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BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika

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<strong>BTI</strong> <strong>2012</strong> | <strong>Regionalbericht</strong> <strong>Naher</strong> <strong>Osten</strong> <strong>und</strong> <strong>Nordafrika</strong> 15<br />

Rahmenbedingungen zwar in beeindruckender Stärke artikulieren kann, letztlich aber dennoch die<br />

reaktionären Kräfte obsiegen.<br />

Doch offenbar stellte der scheinbare Stillstand nur die Ruhe vor dem Sturm dar. Die Unfähigkeit<br />

der Regierungen zu Erneuerung <strong>und</strong> Modernisierung, die beständige Vernachlässigung breiter<br />

Gesellschaftsschichten <strong>und</strong> die fortschreitende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation –<br />

hervorgerufen nicht nur durch das beschriebene Missmanagement, sondern auch durch das starke<br />

Bevölkerungswachstum <strong>und</strong> beschleunigt durch die ab dem Jahr 2008 rapide gestiegenen<br />

Lebensmittelpreise – ließen die Unzufriedenheit fortwährend anschwellen. Explosionsartig<br />

entluden sich die Spannungen dann in den Slogans <strong>und</strong> Forderungen der Demonstranten in Tunis,<br />

Kairo <strong>und</strong> anderen Metropolen der arabischen Welt. Dabei war nicht nur die Wucht der Ereignisse<br />

das Überraschende, sondern auch, dass seit den Umstürzen in den 1950er <strong>und</strong> 1960er Jahren<br />

(insbesondere die Coups d’État der Militärs in Ägypten <strong>und</strong> Libyen sowie der Baathisten in Syrien<br />

<strong>und</strong> Irak) erstmals echte Reformen von unten erzwungen wurden. Bis dato waren die in der Region<br />

unternommenen Transformationsschritte nahezu ausschließlich von oben verordnet worden, um<br />

entweder interne Kritiker oder gar die internationale Gemeinschaft zufrieden- <strong>und</strong> ruhigzustellen.<br />

Angesichts des diagnostizierten Stillstands in der Region kamen die Ereignisse des Jahres 2011<br />

also als eine echte Überraschung. Wer hätte gedacht, dass Ben Ali <strong>und</strong> Hosni Mubarak nicht aus<br />

Altersgründen oder aufgr<strong>und</strong> des Eingreifens der Militärs von der Macht vertrieben werden,<br />

sondern aufgr<strong>und</strong> wochenlanger, überwiegend friedlicher Massenproteste? Wer hätte gedacht, dass<br />

zivilgesellschaftliche Gruppen <strong>und</strong> Akteure, jahrzehntelang von den Regimen strikt kontrolliert <strong>und</strong><br />

unterdrückt, plötzlich eine derartige Macht entfalten <strong>und</strong> generationen- wie schichtenübergreifend<br />

Menschen zusammenbringen würden, die ihre verhassten Regierungen zum Rücktritt zwingen? Die<br />

Daten des <strong>BTI</strong> können dabei nicht als Prognose-Instrument für die Vorhersage der kommenden<br />

Entwicklungen genutzt werden, sehr wohl aber als Diagnose-Instrument für die bestehenden<br />

Defizite in den politischen sowie wirtschaftlichen Systemen der untersuchten<br />

Transformationsländer. Was Analysten <strong>und</strong> Beobachter der Region aus den <strong>BTI</strong>-Daten <strong>und</strong> aus den<br />

Geschehnissen des Jahres 2011 lernen können, ist, dass <strong>und</strong>emokratische Regime zwar mit strikt<br />

autoritären Maßnahmen ihre Macht über Jahrzehnte absichern können, dass aber dennoch die<br />

Attraktivität <strong>und</strong> Anziehungskraft von Demokratie, Freiheit <strong>und</strong> Selbstbestimmung auf Dauer nicht<br />

zu unterdrücken sind.

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