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Zahlen aus Geometrie

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<strong>Zahlen</strong> <strong>aus</strong> <strong>Geometrie</strong><br />

Frieder Knüppel<br />

Wir wollen diejenigen affinen und projektiven Räume kennzeichnen, die isomorph zu einem Raum<br />

über einem Vektorraum sind.<br />

Zunächst ein destruktives Beispiel.<br />

1.1 Die Moulton-Ebene Die Punktmenge sei IR 2 .<br />

Jedem Paar (m, c) mit c ∈ IR und m ∈ IR ∪ {∞} (∞ irgendein Element �∈ IR) wird eine Gerade<br />

Γm,c wie folgt zugeordnet.<br />

Falls m ≤ 0 setze Γm,c := {(x, y) ∈ IR 2 | y = mx + c } = (0, c) + IR(1, m), d.h. die Gerade der<br />

affinen Ebene zu IR 2 mit Steigung m durch den Punkt (0, c).<br />

Falls m = ∞, setze Γ∞,c := {(x, y) ∈ IR 2 | x = c } = (c, 0) + IR(0, 1).<br />

Falls m > 0 setze Γm,c := {(x, y) ∈ IR 2 | 0 ≥ y = mx + c oder 0 ≤ y = 1<br />

2 (mx + c) }.<br />

Das bedeutet, für m > 0 ist Γm,c Vereinigung einer Geraden mit Steigung m in der unteren Halb-<br />

ebene und einer Geraden mit Steigung 1<br />

2m in der oberen Halbebene. Der ’Knickpunkt’ ist (c/m, 0).<br />

’Moulton-Geraden’ Γm,c, Γn.d sind genau dann gleich oder haben keinen gemeinsamen Punkt, wenn<br />

m = n ist.<br />

Man prüft nach: Die Punktmenge IR 2 , zusammen mit der Menge aller Moulton-Geraden Γm,c und<br />

∈ als Inzidenz, ist eine affine Ebene, genannt die Moulton-Ebene.<br />

1.1’ Beobachtung In der Moulton-Ebene ist das kleine Desargues-Axiom (des) (Serie 5, Aufgabe<br />

2) verletzt. Deshalb ist in dieser Ebene die Translationsgruppe (aufgrund dieser Aufgabe 2) nicht<br />

transitiv auf der Punktmenge. Insbesondere ist die Moulton-Ebene deshalb nicht isomorph zu einer<br />

affinen Ebene über einem Vektorraum.<br />

1.2 Satz In einer affinen Ebene kommutieren Translationen mit verschiedenen Richtungen.<br />

Wenn es in einer affinen Ebene mindestens zwei Translationen �= id mit verschiedenen Richtungen<br />

gibt, ist die Translationsgruppe abelsch.<br />

Beweis der ersten Aussage. Seien τ1, τ2 Translationen �= id mit verschiedenen Richtungen und a<br />

irgendein Punkt der affinen Ebene. Setze b := τ1(a), c := τ2(a) und sei d der Punkt mit der Ei-<br />

genschaft: (a, b, d, c) ist ein Parallelogramm (da τ1, τ2 verschiedene Richtungen haben, sind a, b, c<br />

nicht kollinear).<br />

Man hat τ1 ◦ τ2(a) = τ1(c) ∈ (c�a ∨ b) (da a ∨ b und dann auch (c�a ∨ b) Fixgerade von τ1 ist) und<br />

τ1 ◦ τ2(a) = τ1(c) ∈ (b�a ∨ c).<br />

Also gilt τ1 ◦ τ2(a) = d.<br />

Analog folgt τ2 ◦ τ1(a) = d.<br />

In Lineare Algebra lernt man, dass die Menge aller linearen Abbildungen eines Vektorraums in sich<br />

(die Endomorphismen von V ) einen Ring bilden, wenn man als Multiplikation die Nacheinander-<br />

1


<strong>aus</strong>führung von Abbildungen nimmt und lineare Abbildungen addiert, indem man die Bildelemente<br />

addiert. Etwas abstrakter (ohne Skalarmultiplikation):<br />

1.3 Begriff: Endomorphismenring einer abelschen Gruppe Gegeben sei eine abelsche Grup-<br />

pe T, + (in der Anwendung wird das die Translationsgruppe T, ◦ einer affinen Ebene sein).<br />

Dann ist die Menge End(T ) aller Gruppenhomomorphismen T, + → T, + ein Ring, wenn man für<br />

ϕ, ψ ∈ End(T ) festsetzt:<br />

· (Ringmultiplikation) ist ◦ (Hintereinander<strong>aus</strong>führung) von Abbildung; also ϕ · ψ := ϕ ◦ ψ.<br />

ϕ + ψ ist der durch ϕ + ψ : T → T , t ↦→ ϕ(t) + ψ(t) gegebene Gruppenhomomorphismus.<br />

1.4 Hilfssatz (Kennzeichnung von Dilatationen) Sei (P, L, ∈) eine affine Ebene und δ : P → P<br />

eine Abbildung mit der Eigenschaft<br />

(+) für alle a, b ∈ P mit a �= b gilt δ(a) = δ(b) oder δ(a) ∨ δ(b)�a ∨ b<br />

Dann ist δ eine Dilatation oder eine konstante Abbildung (d.h. alle Punkte haben den gleichen<br />

Bildpunkt).<br />

Beweis.<br />

(i) Falls δ nicht injektiv, ist δ konstant.<br />

Beweis (i). Seie a, b ∈ P , a �= b und δ(a) = δ(b).<br />

Sei c ∈ P . Behauptung: δ(c) = δ(a).<br />

Angenommen, δ(c) �= δ(a).<br />

Falls c �∈ a ∨ b liefert (+): δ(b) ∨ δ(b) = δ(a) ∨ δ(c)�a ∨ c, b ∨ c, also a ∨ c = b ∨ c, Widerspruch.<br />

Falls c ∈ a ∨ b, wähle d ∈ P , d �∈ a ∨ b. Nach vorigem Ergebnis ist δ(d) = δ(a). Also δ(a) ∨ δ(c) =<br />

δ(d) ∨ δ(c)�a ∨ c, d ∨ c, also a, c, d kollinear und damit a, b, d kollinear, Widerspruch.<br />

Damit ist (i) bewiesen.<br />

Wir können also annehmen: δ ist injektiv.<br />

(ii) Falls a, b, c ∈ P kollinear sind, dann auch δ(a), δ(b), δ(c).<br />

Beweis (ii). Wir dürfen annehmen: a, b, c verschieden.<br />

Dann gilt δ(a) ∨ δ(b), δ(a) ∨ δ(c)�a ∨ b = b ∨ c, also δ(a) ∨ δ(b) = δ(a) ∨ δ(c).<br />

(iii) δ : P → P ist surjektiv.<br />

Beweis (iii). Wähle a, b ∈ P mit a �= b. Dann ist δ(a) �= δ(b).<br />

Sei y ∈ P .<br />

Wir wollen x ∈ P finden mit δ(x) = y.<br />

Falls y, δ(a), δ(b) nicht kollinear sind, sei x der Schnittpunkt von (a�δ(a) ∨ y) und (b�δ(b) ∨ y).<br />

Dann erzwingt (+), daß δ(x) = y gilt.<br />

2


Falls y, δ(a), δ(b) kollinear sind, wähle c ′ , d ′ ∈ P mit y, c ′ , d ′ nicht kollinear und c ′ , δ(a), δ(b) nicht<br />

kollinear und d ′ , δ(a), δ(b) nicht kollinear. Dann ist nach dem behandelten Fall δ(c) = c ′ und<br />

δ(d) = d ′ für passende c, d ∈ P . Wiederhole nun das erste Argument mit c, d anstelle von a, b.<br />

(iv) Seien a, b, c ∈ P und δ(a), δ(b), δ(c) kollinear. Dann sind a, b, c kollinear.<br />

Beweis. Wir dürfen annehmen; a, b, c sind verschieden. Wir haben schon bewiesen, dass δ bijektiv<br />

ist. Nach (+) gilt<br />

a ∨ b, a ∨ c � δ(a) ∨ δ(b) = δ(a) ∨ δ(b). Es folgt a ∨ b = a ∨ c.<br />

1.5 Erstes Algebraisierungstheorem für affine Ebenen<br />

Gegeben sei eine affine Ebene (P, L, ∈). Folgende Aussagen sind äquivalent.<br />

a) (P, L, ∈) ist isomorph zu einer affinen Ebene über einem 2-dimensionalem K-Vektorraum (K<br />

Schiefkörper).<br />

b) Die Translationsgruppe T ist transitiv auf P (d.h. zu a, b ∈ P existiert τ ∈ T mit τ(a) = b)<br />

und es gibt eine Streckungsgruppe zu einem Zentrum o, die linear transitiv ist (d.h. zu a, b ∈ P ,<br />

a, b �= o und a, b, o kollinear existiert eine Streckung δ mit Zentrum o und δ(a) = b).<br />

Beweis. Aus a) folgt b), wie schon gesagt: wenn a, b ∈ V gegeben ist, bildet die Translation<br />

τb−a; V → V, v ↦→ v + (b − a) den Punkt a in b ab.<br />

Wenn a, b, 0 ∈ V kollinear und a, b �= 0 ist, hat man b = λa, und die Streckung δλ : V → V ,<br />

v ↦→ λv, bildet a in b ab.<br />

Nun sei b) vor<strong>aus</strong>gesetzt.<br />

Die verwendete Beweis-Idee stammt von Emil Artin.<br />

(Der Beweis funktioniert wörtlich auch für affine Räume).<br />

Sei o ∈ P wie in b).<br />

Zu jedem p ∈ P existiert genau eine Translation τp ∈ T mit τp(o) = p (Vor<strong>aus</strong>setzung und Serie 2,<br />

2e)).<br />

(i) Die Abbildung τ : P → T (Translationsgruppe), p ↦→ τp ist also bijektiv.<br />

Man hat τo = id.<br />

Für die Nacheinander<strong>aus</strong>führung von Translationen schreiben wir + statt ◦.<br />

Nach 1.2 ist T, + eine abelsche Gruppe (mit neutralem Element 0 = idP ).<br />

End(T ) bezeichne den in 1.3 definierten Endomorphismenring der Gruppe T, +.<br />

Wir wollen T, + mit passendem Schiefkörper K zu einem Vektorraum machen und dann zeigen, daß die<br />

oben definierte Abbildung τ eine Kollineation der gegebenen Ebene auf die Ebene zum K-Vektorraum<br />

3


T, + ist.<br />

Sei D die Gruppe alle Streckungen mit Zentrum o.<br />

Für jedes δ ∈ D und τp gilt<br />

(Serie 5, Aufgabe 3b)).<br />

Deshalb ist ˆ δ eine Bijektion von T auf T .<br />

ˆδ(τp) := δ ◦ τp ◦ δ −1 = τ δ(p)<br />

Da o, p, δ(p) kollinear sind, haben τp und ˆ δ(τp) die gleiche Richtung (Richtung=Parallelbüschel<br />

der Fixgeraden einer Translation �= id).<br />

Es ist ˆ δ ∈ End(T, +). Denn<br />

ˆδ(τp + τq) = ˆ δ(τp ◦ τq) = δ ◦ (τp ◦ τq)δ −1 = δ ◦ (τp ◦ δ −1 ◦ δ ◦ τq)δ −1 = ˆ δ(τp) ◦ ˆ δ(τq) = ˆ δ(τp) + ˆ δ(τq).<br />

Zusammenfassung: Für jede Streckung δ ∈ D ist die ’Konjugationsabbildung’ ˆ δ ein richtungserhal-<br />

tender Automorphismus der Gruppe T, +.<br />

(ii) Setze K := {η ∈ End(T, +) | Richtung(τp) ⊆ Richtung(η(τp))für alle τp ∈ T }.<br />

D.h. K besteht <strong>aus</strong> allen richtungserhaltenden Endomorphismen von T (für idP = 0 ∈ T wird<br />

jedes Parallelbüschel als eine Richtung angesehen).<br />

Unmittelbar <strong>aus</strong> der Definition folgt:<br />

(iii) K ein Unterring von End(T, +) mit 0- und 1-Element (=Identität auf T ).<br />

(iv) K = { ˆ δ | δ ∈ D} ∪ {0} (hier bezeichnet 0 den Endomorphismus von T, +, der alles auf das<br />

neutrale Element idp = 0 der Gruppe T, + abbildet).<br />

Insbesondere ist der Unterring K von End(T, +) ein Schiefkörper (denn jedes ˆ δ ist invertierbar).<br />

Beweis von (iv). ⊇ wurde schon gezeigt.<br />

Sei also α ∈ K, α �= 0.<br />

Wir wollen δ ∈ D finden mit α = ˆ δ.<br />

Definiere dazu δ : P → P , δ(p) := (α(τp))(o).<br />

Wir behaupten, dass (1) δ ∈ D ist und (2) ˆ δ = α gilt.<br />

(Bemerkung: falls es ein δ ∈ D mit ˆ δ = α gibt, folgt (α(τp))(o) = δ ◦ τp ◦ δ −1 (o) = τ δ(p)(o) = δ(p);<br />

d.h. die obige Definition von δ ist zwangsläufig und erfordert keine Phantasie).<br />

Wegen 1.4 genügt für (1) der Nachweis von (+) <strong>aus</strong> 1.4 und dass δ nicht konstant ist.<br />

Zunächst gilt δ(o) = o.<br />

Wegen α �= 0 existiert eine Translation τp mit α(τp) �= idP = 0 = τo, also δ(p) �= o = δ(o).<br />

Also ist δ nicht konstant.<br />

4


Zur Eigenschaft (+) <strong>aus</strong> 1.4.<br />

Seien a, b ∈ P und δ(a) �= δ(b).<br />

Wir behaupten: a ∨ b � δ(a) ∨ δ(b).<br />

Sei τa,b die Translation mit τa,b(a) = b. Dann gilt τb = τa,b+τa (denn (τa,b+τa)(o) = (τa,b◦τa)(o) =<br />

τa,b(a) = b).<br />

Deshalb gilt<br />

δ(b) =<br />

(α(τb))(o) = (α(τa,b + τa))(o) =<br />

(α(τa,b) + α(τa))(o) =<br />

(α(τa,b) ◦ α(τa))(o) =<br />

(α(τa,b)(δ(a)).<br />

Da α(τa,b) und τa,b die gleiche Richtung haben,<br />

folgt a ∨ b � δ(a) ∨ δ(b).<br />

Aus 1.4 folgt, daß δ eine Dilatation ist, und wegen δ(o) = o folgt (1).<br />

Zu (2). Wir behaupten ˆ δ(τp) = α(τp) für alle p ∈ P .<br />

Die linke Seite ist τ δ(p) (siehe oben) und die rechte Seite ist auch eine Translation, die o auf δ(p)<br />

abbildet (Definition von δ). Also sind sie gleich.<br />

Damit ist (iv) bewiesen.<br />

(v) Translationen τp, τq �= idP haben genau dann gleiche Richtung, wenn ˆ δ(τp) = τq für ein pas-<br />

sendes δ ∈ D gilt.<br />

Beweis. τp, τq mögen gleiche Richtung haben. Dann sind o, p, q kollinar, und p, q �= o. Da D linear<br />

transitiv ist, hat man δ(p) = q für eine δ ∈ D. Es folgt ˆ δ(τp) = τ δ(p) = τq.<br />

(vi) Wir machen T, + zu einem K-Vektorraum, indem wir α · τ := α(τ) festlegen.<br />

Tanslationen τp, τq �= 0 haben genau dann gleiche Richtung, wenn Kτp = Kτq gilt.<br />

Es ist dimT = 2.<br />

Die Vektorraumeigenschaften folgen allein dar<strong>aus</strong>, daß die Elemente von K \ {0} Automorphismen<br />

der abelschen Gruppe T, + sind.<br />

Die zweite Aussage folgt <strong>aus</strong> (v) und (ii).<br />

Seien τp, τq zwei Translationen �= idP mit verschiedenen Richtungen. Wir behaupten: τp, τq ist<br />

eine Basis.<br />

Wie gesagt, sind die beiden Translationen linear unabhängig.<br />

Sei τr irgendeine Translation �= idP .<br />

Falls τr gleiche Richtung wie τp hat, gilt τr ∈ Kτp.<br />

Also sei die Richtung von τr ungleich der Richtung von τp und derjenigen von τq.<br />

Bestimme p ′ , q ′ derart daß o, p, p ′ und o, q, q ′ kollinear sind und o, p ′ , r, q ′ ein Parallelogramm ist.<br />

Man hat nach (v) τp ′ ∈ Kτp, τq ′ ∈ Kτq und τp ′ + τq ′ = τr. Also τr ∈ Kτp + Kτq .<br />

5


(vii) Die Abbildung τ : P → T , p ↦→ τp ist eine Kollineation der gegebenen affinen Ebene (P, L, ∈)<br />

auf die affine Ebene zum K-Vektorraum T .<br />

Wie gesagt ist τ bijektiv.<br />

Seien p, q, r ∈ P verschieden.<br />

Die Bildpunkte τp, τq, τr sind genau dann kollinear, wenn (*) K(τr − τp) = K(τq − τp) gilt.<br />

Beachte, daß −τp die zu τp inverse Abbildung ist (denn + in T bedeutet ◦); also −τp(p) = o.<br />

Also ist (τr − τp)(p) = r = τp,r(p) und deshalb τr − τp = τp,r. Ebenso folgt τq − τp = τp,q.<br />

Deshalb ist (*) äquivalent dazu, daß Kτp,r = Kτp,q gilt.<br />

Das ist äquivalent dazu, daß τp,r und τp,q gleiche Richtung haben (siehe (vi)), d.h. zu p ∨ r � p ∨ q.<br />

Dies ist äquivalent zu p, q, r kollinear.<br />

Der Beweis ist beendet.<br />

Aussage b) in 1.5 handelt von Kollineationen der affinen Ebene; es wird, grob gesagt, gefordert<br />

daß sehr viele Dilatationen existieren (de facto alle, die es überhaupt geben kann).<br />

Nun hätten wir stattdessen gerne eine äquivalente Aussage, welche direkt von Punkten, Geraden<br />

und Inzidenz handelt. Eine solche ist das Desargues-Axiom.<br />

Gegeben sei eine affine Ebene (P, L, ∈).<br />

2.1 Großes Desargues-Axiom (Des) zum Zentrum z, affine Fassung<br />

Seien Γi (i = 1, 2, 3) verschiedene Geraden durch einen gemeinsamen Punkt z. Seien ai, bi ∈ Γi<br />

verschiedene Punkte �= z und a1 ∨ a2 � b1 ∨ b2 und a1 ∨ a3 � b1 ∨ b3. Dann gilt a1 ∨ a3 � b2 ∨ b3.<br />

Das kleine Desargues-Axiom (des) kennen wir schon; da sind parallele ’Trägergeraden’ Γi vor<strong>aus</strong>-<br />

gesetzt.<br />

2.2 Satz (über das Desargues-Axiom)<br />

a) Das Desargues-Axiom (Des) zum Zentrum z ist genau dann wahr, wenn die Gruppe der Streckun-<br />

gen mit Zentrum z linear transitiv ist.<br />

b) Das kleine Desargues-Axiom (des) (siehe Übung, Serie 5, Aufgabe 2) gilt genau dann, wenn die<br />

Translationsgruppe transitiv ist.<br />

Beweis. Zu a). Seien die Vor<strong>aus</strong>setzungen in (Des) erfüllt und sei die Gruppe der Streckungen zum<br />

Zentrum z linear transitiv. Da a1, b1, z kollinear sind und a1, b1 �= z, existiert eine Streckung δ mit<br />

Zentrum z und δ(a1) = b1. Analog wie in Serie 5, Aufgabe 2 folgert man δ(a2) = b2, δ(a3) = b3<br />

und deshalb δ(a1 ∨ a3) = b1 ∨ b3 � a1 ∨ a3.<br />

Nun zur umgekehrten (schwierigeren) Beweisrichtung.<br />

6


Sei (Des) mit z als Schnittpunkt von Trägergeraden erfüllt.<br />

Seien a, b, z kollinear und a, b �= z.<br />

Wir wollen eine Streckung δ mit Zentrum z und δ(a) = b konstruieren.<br />

Bezeichne mit Σ die Gerade durch z, a, b.<br />

Wähle einen Punkt c, der nicht auf Σ liegt.<br />

Für x ∈ P , x nicht auf Σ, sei x ′ der Schnittpunkt von x ∨ z und (b�a ∨ x).<br />

Für x ∈ Σ sei x ′ der Schnittpunkt von Σ und (c ′ �c ∨ x).<br />

Dann ist offenbar δ : P → P , x ↦→ x ′ eine Bijektion mit δ(a) = b und δ(z) = z.<br />

Wegen 1.4 (Hilfssatz zur Beschreibung von Dilatationen) genügt es zu zeigen:<br />

( � ) δ(x) ∨ δ(y) � x ∨ y für alle verschiedenen Punkte x, y.<br />

Falls z, x, y kollinear sind, folgt das unmittelbar <strong>aus</strong> der Definition von δ.<br />

Seien also z, x, y nicht kollinear.<br />

Falls x, y nicht auf Σ liegen, folgt <strong>aus</strong> (Des) (mit z als Zentrumspunkt) direkt x ′ ∨ y ′ � x ∨ y.<br />

Bleibt der Fall: y ∈ Σ und x �∈ Σ.<br />

Hier muss ich leider zwei Unterfälle unterscheiden.<br />

Wenn x, c, z nicht kollinear sind zeigt (Des) (mit Dreiecken a, c, x und b, c ′ , x ′ ), daß x ′ ∨c ′ � x∨c gilt;<br />

nochmaliges Anwenden von (Des) (mit Dreiecken x, y, c und x ′ , y ′ , c ′ ) liefert x ′ ∨ y ′ � x ∨ y. Wenn<br />

x, c, z kollinear sind, schließt man auch durch zweimaliges Anwenden von (Des) auf x ′ ∨ y ′ � x ∨ y.<br />

Teil b) des Satzes beweist man ganz analog zu a), deshalb sparen wir den Beweis.<br />

7


Wintersemester 03/04 Übungen zu <strong>Geometrie</strong> I Prof. F. Knüppel<br />

Serie 8<br />

1 (in Zusammenhang mit Aufgabe 2 von Serie 7). a) Sei e1, e2 eine Basis der euklidischen Ebene<br />

und ϕ : IR 2 → IR 2 linear mit<br />

(1) f(ei, ej) = f(ϕ(ei), ϕ(ej)) für alle i, j ∈ {1, 2} (f =gewöhnliches Skalarprodukt).<br />

Man zeige:<br />

(2) f(v, w) = f(ϕ(v), ϕ(w)) für alle v, w ∈ IR 2 .<br />

b) Man zeige, daß eine lineare Abbildung mit der Eigenschaft (2) eine Bewegung der euklidischen<br />

Ebene ist, die 0 als Fixpunkt hat.<br />

c) Warum sind die linearen Abbildungen mit der Eigenschaft (2) genau die Bewegungen der eukli-<br />

dischen Ebene mit 0 als Fixpunkt?<br />

d) Sei ϕ : IR 2 → IR 2 linear mit Matrix (aij) bezüglich einer beliebigen Basis e1, e2. (ϕ(ei) =<br />

�<br />

j aijej).<br />

Was bedeutet Eigenschaft (1) in a) für die Matrix?<br />

Wie kann man also die Bewegungen mit 0 als Fixpunkt durch ihre Matrizen kennzeichnen?<br />

e) Wie sehen also alle Bewegungen der euklidischen Ebene <strong>aus</strong>? (Erinnerung: Serie 5, 3)<br />

2 a) Man zeige für lineare Abbildungen ϕ, ψ : V → V das ’Bahnenlemma’: B(ϕ ◦ ψ) ⊆ B(ϕ) + B(ψ)<br />

(siehe siehe Serie 6, Aufgabe 2).<br />

b) Betrachte einen 3-dimensionalen Vektorraum V und den projektiven Raum Π(V ) dazu.<br />

Wie wir wissen sind die Zentralkollineationen genau die von einfachen linearen Abbildungen indu-<br />

zierten Kollineationen; das Zentrum ist die Bahn B(ϕ), die Achse der Fixraum F(ϕ) der induzie-<br />

renden einfachen linearen Abbildung.<br />

Nun seien zwei Zentralkollineationen ϕ, ψ mit gleicher Achse gegeben. Was kann man (mithilfe<br />

von a)) über die Nacheinander<strong>aus</strong>führung ϕ ◦ ψ sagen ?<br />

c) Gleiche Frage wie b) aber allgemein in einer projektiven Ebene (nicht notwendig zu einem Vek-<br />

torraum).<br />

8


2.3 Lemma In jeder affinen Ebene folgt <strong>aus</strong> dem Desargues-Axiom (Des) das kleine Desargues-<br />

Axiom (des).<br />

Beweis als Übung (Serie 9).<br />

2.4 Definition Eine affine Ebene heißt desarguessche affine Ebene, wenn (Des) (und damit nach<br />

2.3 (des)) gilt.<br />

Aus 2.3, 2.2 und dem ’ersten Algebraisierungstheorem’ 1.5 folgt<br />

2.5 Zweites Algebraisierungstheorem Gegeben sei eine affine Ebene (P, L, ∈). Folgende Aus-<br />

sagen sind äquivalent.<br />

a) (P, L, ∈) ist isomorph zu einer affinen Ebene über einem 2-dimensionalem K-Vektorraum (K<br />

Schiefkörper).<br />

b) (P, L, ∈) ist eine desarguessche affine Ebene.<br />

Die desarguesschen affinen Ebenen sind also (bis auf Isomorphie) genau die affinen Ebenen über<br />

2-dimensionalen K-Vektorräumen (K ein Schiefkörper).<br />

Gegeben sei eine affine Ebene zu einem K-Vektorraum V .<br />

Wann ist der Schiefkörper K ein Körper?<br />

Da die Streckungsgruppe zu einem festem Zentrum z isomorph zur Gruppe K \ {0}, · ist (2.9 im<br />

Kapitel ’Projektive Ebenen, projektiver Abschluss’), gilt:<br />

K ist Körper genau dann, wenn die Streckungsgrppe zu gegebenem Zentrum z kommutativ ist.<br />

Wir formulieren eine dazu äquivalente geometrische Bedingung:<br />

2.6 Pappus-Axiom (affine Fassung) Sei (P, L, ∈) eine affine Ebene.<br />

Seien Γ, Σ ∈ L verschieden, z ihr Schnittpunkt, und a1, a3, a5 ∈ Γ, a2, a4, a6 ∈ Σ, ai �= z,<br />

a1 ∨ a2 � a4 ∨ a5 und a2 ∨ a3 � a5 ∨ a6. Dann gilt a6 ∨ a1 �a3 ∨ a4.<br />

In Worten: Die Punkte a1, ..., a6 mögen alternierend auf zwei verschiedenen Geraden liegen und<br />

zwei Paare von Gegenseiten des Sechsecks seien parallel. Dann ist auch das dritte Paar von Ge-<br />

genseiten parallel.<br />

2.7 Satz (vom Pappus-Axiom) Gegeben sei eine affine Ebene zu einem 2-dimensionalen Vektor-<br />

raum über einem Schiefkörper K. Folgende Aussagen sind äquivalent.<br />

a) K ist kommutativ, also Körper.<br />

b) Die affine Ebene erfüllt das Pappus-Axiom.<br />

c) Die Gruppe der Streckungen zu einem festen Zentrum z ist kommutativ.<br />

9


Beweis. a) ⇔ c) wurde schon erklärt.<br />

Sei b) vor<strong>aus</strong>gesetzt.<br />

Betrachte zwei Streckungen δ, δ ′ zum gleichen Zentrum z.<br />

Zu zeigen ist δ ◦ δ ′ = δ ′ ◦ δ.<br />

Sei also x ∈ P ; zu zeigen δ ◦ δ ′ (x) = δ ′ ◦ δ(x).<br />

Hierzu.<br />

Wir dürfen annehmen δ �= id, δ ′−1 , δ ′ und x �= z.<br />

Setze a4 := x und wähle a3 ∈ P derart, dass a3, a4, z nicht kollinear sind.<br />

Setze<br />

(∗) a2 := δ ′ (a4), a6 := δ(a2) = δ ◦ δ ′ (a4), a5 := δ(a3), a1 := δ ′ (a5) = δ ′ ◦ δ(a3)<br />

Dann sind z, a2, a4, a6 verschieden und liegen auf einer Geraden, die von derjenigen durch z, a3, a5, a1<br />

verschieden ist.<br />

Weiter gilt a4 ∨ a5 � δ ′ (a4 ∨ a5) = a1 ∨ a2 und<br />

a2 ∨ a3 � δ(a2 ∨ a3) = a5 ∨ a6.<br />

Das Pappus-Axiom liefert a3 ∨ a4 � a1 ∨ a6.<br />

Folglich<br />

δ ◦ δ ′ (a3 ∨ a4) = (δ ◦ δ ′ (a4) � a3 ∨ a4) = (a6 �a3 ∨ a4) = a1 ∨ a6.<br />

Analog δ ′ ◦ δ(a3 ∨ a4) = a1 ∨ a6.<br />

Deshalb sind δ ◦ δ ′ (a4) und δ ′ ◦ δ(a4) inzident mit a1 ∨ a6 und mit z ∨ a3. Da die beiden Geraden<br />

verschieden sind, folgt δ ◦ δ ′ (a4) = δ ′ ◦ δ(a4) wie gewünscht.<br />

Umgekehrt setzen wir vor<strong>aus</strong>, dass je zwei Streckungen mit Zentrum z kommutieren.<br />

Die Vor<strong>aus</strong>setzungen des Pappus-Axiom mögen vorliegen.<br />

Seien δ, δ ′ die Streckungen mit Zentrum z und δ ′ (a4) = a2 und δ(a2) = a6, also a6 = δ ◦ δ ′ (a4).<br />

Dank der Vor<strong>aus</strong>setzungen liegen dann die Aussagen (*) vor.<br />

Es folgt δ ◦ δ ′ (a3 ∨ a4) = δ ◦ δ ′ (a3) ∨ δ ◦ δ ′ (a4) = δ ′ ◦ δ(a3) ∨ a6 = a1 ∨ a6.<br />

Da δ ◦ δ ′ eine Streckung ist, folgt a3 ∨ a4 � a1 ∨ a6.<br />

2.8 Satz von Hessenberg (1905) In einer affinen Ebene gilt: Aus dem Pappus-Axiom folgt das<br />

Desargues-Axiom.<br />

Wir lassen den (einfachen) Beweis weg; siehe etwa E. M. Schröder, Vorlesungen über <strong>Geometrie</strong><br />

II, Mannheim 1991, Seite 15.<br />

Als Folgerung <strong>aus</strong> 2.8, 2.7 und 2.5 notieren wir<br />

2.9 Drittes Algebraisierungstheorem für affine Ebenen<br />

Für eine affine Ebene sind folgende Aussagen äquivalent.<br />

10


a) Die affine Ebene ist isomorph zu einer affinen Ebene über einem K-Vektorraum V , wobei K ein<br />

Körper ist (kommutativ).<br />

b) In der affinen Ebene ist das Pappus-Axiom wahr.<br />

11


Wintersemester 03/04 Übungen zu <strong>Geometrie</strong> I Prof. F. Knüppel<br />

Serie 9<br />

1 Gegeben sei eine affine Ebene (P, L, ∈). Bitte beweisen Sie: <strong>aus</strong> dem großen Desargues-Axiom<br />

(Des) folgt das kleine (des).<br />

Anleitung.<br />

Die Vor<strong>aus</strong>setzungen in (des) mögen vorliegen:<br />

Seien Γi (i = 1, 2, 3) verschiedene parallele Geraden.<br />

Seien ai, bi ∈ Γi Punkte und a1 ∨ a2 � b1 ∨ b2 und a1 ∨ a3 � b1 ∨ b3.<br />

Zu zeigen ist a2 ∨ a3 � b2 ∨ b3.<br />

Beweis. Wir dürfen annehmen ai �= bi für i = 1, 2, 3 (sonst ist ai = bi für alle i und die Behauptung<br />

ist trivial).<br />

Außerdem darf man annehmen: a1, a2, a3 nicht kollinear, und b1, b2, b3 nicht kollinear.<br />

Die Gerade (b3 � a2 ∨ a3) schneidet b1 ∨ b2 eindeutig in einem Pukt b ′ 2.<br />

Wir nehmen an b2 �= b ′ 2 (sonst fertig).<br />

Es gibt einen eindeutigen Schnittpunkt z von Γ ′ 2 := a2 ∨ b ′ 2 und Γ3 (warum ?).<br />

Setze Γ ′ 1 := z ∨ a1....................<br />

2 Gegeben sei ein projektiver Raum (P, L, ∈).<br />

Eine Teilmenge T ⊆ P heißt Teilraum, wenn gilt:<br />

A, B ∈ T und A �= B ⇒ A ∨ B ⊆ T<br />

Man zeige: Wenn ∅ �= T ⊆ P ein Teilraum ist und A ∈ P , A �∈ T , so ist M := � {A ∨ B | B ∈ T }<br />

ein Teilraum (offenbar dann der kleinste T ∪ {A} enthaltende Teilraum. M besteht also <strong>aus</strong> allen<br />

Punkten X ∈ P mit X = A oder (X ∨ A) ∩ T �= ∅).<br />

Hinweis: Hier wirkt das Veblen-Young-Axiom!<br />

3 (vgl. Aufgabe 2)) Sei V ein K-Vektorraum (K Schiefkörper; dimV ≥ 2) und<br />

Π(V ) = (V (1) , V (2) , ⊂) der projektive Raum zu V .<br />

Man zeige: die Abbildung<br />

ist eine Bijektion.<br />

Menge der Untervektorräume von V → Menge der Teilräume von Π(V )<br />

U ↦→ U (1)<br />

12


Algebraisierung projektiver Ebenen<br />

Gegeben sei eine projektive Ebene (P, L, ∈).<br />

3.1 Projektives Desargues-Axiom Seien Γ1, Γ2, Γ3 ∈ L verschieden und Z ∈ Γ1, Γ2, Γ3.<br />

Seien Ai, Bi ∈ Γi (i = 1, 2, 3) Punkte �= Z.<br />

Dann gibt es eine Gerade Ω derart, dass<br />

A1 ∨ A2, B1 ∨ B2, Ω;<br />

A1 ∨ A3, B1 ∨ B3, Ω;<br />

A2 ∨ A3, B2 ∨ B3, Ω<br />

jeweils kopunktal sind.<br />

3.2 Beobachtung Wenn das projektive Desargues-Axiom erfüllt ist, gilt das (affine) Desargues-<br />

Axiom in der affinen Spezialisierung (Paff , Laff , ∈) bezüglich einer beliebigen unendlichfernen<br />

Geraden Ω ∈ L.<br />

Beweis. In der affinen Spezialisierung mögen die Vor<strong>aus</strong>setzungen des affinen Desargues Axiom<br />

((Des) oder (des)) vorliegen. Wir dürfen annehmen, daß die 6 Geraden Ai ∨ Aj, Bi ∨ Bj verschie-<br />

den sind (sonst hat man einen Trivialfall).<br />

Da A1 ∨ A2 � B1 ∨ B2 vor<strong>aus</strong>gesetzt ist (in der affinen Spezialisierung), liegt der Schnittpunkt von<br />

A1 ∨ A2 mit B1 ∨ B2 (in der projektiven Ebene) auf der Geraden Ω. Ebenso liegt der Schnitt-<br />

punkt von A1 ∨ A3 mit B1 ∨ B3 auf Ω. Beide Schnittpunkte sind verschieden. Da wir das projek-<br />

tive Desargues-Axiom vor<strong>aus</strong>gesetzt haben, liegen die beiden erwähnten Schnittpunkte mit dem<br />

Schnittpunkt von A2∨A3, B2∨B3 kollinear; d.h. Ω verläuft auch durch diesen dritten Schnittpunkt.<br />

3.3 Lemma Wenn die projektive Ebene (P, L, ∈) isomorph ist zu einer projektiven Ebene über<br />

einem 3-dimensionalen Vektorraum, so gilt in (P, L, ∈) das Desargues-Axiom.<br />

Beweis. Die Vor<strong>aus</strong>setzungen des projektiven Desargues-Axiom mögen vorliegen.<br />

Wir dürfen wieder annehmen, daß die 6 Geraden Ai ∨ Aj, Bi ∨ Bj verschieden sind. Sei Ω die Ge-<br />

rade durch die Schnittpunkte von A1 ∨A2 und B1 ∨B2 sowie A1 ∨A3 und B1 ∨B3. Die Gruppe der<br />

Zentralkollineationen mit Achse Ω und Zentrum Z ist linear transitiv (2.12 im Kapitel ’Projektive<br />

Ebenen ...’). Deshalb existiert eine Zentralkollineation ϕ in dieser Gruppe mit ϕ(A1) = B1. Sie<br />

erfüllt dann ϕ(Ai) = Bi für i = 1, 2, 3. Deshalb gilt ϕ(A2 ∨ A3) = B2 ∨ B3. Da der Schnittpunkt<br />

von A2 ∨ A3 mit der Achse Ω ein Fixpunkt ist, verläuft B2 ∨ B3 durch diesen Fixpunkt.<br />

3.5 Projektives Pappus-Axiom Seien Γ1, Γ2 ∈ L und A1, ..., A6 ∈ P mit A1, A3, A5 ∈ Γ1, �∈ Γ2<br />

und A2, A4, A6 ∈ Γ2, �∈ Γ1. Dann existiert eine Gerade Ω derart, dass<br />

A1 ∨ A2, A4 ∨ A5, Ω;<br />

A1 ∨ A6, A3 ∨ A4, Ω;<br />

A2 ∨ A3, A5 ∨ A6, Ω<br />

13


jeweils kopunktal sind.<br />

3.6 Beobachtung Wenn das projektive Pappus-Axiom erfüllt ist, gilt das (affine) Pappus-Axiom<br />

in der affinen Spezialisierung (Paff , Laff , ∈) bezüglich einer beliebigen unendlichfernen Geraden<br />

Ω ∈ L.<br />

Beweis analog zu 3.2<br />

3.5 Algebraisierungstheorem für projektive Ebenen<br />

Folgende Aussagen sind äquivalent.<br />

a) Die projektive Ebene erfüllt das (projektive) Desargues-Axiom.<br />

b) Die projektive Ebene ist isomorph zu einer projektiven Ebene zu einem 3-dimensionalen Vek-<br />

torraum über einem Schiefkörper.<br />

Zusatz Eine projektive Ebene ist genau dann isomorph zu einer projektiven Ebene zu einem 3-<br />

dimensionalen Vektorraum über einem Körper, wenn das (projektive) Pappus-Axiom gilt.<br />

Beweis. Wir betrachten die affine Spezialisierung (Paff , Laff , ∈) bezüglich einer unendlichfernen<br />

Geraden Ω ∈ L.<br />

Nach 3.2 gilt in (Paff , Laff , ∈) das affine Desargues-Axiom (bzw. sogar das affine Pappus-Axiom).<br />

Nach 2.5 ist (Paff , Laff , ∈) isomorph zur affinen Ebene zu einem Vektorraum K 2 (K ein passender<br />

Schiefkörper bzw. sogar ein Körper).<br />

Die affine Ebene über K 2 ist isomorph zur affinen Spezialisierung der projektiven Ebene Π(K 3 )<br />

bezüglich irgendeiner unendlichfernen Geraden, zum Beispiel {(λ1, λ2, 0) | λi ∈ K}.<br />

Deshalb ist die affine Spezialisierung (Paff , Laff , ∈) isomorph zu der ebengenannten affinen Spe-<br />

zialisierung von Π(K 3 ).<br />

D.h. es gilt eine Kollineation ϕ von (Paff , Laff , ∈) auf die affine Spezialisierung von Π(K 3 ).<br />

Diese Kollineation bewirkt eine Kollineation von (P, L, ∈) auf Π(K 3 ) (ein Punkt auf Ω, ent-<br />

sprechend einem Parallelbüschel von (Paff , Laff , ∈), wird durch ϕ auf ein Parallelbüschel von<br />

(Paff , Laff , ∈), entsprechend einem Punkt der unendlichfernen Geraden {(λ1, λ2, 0) | λi ∈ K}<br />

abgebildet).<br />

Um auch den Zusatz vollständig zu beweisen, wäre noch zu zeigen: In einer projektiven Ebene<br />

Π(K 3 ), K ein Körper, gilt das projektive Pappus-Axiom. Wir lassen den Beweis weg.<br />

Der projektive Abschluss der Moulton-Ebene ist keine projektive Ebene zu einem Vektorraum;<br />

denn dann wäre nach die Moulton Ebene eine affine Spezialisierung einer projektiven Ebene zu<br />

einem Vektorraum und nach 1.8 deshalb eine affine Ebene zu einem Vektorraum.<br />

14


Bemerkungen zur Existenz projektiver Ebenen<br />

In jeder projektiven Ebene sind je zwei Geraden (als Punktmengen) gleichmächtig (es gibt eine<br />

Bijektion der einen auf die andere Gerade).<br />

Wir betrachten eine projektive Ebene. Die Anzahl der Punkte auf einer Geraden sei χ (kann ∞<br />

sein).<br />

Jede affine Spezialisierung der projektiven Ebene hat dann χ − 1 Punkte auf jeder Geraden.<br />

Man nennt χ − 1 die Ordnung der projektiven Ebene.<br />

Eine projektive Ebene Π(V ) zu einem K-Vektorraum V hat Ordnung |K| (die Anzahl der 1-<br />

dimensionalen Untervektorräume in einem festen 2-dimensionalen Untervektorraum ist |K| + 1).<br />

Deshalb gibt es zu jeder Primzahlpotenz p k (k ∈ IN) mindestens eine projektive Ebene dieser Ord-<br />

nung (Π(K 3 ) wobei K der Körper mit |K| = p k ist).<br />

Jeder endliche Schiefkörper ist ein Körper (Satz von Wedderburn).<br />

Deshalb ist jede desarguessche Ebene endlicher Ordung schon eine Pappus-Ebene.<br />

Im allgemeinen gibt es nicht-isomorphe Ebenen zur gleichen Ordnung p k . Aber zum Beispiel gibt<br />

es nur eine Ebene der Ordnung 4 (die zum Körper mit 4 Elementen).<br />

Lange Zeit war nicht bekannt, ob eine projektive Ebene der Ordnung 10 existiert. Das wurde in-<br />

zwischen durch Computerberechnung <strong>aus</strong>geschlossen.<br />

Die nächste offene Ordnung ist 12; man weiss nicht, ob es eine projektive Ebene der Ordnung 12<br />

gibt.<br />

Immer noch das einzig allgemeine Resultat über die Nichtexistenz projektiver Ebenen mit vorge-<br />

gebener endlicher Ordnung ist das<br />

Theorem von Bruck und Ryser (1949) Sei n ∈ IN, n ≡ 1 oder 2 mod 4.<br />

Falls eine projektive Ebene der Ordnung n existiert, ist n = a 2 + b 2 für passende a, b ∈ IN0.<br />

Für n = 10 ist n ≡ 2 mod 4 und n = 1 2 + 3 2 . Nach dem Theorem könnte es also eine projektive<br />

Ebene der Ordnung 10 geben.<br />

Für n = 12 ist n ≡ 0 mod 4 und das Theorem von Bruck und Ryser liefert keine Information.<br />

Zum Beispiel liefert das Bruck-Ryser-Theorem die Nichtexistenz von projektiven Ebenen der Or-<br />

nungen 6, 14, 21, 22 .<br />

Kommentar zum Fortgang<br />

Bei geradlinigem Kurs sollten nun Verallgemeinerungen auf projektive und affine Räume (d.h. nicht<br />

nur Ebenen) folgen.<br />

Um Abwechslung bemüht behandeln wir aber zuerst symmetrische Bilinearformen und orthogonale<br />

Gruppen.<br />

Die Welt der projektiven Räume höherer Dimension ist (im Gegensatz zur Welt der projektiven<br />

Ebenen) in gewisser Weise wunderbar schlicht: ein projektiver Raum, der keine projektive Ebe-<br />

ne oder Gerade ist, ist isomorph zu einem projektiven Raum Π(V ) (V ein K-Vektorraum mit<br />

15


dimV ≥ 4, K Schiefkörper)! Das liegt daran, daß in diesen Räumen das Desargues-Axiom beweis-<br />

bar ist.<br />

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