10.02.2013 Aufrufe

Prof. Dr. Melzer-Ridinger SBWL II Internationale Logistik

Prof. Dr. Melzer-Ridinger SBWL II Internationale Logistik

Prof. Dr. Melzer-Ridinger SBWL II Internationale Logistik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Paradigmen sind Denkgewohnheiten und Denkmuster, eine spezifische „Weltsicht“, die in einer<br />

wissenschaftlichen Disziplin in einem gewissen Zeitraum allgemein akzeptiert werden und so auch<br />

den Lösungsvorschlägen für praktische Fragestellungen zugrunde liegen. Das Paradigma kann durch<br />

einige charakteristische Grundauffassungen beschrieben werden. Die „Weltsicht“ der <strong>Logistik</strong> hat in<br />

den letzten 30 Jahren Veränderungen erfahren, die 3 Entwicklungsstufen zugeordnet werden können<br />

und den Denkhorizont und Handlungsspielraum der <strong>Logistik</strong> bestimmen:<br />

1.2 Paradigma der TUL-<strong>Logistik</strong><br />

In der Entwicklungsstufe der TUL-<strong>Logistik</strong> wird <strong>Logistik</strong> verstanden als betriebliche Hilfsfunktion, deren<br />

Aufgabe die Überwindung von Raum-, Zeit- und Mengendiskrepanzen ist. Dabei werden die<br />

Rahmenbedingungen auf dem Beschaffungsmarkt, in der eigenen Fertigung und auf dem<br />

Absatzmarkt als unveränderliches Datum und als ungewiss betrachtet. Bezogen auf die<br />

Terminzuverlässigkeit gegenüber dem Kunden auf dem Absatzmarkt wird das Abzugsverhalten der<br />

Abnehmer als gegeben und als black box betrachtet und versucht, dieses mittels statistischer<br />

Verfahren zu prognostizieren. (Ungewissheit über zukünftigen Marktbedarf, Erwartungswert und<br />

Streuung der Nachfrage als Datenbasis für die Absatzplanung). Gleichzeitig werden die<br />

Rahmenbedingungen in der eigenen Fertigung (Qualitätsprobleme, Kapazitätssituation, Rüstkosten<br />

und –zeiten) nicht als Gestaltungsvariable betrachtet, die Länge und Streuung der Durchlaufzeiten<br />

wird beobachtet und durch eine adäquate Festlegung von Plan-Durchlaufzeiten und<br />

Sicherheitsbeständen berücksichtigt. Ungewissheit über Beschaffungszeiten und<br />

Versorgungsstörungen, die die eigene Terminzuverlässigkeit bedrohen, werden nicht ursächlich<br />

bekämpft, sondern durch Sicherheitsbestand im Materiallager bewältigt. Als Instrument zur<br />

Verbesserung der Terminzuverlässigkeit erkennt die TUL-<strong>Logistik</strong> also nur Bestände und<br />

Kapazitätspuffer, deren Steigerung Kosten verursacht (Konflikt). Ein weiteres Instrument der TUL-<br />

<strong>Logistik</strong> ist der Einsatz schneller Transportmittel, der Verzicht auf die räumliche und zeitliche<br />

Bündelung von Transporten und die Beschäftigung leistungsfähiger logistischer Dienstleister um die<br />

Transportzeit zum Kunden so kurz und zuverlässig wie möglich zu gestalten. Die genannten<br />

Instrumente führen zu hohen Transportkosten. Um die Transportentfernung zum Kunden und damit<br />

auch die Gefahr von Transportverzögerungen möglichst gering zu halten, plädiert die TUL-<strong>Logistik</strong> für<br />

eine Bevorratung der Enderzeugnisse in der Nähe des Kunden. Diese dezentrale Lagerhaltung<br />

steigert die fixen Lagerkosten und die Kapitalbindungskosten.<br />

Die konventionelle Arbeitsweise zur Versorgung der Produktion und des Absatzmarktes -<br />

kostenorientierte Losoptimierung, prognosegesteuerte Nachproduktion, Puffer in den Durchlaufzeiten<br />

und Beständen - ist dem wachsenden <strong>Dr</strong>uck durch steigende Variantenvielfalt, durch geringe<br />

Fertigungstiefe, durch erhöhte Anfälligkeit aufgrund von global und single sourcing, durch verkürzte<br />

Produktlebenszyklen, durch Preisdruck und durch gestiegene Kundenerwartungen an den<br />

Lieferservice nicht mehr gewachsen. Viele Unternehmen schenken daher den Symptomen einer<br />

schlechten supply chain performance eine größere Beachtung [Prockl 2001 S. 62f; <strong>Melzer</strong>-<strong>Ridinger</strong><br />

2003 S. 18f.] und nehmen bewusst wahr,<br />

• dass die Bestände hoch sind und dennoch eine unfriedigende Termintreue bzw. Lieferbereitschaft<br />

gemessen wird,<br />

• dass die Kapazität im längerfristigen Durchschnitt nicht ausgelastet ist und dennoch häufig<br />

Kapazitätsengpässe auftreten,<br />

• dass die vereinbarten Liefertermine mit hohem Personalaufwand durch Engpassmanagement und<br />

Terminjäger sichergestellt werden müssen,<br />

• dass die Lieferanten und die eigene Fertigung lange Anpassungszeiten an Änderungen der<br />

Nachfrage am Absatzmarkt benötigen,<br />

• dass die Absatzprognose große und systematische Prognosefehler aufweist, dass der<br />

Auftrageingang starken Schwankungen unterliegt, obwohl die Nachfrage der Finalkunden stabil ist<br />

(Peitscheneffekt),<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Melzer</strong>-<strong>Ridinger</strong> <strong>SBWL</strong> <strong>II</strong> <strong>Internationale</strong> <strong>Logistik</strong> | 16.01.2009<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!