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09.02.2013 Aufrufe

Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung - so heißt es in einer TV-Dokumentation (ARTE 2000) – „in kein Klischee zwängen, sie gehören auch keiner Schule an und streben nicht nach Ruhm und Erfolg.“ Häufig greifen sie auf Erfahrungen und Tätigkeiten aus früher Kindheit zurück; und diese Rückkehr in ihre Kindheit sei es, die ihnen eine „neue innere Kraft“, das Gespür von „innerer Stärke“ und Lebensenergie gebe. Des Weiteren scheinen nicht wenige Art Brut-Künstler durch ihr Schaffen, wel- ches unmittelbar aus dem alltäglichen Leben, aus realen Erfah- rungen, Stimmungen und individuellen Geschmacksvorstellungen schöpft, einen psychisch-physischen (Freizeit-)Ausgleich in Bezug auf einen anstrengenden, langweiligen oder unerfüllten Arbeits- oder auch Lebensalltag (z. B. in einer Anstalt) zu suchen. Interessant ist, dass es hierzulande mit Egon HASSBECKER einen weiteren Sammler gibt (dazu auch MUSEUM KUNST PALAST 2005, 167f.), der gleichfalls wie J. DUBUFFET besondere Wertschätzung für die Werke von nicht-professionellen Malern gezeigt und auf Reisen durch ganz Europa Bilder aufgespürt hat, die seit 1982 im Heidelberger Museum Haus Cajeth unter dem Titel „Primitive Male- rei im 20. Jahrhundert“ ausgestellt sind. Für HASSBECKER sind die von ihm gesammelten Gemälde Zeugnisse „ursprünglicher Kreativi- tät, deren Wurzeln bis hinab in die früheste Menschheitsgeschichte reichen“ (MUSEUM HAUS CAJETH 1994). Dafür steht der Begriff „primitiv“. Diese „Ursprünglichkeit“ scheint HASSBECKER vor allem in den Werken von Menschen mit geistiger Behinderung gefunden zu haben, denen er die „erstaunlichsten Neuschöpfungen“ attes- tiert. Hierzu erklärt und schreibt er: „Die kreativen Fähigkeiten des Menschen existieren unabhängig von seiner Intelligenz... Der geis- tig Behinderte ist nicht von vornherein auch ein kunstbehinderter Mensch. Das Gegenteil kann der Fall sein. Geistig behinderte Men- schen sind den tiefen Schichten des Geistes, die weit unter der - 43 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung sichtbaren Oberfläche liegen, oft näher. Die Quellen sind bei ihnen nicht durch Konventionen verschüttet, wie bei sogenannten normal entwickelten Menschen. Er muss nicht, wie der Gebildete, seine Bil- dung erst beiseiteräumen oder vergessen, Vorurteile durch erlern- tes Wissen überwinden, um zu jenen Tiefen vorzustoßen, wo es noch immer etwas zu schöpfen gibt. Die geistige Behinderung kann die kunstschaffenden Kräfte freier zu Tage treten lassen. Das nor- male Denken belastet sie nicht. Vorsätze und Vorurteil entstehen erst gar nicht. Diese Menschen bleiben weitgehend unbeeinflusst. Gebilde, geschaffen von diesen Menschen entstehen frei von Über- legungen… Es sind echte Zeugnisse ihres eigenen Empfindens und Vermögens. Nichts Angelerntes ist drin, keine modischen Allüren, keine Absichten…. Sie sind immer authentisch“ (ebd.). Diese Worte könnten ebenso von M. KLÄGER stammen (dazu THEUNISSEN 2004, 46f.), der sich schon seit vielen Jahren mit der Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung befasst und davon ausgeht, dass hier ähnlich wie in Bildnereien von Kindern „unka- schierte“ Gestaltgebungen und Ausdrucksformen zu Tage treten, die „noch nicht in größerem Ausmaß dem Einfluss des begrifflich- verbalen Denkens“ (KLÄGER o. J.) unterliegen. Wie HASSBECKER und einst PRINZHORN nimmt KLÄGER an, dass durch eine schu- lische „Verkopfung“ eine „ursprüngliche bildnerische Ausdrucks- kraft“ versanden würde; und da bei Menschen mit geistiger Be- hinderung dieses Vermögen wegen ihrer intellektuellen Defizite „nicht beschädigt sei“, würden diese „Erscheinungsformen bildne- rischer Intelligenz bzw. bildnerischen Denkens bei geistig Be- hinderten oft ‚reiner’ und kraftvoller zum Vorschein (kommen, G. T.) als bei den Nichtbehinderten“. Abgesehen davon, dass es sich bei HASSBECKER und KLÄGER um gewagte Thesen handelt, die von einem überholten statischen Be- hinderungsbild und einer entkontextualisierten Entwicklungs- - 44 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behin<strong>de</strong>rung<br />

sichtbaren Oberfläche liegen, oft näher. Die Quellen sind bei ihnen<br />

nicht durch Konventionen verschüttet, wie bei sogenannten normal<br />

entwickelten Menschen. Er muss nicht, wie <strong>de</strong>r Gebil<strong>de</strong>te, seine Bil-<br />

dung erst beiseiteräumen o<strong>de</strong>r vergessen, Vorurteile durch erlern-<br />

tes Wissen überwin<strong>de</strong>n, um zu jenen Tiefen vorzustoßen, wo es<br />

noch immer etwas zu schöpfen gibt. Die geistige Behin<strong>de</strong>rung kann<br />

die kunstschaffen<strong>de</strong>n Kräfte freier zu Tage treten lassen. Das nor-<br />

male Denken belastet sie nicht. Vorsätze und Vorurteil entstehen<br />

erst gar nicht. Diese Menschen bleiben weitgehend unbeeinflusst.<br />

Gebil<strong>de</strong>, geschaffen von diesen Menschen entstehen frei von Über-<br />

legungen… Es sind echte Zeugnisse ihres eigenen Empfin<strong>de</strong>ns und<br />

Vermögens. Nichts Angelerntes ist drin, keine modischen Allüren,<br />

keine Absichten…. Sie sind immer authentisch“ (ebd.).<br />

Diese Worte könnten ebenso von M. KLÄGER stammen (dazu<br />

THEUNISSEN 2004, 46f.), <strong>de</strong>r sich schon seit vielen Jahren mit <strong>de</strong>r<br />

Kunst von Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung befasst und davon<br />

ausgeht, dass hier ähnlich wie in Bildnereien von Kin<strong>de</strong>rn „unka-<br />

schierte“ Gestaltgebungen und Ausdrucksformen zu Tage treten,<br />

die „noch nicht in größerem Ausmaß <strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>s begrifflich-<br />

verbalen Denkens“ (KLÄGER o. J.) unterliegen. Wie HASSBECKER<br />

und einst PRINZHORN nimmt KLÄGER an, dass durch eine schu-<br />

lische „Verkopfung“ eine „ursprüngliche bildnerische Ausdrucks-<br />

kraft“ versan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>; und da bei Menschen mit geistiger Be-<br />

hin<strong>de</strong>rung dieses Vermögen wegen ihrer intellektuellen Defizite<br />

„nicht beschädigt sei“, wür<strong>de</strong>n diese „Erscheinungsformen bildne-<br />

rischer Intelligenz bzw. bildnerischen Denkens bei geistig Be-<br />

hin<strong>de</strong>rten oft ‚reiner’ und kraftvoller zum Vorschein (kommen, G.<br />

T.) als bei <strong>de</strong>n Nichtbehin<strong>de</strong>rten“.<br />

Abgesehen davon, dass es sich bei HASSBECKER und KLÄGER um<br />

gewagte Thesen han<strong>de</strong>lt, die von einem überholten statischen Be-<br />

hin<strong>de</strong>rungsbild und einer entkontextualisierten Entwicklungs-<br />

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Heilpädagogik online 02/ 06

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