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Zutritt verboten? - Naturschutz versus - Helvetas

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MAGAZIN<br />

PARTNER-<br />

SCHAFT<br />

Das abc Der<br />

MitbestiMMung<br />

FOKUS <strong>Zutritt</strong> <strong>verboten</strong>? <strong>Naturschutz</strong> <strong>versus</strong> Menschenrechte<br />

200 MAL Die «Partnerschaft» von den Anfängen bis heute<br />

WETTBEWERB Wochenende im Eco-Hotel «L’Aubier» zu gewinnen<br />

RÜCKBLICK – AUSBLICK Jahresbericht 2009 & Einladung zur GV<br />

Nr. 200 / Mai 2010


200 /10 Partnerschaft<br />

inHaLt<br />

PERSPEKTIVEN<br />

Hoch(zeit)stimmung .............................................................04<br />

KlARTEXT<br />

Messbare Wirkung .................................................................05<br />

REPoRTAGE<br />

Filomena Assiro lernt lesen, um mitreden zu können ......06<br />

FoKUS:<br />

«NATURSCHUTZ VERSUS MENSCHENRECHTE»<br />

<strong>Zutritt</strong> <strong>verboten</strong>?<br />

Ein Gespräch über <strong>Naturschutz</strong>, Menschenrechte<br />

und Entwicklung ....................................................................10<br />

Kolosse im Feld:<br />

Wie Mensch und Tier nebeneinander leben .......................13<br />

Rückeroberung:<br />

Bio-Baumwolle entschärft den<br />

Nutzungskonflikt in Benin ...................................................14<br />

Gastkommentar:<br />

Andrea Hämmerle, Nationalrat SP ......................................15<br />

Alle an Bord:<br />

Das Val Müstair auf dem Weg zum Biosphärenreservat ...16<br />

Mehr erfahren & Ausflugstipp ..............................................17<br />

PERSÖNlICH<br />

Rony Alexander Gómez aus Honduras ...............................18<br />

SCHWEIZ<br />

200. «Partnerschaft»: Blattkritik mit Oswald Sigg .............24<br />

AKTUEll<br />

Stimmungsbarometer ............................................................26<br />

KV-Schweiz spendet für Nepal .............................................26<br />

E-Mail aus dem Feld: Guatemala .........................................27<br />

Impressum ..............................................................................27<br />

Do it yourself: Snacks aus Honduras ...................................27<br />

«Global+»: Das Magazin von Alliance Sud .........................27<br />

Aktion zum Weltwassertag in Bern .....................................28<br />

Partnerschaft mit Geberit .....................................................28<br />

<strong>Helvetas</strong> Event zur Bhutan-Ausstellung ..............................29<br />

Wettbewerb: Eine Nacht im Eco-Hotel «L’Aubier» .............29<br />

FAIRER HANDEl<br />

Herrenunterwäsche von ISA ...............................................30<br />

HElVETAS JAHRESBERICHT 2009 ..............................19<br />

EINlADUNG ZUR GENERAlVERSAMMlUNG<br />

VoM 25. JUNI 2010 ............................................................23<br />

Titelbild: © Simon B. Opladen<br />

Filomena assiro<br />

{<br />

Seite<br />

19<br />

JAHRESBERICHT<br />

So viele Menschen haben<br />

2009 dank <strong>Helvetas</strong> neu von<br />

Brücken oder Zugangswegen<br />

profitiert. Der Jahresbericht<br />

fasst die Aktivitäten des<br />

Jahres 2009 zusammen.<br />

HElVETAS – Handeln für eine bessere Welt<br />

VISIoN: Wir wollen eine Welt, in der alle Menschen in Würde und Sicherheit selbstbestimmt leben und der Umwelt Sorge tragen.<br />

AUFTRAG: Wir engagieren uns für benachteiligte Menschen und Gemeinschaften in Entwicklungsländern, die ihre Lebensbedingungen<br />

aktiv verbessern wollen.<br />

2 INHAlT<br />

{<br />

Seite<br />

06<br />

REPoRTAGE<br />

1’000’000<br />

© Simon B. Opladen<br />

© Simon B. Opladen


«Ohne die lokale<br />

bevölkerung<br />

ist naturschutz<br />

zum scheitern<br />

verurteilt.»<br />

thomas stadtmüller, Forstexperte<br />

© <strong>Helvetas</strong><br />

3<br />

EDIToRIAl<br />

{<br />

Seite<br />

10 FoKUS<br />

Ein Gespräch zu<br />

<strong>Naturschutz</strong>,<br />

lebenswichtigen<br />

Ressourcen und<br />

Menschenrechten.<br />

{<br />

Seite<br />

24<br />

SCHWEIZ<br />

Mit dieser Ausgabe<br />

erscheint die<br />

«Partnerschaft»<br />

zum 200. Mal.<br />

Ein Rückblick<br />

mit dem Publizisten<br />

oswald Sigg.<br />

Editorial<br />

HELVETAS<br />

Schweizer Gesellschaft<br />

für internationale Zusammenarbeit<br />

Weinbergstrasse 22a,<br />

Postfach, CH-8021 Zürich<br />

Tel +41 (0)44 368 65 00<br />

Fax +41 (0)44 368 65 80<br />

info@helvetas.org, www.helvetas.ch<br />

PC 80-3130-4<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Unermüdlich<br />

Sie halten die 200. Ausgabe der<br />

«Partnerschaft» in den Händen! Seit<br />

der ersten Nummer im Februar 1961<br />

hat sich ihr Auftritt verändert. Aber<br />

nicht die Ziele: Das Magazin will Einblick<br />

in die Arbeit von <strong>Helvetas</strong> geben,<br />

auch kritische Themen aufgreifen und<br />

Ihnen das Leben der Menschen in unseren<br />

Partnerländern näherbringen.<br />

Wie erfüllt(e) die «Partnerschaft» diesen<br />

Auftrag damals und heute? Oswald<br />

Sigg hält für uns Rückschau.<br />

Diese Nummer greift ein kontroverses<br />

Thema auf: <strong>Naturschutz</strong>gebiete sind<br />

wichtig, was aber, wenn Menschen<br />

deswegen ihr Land verlieren? Müssen<br />

Bauern im Süden die Kosten für<br />

unsere Umweltsünden tragen? Was,<br />

wenn Mensch und Tier in Konflikt<br />

geraten? Wie lässt sich Wald retten,<br />

ohne Menschen zu bevormunden?<br />

Wir zeigen Spannungsfelder und<br />

mögliche Lösungen.<br />

Vielleicht begleitet Sie die «Partnerschaft»<br />

schon länger, oder Sie haben<br />

sie eben erst entdeckt. Schreiben Sie<br />

uns Ihre Eindrücke! Das schönste<br />

Jubiläumsgeschenk machen Sie uns,<br />

wenn wir Sie weiterhin zu unserer Leserschaft<br />

zählen dürfen. Wir danken<br />

Ihnen für Ihre Treue.<br />

Susanne Strässle, Redaktorin «Partnerschaft»<br />

susanne.straessle@helvetas.org<br />

© Vera Hartmann


200 /10 Partnerschaft<br />

HOcH(zeit)stiMMung<br />

{Eine Hochzeit ist eine wunderbare Gelegenheit unter Freunden und Verwandten ausgelassen zu<br />

feiern. Das ist im tadschikischen Dorf Roshorv bei den Pamiri, einer ismaelitischen Volksgruppe,<br />

nicht anders als im Kurhaus Bergün. Die beiden Tänzerinnen gehen im Rhythmus der Musik auf.<br />

In Tadschikistan sorgen Eheschliessungen aber auch für traurige Schlagzeilen. Noch immer gibt<br />

es Zwangsheiraten, und bei einer Scheidung können Frauen ihre Rechte kaum einfordern.<br />

Sie sind dringend auf Rechtshilfe angewiesen (s. S. 21).<br />

4<br />

PERSPEKTIVEN<br />

© Olivier Rueegsegger © Panos Pictures/Carolyn Drake


200 /10 Partnerschaft<br />

zÄHLen, Messen, beWerten<br />

In Burkina Faso haben in den letzten<br />

sechs Jahren 6837 Bauern und Bäuerinnen<br />

dank <strong>Helvetas</strong> auf den biologischen<br />

Anbau von Baumwolle umgestellt. Sie<br />

haben 4123 Hektare Baumwollfelder bearbeitet<br />

und ihr Einkommen hat sich um<br />

27 Prozent verbessert.<br />

Woher wissen wir das? Und wie<br />

untersucht <strong>Helvetas</strong> die Wirkung ihrer<br />

Projekte?<br />

Am einfachsten zu erheben sind<br />

die nackten Zahlen. <strong>Helvetas</strong> hat 20<br />

entwicklungsrelevante Indikatoren definiert,<br />

von der Anzahl der Schulbesuche<br />

bis zur Zahl der Menschen, die neu über<br />

eine Latrine verfügen. Die Projektmitarbeitenden<br />

erheben diese Zahlen Dorf für<br />

Dorf, Schule für Schule. Ob die Kinder<br />

am Ende der Schulzeit tatsächlich mehr<br />

wissen, ob die neuen Toiletten benützt,<br />

die Felder nach der landwirtschaftlichen<br />

Beratung schonender bearbeitet werden,<br />

verraten die Zahlen noch nicht.<br />

Die tatsächliche Wirkung eines<br />

Projekts wird erst durch sorgfältige Evaluationen<br />

sichtbar. Diese finden in der<br />

«Projekte sind oft keine<br />

gradlinigen Erfolgsgeschichten.<br />

Es ist wichtig,<br />

auf Probleme schnell<br />

reagieren zu können.»<br />

Regel alle drei Jahre statt. Das Baumwollprojekt<br />

von Burkina Faso wurde im<br />

Jahr 2007 analysiert. Punkt für Punkt<br />

verglichen Bauernvertreterinnen, Projektverantwortliche<br />

und ein externer<br />

Berater das Erreichte mit den zu Projektbeginn<br />

formulierten Zielen und Erwartungen.<br />

Steigt der Hektarertrag mit der<br />

Erfahrung im Bio-Anbau? Verdienen die<br />

Bio-Bauern unter dem Strich tatsächlich<br />

mehr?<br />

Die laufende Begleitung und<br />

Evaluation von Projekten gehören heute<br />

zum Standard professioneller Entwicklungszusammenarbeit.<br />

<strong>Helvetas</strong> jedoch<br />

geht einen entscheidenden Schritt weiter<br />

und lässt die längerfristigen Folgen ihrer<br />

Interventionen immer wieder extern untersuchen.<br />

In Burkina Faso befragten im<br />

Jahr 2008 Forscher der Universität Bern<br />

101 Baumwollbauern, biologisch wie<br />

konventionell produzierende, zu ihren<br />

Produktions- und Lebensbedingungen.<br />

Die Resultate sind erfreulich. Die Bio-<br />

Bäuerinnen und -Bauern erwiesen sich<br />

als gesünder. Ihre Ernährung ist vielseitiger,<br />

sie investieren mehr von ihren<br />

Einnahmen in die Landwirtschaft und<br />

die Ausbildung ihrer Kinder.<br />

Viele Projekte verlaufen jedoch<br />

nicht als gradlinige Erfolgsgeschichten.<br />

So lese ich im neuesten Bericht aus Burkina<br />

Faso, dass die nationalen Bauernorganisationen<br />

vermehrt auf gentechnisch<br />

veränderte Baumwolle setzen und viele<br />

Bio-Produzenten dadurch unter Druck<br />

5 KlARTEXT<br />

geraten. Wo solche Probleme auftreten,<br />

ist eine enge Projektbegleitung doppelt<br />

wichtig. Die Verantwortlichen können<br />

schnell reagieren und gemeinsam mit<br />

den Bauernorganisationen nach Lösungen<br />

suchen. Darauf kann ich mich verlassen.<br />

So wie ich mich auf die Zahlen<br />

aus dem Projekt verlassen kann: Dank<br />

der Unterstützung von <strong>Helvetas</strong> wurden<br />

in Burkina Faso bisher 4468 Tonnen biologische<br />

Fair-Trade-Baumwolle geerntet.<br />

Für eine gesunde Zukunft von Bauernfamilien<br />

und Konsumenten.<br />

Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter von <strong>Helvetas</strong><br />

© Vera Hartmann


6<br />

Konzentration im luftigen «Schulzimmer» von Napala: Filomena Assiro lernt anhand alltagsnaher Begriffe Lesen und Schreiben.<br />

REPoRTAGE


200 /10 Partnerschaft<br />

FiLOMena assirO<br />

{<br />

Eine erstaunliche Karriere: Filomena Assiro drückt die Schulbank, und<br />

doch macht sie sich bereits im Dorfentwicklungsrat für die Zukunft ihrer<br />

Gemeinde stark. Die 38-jährige, alleinerziehende Mutter besucht einen<br />

Alphabetisierungskurs für Erwachsene. Er soll vor allem Frauen im ländlichen<br />

Mosambik befähigen, öffentliche Ämter zu übernehmen. Mit den<br />

Buchstaben und Zahlen hat Filomena auch Selbstvertrauen und Zuversicht<br />

gelernt: «Das ist meine zweite Chance, und die werde ich nutzen!»<br />

Von Matthias Herfeldt (Text) und<br />

Simon B. Opladen (Fotos)<br />

Im Dorfzentrum von Napala, irgendwo im Norden Mosambiks.<br />

Die Morgensonne brennt auf die 3000-Seelen-Gemeinde<br />

nieder. Ein sanfter Wind spielt mit den Kronen der Maispflanzen,<br />

die zwischen den Lehmhütten spriessen und die regenverwaschenen<br />

Wege säumen. Er verbreitet den Duft von getrocknetem<br />

Gras, mit dem die Menschen ihre Behausungen<br />

decken. Neben einem wuchtigen Cashewnussbaum steht ein<br />

schlichtes, auf Holzpfeilern befestigtes Schattendach. So etwas<br />

wie ein Freiluft-Mehrzwecksaal.<br />

Ein luftiges Schulzimmer<br />

Eine sonore Männerstimme dringt darunter hervor. Artur<br />

Francisco Cupelela (47) unterrichtet fast dreissig lernhungrige<br />

Männer und Frauen, die sich zum Alphabetisierungskurs<br />

eingefunden haben. Unter ihnen auch Filomena Assiro (38).<br />

Aufmerksam folgt sie den gestenreichen Ausführungen des<br />

Lehrers und notiert mit rotem Kugelschreiber akribisch die<br />

Wörter, die er an die Tafel schreibt, in ihr abgegriffenes Schulheft.<br />

Tische gibt es keine in diesem «Schulzimmer». Nur ein<br />

paar Sitzbänke und Bambusmatten. Vorne, auf einem staffelei-<br />

ähnlichen Holzgerüst, ächzt eine alte tragbare Schiefertafel<br />

mit Löchern, als hätten eindringliche Schülerblicke sie über<br />

all die Jahre durchbohrt. Ein spärliches Interieur, aber ausreichend,<br />

um den Menschen im ländlichen Mosambik Lesen,<br />

7<br />

REPoRTAGE<br />

Schreiben und Rechnen zu vermitteln und eine neue Perspektive<br />

zu geben.<br />

Lehrer Cupelela ruft Filomena Assiro nach vorne,<br />

drückt ihr Schwamm und Kreide in die Hand und diktiert ein<br />

Wort. Sie wischt die Tafel blank und schreibt «Muro», was auf<br />

Macua «Fluss» bedeutet. Der Lehrer fordert sie auf, das Wort<br />

in seine zwei Silben aufzuteilen, weitere Silben damit zu kombinieren<br />

und so neue Wörter zu bilden. Dadurch lernen die<br />

Schülerinnen Wortbausteine kennen und machen sich mit der<br />

Schreibweise vertraut. Artur Cupelela spricht die Silben vor.<br />

Im Chor wiederholt die Klasse die Wörter an der Tafel. Der<br />

«Professor», wie er genannt wird, ist eine Autoritätsperson.<br />

Dann repetieren die Lernenden die Vokabeln in ihren Heften.<br />

Die konzentrierte Ruhe wird nur gestört durch das Meckern<br />

einer Ziege, die am «Schulzimmer» vorbeispaziert.<br />

Der Fluss des Lernens<br />

«Muro» – dieses Wort hat Artur Cupelela nicht zufällig gewählt.<br />

Der Fluss hat eine existenzielle Bedeutung für die Menschen.<br />

Jeden Tag holen die Frauen am drei Kilometer entfernten<br />

Luvio das Wasser, das sie und ihre Familien zum Leben<br />

brauchen. Der Inhalt der Lese- und Schreibkurse dreht sich<br />

rund um den Alltag der Lernenden. Die Kurse dienen auch<br />

der Sensibilisierung. Das ist das Besondere am Alphabetisierungsprogramm<br />

von <strong>Helvetas</strong>. Im Zusammenhang mit dem<br />

Fluss kommt Artur Cupelela auf Themen wie Hygiene und<br />

Gesundheit zu sprechen.<br />

Erst im Kurs hat Filomena Assiro erfahren, dass das<br />

Wasser aus dem Fluss krank machen kann. Deshalb kocht sie


200 /10 Partnerschaft<br />

Neben der Schule versorgt Filomena allein Kinder, Haus und Garten. Lehrer Artur Cupelela versteht seine Klasse zu fesseln.<br />

es heute immer ab, bevor sie es ihren Kindern zu trinken gibt.<br />

Acht Kinder hat sie geboren, eine Tochter ist bereits ausgeflogen.<br />

Vor ein paar Monaten hat ihr Mann sie verlassen. Jetzt ist<br />

sie mit sieben Kindern auf sich alleine gestellt. «Ihre Gesundheit<br />

liegt mir besonders am Herzen.» Dass ihr Jüngster, der<br />

anderthalbjährige Felicidade Eduardo, an Malaria erkrankte,<br />

konnte sie nicht verhindern. Lange musste sie sparen, bis sie 80<br />

Meticais (drei Franken) beisammen hatte für das Velotaxi, das<br />

sie und ihren Sohn in die Distrikthauptstadt Chiure zum Gesundheitszentrum<br />

brachte.<br />

Eine sechsstündige Reise<br />

in der gleissenden Sonne<br />

auf holprigen Pisten.<br />

Dank einiger Wörter<br />

Portugiesisch, die sie<br />

im Kurs schon gelernt hatte,<br />

konnte sie das Rezept<br />

und die Aufschrift auf der Medikamentenpackung lesen, die<br />

sie von den Ärzten in Chiure erhielt. Sich vergewissern zu<br />

können, dass Felicidade Eduardo die richtige Arznei erhält,<br />

beruhigte die besorgte Mutter nicht nur, sondern bestärkte sie<br />

auch in der Überzeugung, dass sie gut für ihre Kinder sorgen<br />

kann. Auch in anderen Belangen fühlt Filomena sich heute<br />

sicherer. Seit sie rechnen kann, hat sie Gewissheit, auf dem<br />

Markt nicht übers Ohr gehauen zu werden, denn sie kann jetzt<br />

die Gewichte auf der Waage lesen und das Rückgeld zählen.<br />

«Ich will nicht nur lesen und schreiben<br />

lernen, sondern auch mehr über die<br />

Welt erfahren.» Filomena Assiro<br />

Neue Welt der Wörter und Zahlen<br />

In den Alphabetisierungskurs eingestiegen ist Filomena Assiro<br />

vor knapp einem Jahr. «Ich wollte meinen Kopf öffnen.<br />

Nicht nur lesen, schreiben und rechnen lernen, sondern auch<br />

mehr erfahren über die Welt», erzählt sie vor ihrer Hütte am<br />

Boden kauernd. Drei ihrer Kinder weichen nicht von ihrer<br />

Seite und kauen an einem Stück getrocknetem Maniok. Nesthäkchen<br />

Felicidade hat sie sich wie immer in einem Tragetuch<br />

auf den Rücken gebunden; nur zum Kurs geht sie ohne<br />

ihn. «Diese zwei Stunden will ich ganz für mich.» Und mit<br />

einem Lächeln fährt sie fort: «Am liebsten lerne ich Portugiesisch.»<br />

Eigentlich steht die Zweitsprache gemäss Lehrplan erst<br />

im zweiten Kursjahr auf dem Programm. Zunächst werden<br />

8<br />

REPoRTAGE<br />

die Teilnehmer in ihrer Muttersprache ans Lernen herangeführt.<br />

Weil die Klasse kaum mehr warten konnte, hat Lehrer<br />

Cupelela aber schon im ersten Kursjahr etwas Portugiesisch<br />

unterrichtet.<br />

Von Montag bis Donnerstag, neun bis elf Uhr, ist Filomena<br />

in der Schule. Sie muss morgens früh aufstehen, um<br />

rechtzeitig mit der Haus- und Feldarbeit fertig zu sein. Um<br />

vier beginnt sie ihr Tagwerk. Nach dem Morgengebet in der<br />

Moschee holt sie mit den anderen Frauen Wasser am Fluss.<br />

Dann begibt sie sich aufs Feld<br />

hinter dem Haus, um zu jäten<br />

und ein paar Handvoll Bohnen<br />

zu pflücken – zusammen<br />

mit Maisbrei das tägliche Brot<br />

im ländlichen Mosambik.<br />

Dann kocht sie auf der Feuerstelle<br />

das Mittagessen vor und<br />

wischt mit Bambusreisig den Hof. Sie hat es gern sauber, wenn<br />

sie das Heim verlässt, um in die neue Welt der Buchstaben<br />

und Zahlen einzutauchen.<br />

Aufstehen und mitreden lernen<br />

Sieben Jahre ist es her, seit in Napala der erste Alphabetisierungskurs<br />

abgehalten wurde. Der Lehrer war der gleiche wie<br />

heute. Artur Cupelela erinnert sich: «Von <strong>Helvetas</strong> frisch ausgebildet,<br />

war ich ziemlich nervös, als ich das erste Mal vor<br />

einer Klasse stand.» Der Andrang war riesig: 96 Frauen und<br />

Männer. Bis heute ist das Interesse ungebrochen. Viele besuchen<br />

den Kurs mehrmals, weil sie in Übung bleiben wollen.<br />

Einige wechseln nach dem Abschluss in die Primarschule, wo<br />

sie mit (ihren) Kindern die Schulbank drücken. Auch die von<br />

<strong>Helvetas</strong> zur Verfügung gestellte mobile Bibliothek stösst auf<br />

grosses Interesse. «Wann immer ich sie mit dem Fahrrad aus<br />

einem Nachbardorf herbringe, drängeln sich meine Schüler,<br />

um darin zu stöbern», freut sich Artur Cupelela.<br />

Ein besonderes Augenmerk legt <strong>Helvetas</strong> auf die Frauen.<br />

Denn mehr als die Hälfte der Frauen im Norden von Mosambik<br />

sind Analphabetinnen, und nur wenige auf dem Land<br />

sprechen Portugiesisch. Viele wurden als Mädchen nicht oder<br />

nur unregelmässig zur Schule geschickt, sofern überhaupt eine


Heute kann Filomena das Arztrezept für ihren Sohn Felicidade lesen.<br />

vorhanden war. Die Situation hat sich verbessert. Der Staat<br />

investiert mittlerweile einen bedeutenden Teil seines bescheidenen<br />

Budgets in die Primarschulbildung. Die Erwachsenenbildung<br />

hingegen wird eher stiefmütterlich behandelt.<br />

<strong>Helvetas</strong> bietet zusammen mit ihren lokalen Partnern<br />

so genannte funktionale Alphabetisierungskurse (s. «3 Fragen<br />

an») als Ergänzung zur staatlich organisierten Bildung<br />

für Kinder an. Und zwar überall dort, wo sie bereits mit Gemeindebehörden,<br />

Bauerngenossenschaften oder anderen Organisationen<br />

zusammenarbeitet. Im öffentlichen Leben sind<br />

Frauen traditionell stark unterrepräsentiert. Lesen, Schreiben<br />

und Rechnen zu lernen, soll sie ermutigen und befähigen, für<br />

öffentliche Ämter zu kandidieren und auch Führungsrollen<br />

zu übernehmen. Im Kurs lernen sie meist erstmals, in einer<br />

öffentlichen Situation das Wort zu ergreifen. Damit die geforderte<br />

Frauenquote von 50 Prozent erreicht wird, sind teilnahmewillige<br />

Männer gehalten, ihre Frauen für den Kurs mit<br />

anzumelden.<br />

Viele Anliegen und ein Traum<br />

Vor einem halben Jahr hat sich Filomena Assiro, beflügelt<br />

durch die Erfolgserlebnisse im Kurs, als Mitglied des Dorfentwicklungsrates<br />

gemeldet. Als Lokalregierung legt dieser die<br />

Prioritäten für die Entwicklung des Dorfes fest und setzt sich<br />

bei den Distriktsbehörden und <strong>Helvetas</strong> für die Anliegen der<br />

Bevölkerung ein. Erst kürzlich hat Napala das lang ersehnte<br />

Velotaxi bekommen, mit dem sie ihre Kranken jetzt selbst<br />

nach Chiure transportieren können. Der Dorfrat hatte zuvor<br />

Geld gesammelt, muss doch jede Gemeinde für einen kleinen<br />

Teil der Kosten selbst aufkommen. Als nächstes soll im Dorf<br />

ein Brunnen gebaut werden. Man ist bereits am Sparen. «Was<br />

der Dorfrat erreicht, hat mich beeindruckt. Auch ich will einen<br />

Beitrag leisten», sagt Filomena Assiro mit neu gewonnenem<br />

Selbstvertrauen. Sie hat viele Anliegen, die sie voranbringen<br />

will. Und einen Traum: ein neues, besser ausgestattetes<br />

Schulhaus. Ihre Kinder sollen eine gute Bildung erhalten. Eine<br />

bessere als sie selbst, die als Kind nicht lesen und schreiben<br />

lernte, weil nach ihrer Einschulung das Schulgebäude einstürzte<br />

und nicht mehr aufgebaut wurde. «Jetzt habe ich eine<br />

zweite Chance. Und die werde ich nutzen.»<br />

9<br />

REPoRTAGE<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Filomena hat sich am späteren Nachmittag mit einer Nachbarin<br />

verabredet, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen.<br />

Sie sitzen vor ihrem Haus und lernen Portugiesisch-Vokabeln,<br />

immer wieder abgelenkt von den Kindern, die neugierig um<br />

sie herumstreichen. Filomena Assiro ist müde, aber zufrieden.<br />

Ihre Gedanken schweifen zur ältesten Tochter Ana Rosa (16),<br />

die in Chiure lebt und dort eine Ausbildung zur Primarlehrerin<br />

macht. «Sie wird bestimmt eine gute Lehrerin und dafür<br />

sorgen, dass die nächste Generation eine bessere Zukunft hat»,<br />

sagt Filomena voller Stolz und Hoffnung.<br />

Matthias Herfeldt ist Teamleiter Kommunikation und Medienverantwortlicher<br />

bei <strong>Helvetas</strong>.<br />

3<br />

Fragen an Izidro Joaquin,<br />

Präsident der Vereinigung für<br />

funktionale Alphabetisierung<br />

Nach welcher Methode wird<br />

in den Alphabetisierungskursen<br />

für Erwachsene gelehrt?<br />

Die so genannt funktionale<br />

Alphabetisierung erfolgt nach<br />

der «Reflect»-Methode: Lese-<br />

und Schreibregeln werden<br />

zuerst in der Muttersprache<br />

vermittelt. Im zweiten Jahr<br />

wird die Amtssprache Portugiesisch<br />

eingeführt. Gelernt<br />

wird anhand von Alltagsthemen wie Gesundheit und Ernährung.<br />

Über welches Können verfügt jemand nach einem Alphabetisierungskurs?<br />

Nach den zwei Jahren sind die Teilnehmenden auf dem Niveau<br />

der vierten Primarklasse, beherrschen die wichtigsten<br />

Rechenoperationen und können einfache Sätze auf Portugiesisch<br />

lesen und schreiben. Dadurch sollen vor allem<br />

Frauen in ihrer Gemeinschaft ein öffentliches Amt übernehmen<br />

können.<br />

Wie arbeitet Ihre Vereinigung mit <strong>Helvetas</strong> und den Behörden<br />

zusammen?<br />

Bis 2008 organisierte <strong>Helvetas</strong> die Lehrerausbildung und<br />

Kurskoordination selbst. Dann hat sie uns als lokale Partner<br />

damit beauftragt. Die Erziehungsbehörde kontrolliert die<br />

Qualität der Kurse und zahlt die Lehrerlöhne.


200 /10 Partnerschaft<br />

FOkus<br />

zutritt VerbOten?<br />

{<strong>Naturschutz</strong>gebiete und Nationalparks in Entwicklungsländern<br />

schützen Fauna und Flora, aber sie können der armen Landbevölkerung<br />

auch die Lebensgrundlage rauben. Ein kritisches<br />

Gespräch über den Wert des Waldes, globale Interessen und<br />

lokale Selbstbestimmung mit der Ethnologin Eva Keller und<br />

den Forstexperten Eric Chevallier von Intercooperation und<br />

Thomas Stadtmüller von <strong>Helvetas</strong>. Dabei wurde eines deutlich:<br />

Von oben aufgezwungener <strong>Naturschutz</strong> kann nicht funktionieren<br />

– weder für die Menschen noch für die Umwelt.<br />

© Vera Hartmann<br />

Interview: Susanne Strässle<br />

<strong>Naturschutz</strong>gebiete und Nationalparks<br />

sind eine sinnvolle Sache. Wieso<br />

werden sie für die lokale Bevölkerung<br />

zum Problem?<br />

Thomas Stadtmüller: Im Norden hat<br />

man beim Stichwort «Nationalpark»<br />

das Bild unberührter Naturlandschaf-<br />

Eric Chevallier<br />

ten vor Augen. Aber in Wahrheit sind es<br />

meist Gebiete, in denen auch Menschen<br />

leben. Der Wald wird auf unglaublich<br />

vielfältige Weise genutzt und kann überlebenswichtig<br />

sein. Die Leute sammeln<br />

Medizinpflanzen, Pilze, Honig, Beeren,<br />

Früchte und Wurzeln. Sie nutzen zum<br />

Beispiel Bambus, Reisig und Holz oder<br />

jagen.<br />

Eva Keller: Ein Nationalpark stellt für die<br />

lokale Bevölkerung daher oft etwas Negatives<br />

und Bedrohliches dar. Die Menschen<br />

verlieren ihr Land, in das sie Kraft<br />

und Ressourcen gesteckt haben und das<br />

die Zukunft ihrer Kinder sichert. Im madagassischen<br />

Masoala-Nationalpark, wo<br />

ich forsche, gibt es teilweise gravierende<br />

Menschenrechtsverletzungen: Männer<br />

wurden zu langen Gefängnisstrafen verurteilt,<br />

weil sie auf dem Land, das nach<br />

dem traditionellen Landrechtssystem<br />

ihrer Familie gehört, Wald oder Busch<br />

lichteten, um Nahrung anzubauen. Die<br />

Bedeutung des Waldes geht aber weit<br />

über das Ökonomische hinaus. Für die<br />

Menschen in Masoala hat der Lebens-<br />

10 FoKUS<br />

FoKUS<br />

<strong>Naturschutz</strong> <strong>versus</strong> Menschenrechte<br />

raum der Verwandtschaftsgruppe eine<br />

tiefe kulturelle und identitätsbestimmende<br />

Bedeutung.<br />

Läuft es auf die Frage hinaus, was<br />

zuerst kommt, Mensch oder Tiger?<br />

Eric Chevallier: Das lässt sich nicht trennen.<br />

Menschen brauchen die Natur, vielleicht<br />

nicht den Tiger, aber eine intakte<br />

Umwelt, Wasser und gesunde Böden.<br />

Ist die Natur denn in lokalen Händen<br />

gut aufgehoben?<br />

Thomas Stadtmüller: Lange Zeit wurde<br />

argumentiert, die Armen würden ihre<br />

Ressourcen zerstören und übernutzen,<br />

deshalb müssten Regierung oder Institutionen<br />

die Natur schützen. Das ist in den<br />

meisten Fällen falsch. In Guatemala zum<br />

Beispiel ist der Wald in den Gegenden,<br />

wo er lokal verwaltet wird, noch heute<br />

intakt. Wo er in staatliche Hände ging,<br />

haben ihn vielerorts grosse Firmen abgeholzt.<br />

Eric Chevallier: Mit einer Regelung auf<br />

höherer Ebene kommen neue Akteure<br />

auf den Plan, Auswärtige mit eigenen Interessen,<br />

Politiker, Unternehmen. Nicht<br />

selten im Schatten grosser globaler Umweltorganisationen,<br />

die einen Park mitunter<br />

durchsetzen wollen, um für die<br />

Pharmaindustrie oder die Wissenschaft<br />

das genetische Material einer Region<br />

dem lokalen Zugriff zu entziehen.<br />

Sind staatliche Regelungen überflüssig?<br />

Eric Chevallier: Mit dem Bevölkerungswachstum<br />

geraten traditionelle<br />

Nutzungsregeln unter Druck. Deshalb<br />

macht es Sinn, wenn der Staat eingreift.<br />

Dabei sollten aber bestehende Normen<br />

weiterentwickelt werden.


Thomas Stadtmüller<br />

Eva Keller: Für viele Menschen bedeutet<br />

ein Nationalpark Fremdbestimmung<br />

und gleicht einer Rückkehr der Kolonialzeit.<br />

Auf einer globalen Ebene bin ich<br />

sehr wohl für den nachhaltigen Umgang<br />

mit natürlichen Ressourcen. Es ist für<br />

mich aber inakzeptabel, wenn dies auf<br />

Kosten von Bauern in den Ländern des<br />

Südens geht.<br />

Thomas Stadtmüller: Das mag so sein,<br />

wenn grosse <strong>Naturschutz</strong>organisationen<br />

von aussen kommen, um mit viel Geld<br />

schnell und unbeirrt ihr Ziel zu erreichen.<br />

<strong>Helvetas</strong> ist jedoch eine Entwicklungsorganisation.<br />

Wir wollen die Armut<br />

bekämpfen, und dafür müssen die<br />

natürlichen Ressourcen erhalten werden.<br />

Im Normalfall haben wir sinnvolle<br />

Zeithorizonte. Da kann man wirklich<br />

von Entwicklung sprechen. Wir nehmen<br />

Partizipation sehr ernst. Wir reden mit<br />

den Leuten, untersuchen mit ihnen die<br />

Lage und entwickeln gemeinsam Lösungen.<br />

Dabei fliessen Werte der lokalen<br />

Kultur ein, aber auch Werte, die wir für<br />

wichtig halten.<br />

Eric Chevallier: Wir sind Vermittler, die<br />

zusätzliches Wissen einbringen: Wir orten<br />

mögliche Interessenkonflikte und<br />

stärken die Fähigkeiten der verschiedenen<br />

Akteure, selber zu handeln.<br />

Versteht die lokale Bevölkerung den<br />

Umweltschutzgedanken?<br />

Eva Keller: Meine Erfahrung in Masoala<br />

ist, dass westliche Vorstellungen von<br />

intakter Natur, auf denen grosse Organisationen<br />

wie die «Wildlife Conservation<br />

Society» aufbauen, für die lokale<br />

© Vera Hartmann<br />

Bevölkerung keinen Sinn ergeben. Unsere<br />

Vorstellungen von Nachhaltigkeit<br />

hängen eng mit der europäischen Geschichte<br />

und Kultur zusammen. Ist es da<br />

legitim, sie der ganzen Welt aufdrängen<br />

zu wollen?<br />

Thomas Stadtmüller: <strong>Helvetas</strong> und Intercooperation<br />

sind meist schon viele<br />

Jahre in einem Land und in den Dörfern<br />

präsent. Die Leute kennen uns. Da kann<br />

man fragen: Wie geht ihr mit euren Ressourcen<br />

um? Dabei zeigt sich, dass den<br />

Leuten der Gedanke der Nachhaltigkeit<br />

nicht fremd ist. Es braucht bloss Zeit, bis<br />

man einander versteht.<br />

FoKUS<br />

Eric Chevallier: Ein Weg, wie wir das<br />

sicherstellen können, ist über unsere<br />

lokalen und nationalen Teams, die sich<br />

für die Entwicklung ihres Landes engagieren.<br />

Zudem bringen Schweizer Organisationen<br />

partizipative, demokratische<br />

«Für die Menschen<br />

gleicht ein Nationalpark<br />

einer Rückkehr der<br />

Kolonialzeit.» Eva Keller<br />

Wertvorstellungen ein. Die Kollegen in<br />

den Partnerländern werden so zu Akteuren<br />

des Wandels.<br />

Ist es in undemokratisch regierten<br />

Ländern möglich, Prinzipien guter<br />

Regierungsführung zu etablieren?<br />

Thomas Stadtmüller: Da ist Nepal ein gutes<br />

Beispiel. Hier wurde das Gemeindewaldprogramm<br />

in einer zentralistischen<br />

Monarchie aufgebaut. Und es funktionierte!<br />

Selbst wenn der Staat nicht demokratisch<br />

ist, lässt sich auf Gemeindeebene<br />

gute Regierungsführung erlernen.<br />

Wie sich in Nepal gezeigt hat, kann das<br />

sogar einen positiven Effekt auf die Regierung<br />

und das Land haben.<br />

Aber hiesse echte Partizipation nicht,<br />

dass die Leute das Recht haben zu sagen,<br />

«wir möchten euren <strong>Naturschutz</strong><br />

nicht»?<br />

11<br />

FoKUS<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Eva Keller: In Wirklichkeit beginnt die<br />

Partizipation bei Naturparkprojekten<br />

meist erst bei Schritt B: Die wesentlichen<br />

Entscheidungen sind schon gefallen, in<br />

der fernen Hauptstadt oder irgendwo in<br />

New York.<br />

Eric Chevallier: Das stimmt. Gerade<br />

deshalb stärken wir die Schwächsten.<br />

Wir sind immer nur vorübergehend in<br />

einem Land. Wir müssen Bauernorganisationen<br />

oder Gemeinderäte befähigen,<br />

sich zu wehren und ihre Interessen selber<br />

wirkungsvoll zu vertreten.<br />

Thomas Stadtmüller: <strong>Helvetas</strong> und Intercooperation<br />

arbeiten häufig im Umfeld<br />

solcher <strong>Naturschutz</strong>projekte oder mit<br />

Partnern aus dem Umweltbereich. Da<br />

ist es oft ratsam, als glaubwürdige Organisation<br />

die verschiedenen Seiten zusammenzubringen,<br />

damit sie realisieren,<br />

dass sie im selben Boot sitzen. Aber es<br />

gibt mächtige Akteure, etwa grosse Holzfirmen,<br />

die auch wir nicht erreichen.<br />

Was aber, wenn die Anwohner selber<br />

den Wald schädigen?<br />

Eva Keller: Das ist eine fundamentale<br />

ethische Frage: Verlieren sie das Recht<br />

auf ihr Land und auf Selbstbestimmung,<br />

wenn sie unsere Kriterien von Nachhaltigkeit<br />

nicht erfüllen? Da spielen auch<br />

das historische Nord-Süd-Verhältnis<br />

und heutige Machtbeziehungen hin-<br />

Eva Keller<br />

© Vera Hartmann


200 / 10 Partnerschaft<br />

ein. Liesse sich der Norden jemals von<br />

Afrikanern vorschreiben, wie er seine<br />

Ressourcen nutzen darf? Ein Ethnologe<br />

schreibt, wie er einst eine alte Madagassin<br />

fragte, was ihr am Wald gefalle. Sie<br />

sagte: «Mir gefällt, dass ich ihn lichten<br />

und ein Reisfeld daraus machen kann.»<br />

Die ärmeren Leute haben kein Land in<br />

den fruchtbaren Tälern und müssen ihre<br />

Felder selber roden.<br />

Eric Chevallier: Aber die Frau will nicht<br />

dass der Wald verschwindet! Sie wertschätzt<br />

den Wald als Ökosystem, das ihr<br />

Wasser und fruchtbaren Boden bringt.<br />

Zum Problem wird das, wenn nicht genug<br />

Land da ist, um die Brachen einzuhalten<br />

und Wald nachwachsen zu lassen.<br />

In den Anden etwa sind sich die Bauern<br />

bewusst, dass ihr Handeln zu Erosion<br />

und Entwaldung führt. Aber sie sagen:<br />

Wir haben keine Wahl, wir müssen morgen<br />

essen. Wir organisieren dann zum<br />

Beispiel einen Besuch bei anderen Bauern,<br />

die nachhaltigere Anbaumethoden<br />

ausprobieren.<br />

Thomas Stadtmüller: Die Frage ist auch,<br />

was die globale Gesellschaft verliert,<br />

wenn ein bestimmter Wald verschwindet.<br />

In manchen Fällen ist es sicher sehr<br />

wichtig, dass der Wald erhalten bleibt.<br />

In anderen kann man den Wald aufgeben<br />

und gewinnt sogar etwas. Die Entwicklung<br />

fast aller Länder, besonders im<br />

Norden, konnte stattfinden, weil Wald<br />

gerodet wurde. Entscheidend ist, ob die<br />

nachfolgende Landnutzung nachhaltig<br />

und sozial sinnvoll ist. Extensive Viehhaltung<br />

zur Fleischproduktion ist ein<br />

sehr schlechter Grund. Es gilt, die komplexen<br />

Ursachen der Entwaldung zu untersuchen<br />

und Anreize zu finden, um sie<br />

auszuschalten.<br />

Was können Anreize sein?<br />

Eva Keller: Diverse Studien zeigen: Das<br />

Einzige, was die Leute motiviert, ist wirtschaftlicher<br />

Gewinn.<br />

Eric Chevallier: Und da wird es interessant.<br />

<strong>Helvetas</strong> und Intercooperation<br />

sehen darin eine Alternative zum klassischen<br />

<strong>Naturschutz</strong>, bei dem eine Landschaft<br />

den Leuten entzogen wird. Dem<br />

Ökosystem wird ein neuer, wirtschaftlicher<br />

Wert zugemessen: als Grundwasserlieferant,<br />

Erosionsschutz oder für den<br />

Ökotourismus. Statt etwas auf seinem<br />

Land anzubauen, pflegt der Bauer zum<br />

Beispiel den Wald am Hang, damit un-<br />

«Es gibt Alternativen<br />

zum klassischen<br />

<strong>Naturschutz</strong>.» Eric Chevallier<br />

ten im Tal Wasser in einer bestimmten<br />

Qualität und Menge fliesst und Erdrutsche<br />

ausbleiben. Die tiefer gelegene Stadt<br />

bezahlt ihn für diesen Umweltdienst.<br />

Der Bauer verliert weder sein Land noch<br />

dessen produktive Kraft.<br />

Gibt es noch andere Lösungen?<br />

Thomas Stadtmüller: Nicht alle Leute, die<br />

den Wald abholzen, sind so eng kulturell<br />

mit ihm verbunden wie die Leute in Masoala.<br />

Viele Junge in Asien und Lateinamerika<br />

sagen uns: Ich möchte anders<br />

leben! Sie brauchen Alternativen.<br />

Eric Chevallier: Ich habe das <strong>Helvetas</strong><br />

Waldprojekt in Haiti evaluiert. In der<br />

Region hatten die Bauern Bäume gefällt,<br />

um Land und Holz zu gewinnen. <strong>Helvetas</strong><br />

hat mit ihnen nach Alternativen<br />

gesucht; heute pflanzen sie zum Beispiel<br />

Thymian für den Markt an (vgl. S. 20).<br />

<strong>Helvetas</strong> arbeitet im Umfeld eines Nationalparks,<br />

wo jede Art von Nutzung<br />

<strong>verboten</strong> wäre. Aber der Staat ist weit<br />

gehend abwesend. Es galt auch, das Umweltministerium<br />

zu bewegen, bei der<br />

Lösungssuche mitzuhelfen.<br />

Thomas Stadtmüller: Es gab Beamte im<br />

Ministerium, die die Bevölkerung aus<br />

12 FoKUS<br />

FoKUS<br />

dem Gebiet vertreiben wollten. Andere<br />

haben eingesehen, dass das nicht funktioniert.<br />

Wenn die lokale Bevölkerung ein<br />

Projekt nicht mitträgt, ist es zum Scheitern<br />

verurteilt. Man kann nicht den ganzen<br />

Wald einzäunen.<br />

Dienen <strong>Naturschutz</strong>gebiete im Süden<br />

nicht vor allem dem Norden, um den<br />

Klimawandel zu stoppen oder unseren<br />

CO 2-Ausstoss zu kompensieren?<br />

Eva Keller: Das ist so, und es wäre naiv<br />

zu denken, dass die Entschädigungen<br />

der internationalen Gemeinschaft in den<br />

Dörfern ankommen. Sie verschwinden<br />

in den Taschen von Regierungsbeamten.<br />

Die Bauern aber werden gezwungen<br />

mitzumachen. Dabei ist der ökologische<br />

Fussabdruck eines madagassischen Bauern<br />

im Vergleich zu unserem verschwindend<br />

klein.<br />

Thomas Stadtmüller: Gleichzeitig stammen<br />

heute aber fast 25 Prozent des CO 2-<br />

Ausstosses aus der Umwandlung von<br />

Wald in Acker- und Weideland in Entwicklungsländern.<br />

Deshalb ist es wichtig,<br />

die Zerstörung des Waldes im Süden<br />

zu stoppen. Man sollte jedoch nicht<br />

nur ein Argument für den Waldschutz<br />

anführen, etwa den Klimawandel. Der<br />

Wald hat viele Funktionen. Sie müssen<br />

berücksichtigt werden, um zusammen<br />

mit allen Betroffenen Lösungen zu entwickeln.<br />

Eva Keller ist Ethnologin an der Universität<br />

Zürich. Sie untersucht seit 2004 in der Region des<br />

Masoala-Nationalparks in Madagaskar Menschenrechtsfragen<br />

und die Sicht der lokalen Bevölkerung<br />

auf den Park. www.ethno.uzh.ch<br />

Eric Chevallier ist Forstingenieur und arbeitet bei<br />

Intercooperation im Bereich Umwelt und Klimawandel.<br />

Er war in Burkina Faso, Ecuador und Peru<br />

Programmberater für Gemeindewaldprojekte.<br />

www.intercooperation.ch<br />

Thomas Stadtmüller ist Forstingenieur und bei<br />

<strong>Helvetas</strong> für den Bereich Wald, Umwelt und Klima<br />

zuständig. Zuvor arbeitete er u. a. für Intercooperation<br />

in Forstprojekten in Lateinamerika und Asien.<br />

© Vera Hartmann


kOLOsse iM FeLD<br />

{<br />

Elefanten, Paviane und Warzenschweine: Sie sind im Quirimbas-<br />

Nationalpark in Mosambik geschützt, bedrohen aber die Felder<br />

armer Bauern. <strong>Helvetas</strong> hilft der lokalen Bevölkerung, Wege zu<br />

finden, damit Mensch und Tier nebeneinander leben können.<br />

Von Matthias Herfeldt<br />

«Die halbe Ernte haben uns die Elefanten<br />

zertrampelt», klagt Carlos Muarabe.<br />

Er ist Dorfchef von Unidade, einem Dorf<br />

in der Pufferzone des Quirimbas-Nationalparks<br />

im Norden von Mosambik.<br />

Die Felder liegen mitten in der Durchgangsroute<br />

der Elefanten, die sich beim<br />

morgendlichen Gang zu den Wasserstellen<br />

gerne an den Maispflanzen und Erdnussstauden<br />

gütlich tun. «Wir haben alles<br />

versucht, um sie zu vertreiben. Aber<br />

gegen diese Kolosse sind wir machtlos.»<br />

Lautes Rufen und Hornen beeindruckt<br />

sie nicht. Und «Hausmittel» wie verbrannter<br />

Elefantenkot, der mit Pfeffer<br />

vermengt auf den Feldern ausgebracht<br />

wird, schreckt die Tiere nur kurzfristig<br />

ab. Denn Elefanten lernen schnell und<br />

merken, dass der üble Geruch nicht ihren<br />

Tod bedeutet.<br />

Der 2002 gegründete Quirimbas-<br />

Nationalpark liegt in der Provinz Cabo<br />

Delgado und erstreckt sich über 7506<br />

km², was etwa der Fläche des Kantons<br />

Graubünden entspricht. Im Parkgebiet<br />

inklusive Pufferzonen leben geschätzte<br />

150’000 Menschen. Der Managementplan<br />

sieht verschiedene Massnahmen<br />

vor, um <strong>Naturschutz</strong> und bäuerliche<br />

Subsistenzwirtschaft unter einen Hut zu<br />

bringen. Trotzdem kommt es immer wieder<br />

zu Konflikten. Besonders gravierend<br />

ist die Situation im nordöstlichen Teil<br />

des Parks, wo die Siedlungsdichte relativ<br />

hoch ist. Der WWF, der im Management<br />

des Parks engagiert ist, hat deshalb <strong>Helvetas</strong><br />

gebeten, in dieser Region aktiv zu<br />

werden. Denn im Rahmen ihrer Landwirtschaftsprojekte<br />

im Südwesten des<br />

Parks hat <strong>Helvetas</strong> in den letzten Jahren<br />

bereits erfolgreich zur Verminderung von<br />

Zusammenstössen beigetragen. Mit einer<br />

einfachen Ausweichstrategie: Die betrof-<br />

fenen Gemeinden haben ihre Felder ausserhalb<br />

der Elefantenrouten neu angelegt.<br />

Seither kommen die Elefanten den Menschen<br />

dort nicht mehr in die Quere.<br />

Nun sind die Elefanten zwar<br />

das buchstäblich grösste Problem, aber<br />

längst nicht das einzige. Auch Paviane,<br />

Warzenschweine oder Vögel bedrohen<br />

die Ernte und damit die Ernährungssicherheit<br />

der Bauern. Um ihre Felder vor<br />

Frassschaden zu schützen, bewachen die<br />

Kleinbauern sie oft rund um die Uhr<br />

und vertreiben die tierischen Eindringlinge<br />

mit Pfeil und Bogen oder anderem<br />

Gerät. Ohne die Tiere dabei zu töten:<br />

Bei Affen reicht allein schon die Drohgebärde.<br />

Das ist aber nicht nur ermüdend,<br />

sondern hält die Menschen auch<br />

von anderen Arbeiten ab. <strong>Helvetas</strong> propagiert<br />

deshalb als weitere Massnahme<br />

eine Blockfelder-Wirtschaft: Legen die<br />

Bauern ihre Felder zusammen, können<br />

sie sich bei der Bewachung abwechseln.<br />

Es braucht <strong>Naturschutz</strong>gebiete,<br />

um dem Artenschwund zu begegnen.<br />

Aber sie dürfen die Existenz von Bauernfamilien<br />

nicht gefährden, für die ihre<br />

bescheidene Ernte überlebenswichtig<br />

ist. Um dies sicherzustellen, ist die Zusammenarbeit<br />

von Naturschützern und<br />

lokal verankerten Entwicklungsorganisationen<br />

sinnvoll. Im neuen Arbeitsgebiet<br />

im nordöstlichen Teil des Parks<br />

stehen nun neue Herausforderungen an.<br />

Da dort mehr Menschen leben, können<br />

die Felder weniger leicht verlegt werden.<br />

<strong>Helvetas</strong> wird auch hier mit der lokalen<br />

Bevölkerung nach ganz spezifischen<br />

Lösungen suchen, damit Elefant und<br />

Mensch möglichst unbehelligt voneinander<br />

leben können.<br />

Matthias Herfeldt ist Teamleiter Kommunikation.<br />

13 FoKUS<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Tiere richten viel Unheil an in den Feldern<br />

am Rand des Quirimbas-Nationalparks (o.).<br />

Um Affen zu vertreiben reicht die Drohgebärde<br />

mit Pfeil und Bogen, wie Bäuerin<br />

Indiana Albulela (u.) zeigt.<br />

© Simon B. Opladen


200 /10 Partnerschaft<br />

rückerOberung<br />

{<br />

Lange Zeit war die Ablehnung total. Doch jetzt akzeptieren die<br />

Bauern im Nordwesten Benins das Biosphärenreservat, das<br />

die Kolonialherren ihnen einst aufgezwungen haben.<br />

Mit einem Projekt für Bio-Baumwolle trägt <strong>Helvetas</strong> dazu<br />

bei, den Nutzungskonflikt zu entschärfen.<br />

Von Lionnel Arnaud und Hanspeter Bundi<br />

«Sie wollten, dass wir verschwinden»,<br />

sagt Marie Datchossa (32).<br />

«Aber wir sind immer noch da, und<br />

wir sind zahlreicher als früher.» Da<br />

schwingt Stolz mit. Stolz auf den eigenen<br />

Überlebenswillen, die eigene<br />

Beharrlichkeit. Die 33’000 Anwohner<br />

des Biosphärenreservats Pendjari haben<br />

die Behörden dazu gebracht, umzudenken<br />

und den Park nicht gegen<br />

die Menschen, sondern mit ihnen zu<br />

erhalten.<br />

Marie Datchossa baut Bio-Baumwolle in der Pufferzone des Biosphärenreservats an.<br />

14 FoKUS<br />

© Patrick Schmitt<br />

Kolonialherren mit harter Hand<br />

Das Reservat, 5000 km 2 Baumsavanne<br />

im äussersten Nordwesten Benins, wurde<br />

im Jahr 1954 eingerichtet. Mit der<br />

Vertreibung der Einwohner sicherten<br />

sich die französischen Kolonialherren<br />

eine Zone, wo sie ungestört die Grosswildjagd<br />

pflegen konnten. «Alles, was<br />

unsere Eltern hatten, lag im Park», erzählt<br />

Marie. «Die Felder, die Karitébäume,<br />

die Flüsse, die Erinnerungsstätten<br />

für unsere Ahnen.» Die Menschen beharrten<br />

auf ihren traditionellen Rechten.<br />

Die Männer drangen weiterhin in<br />

den Park ein, um Gazellen zu wildern,<br />

Holz zu schlagen und Felder zu bebauen.<br />

Die Frauen sammelten Süsswasseraustern,<br />

Feuerholz und Kariténüsse.<br />

Die Alten suchten die Friedhöfe auf, um<br />

mit den Ahnen und Geistern Kontakt<br />

aufzunehmen. Die Behörden reagierten<br />

unerbittlich. Wer von den Parkwächtern<br />

im Nationalpark erwischt wurde,<br />

musste mit einer Gefängnisstrafe rechnen.<br />

Die Repression zeigte wenig Wirkung.<br />

Die Holznutzung gefährdete den<br />

Baumbestand. Die <strong>verboten</strong>e Jagd dezimierte<br />

das Wild. Einer der schönsten<br />

Parks Westafrikas litt. Das ging so, bis<br />

die Behörden begannen, die Ansprüche<br />

der Anwohner ernst zu nehmen.<br />

Wütende Affenhorden<br />

Das war im Jahr 1980. Die ungeliebten<br />

Kolonialherren hatten sich 1960 zurückgezogen,<br />

Benin war ein selbständiger<br />

Staat geworden. Mit Unterstützung<br />

erfahrener Berater suchten Vertreter<br />

des Staates den Kontakt zur Bevölkerung.<br />

Ein Teil des Biosphärenreservats<br />

Pendjari wurde als «Zone für kontrollierte<br />

Nutzung» ausgeschieden. Hier<br />

dürfen die Frauen Holz sammeln und<br />

Kariténüsse ernten. Die Bauern können<br />

Felder für Getreide, Gemüse und<br />

Baumwolle anlegen.<br />

Die Nachbarschaft zum Park<br />

bringt Arbeitsplätze. Junge Leute – oft<br />

ehemalige Wilderer – arbeiten als Parkwächter<br />

oder als Führer für Touristen<br />

und Sportjäger. Diese zahlen viel


Geld für die Erlaubnis, einen Büffel<br />

oder eine Gazelle schiessen zu dürfen.<br />

Die Trophäen gehören den Jägern, das<br />

Fleisch geht an die Bevölkerung, und<br />

ein Teil der Abschussgebühren kommt<br />

den Dörfern für Infrastrukturprojekte<br />

zugute. Jedes Dorf hat eine Vereinigung<br />

zum Schutz der Fauna, bestimmt<br />

selbst über die Verwendung der Gelder<br />

«Alles, was unsere Eltern<br />

hatten, lag im Park.»<br />

Marie Datchossa<br />

aus der Jagd und wählt Vertreter für die<br />

Verhandlungen mit den Parkbehörden.<br />

Ein Paradies auf Erden ist die<br />

Gegend trotzdem nicht. «Letztes Jahr<br />

hat eine Horde Affen mein Baumwollfeld<br />

verwüstet», beklagt sich Marie<br />

Datchossa. «Affen und Elefanten fallen<br />

in die Getreidefelder ein. Hyänen<br />

reissen Schafe, Ziegen und Kälber. Und<br />

wir haben kein Recht, sie anzugreifen.»<br />

Ähnlich – allerdings grober – tönt es,<br />

wenn man in der Schweiz mit Schafhaltern<br />

aus den Walliser, Berner oder<br />

Bündner Alpen spricht. Auch für sie<br />

ist es unverständlich, warum die eingewanderten,<br />

Schafe reissenden Wölfe per<br />

Gesetz geschützt sind.<br />

Bio – besser für Mensch und Tier<br />

Ein anderer Nutzungskonflikt ist dank<br />

<strong>Helvetas</strong> auf dem besten Weg zu einer<br />

Lösung. Seit die Bauern in der Pufferzone<br />

Baumwolle produzieren dürfen,<br />

haben sich in den Wasserstellen schwer<br />

abbaubare Pestizide gesammelt. Darunter<br />

leiden alle Tiere, die daraus trinken,<br />

Wildtiere ebenso wie Ziegen und<br />

Schafe. Unterstützt von <strong>Helvetas</strong> hat<br />

die Dachorganisation der Dorfgemeinschaften<br />

ein Projekt für Bio-Baumwolle<br />

angestossen.<br />

Es wurde erwartet, dass sich innerhalb<br />

von zwei Jahren etwa 500 Bauern<br />

des Pendjari-Reservats dem Projekt<br />

anschliessen würden. Weil sich spontan<br />

auch Frauengruppen aus der Umge-<br />

Die Bauern profitieren vom Bio-Anbau, der<br />

gleichzeitig Pflanzen und Tiere schützt.<br />

bung eines benachbarten Nationalparks<br />

für die Bio-Produktion interessierten,<br />

wurde das Ziel weit übertroffen: Jetzt<br />

bewirtschaften schon mehr als 1200<br />

Bäuerinnen und Bauern ihre Baumwollfelder<br />

biologisch.<br />

Unter ihnen ist auch Marie<br />

Datchossa. In den ersten Jahren der<br />

Umstellung gingen die Erntemengen<br />

zurück, doch die Vorteile wiegen den<br />

Rückgang mehr als auf. Für ihre Bio-<br />

Baumwolle erhält Marie 50 bis 100 Prozent<br />

mehr als für konventionelle Baumwolle,<br />

und der Staat garantiert ihr, dass<br />

sie ihre Parzelle über fünf Jahre bebauen<br />

darf. Bei korrekter Bewirtschaftung<br />

wird dieses Recht automatisch erneuert.<br />

Jetzt kann niemand mehr kommen<br />

und das Feld für sich beanspruchen,<br />

das mit viel Arbeit, Bio-Dünger und<br />

Kompost fruchtbar gemacht wurde.<br />

Marie ist erleichtert: «Die angeblichen<br />

Landbesitzer, die uns immer wieder<br />

einschüchterten und vertrieben, haben<br />

ihre Macht verloren.»<br />

Lionnel Arnaud ist Projektleiter von <strong>Helvetas</strong> Benin.<br />

Hanspeter Bundi ist Texter und Reporter bei<br />

<strong>Helvetas</strong>.<br />

15 FoKUS<br />

© <strong>Helvetas</strong><br />

Gastkommentar<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Tiger vor Mensch?<br />

Der Konflikt ist so alt wie die Idee<br />

der Naturreservate und Nationalpärke:<br />

Weshalb soll der Schutz der unberührten<br />

Natur Vorrang haben vor<br />

der Nutzung durch den Menschen?<br />

Ist das Überleben wilder Tiere wichtiger<br />

als Ernährung und Wohlstand?<br />

Die Diskussion darüber wird in der<br />

Schweiz genauso heftig geführt wie<br />

anderswo in der Welt.<br />

Doch die Frage ist falsch gestellt. Der<br />

Konflikt ist nicht real, sondern ideologisch.<br />

Zum Ersten ist die (Über-)Nutzung<br />

der natürlichen Ressourcen für<br />

die wirtschaftliche Entwicklung nicht<br />

wünschbar oder notwendig, weder in<br />

der Schweiz noch in Kenia oder Brasilien.<br />

Im Gegenteil: Für eine nachhaltige,<br />

ökologische Bewirtschaftung ist<br />

die Ausscheidung zusammenhängender<br />

naturbelassener Flächen wichtiger.<br />

Ausserdem ist – gerade in Entwicklungsländern<br />

– nicht der Konflikt<br />

zwischen Schutz und Nutzung entscheidend,<br />

sondern die Frage, was<br />

angebaut wird: Futter für das Vieh der<br />

Reichen oder Brotgetreide und Reis<br />

für die Armen. Zum Zweiten ist die<br />

ökonomische Bedeutung von Schutzgebieten<br />

nicht zu unterschätzen. Sie<br />

bieten hochwertige Arbeitsplätze in<br />

Rand- und Berggebieten. Das wird<br />

oft erst spät erkannt. So dauerte es im<br />

Engadin und im Münstertal Jahrzehnte,<br />

bis der Nationalpark als attraktiver<br />

Arbeitgeber anerkannt und als touristisches<br />

Juwel vermarktet wurde!<br />

Unabdingbar für die Schaffung von<br />

Pärken und Reservaten sind demokratische<br />

Entscheidungsprozesse<br />

und viel Überzeugungsarbeit. Dies<br />

dauert zwar länger als hoheitliche Dekrete,<br />

aber es ist nachhaltiger.<br />

Andrea Hämmerle,<br />

SP-Nationalrat und<br />

ehem. Präsident der<br />

Nationalparkkommission


200 / 10 Partnerschaft<br />

aLLe an bOrD<br />

{<br />

Wenn in der Schweiz ein neuer Naturpark entstehen soll, läuft es<br />

zwar meist demokratischer ab als in Entwicklungsländern. Aber<br />

auch hier müssen zuerst alle an einen Tisch geholt, Widerstände<br />

aus der Welt geschafft und unterschiedliche Interessen unter<br />

einen Hut gebracht werden. Und nicht zuletzt muss es auch fürs<br />

Portemonnaie stimmen. Erfahrungen aus dem Val Müstair.<br />

Von Susanne Strässle<br />

Ende Mai erreicht die Spannung ihren<br />

Höhepunkt. Dann wird im Val Müstair<br />

Post aus Paris erwartet: Die UNESCO<br />

wird mitteilen, ob das Münstertal sich<br />

künftig gemeinsam mit dem Schweizerischen<br />

Nationalpark «Biosphärenreservat»<br />

nennen darf. «Die Chancen liegen<br />

bei 90 Prozent», sagt Gabriella Binkert,<br />

Direktorin von Biosfera Val Müstair.<br />

Die Region steht geschlossen<br />

hinter dem Vorhaben. Das war nicht<br />

immer so. Gerüchte machten die Runde:<br />

Bald dürfe man im Tal nicht mehr jagen.<br />

Das ganze Tal werde dem Nationalpark<br />

einverleibt. Die Wirtschaft sei akut gefährdet.<br />

«Alles falsch. Aber am Anfang<br />

hat man verpasst, alle Gruppen einzubinden»,<br />

sagt die umtriebige Direktorin.<br />

Die Bauern, die Jäger, die Fischer. Bis an<br />

den Stammtischen jedem klar war, worum<br />

es geht, brauchte es viel Überzeugungsarbeit.<br />

Gabriella Binkert, die Münster-<br />

talerin mit afrikanischen Wurzeln – ihr<br />

Vater stammte aus Nigeria, aufgewachsen<br />

ist sie in Graubünden – kennt als<br />

bürgerliche Politikerin die Volksseele.<br />

Beim Stichwort <strong>Naturschutz</strong> ist man erst<br />

mal skeptisch. Doch das Tal steckte in<br />

der Krise: tief war die Beschäftigungsquote,<br />

umso höher die Abwanderung.<br />

«Anfangs rechneten die Gemeinden<br />

mit neuen Subventionen», schätzt Binkert.<br />

«Aber diese Zeiten sind vorbei. Der<br />

Bund finanziert nur konkrete Teilprojekte,<br />

und es musste viel Arbeit in einen<br />

Managementplan gesteckt werden.»<br />

Da die verschiedenen Interessengruppen<br />

sich erst zusammenraufen<br />

mussten, wurde in den ersten Jahren viel<br />

informiert und debattiert. «Folglich hiess<br />

es in den Dörfern, die von der Biosfera<br />

hockten nur herum», erzählt Binkert.<br />

«Da galt es, rassig konkrete Projekte ins<br />

Leben zu rufen.» Einen Erfolgsbeweis<br />

sollte die «Surpraisa Jaura», eine Holz-<br />

© zVg<br />

Geschenkbox mit Biosfera-Spezialitäten,<br />

antreten. «Anfangs konnten wir das Kistli<br />

kaum füllen, heute bringen wir nicht<br />

mehr alles unter», sagt Binkert. Bauern,<br />

Bäcker, Käser, Metzger brachten Kreationen<br />

ein. Damit wuchs die Identifikation<br />

und die Biosfera wurde als «Marke»<br />

bekannt. Auch ein Themenweg lockt bereits<br />

Touristen an (s. Ausflugstipp). «Die<br />

Leute mussten erst sehen, dass es funktioniert.<br />

Auch im Portemonnaie.»<br />

Die Erfahrungen im Val Müstair sind<br />

letztlich nicht so anders als jene von<br />

<strong>Helvetas</strong> in Afrika, Asien und Lateinamerika:<br />

Ohne die lokale Bevölkerung<br />

geht gar nichts im <strong>Naturschutz</strong>. Heute<br />

sind Jäger wie Bauern, Kleinunternehmer<br />

wie Naturschützer in der Fachkommission<br />

und den Arbeitsgruppen von<br />

Biosfera vertreten. Von der Bevölkerung<br />

hat Biosfera das Ja-Wort schon erhalten,<br />

die Volksabstimmungen wurden haushoch<br />

gewonnen.<br />

Vor den fremden Auflagen fürchtet<br />

sich im Münstertal keiner mehr. Die<br />

streng geschützte Kernzone wird der<br />

bestehende Nationalpark stellen, der<br />

Rest des Tals die Pflege- und Entwicklungszone<br />

bilden. Eigentlich würde der<br />

UNESCO hier IP-Produktion ausreichen.<br />

Im Val Müstair sind aber bereits<br />

98 Prozent der Landwirte Bio-Bauern.<br />

Die Post aus Paris kann kommen.<br />

www.biosfera.ch<br />

Das Münstertal, und so auch der Lai da Rims (l.), wird zum Biosphärenreservat. Lokale Handwerker wie der Bäcker aus Sta. Maria (r.) haben<br />

erkannt, dass dies wirtschaftliche Chancen bringt.<br />

16 FoKUS<br />

© Ivo Illuminato Andri


MeHr erFaHren<br />

{<br />

Medien- und Ausflugstipps zum Fokus-Thema «<strong>Naturschutz</strong> <strong>versus</strong> Menschenrechte».<br />

ausflug<br />

Themenweg «A la riva dal Rom», Val Müstair<br />

Als künftiges Biosphärenreservat (s. S. 16) verzichtete das Val<br />

Müstair darauf, seinen Fluss, den Rom, zur Energiegewinnung<br />

zu nutzen. Gott sei Dank! Der Rom ist einer der schönsten<br />

Schweizer Haupttalflüsse, kein Kraftwerk hemmt seinen Lauf,<br />

die stimmungsvollen Auen blieben unberührt, und dank Flussraumaufweitungen<br />

fliesst er wieder in seinem ursprünglichen<br />

Bett. Der neue Themenpfad «A la riva dal Rom – An den Ufern<br />

des Roms» (signalisiert mit kleinen, blauen Wegweisern) ermöglicht<br />

es, den Alpenfluss zu erkunden. Die Wanderung beginnt<br />

an der Quelle in Tschierv und führt dem Ufer entlang vorbei<br />

an Flachmooren und Auen bis zur italienischen Grenze. Wer<br />

wissen will, wo die Wiege des Roms liegt, steigt hinauf zu den<br />

Dolinen der Alp da Munt und von dort hinunter zum Quellgebiet.<br />

Der Themenpfad ist leicht zu begehen. Von der Quelle bis<br />

zur Landesgrenze sind es rund 14 km. Die Wanderung kann in<br />

jedem Dorf unterbrochen werden. Am Weg finden sich etliche<br />

Rastmöglichkeiten, zwei Spielplätze mit Feuerstellen am Wasser<br />

(in Valchava und Müstair) und Gaststätten in den Dörfern.<br />

bücher<br />

<strong>Naturschutz</strong> und Profit. Menschen zwischen Vertreibung<br />

und Naturzerstörung<br />

Klaus Pedersen, Unrast Verlag 2008 CHF 24.90<br />

Allein in Afrika wurden im Namen des <strong>Naturschutz</strong>es 10–<br />

15 Millionen Menschen vertrieben. Unter dem Deckmantel<br />

«<strong>Naturschutz</strong>» werden auch Konzessionen an Pharmafirmen<br />

und die Biotech-Industrie gemacht. Klaus Pedersen geht<br />

auf die kolonialen Wurzeln des <strong>Naturschutz</strong>gedankens ein,<br />

beleuchtet die Not der Lokalbevölkerung zwischen «<strong>Naturschutz</strong>»<br />

und profitgetriebener Naturzerstörung und hinterfragt<br />

u. a. den Emissionshandel und <strong>Naturschutz</strong>organisationen,<br />

die zu transnationalen Unternehmen mutiert sind.<br />

People, Protected Areas and Global Change. Participatory<br />

Conservation in Latin America, Africa, Asia and<br />

Europe<br />

Marc Galvin und Tobias Haller (Hrsg.), NCCR North-South<br />

Universität Bern 2008 CHF 45/PDF gratis<br />

Das wissenschaftliche Buch untersucht in über einem Dutzend<br />

Fallstudien auf vier Kontinenten, wie ernst die Idee der<br />

Partizipation in Naturparks tatsächlich genommen wird. Mit<br />

oft ernüchternder Bilanz.<br />

Unter www.north-south.unibe.ch (Suche mit Autorennamen)<br />

kann das Buch als PDF heruntergeladen werden.<br />

17 FoKUS<br />

Links<br />

200 / 10 Partnerschaft<br />

Infos: www.val-muestair.ch/alarivadalrom, www.biosfera.ch<br />

Broschüre zum Themenweg für CHF 8 in Hotels, Poststellen und Tourismusbüros<br />

im Val Müstair<br />

www.drs2.ch / www.nzz.ch<br />

� Suche: «Eva Keller». In der Atlas-<br />

Sendung «Ausflug auf die Masoala-<br />

Halbinsel in Madagaskar» und in der<br />

Kontext-Sendung «Wem dient der Masoala-Nationalpark<br />

auf Madagaskar?» von<br />

DRS 2 berichtet unsere Gesprächspartnerin,<br />

die Ethnologin Eva Keller, über die<br />

lokale Kultur und die Konflikte zwischen<br />

<strong>Naturschutz</strong> und Menschenrechten auf<br />

Masoala. Im NZZ-Artikel «Schatten-<br />

seiten des Masoala-Nationalparks in Madagaskar»<br />

erklärt sie ebenfalls, warum<br />

der Park den Lebensraum der Bevölkerung<br />

bedroht (NZZ, 25. Juni 2009).<br />

www.natuerlich-leben.ch<br />

� Suche: «Tiger». Die Reportage<br />

«Jäger und Gejagter» von Peter Jaeggi<br />

führt nach Indien, wo nicht nur die Tiger<br />

ums Überleben kämpfen, sondern auch<br />

die Ureinwohner, die aus den <strong>Naturschutz</strong>gebieten<br />

vertrieben werden.


©Francisco Garcia Antonio {<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

rOnY aLeXanDer gÓMez<br />

Rony liebt Hip-Hop, seine Freundin und Fussball. Für das WM-<br />

Spiel Schweiz-Honduras wagt er eine Prognose. Seine Zukunft<br />

sieht der Mittelschüler in der Landwirtschaft – aber nicht als<br />

Bauer auf dem Feld.<br />

Rony (17) lernt in seiner Schule für die Praxis: Mit einer Umfrage sondiert er im Dorf,<br />

wie die Bäuerinnen und Bauern ihre Produktpalette erweitern können. Im Rahmen des<br />

<strong>Helvetas</strong> Projekts EDUCAR werden in Honduras lehrpläne stärker auf das spätere Berufsleben<br />

ausgerichtet.<br />

Mein Tipp für das Spiel Honduras<br />

gegen die Schweiz an der Fussball-<br />

WM? 2:1. Wir haben ein starkes Team<br />

mit vielen Siegen und können gewinnen.<br />

Meine Familie hat kein Kabelfernsehen.<br />

Ich muss eine Stunde laufen, um mir den<br />

Match anzusehen. Ich werde aber auf jeden<br />

Fall dabei sein! Meine Lieblingsclubs<br />

sind Olimpia aus Honduras, Manchester<br />

United und Real Madrid. Ich und meine<br />

Freunde kicken selber leidenschaftlich,<br />

wenn wir frei haben.<br />

Ich gehe auch sehr gern zur<br />

Schule. Physik, Chemie und Bio mag ich<br />

zwar nicht, aber Mathematik liegt mir.<br />

Sowieso: Ich bin ein guter Schüler. Noch<br />

besser gefallen mir aber die praktischen<br />

Projekte, die zu meinem Lehrgang in<br />

Land- und Viehwirtschaft gehören. Da<br />

untersuchen wir zum Beispiel, wie die<br />

Bauern aus unserem Dorf ihre Ernte<br />

besser vermarkten können.<br />

San Francisco im Distrikt Lempira ist ein<br />

kleiner Ort, und wir wohnen noch zwei<br />

Kilometer ausserhalb. Bei uns im Dorf<br />

geht es nicht zu wie in der Grossstadt, es<br />

gibt keine Jugendgangs. Die Jungs hier<br />

sind friedlich und prügeln sich nicht.<br />

Klar, ich habe schon einmal Alkohol<br />

probiert. Aus Neugier. Aber das hat mir<br />

ein für alle Mal gereicht. Mir gefällt es<br />

hier, weil sich alle kennen, aber ich würde<br />

gerne in einer grösseren Stadt, in Tegucigalpa<br />

oder San Pedro Sula, leben.<br />

Weil man da einfach bessere Jobs findet.<br />

Bloss ins Ausland möchte ich nicht.<br />

Später möchte ich selber Projekte<br />

realisieren, die meinem Dorf helfen.<br />

Oder Lehrer werden. Ein sinnvoller<br />

Beruf, und man verdient auch nicht<br />

schlecht. In die Vermarktung landwirtschaftlicher<br />

Produkte würde ich<br />

ebenfalls gern einsteigen. Dafür muss<br />

man gut mit Leuten umgehen können,<br />

18<br />

PERSÖNlICH<br />

Leben in Honduras<br />

112’100 km 2 Fläche<br />

7,2 Mio. Einwohner<br />

1945 CHF Bruttonationaleinkommen/Kopf<br />

70 J. Lebenserwartung<br />

93,3 % Einschulungsrate<br />

(Weltbank 2007/8)<br />

Marktpreise:<br />

Währung: 100 Lempiras = CHF 5.70 (2/10)<br />

1 kg Reis CHF 0.65<br />

1 kg Mehl CHF 0.55<br />

1 kg Tomaten CHF 0.55<br />

1 l Milch CHF 0.85<br />

1 l Flaschenwasser CHF 0.65<br />

1 l Cola CHF 1.30<br />

10 Aspirin CHF 2.70<br />

1 l Benzin CHF 3.80<br />

1 Arztbesuch: ca. CHF 25<br />

Kurze Taxifahrt in der Hauptstadt<br />

Tegucigalpa: CHF 3.50<br />

Einkommen:<br />

Lehrer: CHF 550–650/Mt.<br />

Krankenschwester: CHF 550/Mt.<br />

Bauarbeiter: CHF 270/Mt.<br />

Polizist: CHF 430/Mt.<br />

Durchschnittseinkommen von Ronys Eltern<br />

CHF 330/Mt.<br />

gern unterwegs sein und die Landwirtschaft<br />

lieben. Meine Eltern sind selber<br />

Bauern. Mein Vater arbeitet zudem<br />

als Fotograf. Nach der Schule helfe ich<br />

ihm auf dem Feld – und meiner Mutter<br />

im Haus. Wir sind sieben Brüder. Meine<br />

Eltern bringen grosse Opfer, damit wir<br />

alle zur Schule gehen können. Der älteste<br />

geht jetzt sogar an die Uni.<br />

Nach meinen ein, zwei Stunden<br />

Hausaufgaben am Tag höre ich gern<br />

Musik. Hip-Hop und Reguetón (ein<br />

Stilmix aus Reggae, Dance-Musik, Hip-<br />

Hop und lateinamerikanischer Musik).<br />

Aber mir gefallen auch romantische Balladen.<br />

Ich habe seit einem Monat eine<br />

Freundin. Sie ist ebenfalls 17, sie sieht<br />

gut aus und besucht die gleiche Schule<br />

wie ich. Wenn wir zusammen sind,<br />

bin ich glücklich.<br />

Aufgezeichnet von Melvin Fajardo, <strong>Helvetas</strong> Honduras.<br />

Übersetzt und bearbeitet von Susanne Strässle.


JaHresbericHt 2009 –<br />

starke partnerscHaFten<br />

{Die internationale Klimakonferenz und die Selbstkritik der Finanzbranche haben 2009 Hoffnungen<br />

geweckt, die fast alle enttäuscht wurden. Doch die hohe Politik und die Finanzwirtschaft sind nicht<br />

die ganze Welt. Auf einer ganz anderen Ebene – in Dörfern, Quartieren und Gemeinden – sind Millionen<br />

von Menschen daran, eine bessere Welt zu schaffen. <strong>Helvetas</strong> unterstützt sie tatkräftig dabei.<br />

Entwicklungszusammenarbeit braucht<br />

Solidarität. Dass diese Solidarität existiert,<br />

zeigte ein Ereignis, das nicht in das<br />

Berichtsjahr 2009 gehört: das Erdbeben<br />

in Haiti. Millionen von Menschen bewiesen<br />

mit ihren Spenden, dass sie helfen<br />

wollen. Auch die Politik reagierte<br />

schnell. Ganz anders an der Klimakonferenz<br />

in Kopenhagen Ende 2009. Sie<br />

ging mit einem enttäuschenden Nullresultat<br />

zu Ende.<br />

In den Partnerländern von <strong>Helvetas</strong><br />

lässt sich beobachten, wie der Klimawandel<br />

den Wasserkreislauf aus dem<br />

Gleichgewicht bringt, mit verheerenden<br />

Folgen für die Landwirtschaft und für<br />

die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser.<br />

In der Projektarbeit hilft <strong>Helvetas</strong><br />

benachteiligten Gemeinschaften, sich<br />

besser auf die Folgen des Klimawandels<br />

vorzubereiten. Das Scheitern des Klimagipfels<br />

ist aus Sicht der Entwicklungszusammenarbeit<br />

aber eine Katastrophe.<br />

Beunruhigend ist, dass Klima und Armut<br />

allzu oft als voneinander unabhängige<br />

Themenbereiche diskutiert werden.<br />

Um die Forderung nach einer klimaverträglichen<br />

Entwicklung politisch zu stützen,<br />

ist <strong>Helvetas</strong> deshalb Ende 2009 der<br />

Schweizer Klima-Allianz beigetreten.<br />

Ermutigende Resultate<br />

Fast täglich treffen auf der Geschäftsstelle<br />

aber auch eindrückliche Nachrichten aus<br />

den <strong>Helvetas</strong> Programmen ein. Einmal<br />

im Jahr werden alle Einzelinformationen<br />

systematisch zusammengetragen: Die so<br />

genannten Leistungsindikatoren legen<br />

Rechenschaft darüber ab, welche Wirkung<br />

<strong>Helvetas</strong> mit den ihr anvertrauten<br />

Mitteln erzielt hat. Sie helfen uns zudem,<br />

aus erfolgreichen Projekten zu lernen<br />

und wirkungsvolle Ansätze in anderen<br />

Siedlungshygiene in Burkina Faso<br />

abFaLL bringt einkOMMen<br />

Abfall wird auch in kleinstädtischen<br />

und ländlichen Gebieten Burkina<br />

Fasos zum Problem. Die Nutzung<br />

wiederverwertbarer Abfälle und die<br />

ordentliche Entsorgung des übrigen<br />

Kehrichts ist deshalb ein wichtiger<br />

Teil des <strong>Helvetas</strong> Projekts zur Verbesserung<br />

der Siedlungshygiene. Der<br />

Mangel an sanitären Einrichtungen<br />

und herumliegender Kehricht sind<br />

Gründe dafür, dass Trinkwasser auf<br />

dem langen Weg von der Quelle bis<br />

zur Nutzung verunreinigt wird. Um die<br />

19 FoKUS<br />

JAHRESBERICHT<br />

200 / 10 Partnerschaft<br />

Wasserqualität zu verbessern, ist es<br />

wichtig, die Siedlungshygiene in allen<br />

Bereichen zu fördern. Akteurinnen dabei<br />

sind auch Müllsammlerinnen wie<br />

jene des Frauenvereins der Stadt Bogandé<br />

im trockenen Osten Burkina Fasos.<br />

Im Auftrag der Stadt sammeln sie<br />

Abfall ein. Sie trennen und verwerten<br />

die Inhaltsstoffe. Da alle Leute Abfall<br />

produzieren, eignet sich das Thema<br />

ausgezeichnet, um demokratische<br />

Entscheidungsfindung einzuüben, für<br />

die Bevölkerung ebenso wie für die<br />

lokalen Autoritäten, die im Rahmen<br />

des laufenden Dezentralisierungsprozesses<br />

neue Aufgaben übernehmen<br />

müssen.<br />

© <strong>Helvetas</strong><br />

© Peter Schmidt


200 /10 / 10 Partnerschaft<br />

Kommentar<br />

Solidarität in schwierigen Zeiten<br />

Das Jahr 2009 stand weltweit im<br />

Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise.<br />

In vielen Staaten wurden zur<br />

Stabilisierung von Grossbanken<br />

Beträge in Milliardenhöhe bereitgestellt<br />

und Stützungsprogramme<br />

zur Ankurbelung der Konjunktur lanciert.<br />

Vergessen blieben dabei die<br />

Entwicklungsländer, die am meisten<br />

unter den negativen Folgen der Krise<br />

zu leiden haben. Millionen Menschen<br />

verloren das Wenige, das sie<br />

besassen.<br />

In der Schweiz stand zu Beginn des<br />

Jahres die Solidarität mit den Entwicklungsländern<br />

noch unter einem<br />

guten Stern: Ende 2008 hatten die<br />

Eidgenössischen Räte einer Erhöhung<br />

der Entwicklungsbeiträge und<br />

der humanitären Hilfe auf 0,5 Prozent<br />

des Bruttonational einkommens bis<br />

zum Jahr 2015 zugestimmt. Überraschend<br />

erklärte der Bundesrat dann<br />

aber Mitte Jahr, dem Willen des Parlaments<br />

nicht nachzukommen. Weil<br />

der Ständerat in der Dezember-Session<br />

beschlossen hat, den Forderungen<br />

der Räte Nachdruck zu verleihen,<br />

wird das Ringen andauern.<br />

Trotz aller Krisenmeldungen sind<br />

die Zuwendungen für konkrete Projekte<br />

nicht zurückgegangen. <strong>Helvetas</strong><br />

darf mit grosser Dankbarkeit<br />

feststellen, dass die Spenden von<br />

Privaten, Unternehmen und Stiftungen<br />

sowie die freiwilligen Beiträge<br />

der öffentlichen Hand die Höhe des<br />

Vorjahres sogar deutlich übertroffen<br />

haben. Im Namen des Zentralvorstandes<br />

danke ich allen Mitgliedern,<br />

Spenderinnen und Spendern, Projektpartnern<br />

sowie dem Liechtensteinischen<br />

Entwicklungsdienst und<br />

dem Bund (DEZA und SECO) für<br />

ihre finanzielle<br />

Unterstützung.<br />

Peter H. Arbenz,<br />

Präsident<br />

von <strong>Helvetas</strong><br />

© Maurice K. Gruenig<br />

Partnerländern zu übernehmen. Die<br />

50,3 Millionen Franken, die 2009 für 160<br />

Projekte in 18 Partnerländern eingesetzt<br />

wurden, haben ermutigende Resultate<br />

gezeitigt, wie die Aufstellung auf Seite 21<br />

zeigt. Oft lassen sich Erfolge aber nicht<br />

allein in Zahlen ausdrücken. Wegweisend<br />

für <strong>Helvetas</strong> ist das junge Hängebrückenprojekt<br />

in Äthiopien. Im beispielhaften<br />

Süd-Süd-Austausch lernen<br />

die äthiopischen Distriktbehörden von<br />

nepalesischen Ingenieuren, wie Hängebrücken<br />

geplant und gebaut werden.<br />

Internationale Anerkennung fand auch<br />

das <strong>Helvetas</strong> Projekt zur Minderung von<br />

Biodiversität und Einkommen in Haiti<br />

Die Letzte cHance<br />

Weniger als zwei Prozent der Fläche<br />

von Haiti sind noch von Wald bedeckt.<br />

Ruchlose Abholzung über Jahrzehnte,<br />

äusserst labile politische Verhältnisse<br />

und schiere Armut sind der Grund.<br />

Dabei hat sich gerade 2009 wieder<br />

gezeigt, wie wichtig Wälder sind: Ein<br />

Tropensturm fegte über die Insel hinweg<br />

und liess Zerstörung und Hunger<br />

zurück. Extreme Wetterereignisse<br />

werden mit der Klimaerwärmung<br />

weiter zunehmen. Der Wald wäre<br />

der beste Schutz vor Erosion und<br />

Schlammlawinen für die fruchtbaren<br />

20<br />

FoKUS<br />

JAHRESBERICHT<br />

Unwetterschäden in Afghanistan. Am<br />

Weltwasserforum 2009 wurde es mit<br />

dem «ReSource Award for Sustainable<br />

Watershed Management» ausgezeichnet,<br />

der von Swiss Re mit 150’000 Dollar<br />

dotiert ist.<br />

Mehrwert dank Partnerschaften<br />

Um gemeinsame Erfahrungen und Synergien<br />

zu nutzen, haben <strong>Helvetas</strong> und<br />

Intercooperation, die Schweizer Stiftung<br />

für Entwicklung und internationale<br />

Zusammenarbeit, im Jahr 2009 eine<br />

strategische Partnerschaft vereinbart.<br />

Intercooperation verfügt bei zukunfts-<br />

Gebiete im Tal. Seit 2004 engagiert<br />

sich <strong>Helvetas</strong> im Auftrag der DEZA<br />

im «Forêt des Pins» mit dem Ziel, die<br />

Biodiversität zu schützen, aber auch<br />

zu nutzen und die Lebensbedingungen<br />

der lokalen Bevölkerung zu verbessern.<br />

2009 wurden Schutzzonen<br />

festgelegt sowie für den Hauptteil des<br />

Waldes und die umliegenden Gebiete<br />

nachhaltige Nutzungskonzepte entwickelt.<br />

Für die lokale Bevölkerung sind<br />

so neue Einkommensmöglichkeiten<br />

entstanden. Illegale Holzfäller aus Not<br />

pflanzen heute Thymian und Gemüse<br />

an, die sie vor Ort und in den Städten<br />

verkaufen können. Das Projekt kann<br />

auch nach dem schweren Erdbeben<br />

seit April weitergeführt werden.<br />

© Silvia Voser<br />

© Peter Schmidt


weisenden Themen wie Klimawandel<br />

und nachhaltiger Waldwirtschaft über<br />

reiche Erfahrungen.<br />

Im UNO-Jahr der Naturfasern<br />

2009 konnte <strong>Helvetas</strong> gemeinsam mit<br />

Coop und Switcher sowie mit Unterstützung<br />

des SECO und von Max Havelaar<br />

eine erfolgreiche Kampagne für biologisch<br />

und fair produzierte Baumwolltextilien<br />

durchführen. Auch die von <strong>Helvetas</strong><br />

organisierte internationale Bio-Baumwoll-Konferenz<br />

in Interlaken fand viel<br />

Beachtung. Zweiter Jahresschwerpunkt<br />

war die Kampagne für bessere sanitäre<br />

Grundversorgung in Entwicklungslän-<br />

Frauenrechte in Tadschikistan<br />

grOsser Mut zu kLeinen<br />

scHritten<br />

In Tadschikistan mit seinen 7,2 Millionen<br />

– meist bäuerlichen – Einwohnern<br />

sind nicht registrierte Ehen und<br />

Zwangsheiraten weit verbreitet. Für<br />

geschiedene Frauen ist es schwierig,<br />

vom Vater ihrer Kinder Alimente<br />

einzufordern. Oft leben sie in Angst,<br />

dass ihr ehemaliger Mann sie oder<br />

die Kinder physisch angreifen könnte.<br />

Im Auftrag des Bundes stärkt <strong>Helvetas</strong><br />

Menschen, die zu arm sind, um<br />

ihre berechtigten Forderungen vor<br />

dern. 2009 wurde zudem der Zentralvorstand<br />

von <strong>Helvetas</strong> nach dem Rücktritt<br />

langjähriger, verdienstvoller Mitglieder<br />

mit acht bekannten Persönlichkeiten aus<br />

Politik und Wirtschaft ergänzt.<br />

Dass der Solidaritätsgedanke in<br />

Krisenzeiten sogar noch an Bedeutung<br />

gewinnt, zeigte sich auch darin, dass<br />

<strong>Helvetas</strong> 2009 mit Einnahmen von 16,2<br />

Millionen Franken einen neuen Spendenrekord<br />

verzeichnen konnte. Das ist<br />

ein starker Vertrauensbeweis. Mit diesen<br />

Mitteln kann <strong>Helvetas</strong> Tausenden<br />

von Frauen, Männern und Familien ein<br />

besseres Leben ermöglichen.<br />

Gericht zu bringen. In lokalen Zentren<br />

und bei NGOs, unter anderem<br />

der «Liga der Rechtsanwältinnen»,<br />

erhalten sie kostenlos rechtliche<br />

Beratung und juristische Vertretung.<br />

<strong>Helvetas</strong> unterstützt Sendungen in<br />

Massenmedien, bei denen Aktivistinnen<br />

über Menschenrechte und<br />

Frauenrechtsfragen informieren. Die<br />

Frauen werden ermutigt, ihre Rechte<br />

einzufordern. Zusammen mit lokalen<br />

Partnerorganisationen leistet<br />

<strong>Helvetas</strong> in Tadschikistan so einen<br />

Beitrag zum Aufbau einer aktiven<br />

und wachsamen Zivilgesellschaft, zu<br />

mehr Rechtssicherheit und zur Stärkung<br />

demokratischer Strukturen.<br />

21 FoKUS<br />

JAHRESBERICHT<br />

© Mikhail Daniel Romanyuk<br />

Valenghi<br />

160 projekte in zahlen<br />

Jahresbericht 2009<br />

200 / /10 10 Partnerschaft<br />

212’100 Personen haben Zugang zu<br />

Trinkwasser und sanitären Einrichtungen<br />

erhalten.<br />

1’039’200 Personen haben direkt von<br />

neuen oder reparierten Brücken und<br />

Zugangswegen profitiert.<br />

307’571 Personen wurden in der Land-,<br />

Forst- oder Viehwirtschaft beraten und<br />

ausgebildet.<br />

141’266 Personen haben dank Unterstützung<br />

bei der Vermarktung ihrer<br />

Produkte ein zusätzliches Einkommen<br />

erwirtschaftet.<br />

25’934 Lehrlinge und Studierende haben<br />

eine berufliche Aus- oder Weiterbildung<br />

abgeschlossen.<br />

8’218 Erwachsene haben Lesen, Schreiben<br />

oder Rechnen gelernt.<br />

45’162 Personen haben eine Veranstaltung<br />

zu Dezentralisierung, Demokratisierung<br />

oder lokaler Verwaltung besucht.<br />

1’609 Entwicklungspläne auf Dorf-, Distrikt-<br />

oder Provinzebene sind erarbeitet<br />

worden.<br />

Der ausführliche<br />

<strong>Helvetas</strong><br />

Jahresbericht 2009<br />

Jahresbericht<br />

einschliesslich<br />

der Jahresrechnung<br />

ist ab<br />

sofort erhältlich.<br />

Interessierte<br />

können ihn bei<br />

der Geschäftsstelle<br />

bestellen<br />

(per Telefon: 044 368 65 00 oder<br />

E-Mail: info@helvetas.org) oder<br />

auf www.helvetas.ch/jahresbericht<br />

herunterladen. Dort finden Sie<br />

ausserdem den detaillierten Finanzbericht.


200 /10 / 10 Partnerschaft<br />

Jahresrechnung 2009<br />

Dank der grosszügigen Unterstützung<br />

durch ihre Mitglieder, Spenderinnen<br />

und Spender, Gönnerinnen und Gönner,<br />

Stiftungen und Firmen, Kirchgemeinden,<br />

Gemeinden und Kantone sowie durch<br />

Ertrag 2009<br />

in CHF<br />

Spenden Öffentlichkeit 9’825’896.34<br />

Spenden Institutionen 4’858’807.85<br />

Spenden Öffentliche Hand 1’271’193.04<br />

Legate 250’799.00<br />

Ertrag Mittelbeschaffung 16’206’696.23<br />

Projektbeiträge DEZA 30’530’246.57<br />

Projektbeiträge Organisationen 14’629’019.23<br />

Andere betriebliche Erträge 2’490’902.37<br />

Ertrag aus erbrachten leistungen 47’650’168.17<br />

Total Erträge 63’856’864.40<br />

Aufwand<br />

den Bund (DEZA, SECO) und internationale<br />

Entwicklungsagenturen konnte<br />

<strong>Helvetas</strong> 2009 64,2 Millionen Franken<br />

zum Erreichen ihrer Ziele einsetzen.<br />

84,4 Prozent davon flossen in unsere<br />

Auslandarbeit. Die Ausgaben für die<br />

Afrika 14’687’376.36<br />

Asien 30’753’924.85<br />

Lateinamerika 4’819’698.81<br />

Programmkoordination, -betreuung 3’906’798.07<br />

Ausgaben Internationale Programme 54’167’798.09<br />

Ausgaben Projekte Schweiz 3’377’646.98<br />

Geschäftsstelle 2’027’561.57<br />

Fundraising 4’655’275.52<br />

Geschäftsstelle und Fundraising 6’682’837.00<br />

Aufwand für leistungserbringung 64’228’282.16<br />

Betriebsergebnis -371’417.76<br />

Finanzergebnis 1’565’238.71<br />

Übriges Ergebnis -68’907.00<br />

Gewinn aus Verkauf Anlagevermögen –<br />

Jahresergebnis vor Fondsergebnis 1’124’913.95<br />

Fondsergebnis -739’768.05<br />

Jahresergebnis 385’145.90<br />

22<br />

JAHRESBERICHT<br />

Geschäftsstelle und das Fundraising in<br />

der Schweiz lagen bei 10,3 Prozent des<br />

Aufwands. Die verbleibenden 5,3 Prozent<br />

wurden für Informationsprojekte in<br />

der Schweiz verwendet.<br />

Herkunft der Mittel<br />

1 Ertrag Mittelbeschaffung 25,4 %<br />

2 Programmbeitrag DEZA 16,3 %<br />

3 Projektbeiträge DEZA 31,5 %<br />

4 Projektbeiträge Organisationen 23,4 %<br />

5 Andere betriebliche Erträge 3,4 %<br />

Verwendung der Mittel<br />

5<br />

1 Afrika 22,9 %<br />

2 Asien 47,9 %<br />

3 Lateinamerika/Karibik 7,5 %<br />

4 Programmkoordination, -betreuung 6,1%<br />

5 Ausgaben Projekte Schweiz 5,3 %<br />

6 Geschäftsstelle 3,1%<br />

7 Fundraising 7,2 %<br />

3<br />

4<br />

5<br />

4<br />

3<br />

6<br />

7<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2


HELVETAS GENERALVERSAMMLUNG 2010<br />

ZARTBITTERER SCHATZ AUS HONDURAS<br />

An der Generalversammlung vom 25. Juni 2010 in Weinfelden stellt<br />

Georg Weber, Ko-Programmleiter in Honduras, das <strong>Helvetas</strong> Programm<br />

des jungen Partnerlandes vor. Im Patuca-Nationalpark schützen Kleinbauern<br />

den Wald und bauen in der Randzone hochwertigen biologischen<br />

Kakao an, der nun auch Schweizer Schokolade ein intensives Aroma<br />

verleiht. Sie haben Gelegenheit, die exklusive Spezialität von Chocolats<br />

Halba erstmals zu kosten. Am selben Abend spielt zudem Honduras an<br />

der Fussball-WM gegen die Schweiz. Ein Grund mehr, das Land ins<br />

Zentrum zu rücken.<br />

Datum/Ort<br />

Freitag, 25. Juni 2010, ab 17 Uhr<br />

Weinfelden, Rathaus<br />

(5 Min. vom Bahnhof)<br />

Nur 50 Min. ab Zürich HB<br />

Erstmals im Thurgau!<br />

Nicht nur Mitglieder, sondern<br />

alle Interessierten<br />

sind herzlich willkommen!<br />

Anmeldetalon<br />

Ich nehme teil als Mitglied als Gast<br />

Vorname Name<br />

Strasse PLZ/Ort<br />

Anmeldung<br />

E-Mail Datum/Unterschrift<br />

Anmeldung bis 21. Juni 2010 via Internet<br />

(www.helvetas.ch/gv), telefonisch<br />

(044 368 65 04) oder mit<br />

untenstehendem Talon an<br />

<strong>Helvetas</strong>, Postfach, 8021 Zürich.<br />

Unkostenbeitrag: CHF 30 für Speis<br />

und Trank.<br />

Programm<br />

17.00 Türöffnung, Abgabe Stimmkarten<br />

17.30 Generalversammlung unter der<br />

leitung von Peter Arbenz,<br />

<strong>Helvetas</strong> Präsident<br />

18.30 Honduras: Nuestros Recursos –<br />

Nuestro Futuro (unsere Ressourcen –<br />

unsere Zukunft)<br />

Georg Weber, Ko-Programmleiter<br />

Honduras<br />

19.15 Degustation Chocolats Halba<br />

19.30 Apéro, Torwandschiessen<br />

zur Matcheinstimmung<br />

19.45 Essen und Begegnungen im<br />

Haffterpark/Haffterkeller<br />

20.30 Übertragung Fussball-WM-Spiel<br />

Honduras-Schweiz<br />

Traktanden der Generalversammlung:<br />

1. Protokoll der Generalversammlung 2009<br />

2. Jahresbericht 2009<br />

3. Jahresrechnung 2009 und Bericht der Revisionsstelle<br />

4. Festsetzung der Mitgliederbeiträge 2010<br />

5. Wahl der Revisionsstelle<br />

6. Kleine Statutenrevision<br />

7. Genehmigung des <strong>Helvetas</strong> Leitbilds<br />

8. Schriftliche Anträge von Mitgliedern<br />

9. Information zur strategischen Partnerschaft zwischen<br />

<strong>Helvetas</strong> und Intercooperation<br />

10. Varia, Umfrage<br />

An der Generalversammlung stimmberechtigt sind alle Mitglieder<br />

von <strong>Helvetas</strong>. Die Verteilung der Stimmkarten erfolgt<br />

an der Versammlung. Eventuelle Anträge zur Traktandenliste<br />

sind der <strong>Helvetas</strong> Geschäftsstelle schriftlich bis zum 31. Mai<br />

2010 einzureichen. Das Protokoll der letztjährigen Generalversammlung<br />

ist auf dem Internet zugänglich oder kann bei der<br />

Geschäftsstelle angefordert werden.<br />

© Stephanie Keller


200 /10 Partnerschaft<br />

zeitreise<br />

{<br />

Die «Partnerschaft» erscheint mit dieser Nummer zum 200. Mal.<br />

Zeit für eine kritische Rückschau. Oswald Sigg, Publizist und<br />

neues Mitglied des <strong>Helvetas</strong> Zentralvorstandes, ist mit uns in die<br />

Archive gestiegen.<br />

Von Hanspeter Bundi<br />

März 1970, Nr. 38. Die Titelseite der<br />

«Partnerschaft» zeigt einen amerikanischen<br />

Astronauten, der im weissen<br />

Raumanzug vor dem dunklen Weltall<br />

schwebt. Das Bild ist eine Ikone. Doch<br />

etwas daran irritiert. Im Helmvisier<br />

des Astronauten spiegelt sich nicht ein<br />

Raumschiff, auch nicht der Mond, sondern<br />

eine offensichtlich bedürftige Frau,<br />

möglicherweise eine Vietnamesin. «Eine<br />

mutige Fotomontage und ein wahres<br />

Bild», sagt Oswald Sigg. «Es illustriert<br />

auf einfache Weise das damalige Drama<br />

der amerikanischen Politik – die<br />

erfolgreiche Mondlandung und den<br />

verheerenden Krieg in Vietnam.» Der<br />

Inhalt des Heftes hat mit der provokanten<br />

Titelseite allerdings wenig zu tun:<br />

Delegiertenversammlung. Betrachtungen<br />

eines Botschafters zur Entwicklungspolitik.<br />

Nachrichten aus der nationalen<br />

Sammlung. Parlamentarierbesuch (ausschliesslich<br />

Männer!) in Nepal. Bazar<br />

und Suppentag der Ortsgruppe Bern.<br />

Sigg erinnert sich. Ungefähr 1970<br />

ist er dem Verein <strong>Helvetas</strong> beigetreten,<br />

weil er «zum Ausgleich beitragen, etwas<br />

für die Entwicklungsländer tun wollte»,<br />

wie er heute sagt. Einige Jahre blieb der<br />

Soziologiestudent dabei, ein Mitglied<br />

unter vielen, dann wurde ihm die Politik<br />

wichtiger. Jetzt ist der Journalist, ehe-<br />

In seiner Wohnung im Berner Mattequartier nahm sich Oswald Sigg Zeit für eine eingehende Rückschau.<br />

24<br />

SCHWEIZ<br />

malige Bundesratssprecher und Vize-<br />

Bundeskanzler erneut bei <strong>Helvetas</strong>. Seit<br />

Sommer 2009 ist er Mitglied des Zentralvorstandes,<br />

ein Glücksfall für <strong>Helvetas</strong>.<br />

«In der geschützten Werkstatt Schweiz<br />

geht es uns trotz aller Turbulenzen immer<br />

noch sehr gut. Deshalb haben wir<br />

eine zivilgesellschaftliche und eine moralische<br />

Verpflichtung, etwas für mehr<br />

globale Gerechtigkeit zu tun», sagt Sigg.<br />

Die soziale Frage hat ihn immer<br />

umgetrieben, treibt ihn immer noch<br />

um. Wie entsteht Armut in der Welt?<br />

Wie kann man dagegen vorgehen? Als<br />

Journalist und als Bundesratssprecher<br />

machte er sich Gedanken, wie die Politik<br />

unter die Leute gebracht werden kann,<br />

auch jetzt, beim Blättern durch alte und<br />

neuere Ausgaben der «Partnerschaft».<br />

Die erste Nummer erschien im<br />

Februar 1961, acht eng bedruckte Zeitungsseiten<br />

im Tabloidformat. Obwohl<br />

im Leitartikel die «Partnerschaft mit<br />

Menschen aus Entwicklungsländern»<br />

in den Vordergrund gerückt wurde, war<br />

© Yoshiko Kusano


Anhaltendes Engagement in wechselnder Aufmachung: Ausgaben der «Partnerschaft» von 1970, 1976 und 1988 (v.l.).<br />

die «Partnerschaft» ein Heft von weissen<br />

Männern. In den Erlebnisberichten und<br />

den Nachrichten waren die Einheimischen<br />

freundliche Dorfbewohner, korrupte<br />

Beamte oder einfach «Boys», die<br />

gute Arbeit leisten.<br />

Das Konzept der Entwicklungshilfe,<br />

die bald schon Entwicklungszusammenarbeit<br />

genannt wurde, änderte<br />

sich. Das «Schweizerische Hilfswerk für<br />

aussereuropäische Gebiete» erhielt 1965<br />

den Namen <strong>Helvetas</strong>. Politische Missstände<br />

wurden kritisiert, Strukturen hinterfragt,<br />

Forderungen gestellt.<br />

Sigg legt Hefte aus den Siebzigern<br />

vor sich auf den Tisch. Eine Collage weist<br />

auf Korruption und schmutzige Bankkonten<br />

hin. Zwei ineinander verwobene<br />

Fotos setzen Erdöl und Nahrung zueinander<br />

in Beziehung. Eine Weltkugel<br />

landet zusammen mit anderem Abfall<br />

im Ochsnerkübel. «Aufrüttelnd», sagt<br />

Sigg. «Gradlinig. Spektakulär. Das erinnert<br />

mich an das deutsche Magazin ‹Der<br />

Spiegel›.»<br />

Später wurden die Collagen seltener.<br />

Menschen kamen auf die Titelseiten<br />

und ins Heft. Sie waren jetzt nicht mehr<br />

Bittsteller oder Hilfsempfänger, sondern<br />

aktive Männer und Frauen mit einem<br />

Namen und einer Geschichte, die ihr Leben<br />

selber in die Hand nahmen. Sigg lobt<br />

die neue Art, über den Süden und über<br />

die Arbeit von <strong>Helvetas</strong> zu berichten:<br />

«Das ist richtig so. Die Leserinnen und<br />

Leser sprechen auf Menschen an, nicht<br />

auf Deklarationen und Bleiwüsten.»<br />

Auch die Ausgabe 199 der «Partnerschaft»<br />

stellt zwei Menschen in den<br />

Mittelpunkt, Tshewang Norbu und Norbu<br />

Zam, die sich in Bhutan mit Unterstützung<br />

von <strong>Helvetas</strong> zu Lehrpersonen<br />

ausbilden lassen. Die beiden angehenden<br />

Lehrkräfte sind stolz, Teil eines ehrgeizigen<br />

und erfolgreichen Bildungsprojekts<br />

zu sein. Norbu Zam will nach der<br />

Ausbildung in ein weit abgelegenes Dorf<br />

«Die Leserinnen und<br />

Leser sprechen auf<br />

Menschen an, nicht<br />

auf Deklarationen und<br />

Bleiwüsten.»<br />

ziehen. «Ich habe einen Traum», sagt sie.<br />

«Noch nie hat eine Frau in Lingshi unterrichtet.»<br />

Seit er Mitglied des Zentralvorstandes<br />

ist, hat sich Oswald Sigg intensiv<br />

mit <strong>Helvetas</strong> auseinandergesetzt. In<br />

Gesprächen, beim Studium von Projektinformationen<br />

und der «Partnerschaft»<br />

hat er viele Geschichten wie die aus<br />

Bhutan gefunden, Erfolgsgeschichten<br />

fast alle. «Manchmal habe ich den Eindruck,<br />

dass sich <strong>Helvetas</strong> auf dem Markt<br />

um Aufmerksamkeit unter ihrem Wert<br />

verkauft», sagt er. «Eigentlich müssten<br />

viel mehr Menschen hier in der Schweiz<br />

<strong>Helvetas</strong> hören, sehen und spüren. Zum<br />

25<br />

SCHWEIZ<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Beispiel mit der ‹Partnerschaft›.»<br />

Das Magazin sei gut gemacht,<br />

findet er, doch sei offensichtlich, dass es<br />

nur die ohnehin Interessierten erreiche.<br />

Deshalb wünscht er der «Partnerschaft»<br />

zum Nummernjubiläum mehr Reichweite,<br />

ein breiteres Publikum. «Wir könnten<br />

eine spätere Nummer in Grossauflage<br />

drucken und von <strong>Helvetas</strong> Mitgliedern<br />

an Bahnhöfen verteilen lassen. Statt ‹20<br />

Minuten› oder ‹Blick am Abend› würden<br />

die Menschen dann die ‹Partnerschaft› lesen.»<br />

Sigg blättert weiter durch die Nummer<br />

vom Februar 2010 und stösst auf die<br />

FairShop-Reportage aus einer Seifenküche<br />

in Nepal. «Für mich ist der FairShop<br />

eine Trouvaille», lobt Sigg. «Mit den<br />

schönen und fair hergestellten Produkten<br />

wirft er ein gutes Licht auf <strong>Helvetas</strong><br />

und die Produzenten.»<br />

Die erste Nummer der «Partnerschaft»<br />

wurde fast ganz von Männern<br />

geschrieben. In den Siebzigerjahren ging<br />

sie mit angriffigen Titelbildern in die<br />

Offensive. Im Februar 2010 wirbt sie für<br />

feine Seifen. Ist <strong>Helvetas</strong> von einem kritischen<br />

Verein zu einem Wohlfühlklub<br />

geworden? Sigg widerspricht vehement<br />

und verweist auf den Gastkommentar<br />

und auf ein Interview in der gleichen<br />

Nummer: «Solange die ‹Partnerschaft›<br />

Wasseraktivisten wie Riccardo Petrella<br />

oder Franklin Frederick zu Wort kommen<br />

lässt, müssen wir um <strong>Helvetas</strong> keine<br />

Angst haben.»<br />

Hanspeter Bundi ist Texter/Reporter bei <strong>Helvetas</strong>.


200 /10 Partnerschaft<br />

Stimmungsbarometer<br />

Mädchen verschwinden<br />

Pro Jahr «verschwinden»<br />

weltweit Millionen<br />

von Mädchen.<br />

Sie werden schlechter<br />

ernährt und gesundheitlich<br />

versorgt als Knaben. Oder sie<br />

kommen nicht zur Welt, weil sie gezielt<br />

abgetrieben werden. In Ostasien<br />

ist die Ungleichheit am höchsten: auf<br />

100 Mädchen kommen 119 Buben.<br />

Insgesamt trifft in Asien jährlich knapp<br />

100 Millionen Frauen das tödliche<br />

Schicksal der Schlechterbehandlung.<br />

–MH<br />

Solidarität ungebrochen<br />

Herr und Frau Schweizer<br />

sind heute weniger<br />

gut informiert über<br />

Nord-Süd-Themen,<br />

wie eine Meinungsumfrage<br />

von Alliance Sud und der DEZA<br />

zeigt. Aber die Solidarität ist ungebrochen:<br />

53 Prozent befürworten eine<br />

Weiterführung der Entwicklungshilfe<br />

auf heutigem Niveau, 30 Prozent wollen<br />

höhere Beiträge. Gute Noten erhalten<br />

Hilfswerke und DEZA. Widerstand<br />

gibt es bezüglich der Kooperation mit<br />

UNO und Weltbank. –MH<br />

Patt im Parlament<br />

Das Ringen um eine<br />

Erhöhung der Entwicklungshilfe<br />

geht weiter.<br />

Der Bundesrat hatte<br />

sich letzten Herbst geweigert, die<br />

vom Parlament geforderte Anhebung<br />

von 0,4 auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens<br />

umzusetzen: Sparen<br />

habe angesichts der Wirtschaftskrise<br />

Priorität. Während der Ständerat in<br />

der Frühlingssession auf 0,5 Prozent<br />

beharrte, krebste der Nationalrat zurück.<br />

Jetzt muss das Geschäft in eine<br />

weitere Runde. –MH<br />

solidarität ohne grenzen: kV schweiz sammelt<br />

77’500 Franken für Jugendliche in nepal<br />

{Der Erlös aus der Weihnachtssammlung 2009 wird in Nepal<br />

Hunderten junger Menschen die Tür zur Berufswelt öffnen. KV-<br />

Präsident Mario Fehr erklärt, warum sich der KV Schweiz über<br />

die Landesgrenzen hinaus engagiert.<br />

KV-Präsident und Nationalrat Mario Fehr (l.) überreicht <strong>Helvetas</strong> Geschäftsleiter Melchior<br />

Lengsfeld (r.) den Scheck für die Berufsbildung in Nepal (u.).<br />

«Was der KV Schweiz hierzulande tut,<br />

das möchten wir auch im Ausland unterstützen,<br />

nämlich Jugendlichen durch<br />

eine Berufsbildung einen guten Start ins<br />

Erwachsenenleben ermöglichen», sagt<br />

Mario Fehr, Nationalrat und Zentralpräsident<br />

des Kaufmännischen Verbands.<br />

«Denn Berufsbildung ist ein nachhaltiger<br />

Weg im Kampf gegen die Armut.»<br />

Der Erlös von 77’500 Franken aus<br />

der Weihnachtssammlung 2009 kommt<br />

dem <strong>Helvetas</strong> Berufsbildungsprojekt<br />

SKILL in Nepal zugute: Dank mobilen,<br />

praxisnahen Ausbildungskursen in über<br />

20 technischen und handwerklichen Berufen<br />

werden benachteiligte Jugendliche<br />

zu Elektrikerinnen, Coiffeuren, Mechanikern<br />

und Näherinnen. Über 80 Prozent<br />

der Ausgebildeten schaffen schon<br />

Monate nach dem Training erfolgreich<br />

den Sprung ins Erwerbsleben. Ein Ansatz,<br />

der Mario Fehr überzeugt: «Wir<br />

Kaufleute kennen den Wert der Ausbildung<br />

für den Einzelnen wie auch für die<br />

Volkswirtschaft. Und als Mitglied der<br />

Aussenpolitischen Kommission habe<br />

26<br />

AKTUEll<br />

ich schon verschiedene <strong>Helvetas</strong> Projekte<br />

besucht und konnte mich ihrer Wirksamkeit<br />

vergewissern.»<br />

Normalerweise unterstützt die<br />

Weihnachtssammlung des KV in Not<br />

geratene Mitglieder in der Schweiz. Da<br />

der Sozialfonds aber aktuell gut gefüllt<br />

ist, wollte man gerade in wirtschaftlich<br />

schwierigen Zeiten auch über die Grenzen<br />

hinaus ein Zeichen der Solidarität<br />

setzen. Das ist eindrücklich gelungen.<br />

–SUS<br />

© Bettina Jenny © Maurice K. Gruenig


E-Mail aus dem Feld<br />

Von: Kurt Schneider<br />

Betreff: Paradies in Gefahr<br />

Datum: 13. Mai MEZ - 07:00<br />

Antwort an: team@helvetas.org<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Im November letzten Jahres wurde Alarm geschlagen. Die Nachricht schlug ein<br />

wie eine Bombe: Der Atitlansee ist in höchstem Grad mit Bakterien verschmutzt,<br />

die hochgiftiges Cyanid produzieren!<br />

Auf der Fahrt von Guatemala Stadt nach Quetzaltenango im guatemaltekischen<br />

Hochland kann ich den Kratersee jeweils von der Hauptstrasse aus sehen und<br />

bin jedes Mal begeistert von der Schönheit dieser Vulkanlandschaft. Schon vor<br />

zwanzig Jahren sah ich hier die goldigen Halme des Weizens im Wind schaukeln.<br />

Ein traumhaftes Bild. Ich bin nicht der einzige der diese Landschaft bewundert<br />

und sich von der kulturellen Vielfalt um den Seekrater angezogen fühlt.<br />

Jedes Jahr kommen Tausende von Touristen hierher.<br />

Nun ist der tiefblaue See, der 150’000 Menschen Wasser spendet, in akuter<br />

Gefahr. Schuld sind der Zufluss von Klärschlamm und die Abfälle der umliegenden<br />

Dörfer. Die Bodenerosion verstärkt das Problem: Stark überdüngte Erde<br />

wird angeschwemmt. Die Menschen sind in grosser Sorge. «Wenn wir das Problem<br />

nicht in den Griff bekommen, ist die Einkommensquelle Tausender Familien<br />

in Gefahr», sagte mir der Gemeindepräsident von Panajachel, dem wichtigsten<br />

Tourismusort am See. In der öffentlichen Debatte schiebt jeder die Schuld<br />

dem andern zu. An der Universität del Valle in Solola arbeiten Wissenschaftler<br />

auf Hochtouren daran, Schutzmassnahmen zu finden.<br />

Auch <strong>Helvetas</strong> ist gefordert. Seit Jahren unterstützen wir Bauerngruppen in<br />

nachhaltiger ökologischer Landwirtschaft. Ganz besonders im Ausbildungsprojekt<br />

FORJA für Jungbauern. Für Bauern in Guatemala geht es aber oft zuallererst<br />

ums Überleben. Der harte Wettbewerb fördert den Raubbau an den<br />

Ressourcen und das kurzfristige Denken. Doch ein Bauer der Kaqchikel (der<br />

zweitgrössten Maya-Ethnie) sagte mir einmal: «Die Natur zu schützen braucht<br />

Weitsicht – und Durchhaltevermögen.» Das ist es, was auch wir von <strong>Helvetas</strong><br />

zu vermitteln versuchen. An Anfragen fehlt es nicht. Am Atitlansee findet ein<br />

Umdenken statt. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät.<br />

Herzliche Grüsse<br />

Kurt Schneider<br />

Programmleiter, <strong>Helvetas</strong> Guatemala<br />

---<br />

Impressum Nr. 200/Mai 2010 Zeitschrift für <strong>Helvetas</strong> Mitglieder, Gönner und Gönnerinnen,<br />

50. Jahrgang, erscheint viermal jährlich (Feb., Mai, Aug., Dez.) in Deutsch und Französisch. Abopreis<br />

CHF 30 jährlich, für Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen. Herausgeberin <strong>Helvetas</strong>, Schweizer<br />

Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, Weinbergstrasse 22a, Postfach, 8021 Zürich,<br />

Tel. 044 368 65 00, Fax 044 368 65 80, E-Mail: info@helvetas.org, Homepage: www.helvetas.ch,<br />

PC Nr. 80-3130-4 Zürich; <strong>Helvetas</strong> Secrétariat romand, Rue de la Mercerie 3, Case postale 6435,<br />

1002 Lausanne, Tel. 021 323 33 73, Fax 021 323 33 74, E-Mail: romandie@helvetas.org; <strong>Helvetas</strong><br />

Segretariato della Svizzera italiana, Via San Gottardo 67, 6828 Balerna, Tel./Fax 091 683 17 10, E-Mail:<br />

svizzeraitaliana@helvetas.org Redaktion: Susanne Strässle (SUS) Mitarbeit an dieser Nummer:<br />

Lionnel Arnaud, Hanspeter Bundi, Beatrice Burgherr (BU), Cecile Eisenring, Melvin Fajardo, Andrea<br />

Hämmerle, Matthias Herfeldt (MH), Lisa Krebs (LK), Melchior Lengsfeld, Tobias Meier, Kurt Schneider<br />

Bildredaktion/Produktion: Andrea Peterhans Französische Ausgabe: Catherine Rollandin, Ursula<br />

Gaillard Gestaltung: Spinas | Gemperle Zürich Layout: GrafikWerk Zürich Korrektur: Farago Texte<br />

Zürich Litho: Swissprinters Premedia Zofingen Druck: Druckerei Kyburz Dielsdorf Papier: Cyclus Print,<br />

100 % Recycling<br />

27 AKTUEll<br />

Do it yourself<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

{ Häppchen aus Honduras<br />

Honduras ist Gast an der <strong>Helvetas</strong> GV (s.<br />

S. 23) und seine Nationalelf spielt an der<br />

WM gegen die Schweiz. Grund genug,<br />

einen (Fernseh-)Abend mit honduranischen<br />

Snacks aufzupeppen. Viele Zutaten<br />

gibt’s Bio & Fair.<br />

Anspiel Scharfe Mango: Grüne Mango in<br />

Schnitze schneiden, mit Tabasco und Limettensaft<br />

beträufeln und leicht salzen.<br />

Halbzeit Käsedip: 250 g Frischkäse mit<br />

100 g gehackter Ananas, 2 TL gehacktem<br />

grünen Chili und je 1 TL gehackter<br />

Zwiebel und Salz vermischen.<br />

Verlängerung Milch-Mandel-Dessert: 7<br />

dl Milch, 2 EL gemahlene Mandeln, 4-5<br />

EL Zucker und 1 Zimtstange aufkochen<br />

und unter häufigem Rühren gut 30 min.<br />

köcheln lassen, bis die Milch leicht eindickt.<br />

Mit frischen Früchten warm oder<br />

kalt im Schälchen servieren. –SUS<br />

Mit «global+» auf dem<br />

Laufenden<br />

Alliance Sud Ob<br />

internationale Klimaverhandlungen,<br />

Auswirkungen der<br />

Finanzkrise auf den<br />

Süden oder Hungerkrise:<br />

«Global +»,<br />

die Zeitschrift von<br />

Alliance Sud greift Fragen der Globalisierung<br />

auf, kommentiert und analysiert<br />

kritisch die schweizerische Aussenpolitik<br />

und die Entwicklungspolitik. Sie informiert<br />

zudem über die Aktivitäten von<br />

Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft<br />

der grossen Schweizer Hilfswerke, zu der<br />

auch <strong>Helvetas</strong> gehört. Das Magazin erscheint<br />

viermal jährlich. Abo (CHF 30)<br />

sowie Einzelausgaben sind erhältlich bei<br />

alliancesud.ch oder Tel. 031 390 93 30.<br />

22.6.<br />

Öffentliche Tagung zu<br />

den Millenniumsentwicklungszielen von<br />

Alliance Sud in Bern.<br />

Infos www.alliancesud.ch


200 /10 Partnerschaft<br />

Nachgefragt<br />

{<br />

Wie kontrolliert der <strong>Helvetas</strong><br />

FairShop die Arbeitsbedingungen<br />

in Partnerbetrieben?<br />

Bei Massenprodukten wie Schokolade,<br />

Baumwolle oder Kaffee verlassen<br />

wir uns auf die Zertifikate anerkannter<br />

Fairhandel-Organisationen wie Max<br />

Havelaar. Bei den 20 Kleinbetrieben,<br />

die Kunsthandwerk für den FairShop<br />

herstellen, wäre ein internationales<br />

Zertifizierungsverfahren zu aufwändig.<br />

Dort sind es <strong>Helvetas</strong> Verantwortliche<br />

aus den Projektländern, die bei regelmässigen<br />

Besuchen die Arbeitsbedingungen<br />

überprüfen.<br />

Als Minimalstandard gelten die Kernkonventionen<br />

der Internationalen<br />

Arbeitsorganisation ILO: Verbot von<br />

Zwangs- und Kinderarbeit, Lohngleichheit,<br />

Gewerkschafts- und Organisationsfreiheit,<br />

Verbot von Diskriminierung<br />

nach Rasse, Geschlecht,<br />

Religion usw. Die Kontrolleure orientieren<br />

sich auch an der Kriterienliste<br />

von Swiss Fairtrade und sprechen mit<br />

Arbeitern, Produzenten und anderen<br />

NGOs. Es spricht für die Qualität der<br />

Vorabklärungen, dass bisher noch<br />

kein Betrieb ausgeschlossen werden<br />

musste. Häufig erhalten Betriebe zudem<br />

eine Fair-Trade-Prämie. Im direkten<br />

Dialog eruieren unsere Kontrolleurinnen,<br />

welches die dringlichsten<br />

Bedürfnisse der Mitarbeitenden sind:<br />

Ein höherer Lohn? Oder ein Betreuungsangebot<br />

für die Kinder?<br />

Unsere Kontrollmechanismen sind<br />

eine pragmatische Mischung aus (harten)<br />

Kriterien und (weichen) Abklärungen<br />

im Gespräch. Weil der Faire<br />

Handel von <strong>Helvetas</strong> immer häufiger<br />

mit externen Schweizer Partnern wie<br />

Globus oder Coop zusammenarbeitet,<br />

ist er zurzeit daran, die Kontrollmechanismen,<br />

wo nötig, etwas stärker<br />

zu formalisieren.<br />

Tobias Meier, Leiter Fairer Handel<br />

geberit und <strong>Helvetas</strong> – gemeinsam für<br />

sauberes trinkwasser<br />

ihre mehrjährige Wasserkampagne lanciert.<br />

Mit im Boot ist Geberit, europäischer<br />

Marktführer in Sanitärtechnik.<br />

«Gemeinsam kann man grössere Ziele<br />

erreichen», freut sich <strong>Helvetas</strong> Geschäftsleiter<br />

Melchior Lengsfeld. Dank<br />

der Unterstützung von Geberit kann<br />

<strong>Helvetas</strong> die Latte hoch setzen: bis 2013<br />

sollen eine Million Menschen neu Zugang<br />

zu sauberem Trinkwasser erhalten.<br />

Als Nachhaltigkeits-Champion mit<br />

einem vorbildlichen Leistungsausweis<br />

beim Wassersparen passt Geberit zu<br />

<strong>Helvetas</strong>. «Wasser und sanitäre Einrichtungen<br />

gehören für uns beide zum<br />

Kerngeschäft. Wir teilen die Vision, mit<br />

unserem Engagement die Lebensqualität<br />

der Menschen nachhaltig zu verbessern»,<br />

begründet Hanspeter Tinner,<br />

Geschäftsführer der Geberit Vertriebs<br />

AG, die Zusammenarbeit. –MH<br />

Mahnmal auf dem bundesplatz zum<br />

Weltwassertag<br />

Aktion Am 22. März stellten Helferinnen<br />

und Helfer von <strong>Helvetas</strong> vor dem<br />

Bundeshaus 4000 mit dreckigem Wasser<br />

gefüllte Babyflaschen auf – gleich<br />

© Miriam Kuenzli Partnerschaft Im März hat <strong>Helvetas</strong><br />

28<br />

AKTUEll<br />

Hanspeter Tinner (l.) und Melchior Lengsfeld<br />

besiegeln die Partnerschaft.<br />

viele Kinder sterben täglich an den Folgen<br />

von schmutzigem Trinkwasser. Mit<br />

der Aktion forderte <strong>Helvetas</strong> die Politik<br />

auf, mehr Mittel für Wasserprojekte zu<br />

sprechen und sich bei der UNO für ein<br />

Menschenrecht auf Wasser einzusetzen.<br />

Die Aktion war Auftakt zur Wasserkampagne<br />

von <strong>Helvetas</strong>. Die Schoppen der<br />

Marke «bibi» wurden vom Schweizer<br />

Babyartikel-Hersteller Lamprecht zur<br />

Verfügung gestellt. –LK<br />

Möchten Sie sich engagieren? Dann<br />

führen Sie in Ihrer Region eine kleine<br />

Version der Aktion «Schoppen» durch.<br />

Kontakt: lisa.krebs@helvetas.org<br />

Auch <strong>Helvetas</strong> Vietnam war am Weltwassertag<br />

aktiv und organisierte eine<br />

Wasserkarawane: www.helvetas.ch/karawane<br />

© Vera Hartmann


Wettbewerb<br />

© zVg<br />

Beantworten Sie folgende Fragen zur<br />

aktuellen «Partnerschaft» und gewinnen<br />

Sie eine Übernachtung für zwei<br />

Personen im Eco-Hotel L’Aubier<br />

1) Welches Amt konnte Filomena<br />

Assiro aus Mosambik dank ihrer<br />

lese- und Schreibkenntnisse<br />

übernehmen?<br />

2) Welches land steht im Zentrum<br />

der <strong>Helvetas</strong> Generalversammlung<br />

vom 25. Juni 2010?<br />

3) Wann (Monat/Jahr) erschien<br />

die erste Ausgabe der «Partnerschaft»?<br />

Schicken Sie Ihre Antworten auf einer Postkarte<br />

an: <strong>Helvetas</strong>, «Wettbewerb», Postfach,<br />

8021 Zürich oder per E-Mail (mit Ihrer Adresse)<br />

an: wettbewerb@helvetas.org Einsendeschluss:<br />

12. Juni 2010 (Poststempel/<br />

Maileingang). Über den Wettbewerb wird<br />

keine Korrespondenz geführt. Mitarbeitende<br />

von <strong>Helvetas</strong> sind nicht teilnahmeberechtigt.<br />

Gewinnerin des Wettbewerbs in «Partnerschaft»<br />

Nr. 199 ist Rita Helfenberger, Winterthur<br />

© Karl Wiederkehr<br />

© zVg<br />

Der gesponserte Preis:<br />

1 Übernachtung im Eco-Hotel<br />

L’Aubier in Montezillon für 2 Personen<br />

im Doppelzimmer, inkl. Frühstück<br />

und Abendessen<br />

Eco-Hotel L’Aubier – Wahre Landlust<br />

Das Eco-Hotel L’Aubier liegt in Montezillon,<br />

einem kleinen Dorf zwischen<br />

dem Neuenburgersee und dem Jura.<br />

An schönen Tagen geht der Blick von<br />

den Berner Alpen bis zum Mont Blanc.<br />

Im L’Aubier finden Gäste Licht, Raum<br />

und Ruhe. Das Hotel mit Bio-Label<br />

bietet 25 helle und persönlich eingerichtete<br />

Zimmer mit herrlicher See- und<br />

Bergsicht; alle mit Bad und WC, Balkon,<br />

grossem Fenster oder direktem<br />

Gartenzugang. In den einladenden<br />

Räumen lässt man sich gerne nieder.<br />

Unter einem wunderschönen Dachgebälk<br />

wartet ein Bio-Wellness-Bereich<br />

auf Entspannungsuchende. Das Hotel<br />

bezaubert mit authentischer Landatmosphäre.<br />

Zum Haus gehört ein biodynamischer<br />

Hof mit grossem offenem<br />

Stallbereich und eigener Käserei. Im<br />

Restaurant lädt die reiche Saisonkarte<br />

mit regionalen Bio-Produkten, Brot,<br />

Käse, Fleisch und Glacé aus eigener<br />

Produktion zu sinnlich-sinnvollen Gaumenfreuden<br />

ein. Wahres für die Sinne,<br />

das möchte das L’Aubier bieten. Es ist<br />

ein Ort, wo die Dinge sind, was sie<br />

scheinen. Hier fängt Erholung an. Und<br />

die Zeit beginnt sich zu dehnen…<br />

Information: Eco-Hotel L’Aubier,<br />

2037 Montezillon, Tel. 032 732 22 11<br />

www.aubier.ch<br />

29<br />

AKTUEll<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

beziehung bhutanschweiz<br />

im gespräch<br />

Veranstaltung Im Rahmen der Bhutan-<br />

Ausstellung «Heilige Kunst aus dem<br />

Himalaya» im Museum Rietberg laden<br />

<strong>Helvetas</strong> und die Society Switzerland-<br />

Bhutan ein zu einer exklusiven Führung<br />

durch die Ausstellung mit anschliessendem<br />

Podiumsgespräch gesponsert von<br />

Globotrek. Unter der Leitung der Publizistin<br />

Esther Girsberger diskutieren<br />

Nationalrat Mario Fehr, Marianne Frei,<br />

Präsidentin der Society Switzerland-<br />

Bhutan und Werner Külling, ehemaliger<br />

Programmdirektor von <strong>Helvetas</strong> in Bhutan,<br />

über die spezielle Beziehung zwischen<br />

dem Himalaya-Königreich und der<br />

Alpenrepublik. Was verbindet die zwei<br />

kleinen Gebirgsländer, die ihre Identität<br />

zwischen mächtigen Nachbarn<br />

be wahrten? Welche Rolle spielt die<br />

Schweiz bei der behutsamen Modernisierung<br />

des abgelege nen Reichs? Was<br />

kann die Schweiz lernen von einem Land,<br />

das das Glück seiner Bevölkerung höher<br />

wertet als wirtschaftliche Entwicklung?<br />

8.7.<br />

Museum Rietberg Zürich, Führung 17<br />

und 18 Uhr. Podium 19.15 Uhr in der<br />

Park-Villa. Anmeldung www.helvetas.ch/<br />

Bhutan-Event oder Tel. 044 368 65 25,<br />

Museumseintritt & Führung CHF 20,<br />

Podium Eintritt frei.<br />

© Shuzo Uemoto


200 /10 Partnerschaft<br />

MÄnnersacHe – FrauensacHe<br />

{ Von Cecile Eisenring und Susanne Strässle<br />

Das Schweizer Traditionsunternehmen ISA Sallmann stellt<br />

Herrenunterwäsche aus fair gehandelter Bio-Baumwolle her.<br />

Sie stammt aus dem <strong>Helvetas</strong> Baumwollprojekt in Burkina Faso.<br />

Die Männer freuts – die Frauen auch.<br />

Pardon, meine Damen: Männer haben<br />

Vortritt. Seit 2009 stellt ISA Bodywear,<br />

der zweitgrösste Wäschehersteller der<br />

Schweiz, eine Kollektion aus reiner Bio-<br />

Baumwolle her: klassische Slips, bequeme<br />

Pantys, Shirts und leichte Sommerpyjamas.<br />

Reine Männersache. Das mag<br />

erstaunen, gelten doch Frauen als Pionierinnen<br />

in Sachen Bio-Einkauf. Sie<br />

werden es auch bleiben. Denn Tatsache<br />

ist, dass auch 60 Prozent der Herrenunterwäsche<br />

von Frauen gekauft werden.<br />

Männer lassen sich aber durchaus<br />

für Bio-Qualität begeistern. Das bewiesen<br />

die <strong>Helvetas</strong> Freiwilligen und Mitarbeitenden,<br />

die bei noch winterlichen<br />

Aussentemperaturen die Modelle der<br />

Bio-Fair-Kollektion im Botanischen Garten<br />

Zürich präsentierten. «Ich habe schon<br />

bei anderen Aktionen von <strong>Helvetas</strong> mitgemacht»,<br />

erzählt der 23-jährige Maturand<br />

auf dem zweiten Bildungsweg Fabian<br />

Toscan. «Ich finde es super, den Leuten<br />

mit diesen Aufnahmen auf eine frechere<br />

und ungewöhnliche Art umweltbewusstes<br />

Handeln nahezulegen und auf eine<br />

gute Sache aufmerksam zu machen.»<br />

Die Baumwolle für die neue Kollektion<br />

stammt aus dem <strong>Helvetas</strong> Projekt<br />

in Burkina Faso, 2800 Baumwollbäuerinnen<br />

und Bauern profitieren davon. Die<br />

Schnitte wurden von der bestehenden<br />

ISA-Kollektion übernommen, aber neu<br />

sind die Teile biozertifiziert und tragen<br />

das Max Havelaar-Gütesiegel.<br />

Das macht einen Unterschied,<br />

nicht nur fürs ökologische Gewissen.<br />

ISA-Geschäftsführer Andreas Sallmann<br />

ist begeistert von der Qualität der westafrikanischen<br />

Bio-Baumwolle. «Beim<br />

Auspacken der Garne habe ich jeweils<br />

den Eindruck, sie riechen schon anders<br />

als konventionelle Ware. Nach richtiger<br />

Baumwolle halt.» Gern würde er einmal<br />

die Felder in Burkina Faso besuchen.<br />

«Und mein Traum wäre es, das ganze Sortiment<br />

auf Bio-Baumwolle umzustellen.<br />

Ein Riesenschritt wird aber bereits sein,<br />

wenn wir irgendwann 20 Prozent unserer<br />

Produkte in Bio und mit dem Max-Havelaar-Gütesiegel<br />

anbieten können.»<br />

Bio wie auch Fair Trade sind bei<br />

ISA keine Lippenbekenntnisse, man<br />

pflegt traditionell einen hohen Anspruch<br />

an umweltbewusste Produktion. Bereits<br />

werden 5 Prozent des Energiebedarfs des<br />

Starkes Statement für Bio: Mitarbeitende von <strong>Helvetas</strong> und der Freiwillige Fabian Toscan (l.) stellen sich in Bio-Unterwäsche vor die Kamera.<br />

30<br />

FAIRER HANDEl<br />

© Michele Limina


Unternehmens in Amriswil mit Solarstrom<br />

gedeckt. ISA gehört zudem zu den<br />

Fair-Trade-Pionieren im Textilbereich,<br />

bürgt seit Generationen für faire und soziale<br />

Arbeits- und Handelsbedingungen<br />

in der Schweiz, wo nach wie vor sämtliche<br />

Stoffe produziert und ausgerüstet<br />

werden, wie auch weltweit. Vor diesem<br />

Hintergrund war die Partnerschaft mit<br />

Max Havelaar 2009 ein logischer Schritt.<br />

Weil ISA dabei die gesamte Produk-<br />

tionskette vom Rohstoff bis zum fertigen<br />

Slip oder Pyjama im Auge behält, ist<br />

ISA auch für den <strong>Helvetas</strong> FairShop ein<br />

idealer Partner.<br />

Andreas Sallmann, der das<br />

162-jährige Familienunternehmen in<br />

der sechsten Generation führt, ist fest<br />

überzeugt, dass der Markt für Bio-Fair-<br />

Wäsche weiter wachsen wird. Die Herrenkollektion<br />

hat einen erfolgreichen<br />

Start hingelegt, auch im <strong>Helvetas</strong> Fair-<br />

Shop: Beliebt sind die Pyjamas, und bei<br />

der Unterwäsche kaufen viele (Frauen?)<br />

gleich mehrere Stück aufs Mal. Sallmann<br />

freut das nicht nur als Geschäftsmann.<br />

Er legt auch persönlich Wert auf Bio:<br />

«Sogar unser Esel zuhause frisst Bio-<br />

Heu. Und wir kaufen wenn immer möglich<br />

biologische Produkte. Der Antrieb<br />

dahinter war anfangs aber klar meine<br />

Frau», gesteht er mit einem Lachen.<br />

In Sachen Bio-Unterwäsche gehen<br />

die Frauen bei ISA Bodywear noch<br />

leer aus. Das soll sich aber ändern. Eine<br />

biozertifizierte Damenkollektion mit<br />

Max Havelaar-Gütesiegel soll im Herbst<br />

2010 lanciert werden. Dann müssen<br />

Frauen nicht mehr in der Herrenabteilung<br />

nach der weichen Bio-Baumwolle<br />

aus Burkina Faso suchen. Aber sie dürfen<br />

natürlich weiterhin.<br />

Cecile Eisenring ist verantwortlich für Bio-Baumwoll-Textilien<br />

im Fairen Handel von <strong>Helvetas</strong>.<br />

Susanne Strässle ist Redaktorin der «Partnerschaft».<br />

Sie haben folgende Bestellmöglichkeiten:<br />

Per Internet<br />

FairShop unter<br />

www.helvetas.ch<br />

FairShop<br />

Panty und Slip von ISA<br />

Höchster Tragkomfort dank hochwertigem<br />

Baumwollgarn und perfekter<br />

Passform. Ohne Öffnung. 95 % Bio-<br />

Baumwolle aus Burkina Faso, 5 % Lycra.<br />

Slip:<br />

Schwarz: S (TISAS), M (TISAM),<br />

L (TISAL), XL (TISAXL)<br />

Weiss: S (TISBS), M (TISBM),<br />

L (TISBL), XL (TISBXL)<br />

Fr. 24.90<br />

Athlet-Shirt von ISA<br />

Klassisches Träger-Shirt aus fein geripptem<br />

Bio-Baumwollstoff. 100 % Bio-<br />

Baumwolle aus Burkina Faso.<br />

Schwarz: S (TISES), M (TISEM),<br />

L (TISEL), XL (TISEXL)<br />

Weiss: S (TISFS), M (TISFM), L (TISFL),<br />

XL (TISFXL)<br />

Fr. 17.90<br />

Per Talon<br />

Talon auf der Innenseite<br />

des Auflegers ausfüllen,<br />

falzen und abschicken.<br />

31<br />

FAIRER HANDEl<br />

Per Telefon<br />

044 368 65 65<br />

200 /10 Partnerschaft<br />

Panty:<br />

Schwarz: S (TISCS), M (TISCM),<br />

L (TISCL), XL (TISCXL)<br />

Weiss: S (TISDS), M (TISDM),<br />

L (TISDL), XL (TISDXL)<br />

Fr. 31.50<br />

V-Shirt von ISA<br />

Elastisch weiches Shirt mit V-Ausschnitt.<br />

95 % Bio-Baumwolle aus Burkina Faso,<br />

5 % Lycra.<br />

Schwarz: S (TISGS), M (TISGM),<br />

L (TISGL), XL (TISGXL)<br />

Weiss: S (TISHS), M (TISHM),<br />

L (TISHL), XL (TISHXL)<br />

Fr. 39.60<br />

Per Telefax<br />

044 368 65 80


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JEDES VIERTE BABY<br />

SCHREIT NICHT VORHER,<br />

SONDERN NACHHER.<br />

Verschmutztes Trinkwasser macht Kleinkindern nicht nur<br />

Bauchweh, sondern ist eine der häufi gsten Todesursachen.<br />

Jeden Tag sterben 4000 Kinder an Cholera und anderen<br />

Durchfallerkrankungen. <strong>Helvetas</strong> baut sichere Brunnen und<br />

stoppt die Wassernot. Helfen Sie mit.<br />

PC 80-3130-4 www.helvetas.ch<br />

spinas | gemperle

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