10.02.2013 Aufrufe

Männer - Credit Suisse eMagazine - Deutschland

Männer - Credit Suisse eMagazine - Deutschland

Männer - Credit Suisse eMagazine - Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

40 Wirtschaft Äthanol<br />

Kraft aus<br />

gelben Kolben<br />

Der weltweite Durst nach fossilen Brennstoffen treibt auch in den USA den<br />

Benzinpreis auf ein Rekordniveau. Das hat im Sektor der erneuerbaren Energien<br />

einen unge ahnten Boom ausgelöst. Maisfarmer, Politiker und Investoren sehen<br />

Äthanol als Tank füllung der Zukunft.<br />

Text: Peter Hossli<br />

Ein Werbespot ist im amerikanischen TV<br />

derzeit allgegenwärtig. Hübsche junge Menschen<br />

stehen in wogenden Maisfeldern.<br />

«Was wäre, wenn wir unsere Ölabhängigkeit<br />

ablegen könnten?», fragt ein Rotschopf.<br />

Wie, das weiss eine Brünette. «Mit E85, dem<br />

grünen Brennstoff.» E85 ist die Abkürzung<br />

für ein Gemisch aus 85 Prozent Äthanol<br />

und 15 Prozent Benzin. Mit dem Spot wirbt<br />

General Motors für Flex-Cars, Autos, die<br />

Bleifrei und Äthanol tanken. Bis Ende Jahr<br />

will GM davon 400 000 produzieren. Ford<br />

und Chrysler setzen ebenfalls auf Motoren,<br />

die mit Alkohol aus Biomasse laufen.<br />

Nur in der Ölkrise in den Siebzigern zahlten<br />

US-Automobilisten mehr für Benzin als<br />

jetzt, durchschnittlich 3 Dollar pro Gallone<br />

(3,78 Liter), manchmal sogar 5. 2004 kostete<br />

der Sprit knapp 2 Dollar, was damals<br />

als hoch galt. Amerikaner sind sich Kosten<br />

um 1,2 Dollar gewohnt. Angetrieben hatte<br />

den Preis kurzfristig der Orkan Katrina. Zusätzlich<br />

ins Gewicht fällt die knappe Raffineriekapazität<br />

– vor 30 Jahren wurde in den<br />

USA die letzte Benzinfabrik gebaut. Hauptsächlich<br />

hebt aber der hohe Ölpreis von 70<br />

oder mehr Dollar pro Fass den Preis der<br />

Tankfüllung. 2005 kostete das Fass noch<br />

50 Dollar. Doch Wachs tumsländer wie Indien<br />

und China kurbeln die Nachfrage an,<br />

neue Ölfelder zu erschliessen ist teuer. Zudem<br />

verunsichern der Krieg im Irak und die<br />

diplomatische Krise mit Iran die Märkte.<br />

Umso mehr forcieren amerikanische Politiker<br />

heimische Energie. Äthanol – in den<br />

USA meist aus Mais destilliert – gilt als logischer<br />

Ersatz. Damit liesse sich die «Sucht<br />

Ame rikas nach Öl» mindern, sagte US-Prä-<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin 3/06<br />

sident George W. Bush in der diesjährigen<br />

Rede zur Lage der Nation. 2005 verabschiedete<br />

er ein Mandat, das den jährlichen<br />

Äthanol-Verbrauch bis 2012 verdoppelt, von<br />

jetzt vier auf fast acht Millionen Gallonen.<br />

Analysten erwarten bereits früher eine Erhöhung<br />

der Pflicht, zumal Demokraten wie<br />

Republikaner geeint hinter dem Kraftstoff<br />

stehen. Bis 2030 könnte ein Drittel der<br />

US-Wagenflotte mit Äthanol fahren, hat<br />

das U.S. Department of Energy berechnet.<br />

Einzelne US-Städte – etwa Wilmington in<br />

Delaware – haben bereits alle städtischen<br />

Autos auf Äthanol umgestellt.<br />

Margen treiben das Business an<br />

Eine Gallone Äthanol kostet heute 2,6 Dollar,<br />

also weniger als Benzin. Aber genug,<br />

um damit Profite zu erzielen, verschlingt die<br />

Produktion doch zwischen 1 und 1,2 Dollar<br />

die Gallone. Solche Margen haben im Getreidegürtel<br />

Amerikas mit Maisstaaten wie<br />

Iowa, Indiana oder Minnesota einen Goldrausch<br />

ausgelöst. Fast 100 neue Äthanol-<br />

Raffinerien sind in den letzten fünf Jahren<br />

erstellt worden, 33 befinden sich im Bau, zu<br />

Kosten von 50 bis 125 Millionen Dollar. Finanziert<br />

wird die Expansion hauptsächlich<br />

von privaten Kleinanlegern, die ihre Ersparnisse<br />

in solche Anlagen anlegen. Vor fünf<br />

Jahren investierte so der Maisfarmer Darrell<br />

Hack zusammen mit 650 Anlegern in eine<br />

Raffinerie in Primghar, Iowa. Vor drei Jahren<br />

erzielte er eine Bardividende von 20 Prozent<br />

der ursprünglichen Investition, 2005 waren<br />

es bereits 80 Prozent. Erhöht haben sich<br />

zudem Preis und Nachfrage nach Mais, den<br />

Hack selbst anpflanzt.<br />

Hellhörig geworden sind darob traditionellere<br />

Investoren. So boomen die wenigen<br />

Äthanol-Produzenten, die bereits börsenkotiert<br />

sind. Ebenso die Biotechfirmen, die<br />

Enzyme entwickeln, die den Gärungsprozess<br />

beschleunigen. Einige noch private<br />

Firmen stehen vor dem Börsengang.<br />

Bereits auf den Äthanol-Zug aufgesprungen<br />

ist Bill Gates. Für 84 Millionen<br />

Dollar hat er ein Viertel an Pacific Ethanol<br />

erworben, einer Firma in Kalifornien, die<br />

Ätha nol vertreibt und derzeit fünf Raffinerien<br />

baut. Der legendäre Silicon-Valley-Risikokapitalist<br />

Vinod Khosla rückt von High<br />

Tech ab und setzt auf erneuer bare Energien.<br />

War er einer der frühen Förderer von<br />

Google und America Online, glaubt Khosla<br />

heute: «Äthanol könnte Benzin in den USA<br />

und in vielen anderen Ländern ersetzen.»<br />

Professor David Pimentel von der Cornell<br />

University ist anderer Ansicht: «Der Äthanol-<br />

Boom ist ein Wahnsinn», sagt er. «Es verdienen<br />

wenige Leute kurzfristig viel Geld, eine<br />

Zukunft hat das nicht.» Er unterstellt dem<br />

Spiritus schlechte Umweltverträglichkeit<br />

und eine dürftige Energiebilanz. Bei der Umwandlung<br />

von Mais zu Äthanol müssen laut<br />

Pimentel 29 Prozent mehr Energie eingesetzt<br />

werden, als der Kraftstoff hergibt.<br />

Energieanalysten warnen denn auch bereits<br />

vor einer «Äthanol-Blase».<br />

Noch etwas trübt die Vision der Energieunabhängigkeit.<br />

«Sollte sich Biosprit tatsächlich<br />

durchsetzen», zitiert der «Economist»<br />

einen saudi-arabischen Ölpolitiker,<br />

«senken wir den Ölpreis.» Saudi-Arabien ist<br />

in der Lage, ein Fass Rohöl für einen Dollar<br />

zu fördern. Kein Maisfarmer hält da mit. <<br />

Fotos: Mitch Kezar, Getty Images | artvertis | Timothy Bell, Zefa, Corbis

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!