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Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung unberührt von der kulturellen Kunst geblieben sind, bei denen also eine Anpassung und Nachahmung – anders als bei den intellektu- ellen Künstlern – kaum eine oder gar keine Rolle spielen. Die Auto- ren dieser Kunst beziehen also alles (Themen, Auswahl der verwendeten Materialien, Mittel der Umsetzung, Rhythmik, zeichne- rische Handschrift usw.) aus ihrem eigenen Innern und nicht aus den Klischees der klassischen Kunst oder der gerade aktuellen Kunstströmung. Wir können die künstlerische Arbeit in ganz reiner – sozusagen roher - Form miterleben... Eine Kunst also, in der nur die eigene Erfindung in Erscheinung tritt und die nichts von einem Chamäleon oder einem Affen an sich hat, wie das bei der kulturellen Kunst konstante Praxis ist“ (DUBUFFET zit. nach HARRISON & WOOD 2003, 726; auch MUSEUM KUNST PALAST 2005, 141; GALERIE g26.ch 2003). Mit dieser viel zitierten Aussage machte sich DUBUFFET, dessen Forschungen und Sammlung 6 1945 in der Heil- und Pflegeanstalt Waldau 7 ihren Anfang nahmen, zum Sprecher für „alle potentiell kreativen Menschen“ (GORSEN), die ihre Werke nicht nach irgend- einer Stilkunst oder zu ihrer Vermarktung, sondern um ihrer Selbstwillen bzw. für sich selbst schafften (STUDINGER 1991, 12; NAVRATIL 1998, 90). Damit erhob er jene zu Künstlern, „die – wie man zu sagen pflegt – aus dem Bauch heraus schaffen und eher dazu neigen, eigene Geschmacksvorstellungen zu entwickeln, die im Gegensatz zum Geschmack ihrer Umwelt stehen, und die einen anderen Lebensstil pflegen, als es im allgemeinen üblich ist“ (DU- BUFFET zit. nach PEIRY 1999, 36f.). Art Brut- oder Außenseiter-Künstler der ersten Stunde waren Men- schen in gesellschaftlich marginaler Position, vor allem „Insassen“ 6 Im Jahre 1972 schenkte DUBUFFET seine gesamte Sammlung der Stadt Lausanne. Seitdem besteht dort im Schloss Beaulieu die Collection de l’Art Brut, welche mittlerweile ca. 10000 Werke von ungefähr 500 Künstlern umfasst. 7 Hier hatte er Adolf WÖLFLI entdeckt, der heute als „Klassiker der ‚Art Brut‘ angesehen wird“ (RICH- TER 1997, 351). - 39 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behinderung psychiatrischer Krankenhäuser, Häftlinge, Vagabunden, Einzel- gänger oder sog. Sonderlinge, aber auch einfache Dorfbewohner, Bauern, Hirten, Tierpfleger, Feld- oder Hilfsarbeiter, die oftmals An- alphabeten waren, kaum eine Schule besucht oder eine mangelnde Schulbildung hatten. Neben den sog. psychisch Kranken (v. a. mit einer Schizophrenie, Psychose oder Manie) bildete der o. g. Per- sonenkreis der „innocents“ (CARDINAL) die größte Gruppe der Art Brut-Künstler (NAVRATIL 1998, 89). Die Tatsache, dass der Anteil psychiatrisch untergebrachter Men- schen sehr hoch war, kann zu der Vorstellung verleiten, dass es sich bei den Werken der Art Brut-Künstler weithin um „Leidens- bilder“ (RICHTER) oder gar um eine „psychopathologische Kunst“ handelt. Vor solchen Schlüssen ist jedoch ausdrücklich zu warnen. Die inneren Beweggründe, bildnerisch oder werkhaft tätig zu werden, sind bei vielen Außenseiter-Künstlern anders gelagert, als dass sie sich auf einen (krankheitsbedingten) „Gestaltungszwang“ oder eine (schwere) psychische Störung zurückführen ließen. Dazu hatte sich schon DUBUFFET geäußert: „Fast die Hälfte der Objekte in unserer Ausstellung sind Werke von Insassen psychiatrischer Kliniken. Dennoch sehen wir keinen Grund – wie es andere tun – eine spezielle Abteilung für sie einzurichten. Alle Beziehungen (und sie waren zahlreich), die wir zu unseren Kollegen mit der Schellenkappe hatten, haben uns überzeugt, dass die Mechanismen des künstlerischen Schaffens, die sie zur Verfügung haben, bei ih- nen genau die gleichen sind wie bei jedem sogenannten Normalen; übrigens scheint uns diese Unterscheidung zwischen normal und anormal nicht recht fassbar zu sein. Wer ist denn normal? Wo ist er, der normale Mensch? Zeigen Sie ihn uns! ... Wir sind der An- sicht, dass die Wirkung der Kunst auf uns in allen Fällen die gleiche ist und dass es ebenso wenig eine Kunst der Geisteskranken gibt wie eine Kunst der Magenkranken oder der Kniekranken“ (DUBUF- - 40 - Heilpädagogik online 02/ 06

Art Brut, Kreativität und geistige Behin<strong>de</strong>rung<br />

unberührt von <strong>de</strong>r kulturellen Kunst geblieben sind, bei <strong>de</strong>nen also<br />

eine Anpassung und Nachahmung – an<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>n intellektu-<br />

ellen Künstlern – kaum eine o<strong>de</strong>r gar keine Rolle spielen. Die Auto-<br />

ren dieser Kunst beziehen also alles (Themen, Auswahl <strong>de</strong>r<br />

verwen<strong>de</strong>ten Materialien, Mittel <strong>de</strong>r Umsetzung, Rhythmik, zeichne-<br />

rische Handschrift usw.) aus ihrem eigenen Innern und nicht aus<br />

<strong>de</strong>n Klischees <strong>de</strong>r klassischen Kunst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> aktuellen<br />

Kunstströmung. Wir können die künstlerische Arbeit in ganz reiner<br />

– sozusagen roher - Form miterleben... Eine Kunst also, in <strong>de</strong>r nur<br />

die eigene Erfindung in Erscheinung tritt und die nichts von einem<br />

Chamäleon o<strong>de</strong>r einem Affen an sich hat, wie das bei <strong>de</strong>r<br />

kulturellen Kunst konstante Praxis ist“ (DUBUFFET zit. nach<br />

HARRISON & WOOD 2003, 726; auch MUSEUM KUNST PALAST<br />

2005, 141; GALERIE g26.ch 2003).<br />

Mit dieser viel zitierten Aussage machte sich DUBUFFET, <strong>de</strong>ssen<br />

Forschungen und Sammlung 6 1945 in <strong>de</strong>r Heil- und Pflegeanstalt<br />

Waldau 7 ihren Anfang nahmen, zum Sprecher für „alle potentiell<br />

kreativen Menschen“ (GORSEN), die ihre Werke nicht nach irgend-<br />

einer Stilkunst o<strong>de</strong>r zu ihrer Vermarktung, son<strong>de</strong>rn um ihrer<br />

Selbstwillen bzw. für sich selbst schafften (STUDINGER 1991, 12;<br />

NAVRATIL 1998, 90). Damit erhob er jene zu Künstlern, „die – wie<br />

man zu sagen pflegt – aus <strong>de</strong>m Bauch heraus schaffen und eher<br />

dazu neigen, eigene Geschmacksvorstellungen zu entwickeln, die<br />

im Gegensatz zum Geschmack ihrer Umwelt stehen, und die einen<br />

an<strong>de</strong>ren Lebensstil pflegen, als es im allgemeinen üblich ist“ (DU-<br />

BUFFET zit. nach PEIRY 1999, 36f.).<br />

Art Brut- o<strong>de</strong>r Außenseiter-Künstler <strong>de</strong>r ersten Stun<strong>de</strong> waren Men-<br />

schen in gesellschaftlich marginaler Position, vor allem „Insassen“<br />

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Im Jahre 1972 schenkte DUBUFFET seine gesamte Sammlung <strong>de</strong>r Stadt Lausanne. Seit<strong>de</strong>m besteht<br />

dort im Schloss Beaulieu die Collection <strong>de</strong> l’Art Brut, welche mittlerweile ca. 10000 Werke von ungefähr<br />

500 Künstlern umfasst.<br />

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Hier hatte er Adolf WÖLFLI ent<strong>de</strong>ckt, <strong>de</strong>r heute als „Klassiker <strong>de</strong>r ‚Art Brut‘ angesehen wird“ (RICH-<br />

TER 1997, 351).<br />

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