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09.02.2013 Aufrufe

Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung ausgestellten Kriterien eines eng gestrickten Beurteilungsmaßstabs vor Augen halten, dürfte es tatsächlich schwer sein, noch Art Brut- Künstler ausfindig zu machen. Viele vermissen den „typischen Langzeitpatienten“ und manche sehen bei aller Vermengung (Unun- terscheidbarkeit) von Art Brut und Art Culturel in der Kunst von Al- tenheimbewohnern, ethnischen Minderheitsgruppen, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, politisch Verfolgten oder Menschen, die Kriege oder Völkermord überlebt haben, einen letzten Ausläufer. Nach PEIRY (1999) gehört jedenfalls das alte Bild vom Art Brut-Künstler ins Museum. Im angloamerikanischen Sprachraum stoßen wir weiterhin auf die Bezeichnung „Outsider Art“, die sich zunächst einmal auch als eine Gegenwartserscheinung auf alle „self taught artists“ und nicht- professionellen Künstler bezieht (MAIZELS 1996). Damit werden nach wie vor Bildwerke von „unverschulten“ Menschen mit geis- tigen und seelischen Behinderungen (z. B. auch autistischen Entwicklungsstörungen) als „Außenseiter-Kunst“ ausgewiesen; und sie gelten als ein Zeugnis „roher Kunst“ (raw visions), wenn sie frei bzw. unbeeinflusst von pädagogischen oder therapeutischen Ambi- tionen geschaffen wurden. Zugleich werden aber auch außergewöhnliche Bildwerke von Men- schen mit geistiger oder seelischer Behinderung unter „Outsider Art“ gefasst, die in sog. „kreativen Werkstätten“ (z. B. Creative Growth Art Center Oakland, California) unter Anleitung von Künst- lern, Kunstpädagogen oder Kunsttherapeuten entstanden sind. In- sofern gibt es sehr wohl auch „Outsider“, die Vorerfahrungen haben und professionell gefördert werden (TAYLOR 2005; JUNOR o. J.; RIVERS o. J.). An dieser Stelle wird deutlich, dass die „Outsider Art“ heute nicht nur für die „self taught art“ oder „raw art“ steht, sondern generell als Label für eine Kunst, die von bestimmten Randgruppen der Gesellschaft produziert wird (Autisten, Be- - 49 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung hinderte, psychisch Kranke, Senioren…). Diese Gepflogenheit kann kritisiert werden (MÜRNER 1999) – verleitet doch der Begriff des „Außenseiters“ allzu leicht zu negativen Konnotationen 11 und einer „doppeldeutigen Etikettierung“, die für eine Integration behinderter Menschen bzw. im Lichte der Leitidee von Inklusion kontraproduk- tiv sind. Die Doppeldeutigkeit besteht darin, dass nicht selten Künstlern sowieso eine gesellschaftliche Außenseiter- oder „Exoten- rolle“ zugeschrieben wird, so dass allzu leicht Künstler mit geistiger Behinderung als Exoten, Sonderlinge o. ä. in einem Außenseiter- oder „Exotenbereich“ (SCHUPPENER 2005, 133) abgestempelt würden. Um dieses Problem zu vermeiden, bietet es sich an, auf die Etikettierung als „Außenseiter-Künstler“ zu verzichten. Anderer- seits steht diese Bezeichnung für ein bestimmtes Markenzeichen, das heute seinen Platz in der Geschichte der Kunst des 20. Jahr- hunderts gefunden hat und damit aus kunstwissenschaftlicher Sicht integriert worden ist. Diese Integration und implizite Wertschätzung könnte der Grund dafür sein, dass im angloamerikanischen Sprach- raum am Ausweis einer „Outsider Art“ festgehalten wird. Hinzu kommt, dass sich Betroffene selbst dem Anschein nach „in (selbst) aufwertender Form“ von Anderen (Nicht-Künstlern) abgrenzen, sich quasi im Lichte einer positiv konnotierten „Andersartigkeit“ sehen (ebd., 211, 261), und dass darüber hinaus der Begriff des Außen- seiters – so wie er sich im Bereich der Kunst(theorie) etabliert hat - der Verständigung dienen kann, wenn es um die Würdigung außergewöhnlicher, unkonventioneller Bildwerke nicht- professioneller Künstler geht. Genau darum ist es uns im abschließenden Kapitel zu tun, das bio- graphisch untersetzte, künstlerisch-kreative Prozesse und Bildbei- spiele vorstellt, die von Menschen mit geistiger Behinderung stammen und unter der Art Brut diskutiert werden können. Dabei 11 Zum Beispiel zu rassistischen Konnotationen bei ethnischen Gruppen (schwarzen Künstlern), zu einer Entwertung geistig behinderter Menschen… - 50 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behin<strong>de</strong>rung<br />

hin<strong>de</strong>rte, psychisch Kranke, Senioren…). Diese Gepflogenheit kann<br />

kritisiert wer<strong>de</strong>n (MÜRNER 1999) – verleitet doch <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s<br />

„Außenseiters“ allzu leicht zu negativen Konnotationen 11 und einer<br />

„doppel<strong>de</strong>utigen Etikettierung“, die für eine Integration behin<strong>de</strong>rter<br />

Menschen bzw. im Lichte <strong>de</strong>r Leiti<strong>de</strong>e von Inklusion kontraproduk-<br />

tiv sind. Die Doppel<strong>de</strong>utigkeit besteht darin, dass nicht selten<br />

Künstlern sowieso eine gesellschaftliche Außenseiter- o<strong>de</strong>r „Exoten-<br />

rolle“ zugeschrieben wird, so dass allzu leicht Künstler mit geistiger<br />

Behin<strong>de</strong>rung als Exoten, Son<strong>de</strong>rlinge o. ä. in einem Außenseiter-<br />

o<strong>de</strong>r „Exotenbereich“ (SCHUPPENER 2005, 133) abgestempelt<br />

wür<strong>de</strong>n. Um dieses Problem zu vermei<strong>de</strong>n, bietet es sich an, auf<br />

die Etikettierung als „Außenseiter-Künstler“ zu verzichten. An<strong>de</strong>rer-<br />

seits steht diese Bezeichnung für ein bestimmtes Markenzeichen,<br />

das heute seinen Platz in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kunst <strong>de</strong>s 20. Jahr-<br />

hun<strong>de</strong>rts gefun<strong>de</strong>n hat und damit aus kunstwissenschaftlicher Sicht<br />

integriert wor<strong>de</strong>n ist. Diese Integration und implizite Wertschätzung<br />

könnte <strong>de</strong>r Grund dafür sein, dass im angloamerikanischen Sprach-<br />

raum am Ausweis einer „Outsi<strong>de</strong>r Art“ festgehalten wird. Hinzu<br />

kommt, dass sich Betroffene selbst <strong>de</strong>m Anschein nach „in (selbst)<br />

aufwerten<strong>de</strong>r Form“ von An<strong>de</strong>ren (Nicht-Künstlern) abgrenzen, sich<br />

quasi im Lichte einer positiv konnotierten „An<strong>de</strong>rsartigkeit“ sehen<br />

(ebd., 211, 261), und dass darüber hinaus <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Außen-<br />

seiters – so wie er sich im Bereich <strong>de</strong>r Kunst(theorie) etabliert hat -<br />

<strong>de</strong>r Verständigung dienen kann, wenn es um die Würdigung<br />

außergewöhnlicher, unkonventioneller Bildwerke nicht-<br />

professioneller Künstler geht.<br />

Genau darum ist es uns im abschließen<strong>de</strong>n Kapitel zu tun, das bio-<br />

graphisch untersetzte, künstlerisch-kreative Prozesse und Bildbei-<br />

spiele vorstellt, die von Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung<br />

stammen und unter <strong>de</strong>r Art Brut diskutiert wer<strong>de</strong>n können. Dabei<br />

11 Zum Beispiel zu rassistischen Konnotationen bei ethnischen Gruppen (schwarzen Künstlern), zu<br />

einer Entwertung geistig behin<strong>de</strong>rter Menschen…<br />

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