ , a∨b die Parallelogramms (b, c, a, c ′ )<br />

wären parallel, was nicht sein kann (???). Also ist<br />

(1) b ′ �= c ′ .<br />

Nach (1) und (2) ist a der Mittelpunkt von b ′ , c ′ .<br />

Da Γa senkrecht zu b ∨ c ist und b ′ ∨ a = a ∨ c ′ �b ∨ c gilt, folgt (???): Γa ist senkrecht zu b ′ ∨ c ′ .<br />

Also ist Γa = Mb ′ ,c ′ die Mittelsenkrechte zu den Punkten b′ , c ′ .<br />

Analog für Γb und Γc.<br />

Die drei Höhen Γa, ... sind also die Mittelsenkrechten des Dreiecks a ′ , b ′ , c ′ .<br />

Der <strong>Mittelsenkrechtensatz</strong> liefert genau einen Punkt m ∈ Γa, Γb, Γc.<br />

Zusatz. Der Kreis mit Mittelpunkt m durch a ′ enthält b ′ und c ′ .<br />

Sei weiter (P, L, ∈, ≡) eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation.<br />

1.17 Definition(Spiegelung am Punkt m) Sei m ∈ P . Für a ∈ P , a �= m, setze ρm(a) := a m<br />

(siehe (KS) in 1.9); außerdem ρm(m) := m. Die Abbildung ρm : P → P heißt die Spiegelung am<br />

Punkt m.<br />

1.18 Bemerkung In der euklidischen <strong>Ebene</strong> gilt ρm(a) = 2m−a. Denn a, m, 2m−a sind kollinear,<br />

a �= 2m − a falls a �= m und |a − m| = |(2m − a) − m|.<br />

Unmittelbar aus der Definition von ρm folgen a) und b):<br />

1.19 Lemma a) ρ 2 m(= ρm ◦ ρm) = idP �= ρm (man sagt: ρm ist involutorisch); insbesondere ist ρm<br />

bijektiv und ρm = ρ −1<br />

m .<br />

b) Der einzige Fixpunkt von ρm (d.h. ρm(a) = a) ist m.<br />

c) Sei Γ ∈ L. Dann ist ρm(Γ) ∈ L und ρm(Γ)�Γ.<br />

Insbesondere ist ρm eine Kollineation.<br />

d) Die Fixgeraden von ρm (d.h. ρ(Γ) = Γ) sind die Gerade durch m.<br />

Beweis von c).<br />

Falls m ∈ Γ gilt offenbar ρm(Γ) = Γ.<br />

5


Sei also m �∈ Γ.<br />

Setze Ω := (m�Γ).<br />

Wähle einen Punkt u ∈ Ω, u �= m.<br />

Setze v := u m = ρm(u).<br />

Mu,v und Ω schneiden sich eindeutig in m (denn u �∈ Mu,v).<br />

Wegen Ω�Γ haben Mu,v und Γ einen eindeutigen Schnittpunkt a.<br />

Sei b ∈ P derart, dass (u, a, v, b) ein Parallelogramm ist.<br />

Mit dem Parallelogrammaxiom folgt vb ≡ au ≡ av ≡ ub. Also u, v ∈ Ma,b und damit<br />

(1) Ω = Ma,b<br />

Mit m ∈ Ω = Ma,b und b, m, a kollinear und b �= a folgt b = a m = ρm(a).<br />

Sei Σ die Parallele zu Γ durch b.<br />

Nun sei x ∈ Γ. Wir behaupten: ρm(x) ∈ Σ; genauer: ρm(x) ist der Schnittpunkt y von Σ mit m∨x.<br />

Sei x ′ der Schnittpunkt von Ω mit (b�x ∨ m).<br />

Wähle x ′′ derart, daß (b, x ′ , a, x ′′ ) ein Parallelogramm ist.<br />

Das Parallelogrammaxiom und (1) sagen ax ′′ ≡ bx ′ ≡ x ′ a ≡ x ′′ b. Also<br />

(2) x ′′ ∈ Ω<br />

Nun sind (x, m, x ′′ , a) und (b, x ′ , m, y) Parallelogramme. Deshalb nach Parallelogrammaxiom und<br />

(1) und (2): xm ≡ x ′′ a ≡ bx ′ ≡ my. Außerdem x �= y und x, m, y kollinear. Also<br />

(3) ρm(x) = x m = y ∈ Σ<br />

Damit ist ρm(Γ) ⊆ Σ gezeigt. Analog folgt ρm(Σ) ⊆ Ω und damit Σ ⊆ ρm(Ω). Es folgt ρm(Γ) = Σ.<br />

Wegen Γ �= Σ folgt d).<br />

6


Wintersemester 03/04 Übungen zu Geometrie I Prof. F. Knüppel<br />

Serie 2<br />

1 (endliche affine <strong>Ebene</strong>n) a) Sei (P, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong>. Auf einer bestimmten Geraden Γ<br />

mögen genau m (natürliche Zahl) Punkte liegen. Man zeige: Auf jeder Geraden liegen m Punkte.<br />

Wieviele Geraden gehen durch einen beliebigen Punkt?<br />

Wieviele Geraden enthält ein Parallelbüschel?<br />

Wieviele Punkte gibt es insgesamt? Wieviele Geraden?<br />

b) Man skizziere die affine <strong>Ebene</strong> zum Vektorraum V := K 2 , wobei K der Körper mit 2 Elementen<br />

ist.<br />

c) Wie b) für den Körper mit 3 Elementen.<br />

2 Sei (P, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong>. Eine Translation ist eine Kollineation τ mit der Eigenschaft<br />

τ(Γ)�Γ für jede Gerade Γ und: τ = idP oder τ hat keinen Fixpunkt (d.h. τ(a) �= a für jedes<br />

a ∈ P ).<br />

Wir betrachten ein Translation τ �= idP . Man zeige:<br />

a) τ −1 ist eine Translation.<br />

b) x ∨ τ(x) ist eine Fixgerade für jedes x ∈ P .<br />

c) Die Menge der Fixgeraden von τ ist ein Parallelbüschel (die ’Richtung’ von τ).<br />

d) Wenn (a, b, c, d) ein Parallelogramm mit τ(a) = b ist, folgt τ(d) = c.<br />

e) Zu a, b ∈ P existiert höchstens eine Translation mit τ(a) = b.<br />

3 Das ’Fano-Axiom’ für affine <strong>Ebene</strong>n sagt: die Diagonalen a ∨ c, b ∨ d eines Parallelogramms<br />

(a, b, c, d) sind nicht parallel.<br />

Man zeige: Eine affine <strong>Ebene</strong> zu einem Vektorraum über einem Schiefkörper K erfüllt genau dann<br />

das Fano-Axiom, wenn 1 + 1 �= 0 ist (d.h. charK �= 2).<br />

7


Fortsetzung: Studium der Punktspiegelungen.<br />

1.20 Definition (Bewegung) Eine Bewegung einer affinen <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈, ≡) mit <strong>Kongruenz</strong>rela-<br />

tion ist eine bijektive Abbildung ϕ : P → P , welche ≡ erhält; d.h. {ϕ(x), ϕ(y)} ≡ {x, y} für alle<br />

x, y ∈ P mit x �= y.<br />

Didaktische Bemerkung Die Bezeichnung Bewegung (englisch: motion) ist nicht glücklich, weil<br />

sie einen zeitabhängigen Vorgang suggeriert. Im Geometrie-Unterricht 14-jähriger Kinder kommt<br />

der Abbildungsbegriff nicht vor. Aber so wie Geraden mit einem Lineal (ohne Skala) gezeichnet<br />

werden und <strong>Kongruenz</strong> mit dem Zirkel geprüft wird, kann man Bewegungen realisieren: Man neh-<br />

me eine Folie, lege diese auf die ’Zeichenebene’; zu jedem Punkt x der Zeichenebene gehört der<br />

darüberliegende Punkt x ′ der Folie. Nun wird die Folie ’bewegt’: auf der Zeichenebene verschoben<br />

oder auch geklappt und wieder auf die Zeichenebene gelegt. Dann ist ϕ(x) der unter dem Folien-<br />

punkt x ′ liegende Punkt der Zeichenebene.<br />

1.21 Satz Jede Bewegung ist eine Kollineation, insgesamt also ein Automorphismus der Struktur<br />

(P, L, ∈, ≡).<br />

Die Menge der Bewegungen ist eine Untergruppe der Kollineationsgruppe von (P, L, ∈).<br />

Beweis. Sei ϕ eine Bewegung, Γ eine Gerade. Nach Voraussetzung (MS) können wir Γ = Ma,b<br />

schreiben.<br />

Nun ist<br />

ϕ(Ma,b) = ϕ({x ∈ V | xa ≡ xb }) =<br />

{ϕ(x), x ∈ V | xa ≡ xb } =<br />

{ϕ(x), x ∈ V | ϕ(x)ϕ(a) ≡ ϕ(x)ϕ(b) } =<br />

{y ∈ V | yϕ(a) ≡ yϕ(b) } = M ϕ(a),ϕ(b)<br />

(vorletztes = da ϕ bijektiv).<br />

1.21 Lemma(Fortsetzung Punktspiegelungen)<br />

a) Seien a, b, m ∈ P nicht kollinear. Dann ist (a, b, ρm(a), ρm(b)) ein Parallelogramm.<br />

b) ρm ist eine Bewegung.<br />

Beweis. Aus 1.19 c) folgt a ∨ b�ρm(a ∨ b) = ρm(a) ∨ ρm(b)<br />

und ρm(a) ∨ b�ρm(ρm(a) ∨ b) = ρm(ρm(a)) ∨ ρm(b) = a ∨ ρm(b).<br />

Zu b). Zu zeigen ist xy ≡ ρm(x)ρm(y) für alle x, y ∈ P mit x �= y.<br />

Falls m = x oder m = y folgt das direkt aus der Definition von ρm.<br />

Falls x, y, m nicht kollinear, ist nach a) (x, y, ρm(x), ρm(y)) ein Parallelogramm und (PG) liefert<br />

die Behauptung.<br />

Zuletzt sei m ∈ x ∨ y und m �= x, y.<br />

Wähle u, v ∈ P derart, dass (x, y, u, v) ein Parallelogramm ist. Auch (ρ(x), ρ(y), ρ(u), ρ(v)) ist ein<br />

Parallelogramm (da ρm Kollineation).<br />

8


Da u, v, m nicht kollinear, liefert der vorhin behandelte Fall uv ≡ ρ(u)ρ(v).<br />

Mit (PG) folgt xy ≡ uv und ρ(u)ρ(v) ≡ ρ(x)ρ(y).<br />

Wir erhalten xy ≡ ρ(x)ρ(y).<br />

1.22 Lemma Senkrechte Geraden Γ, Ω haben genau einen Schnittpunkt (d.h. sind nicht parallel).<br />

Beweis. Wir haben Γ = a ∨ b und Ω = Ma,b für passende a, b ∈ P .<br />

Setze c := a b = ρb(a).<br />

Dann gilt a ∨ b = a ∨ c und b ∈ Ma,c und a �∈ Ma,c.<br />

Es folgt Ma,c ∩ (a ∨ c) = {b}.<br />

Angenommen, es gibt d ∈ Ma,b ∩ Ma,c.<br />

Die Punkte a, d, b sind nicht kollinear (sonst d ∈ Ma,c ∩ (a ∨ c) = {b}, also b ∈ Ma,b, was nicht<br />

zutrifft). Also ist (a, d, c = ρb(a), ρb(d)) nach 1.21 a) ein Parallelogramm.<br />

(PG) liefert aρb(d) ≡ cd ≡ ad ≡ bd ≡ ρb(d)b (zweites ≡ wegen d ∈ Ma,c).<br />

Das zeigt ρb(d) ∈ Ma,b.<br />

Wegen d, ρb(d) ∈ Ma,b, Ma,c folgt b ∈ Ma,c = Ma,b, ein Widerspruch.<br />

Die Annahme ist also falsch, wir haben Ma,b�Ma,c.<br />

Da Ma,c � �a ∨ c = Γ folgt Ω = Ma,b � �a ∨ c = Γ.<br />

1.23 Korollar Zu je zwei Punkten a, b ∈ P existiert genau ein Punkt m mit ρm(a) = b, genannt<br />

der ’Mittelpunkt’ von a, b. Falls a = b, gilt a = b = m. Falls a �= b, ist m der eindeutige Schnitt-<br />

punkt von a ∨ b mit Ma,b (siehe 1.22).<br />

Beweis. Aus ρm(a) = a folgt m = a, da nach 1.19 b) m einziger Fixpunkt von ρm ist.<br />

Nun sei a �= b.<br />

Es gelte ρm(a) = b. Dann gilt (da nach 1.19 c) ρ Kollineation ist) ρ(a ∨ b) = ρ(a) ∨ ρ(b) = b ∨ a,<br />

d.h. a ∨ b ist Fixgerade von ρ und deshalb m ∈ a ∨ b (1.19 d)). Da ρ Bewegung ist, gilt am ≡<br />

ρ(a)ρ(m) ≡ bm, also m ∈ Ma,b.<br />

Umgekehrt sei m der Schnittpunkt von a ∨ b und Ma,b. Dann gilt am ≡ bm und nach Definition<br />

von ρm folgt ρm(a) = b.<br />

In Übungsserie 2 wurden Translationen definiert:<br />

1.24 Definition Eine Translation einer affinen <strong>Ebene</strong> (braucht keine <strong>Kongruenz</strong>relation zu tra-<br />

gen) ist eine Kollineation τ mit der Eigenschaft τ(Γ)�Γ für jede Gerade Γ und: τ = idP oder τ hat<br />

keinen Fixpunkt (d.h. τ(a) �= a für jedes a ∈ P ).<br />

1.25 Lemma Die Translationen der affinen <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈, ≡) sind genau die Produkte von zwei<br />

Punktspiegelungen.<br />

Translationen sind Bewegungen (d.h. erhalten ≡) und damit auch das Senkrechtstehen von Gera-<br />

den.<br />

Zu je zwei Punkten a, b existiert genau eine Translation τ mit τ(a) = c (man sagt: die Gruppe der<br />

9


Translation operiert scharf transitiv auf P ).<br />

Beweis. Seien ρm und ρn Punktspiegelungen. Nach 1.9 c) sind diese Kollineationen mit der Ei-<br />

genschaft: Bildgerade � Urbildgerade. Also hat auch ρm ◦ ρn diese Eigenschaft. Angenommen,<br />

ρm ◦ ρn(a) = a. Dann folgt b := ρn(a) = ρm(a). Falls a = b folgt nach 1.19a) a = b = m = n, also<br />

ρm ◦ ρn = idP . Falls a �= b, ist nach 1.23 ebenfalls m = n und damit ρm ◦ ρn = idP . Also ist ρm ◦ ρn<br />

eine Translation.<br />

Umgekehrt sei eine Translation τ von (P, L, ∈) gegeben. Wähle a ∈ P , setze c := τ(a). Sei m der<br />

Mittelpunkt von a, c (siehe 1.23), also ρm(a) = c. Dann gilt ρc ◦ ρm(a) = c. Also sind τ und ρc ◦ ρm<br />

zwei Translationen, die a auf c abbilden. Daraus folgt ρc ◦ ρm = τ (Übung Serie 2).<br />

Translationen brauchen wir zum Beweis des folgenden Lemmas.<br />

1.26 Lemma (Verträglichkeit von � und ⊥) Seien Γ, Γ ′ , Ω, Ω ′ ∈ L und Γ senkrecht zu Ω. Dann<br />

gilt:<br />

(1) Ω�Ω ′ ⇒ Γ ⊥ Ω ′<br />

(2) Γ ⊥ Ω ′ ⇒ Ω�Ω ′<br />

(3) Die Menge {Σ ∈ L | Σ ⊥ Γ } der zu Γ senkrechten Geaden ist ein Parallelbüschel.<br />

(4) Γ�Γ ′ und Ω�Ω ′ ⇒ Γ ′ ⊥ Ω ′<br />

(5) Γ�Γ ′ und Γ ′ �Ω ′ ⇒ Ω�Ω ′<br />

Beweis. Zu (1). Ω und Γ haben genau einen Schnittpunkt m (siehe 1.22). Wegen Ω ′ �Ω haben auch<br />

Ω ′ , Γ genau einen Schnittpunkt m ′ .<br />

Da die Translationen transitiv auf P operieren (1.25) existiert eine Translation τ mit τ(m) = m ′ .<br />

Sie erfüllt τ(Γ) = Γ und τ(Ω) = Ω ′ . Da τ eine Bewegung ist (1.25) und deshalb die Senkrecht-<br />

Relation von Geraden erhält, folgt Γ ⊥ Ω ′ .<br />

Zu (2). Sei Σ die Parallele zu Ω ′ durch m. Nach (1) ist Σ ⊥ Γ. Wir haben also zwei zu Γ senkrechte<br />

Geraden durch m, nämlich Ω und Σ, und wollen Ω = Σ beweisen.<br />

Es gibt (Definition von ⊥) a, b ∈ Γ mit Ω = Ma,am und Σ = Mb,bm. Wähle c ∈ Ω mit c �= m. Es gilt ac ≡ cρm(a) ≡ ρm(c)a (da ρm Bewegung ist). Also a ∈ Mc,cm. Da<br />

m ∈ Mc,cm ist und a �= m folgt b ∈ Γ = Mc,cm. Also bc ≡ bcm ≡ cbm (letztes ≡ durch Anwenden von ρm). Also c ∈ Mb,bm = Σ. Folglich<br />

Σ = c ∨ m = Ω.<br />

Zu (3), (4), (5): folgt direkt aus (1) und (29.<br />

1.27 Korollar (Existenz und Eindeutigkeit des Lotes) Zu jedem a ∈ P und Γ ∈ L existiert genau<br />

ein Ω ∈ L mit a ∈ Ω und Ω ⊥ Γ.<br />

Folgt sofort aus 1.26.<br />

Damit haben wir die Aussagen (???) beim <strong>Mittelsenkrechtensatz</strong> und <strong>Höhensatz</strong> exakt bewiesen.<br />

10


Wintersemester 03/04 Übungen zu Geometrie I Prof. F. Knüppel<br />

Serie 3<br />

Sei V ein 2-dimensionaler Vektorraum über einem Körper K und f : V ×V → K eine symmetrische<br />

anisotrope Bilinearform (anistrop heißt: f(v, v) = 0 ⇒ v = 0).<br />

(Beispiel: V := IR 2 mit gewöhnlichem Skalarprodukt).<br />

Wir definieren ≡ durch:<br />

für a, b, c, d ∈ V mit a �= b und c �= d.<br />

Offenbar ist ≡ eine Äquivalenzrelation.<br />

Man zeige für die affine <strong>Ebene</strong> zu V :<br />

{a, b} ≡ {c, d} ⇔ f(a − b, a − b) = f(c − d, c − d)<br />

a) Jede Gerade Γ (der affinen <strong>Ebene</strong> zu V ) mit 0 �∈ Γ kann man schreiben als Γ = v + v ⊥ .<br />

b) Zusätzlich sei vorausgesetzt: char K �= 2, d.h. 2 = 1 + 1 �= 0.<br />

Man zeige: Jede Gerade Γ ist Mittelsenkrechte, d.h. Γ = Ma,b für passende a, b ∈ V , a �= b (Hin-<br />

weis: a) benutzen).<br />

Bemerkung. In Serie 1, 3 wurde gezeigt, daß Ma,b für alle a, b ∈ V , a �= b eine Gerade ist. Wir<br />

haben nun also bewiesen, daß die Geraden genau die Mengen der Form Ma,b sind; d.h. es gilt das<br />

’Mittelsenkrechtenaxiom’ (MS).<br />

c) Es gilt das Parallelogramm-Axiom (PG) der Vorlesung.<br />

2 (Fortsetzung von Aufgabe 1) Zusätzlich sei vorausgesetzt: char K �= 2, d.h. 2 = 1 + 1 �= 0.<br />

Man zeige, daß dann das ’Kreisschnittaxiom’ (KS) gilt: Zu a, m ∈ V mit a �= m existiert genau ein<br />

b ∈ V mit b ∈ a ∨ m und b �= a und am ≡ bm (Bezeichnung: b = a m ).<br />

Zusammenfassung (sehr wichtig und interessant):<br />

Satz Seien V, K, f wie oben und charK �= 2. Die affine <strong>Ebene</strong> (V, L, ∈, ≡) über V mit ≡ wie oben<br />

ist eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation (im Sinn der Vorlesung).<br />

3 Gibt es eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation der Ordnung 3 (d.h. jede Gerade enthält genau<br />

3 Punkte)?<br />

Kürübung: Sprechen Sie eine Vermutung aus, zu welchen endlichen Ordnungen es affine <strong>Ebene</strong>n<br />

mit <strong>Kongruenz</strong>relation gibt.<br />

11


Zum Satz von Thales<br />

2.1 Hilfssatz Sei a, b, c ein Dreieck; seien m der Mittelpunkt von a, b (siehe 1.23) und n der Mit-<br />

telpunkt von a, c. Dann gilt m �= n und m ∨ n�b ∨ c.<br />

Beweis. Die Translation (siehe 1.25) ρn ◦ ρm ist �= idP und hat m ∨ n als eine Fixgerade (denn<br />

m ∨ n ist fix unter beiden Punktspiegelungen). Wegen ρn ◦ ρm(b) = ρn(a) = c ist b ∨ c auch eine<br />

Fixgerade. Die Menge der Fixgeraden der Translation ist ein Parallelbüschel; deshalb gilt m∨n�b∨c.<br />

Bezeichnung Sei a, b ∈ P und m der Mittelpunkt von a, b (siehe 1.23). Nenne { x ∈ P | xm ≡<br />

am } = { x ∈ P | xm ≡ bm } den Thales-Kreis über a, b.<br />

2.2 Satz (des Thales von Milet) Seien a, b, c ∈ P paarweise verschieden, T der Thales-Kreis über<br />

a, b. Dann gilt<br />

c ∈ T ⇔ a ∨ c ⊥ b ∨ c<br />

Beweis. Sei m der Mittelpunkt von a, b und n der Mittelpunkt von a, c.<br />

Dann gilt (nach 2.1) (1) m ∨ n�b ∨ c.<br />

Aus c ∈ T folgt am ≡ cm, also m ∈ Ma,c. Da n ∈ Ma,c und m �= n ist, folgt m ∨ n = Ma,c ⊥ a ∨ c<br />

und wegen (1) und 1.26 (1) auch b ∨ c ⊥ a ∨ c.<br />

Umgekehrt sei b∨c ⊥ a∨c und damit m∨n ⊥ a∨c. Die Loteindeutigkeit erzwingt m ∈ m∨n = Ma,c,<br />

also am ≡ cm, d.h. c ∈ T .<br />

2.3 Korollar Der Thales-Kreis über a, b besteht aus den Fußpunkten der Lote von b auf die Ge-<br />

raden durch a.<br />

2.4 Korollar (Schnitt eines Kreises mit einer Geraden) Sei a, m ∈ P , a �= m und T := {x ∈<br />

P | xm ≡ am} der Kreis mit Mittelpunkt m durch a.<br />

a) |T ∩ Γ| ≤ 2 für jede Gerade Γ, eine Gerade und ein Kreis schneiden sich in höchstens 2 Punkten.<br />

Bezeichnung: Passante, wenn |T ∩ Γ| = 0; Sekante, wenn wenn |T ∩ Γ| = 2; Tangente, wenn<br />

|T ∩ Γ| = 1.<br />

b) Sei c ∈ T . Es gibt genau eine Tangente durch c, nämlich die Lotgerade durch c auf a ∨ m.<br />

c) Für alle c, d ∈ T mit c �= d gilt m ∈ Mc,d.<br />

d) Der Mittelpunkt m von T ist eindeutig bestimmt.<br />

Durch drei nicht kollineare Punkte geht genau ein Kreis (der Umkreis des Dreiecks a, b, c).<br />

Beweis. Zu a). Sei b ∈ T ∩ Γ. Setze c := b m = ρm(b). Dann ist T der Thales-Kreis über b, c. Für<br />

alle x ∈ Γ mit x �= b, c gilt: x ∈ T ⇔ x ∨ c ⊥ Γ, d.h. x ist Fusspunkt des Lotes von c auf Γ (Satz<br />

von Thales).<br />

Zu b) Setze b := c m . Sei Γ das Lot durch c auf c ∨ m. Wenn x ∈ Γ ∩ T ist, so ist x Fußpunkt des<br />

Lotes durch b auf Γ (Satz von Thales), also x = c.<br />

Umgekehrt sei Γ eine Tangente durch a. Der Fußpunkt des Lotes von b auf Γ liegt auf T , ist also<br />

12


gleich c. Folglich Γ ⊥ b ∨ c.<br />

c) ist klar. Zu d) Es gibt in T 3 verschiedene Punkte a, b, c (mit Satz von Thales und da durch jeden<br />

Punkt mindestens 3 Geraden laufen). Nach a) ist (a, b, c) ein Dreieck (d.h. a, b, c nicht kollinear).<br />

m liegt auf den Mittelsenkrechten des Dreiecks (siehe c)) und ist (<strong>Mittelsenkrechtensatz</strong>) deshalb<br />

eindeutig.<br />

In einer affinen <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation haben wir die Relation ’senkrecht’ für Geraden defi-<br />

niert (und gezeigt, dass ’senkrecht’ anständige Eigenschaften hat). Kann man aus der Senkrecht-<br />

Relation die <strong>Kongruenz</strong>relation rekonstruieren, d.h. ist die <strong>Kongruenz</strong>relation durch die Senk-<br />

rechtrelation eindeutig bestimmt? Ja!<br />

2.5 Hilfssatz Sei (P, L, ∈, ≡) eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation.<br />

Zwei kommutierende Punktspiegelungen sind gleich.<br />

Wenn τ eine Translation ist mit τ ◦ τ = id (siehe 1.25) so folgt τ = id<br />

Beweis. Seien ρa, ρb kommutierende Punktspiegelungen.<br />

Dann gilt ρa ◦ρb ◦ρa = ρb; also ist ρa(b) ein Fixpunkt von ρb. Da (nach 1.19 b)) b einziger Fixpunkt<br />

von ρb ist, folgt ρa(b) = b. Da ρa nur den Fixpunkt a hat, a = b.<br />

Nun sei τ eine Translation und τ = τ −1 . Schreibe τ = ρaρb (siehe 1.25). Dann kommutieren ρa, ρb<br />

und deshalb sind beide Punktspiegelungen gleich. Also τ = id.<br />

2.6 Satz In einer affinen <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>relation ist die <strong>Kongruenz</strong>relation aus dem Senk-<br />

rechtstehen von Geraden rekonstruierbar.<br />

Genauer: Sei (P, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong> und seien ≡ und ⊲⊳ Relationen derart, daß (P, L, ∈, ≡)<br />

und auch (P, L, ∈, ⊲⊳) affine <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation sind. Für alle Geraden Γ, Ω ∈ L möge<br />

gelten:<br />

Dann ist ≡ = ⊲⊳.<br />

Beweis. Wir betrachten zunächst nur ≡ .<br />

Seien a, b, c ∈ P , a �= b.<br />

Γ ⊥≡ Ω ⇔ Γ ⊥⊲⊳ Ω<br />

Wir wollen für beliebiges d ∈ P , d �= c, ein Kriterium für die Aussage (*) ab ≡ cd angeben, welches<br />

nur ⊥ verwendet.<br />

Translationen beruhen nur auf der Inzidenzstruktur (P, L, ∈) und sind für jede <strong>Kongruenz</strong>relation<br />

Bewegungen.<br />

Sei τ die Translation mit τ(c) = a (siehe 1.25); setze e := τ(d). Wegen cd ≡ ae (da τ Bewegung<br />

ist, 1.25) ist (*) äquivalent zu<br />

(**) ab ≡ ae (d.h. e liegt auf dem Kreis bezüglich ≡ mit Mittelpunkt a durch b). Wir brauchen<br />

also nur ein Kriterium (+) dafür, daß e ∈ P die Aussage (**) erfüllt.<br />

13


Sei ω die Translation mit ω(b) = a. Setze u := ω(a) (= ω ◦ ω(b)).<br />

Dann gilt (da τ Bewegung)<br />

(1) ab ≡ ω(a)ω(b) = ua. Außerdem<br />

(2) u ∈ a ∨ b (da a ∨ b Fixgerade von τ) und<br />

(3) u �= b (denn u = b liefert ω ◦ ω(b) = b,<br />

also ω(b) = ω −1 (b),<br />

also ω = ω −1 und nach Hilfssatz ω = id, Widerspruch zu a �= b).<br />

Wegen (1), (2), (3) gilt u = b a .<br />

Behauptung: (**) ist äquivalent zu (+) e = b oder e = u oder e ∨ b ⊥ e ∨ u.<br />

Hierzu. Wegen u = b a ist T := {x ∈ P | ab ≡ ax} der Thales-Kreis über a, u. Nach dem Satz von<br />

Thales gilt für e ∈ P : (**) ⇔ e ∈ T ⇔ e erfüllt (+).<br />

Also ist (*) äquivalent zu (+).<br />

Analog folgt: Aussage (+) ist äquivalent zu ab ⊲⊳ ae.<br />

Bemerkung Der vorige Beweis (Überlegung zu ω) liefert, daß die Punktspiegelung ρa nicht von<br />

der <strong>Kongruenz</strong>relation ≡ abhängt (nur vom Punkt a).<br />

Algebraische Modelle affiner <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation<br />

3.1 Satz In jeder affinen <strong>Ebene</strong> bilden die Translationen eine Untergruppe der Gruppe aller Kol-<br />

lineationen.<br />

Sei nun (V, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong> über einem 2-dimensionalen Vektorraum V . Für c ∈ V setze<br />

τc : V → V , x ↦→ x + c. Dann ist τc die Translation, welche 0 in c abbildet.<br />

Die Abbildung<br />

V, + → Gruppe der Translationen von (V, L, ∈), c ↦→ τc ist ein Gruppenisomorphismus.<br />

Die Gruppe der Translationen operiert einfach transitiv auf V .<br />

Beweis. Zur ersten Aussage. Seien τ, ω Translationen. Zeige: τ ◦ ω ist Translation.<br />

Sei τ ◦ ω(a) = a. Es folgt ω(a) = τ −1 (a), also ω = τ −1 nach Serie 2, 2e). Deshalb τ ◦ ω = id.<br />

Nun sei (V, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong> über einem 2-dimensionalen Vektorraum V .<br />

Jede Abbildung τc ist bijektiv, eine Kollineation (τc(a+ < v >) = (c + a)+ < v >); erfüllt τ(Γ)�Γ<br />

für jede Gerade Γ; ist �= id für c �= 0 und hat dann keinen Fixpunkt.<br />

Also ist τc eine Translation von (V, L, ∈) . Sei nun τ irgendeine Translation von (V, L, ∈). Setze<br />

c := τ(0). Dann gilt τ(0) = c = τc(0) und Serie 2, 2e) liefert τ = τc.<br />

Die angegebene Abb. V, + → Gruppe der Translationen von (V, L, ∈), c ↦→ τc ist also wohldefi-<br />

niert und bijektiv.<br />

Wegen τc+d = τc ◦ τd ist sie ein Gruppenhomomorphismus.<br />

In Serie 3 wurde bewiesen<br />

14


3.2 Satz(algebraische Modelle affiner <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation) V ein 2-dimensionaler Vek-<br />

torraum über einem Körper und charK �= 2.<br />

Sei f : V × V → K eine anisotrope symmetrische Bilinearform.<br />

Für a, b, c, d ∈ V mit a �= b, c �= d definiere<br />

{a, b} ≡ {c, d} ⇔ f(a − b, a − b) = f(c − d, c − d)<br />

Dann ist die affine <strong>Ebene</strong> (V, L, ∈, ≡) über V mit ≡ wie oben eine affine <strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong>re-<br />

lation (im Sinn der Vorlesung).<br />

Zusatz Geraden Γ = a+ < v >, Ω = b+ < w > ∈ L (wobei a, b, v, w ∈ V ; v, w �= 0 ist) sind<br />

genau dann senkrecht, wenn f(v, w) = 0 gilt.<br />

Den Zusatz haben wir eigentlich auch schon bewiesen, trotzdem hier im Detail:<br />

Da das Senkrechtstehen von Geraden mit � verträglich ist (1.26), darf man a = 0 = b annehmen.<br />

Wenn f(v, w) = 0 ist, folgt Mv,−v =< w >= Ω (Serie 1, 3) und v ∨ (−v) = Γ, also Γ ⊥ Ω.<br />

Wenn Γ ⊥ Ω gilt, gibt es c, d ∈ Γ mit Γ =< v >= c ∨ d und Mc,d =< w >= Ω. Also<br />

f(c − w, c − w) = f(d − w, d − w) und (wegen 0 ∈ Ω) f(c, c) = f(d, d). Deshalb gilt f(c − d, w) = 0,<br />

also f(v, w) = 0.<br />

Kaum zu glauben aber wahr: Alle affinen <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation werden bereits durch den<br />

Satz 3.2 beschrieben!<br />

3.3 Theorem Jede affine <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈, ≡) mit <strong>Kongruenz</strong>relation ist isomorph zu einer affinen<br />

<strong>Ebene</strong> mit <strong>Kongruenz</strong> wie in 3.1.<br />

Ausführlich:<br />

Gegeben sei eine affine <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈, ≡) mit <strong>Kongruenz</strong>relation.<br />

Dann gibt es einen 2-dimensionalen Vektorraum V über einem Körper K mit charK �= 2, eine<br />

anisotrope symmetrische Bilinearform f : V × V → K und eine Kollineation ϕ : P → V von<br />

(P, L, ∈) auf die affine <strong>Ebene</strong> zu V mit der Eigenschaft<br />

{a, b} ≡ {c, d} ⇔ f(ϕ(a) − ϕ(b), ϕ(a) − ϕ(b)) = f(ϕ(c) − ϕ(d), ϕ(c) − ϕ(d))<br />

für alle a, b, c, d ∈ P (a �= b; c �= d).<br />

Da der Beweis des Theorems ziemlich umfangreich ist und Hilfsmittel erfordert, die sowie noch<br />

vorkommen, warten wir damit.<br />

Illustration Betrachte die affine <strong>Ebene</strong> zu V := K 2 , wobei K der Körper der rationalen Zahlen<br />

sei.<br />

Setze f(a, b) := α1β1 + 2α2β2. Dann ist f eine anisotrope symmetrische Bilinearform auf V , die<br />

nach 3.1 eine <strong>Kongruenz</strong>relation ≡ liefert.<br />

Setze a := (1, 0) und m := (0, 0).<br />

Wegen f(a − m, a − m) = f(a, a) = 1 ist T = {(x1, x2) ∈ K 2 | f(x1, x2) = x 2 1 + 2x 2 2 = 1 } der Kreis<br />

15


mit Mittelpunkt m = 0 durch a (’Einheitskreis’ mit Mittelpunkt 0). Man hat a m = −a.<br />

Die Mittelsenkrechte Ma,am ist < (0, 1) >.<br />

Es gilt Ma,a m∩T = ∅. Denn ein Punkt in dieser Menge hätte die Form (0, λ) mit λ ∈ K und 2λ2 = 1.<br />

Wenn man die rationalen Zahlen durch IR ersetzt (und alles andere lässt), ist der Einheitskreis<br />

eine reelle Ellipse durch (1, 0) und (0, 1/ √ 2).<br />

Die <strong>Kongruenz</strong>relation ≡ ist verschieden von derjenigen ⊲⊳, welche das gewöhnliche Skalarprodukt<br />

g liefert. Nach 2.6 müssen die beiden daraus resultierenden Senkrechtrelationen auf der Geraden-<br />

menge auch verschieden sein.<br />

<strong>Höhensatz</strong> und symmetrische Bilinearform<br />

4.1 Betrachtung Zunächst ein einfacher Beweis des <strong>Höhensatz</strong>es in einer affinen <strong>Ebene</strong> mit Kon-<br />

gruenz, die durch einen 2-dimensionalen Vekktorraum V und eine anisotropen symmetrischen Bi-<br />

linearform f : V × V → K (siehe 3.1) gegeben ist.<br />

Sei also a, b, c ein Dreieck. Sei Γa die Lotgerade durch a auf b ∨ c; entsprechend Γb und Γc. Dann<br />

haben Γa, Γc genau einen Schnittpunkt d (sonst wäre Γa�Γc und nach 1.26 würde b ∨ c�b ∨ a, also<br />

b ∨ c = b ∨ a folgen, Widerspruch). Zu zeigen ist d ∈ Γb.<br />

Falls b = d sind wir fertig. Sei b �= d.<br />

Wegen f(a − d, b − c) = 0 = f(c − d, a − b) folgt<br />

f(b − d, a − c) =<br />

f((b − c) + (c − d), (a − b) + (b − c)) =<br />

f(b − c, a − b) + f(b − c, b − c) + f(c − d, b − c) =<br />

f(b − c, a − b) + f(b − c, b − d) =<br />

f(b − c, a − d) = 0<br />

Also ist Γb = b+ < b − d > und damit d ∈ Γb.<br />

Der Beweis besteht in schlichtem Rechnen und erfordert keine Phantasie, anders als der ’geome-<br />

trische’ Beweis 1.16, den aber schon Kinder in der Sekundarstufe 1 verstehen können.<br />

Leider verstärkt sich im Schulunterricht mit zunehmender Abiturnähe die Tendenz, phantasielose<br />

Rechentechnik einzuüben; man denke an die unseligen ’Kurvendiskussionen’.<br />

Der Satz von Thales beleuchtet das Schnittverhalten von Geraden und Kreisen und erlaubt die<br />

Rekonstruktion der <strong>Kongruenz</strong>relation aus der Senkrechtrelation.<br />

Eine weniger offensichtliche Bedeutung hat der <strong>Höhensatz</strong>.<br />

Voraussetzungen für 4.2.<br />

Wir betrachten eine affine <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈) über einem K-Links-Vektorraum (K Schiefkörper).<br />

Sei eine symmetrische Senkrechtrelation ⊥ auf der Geradenmenge gegeben derart, daß gilt<br />

(S1) Γ ⊥ Ω ⇒ Γ � �Ω<br />

(S2) Seien Γ ⊥ Ω. Dann gilt für jede Gerade Σ:<br />

16


Σ ⊥ Γ ⇔ Σ�Ω.<br />

(S3) Zu jeder Geraden existiert mindestens eine Senkrechte.<br />

Eine von einer <strong>Kongruenz</strong>relation kommende Senkrechtrelation hat jedenfalls diese Eigenschaften<br />

(siehe 1.26). Aus den Eigenschaften folgt die Existenz und die Eindeutigkeit der Lotgeraden (Zu<br />

jedem Punkt a und jeder Geraden Γ existiert genau eine Gerade Ω mit a ∈ Ω und Ω ⊥ Γ).<br />

4.2 Satz Für die gegebene Senkrechtrelation möge der <strong>Höhensatz</strong> gelten (d.h. die Höhen eines<br />

jeden Dreiecks sind kollinear).<br />

Dann ist K kommutativ und es gibt eine anisotrope symmetrische Bilinearform<br />

f : V × V → K mit a+ < v > ⊥ b+ < w > ⇔ f(v, w) = 0<br />

für alle Geraden a+ < v >, b+ < w >.<br />

Beweis. Wähle senkrechte Geraden durch 0. Die kann man schreiben als < e1 >, < e2 > (ei ∈ V ),<br />

und wegen (S1) ist e1, e2 eine Basis von V .<br />

Statt λe1 + µe2 ∈ V schreiben wir nur (λ, µ).<br />

Jede Gerade Γ, die weder zu < (1, 0) > noch zu < (0, 1) > parallel ist, kann man schreiben als<br />

c+ < (1, λ) >, mit c ∈ K 2 und λ ∈ K \ {0} (die ’Steigung’).<br />

Alle zu c+ < (1, λ) > senkrechte Geraden haben die Form d+ < (1, λ ′ ) >, wobei λ ′ ∈ K \ {0} nur<br />

von λ abhängt.<br />

Die Abbildung ′ : K \ {0} → K \ {0}, λ ↦→ λ ′ ist involutorisch (d.h. λ ′′ = λ für alle λ ∈ K \ {0}),<br />

da ⊥ symmetrisch ist, und insbesondere bijektiv.<br />

(i) λ ′ λ = µ ′ µ für alle λ, µ ∈ K \ {0}.<br />

Beweis. Wir dürfen λ �= µ annehmen und nutzen den <strong>Höhensatz</strong>.<br />

Betrachte das Dreieck a := (λ, 0), b := (µ, 0), c := (0, −λµ).<br />

Für die Höhen gilt dann:<br />

Γb = b+ < (1, µ ′ ) >, Γa = a+ < (1, (µ −1 λµ) ′ ), Γc = c+ < (0, 1) >.<br />

Nach Voraussetzung haben die Höhen einen gemeinsamen Punkt. Dies liefert nach kurzer Rechnung<br />

(+) µµ ′ = λ(µ −1 λµ) ′ .<br />

Speziell λ = 1 liefert µµ ′ = 1 · 1 ′ für alle µ ∈ K \ {0} und (i) ist bewiesen.<br />

Weiter folgt λ(µ −1 λµ) ′ = µµ ′ = 1 · 1 ′ = λλ ′ , also λ = µ −1 λµ. Deshalb:<br />

(ii)K ist kommutativ.<br />

Setze κ := 1 · 1 ′ und f : K 2 × K 2 → K, f((α, β), (γ, δ)) := αγ − κβδ.<br />

Offenbar ist f eine symmetrische Bilinearform.<br />

Für Geraden Γ = a+ < (µ, 1) > und Σ = b+ < (λ, 1) > (mit λ, µ ∈ K \ {0}) gilt<br />

Γ ⊥ Σ ⇔ µ = λ ′ ⇔ λµ − κ = 0 ⇔ f((µ, 1), (λ, 1)) = 0<br />

Es gilt also für alle Gerade Γ = a+ < c >, Σ = b+ < d >, daß Γ ⊥ Σ äquivalent ist zu f(c, d) = 0.<br />

Keine Gerade ist zu sich selbst senkrecht, also f anisotrop.<br />

Ber Beweis ist beendet.<br />

17


4.3 Korollar Sei (V, L, ∈) eine affine <strong>Ebene</strong> über einem Vektorraum, und ≡ eine <strong>Kongruenz</strong>relation<br />

dazu.<br />

Dann existiert eine symmetrische anisotrope Bilinearform f : V × V → K mit der Eigenschaft<br />

ab ≡ cd ⇔ f(a − b, a − b) = f(c − d, c − d)<br />

Beweis. Durch ≡ wird eine Senkrechtrelation auf der Geradenmenge definiert (1.11) mit den in 4.2<br />

vorausgesetzten Eigenschaften, insbesondere gilt der <strong>Höhensatz</strong> für die Senkrechtrelation (siehe<br />

1.16).<br />

4.2 liefert eine anisotrope symmetrische Bilinearform f mit<br />

(*) a+ < c > ⊥ b+ < d > ⇔ f(c, d) = 0.<br />

Nach 3.2 ist durch f(a−b, a−b) = f(c−d, c−d) ⇔ ab ⊲⊳ cd eine <strong>Kongruenz</strong>relation ⊲⊳ definiert.<br />

Nach 3.2 und (*) bewirkt ⊲⊳ die gleiche Senkrechtrelation auf der Geradenmenge wie ≡.<br />

In 2.6 haben wir bewiesen, daß daraus folgt ≡ = ⊲⊳.<br />

Wir kommen später auf affine <strong>Ebene</strong>n mit <strong>Kongruenz</strong>relation zurück, um etwas über die in der<br />

Schule behandelten Dreieckskonstruktionen und Winkelbegriffe zu sagen.<br />

18


Wintersemester 03/04 Übungen zu Geometrie I Prof. F. Knüppel<br />

Serie 4<br />

Für die Aufgaben 1 und 2 sei eine affine <strong>Ebene</strong> (P, L, ∈, ≡) mit <strong>Kongruenz</strong>relation gegeben. Man<br />

argumentiere ohne das ’Algebraisierungstheorem’ 3.3 zu verwenden.<br />

1 a) Wir wissen, dass durch die Ecken a, b, c eines Dreiecks genau ein Kreis geht (Mittelsenkrech-<br />

tensatz), der ’Umkreis’ des Dreiecks.<br />

Man zeige: Das Dreieck ist genau dann rechtwinklig (etwa a ∨ c ⊥ c ∨ b), wenn der Mittelpunkt<br />

des Umkreises auf einer der ’Seiten’ a ∨ b, a ∨ c, b ∨ c liegt.<br />

b) Man zeige: Ein Dreieck ist genau dann gleichschenklig (d.h. etwa ab ≡ ac), wenn eine seiner<br />

Ecken auf der Mittelsenkrechten der beiden anderen Ecken liegt.<br />

2 Gegeben sei ein Kreis {x ∈ P | ma ≡ xm }. Man zeige: jede Gerade durch m ist Passante oder<br />

Sekante (d.h. es gibt keine Tangente durch m). Der Fall einer Passante kann vorkommen.<br />

3 1. Sei K ein endlicher Körper mit charK �= 2. Dann gilt für Q := {γ 2 | γ ∈ K \ {0} } bekanntlich<br />

2|Q| = |K \ {0}| (warum?).<br />

2. Sei κ ∈ K und f : K 2 × K 2 → K, f((αβ), (γ, δ)) := αγ + κ · βδ.<br />

Offenbar ist f eine symmetrische Bilinearform.<br />

Kann man κ so wählen, daß f anisotrop ist? (1. verwenden)<br />

3. Gegeben sei ein 2-dimensionaler Vektorraum über einem Körper K wie in 1.<br />

Kann man stets die durch V gegebene affine <strong>Ebene</strong> mit einer <strong>Kongruenz</strong>relation ausstatten?<br />

Fragen? Ärger?<br />

Zu erreichen bin ich ziemlich oft in Zimmer 520 Matheseminar;<br />

sonst: knueppel@math.uni-kiel.de, 0431-880-3668, 0431-521323, 01779275610 .<br />

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