BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika

BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika

09.02.2013 Aufrufe

BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika 12 Transformationsmanagement Die politischen Steuerungsleistungen in der Region verbleiben auf dem niedrigen Niveau von durchschnittlich 4,15 Punkten. Allerdings gibt es eine deutliche Zweiteilung zwischen Gewinnern und Verlierern: Während insbesondere Syrien (+0,38 Punkte) und Katar (+0,34) eine verbesserte Managementleistung zeigten, verschlechterten sich Libanon (–0,32) und Jemen (–0,37) in nahezu gleichem Umfang. Sieben der insgesamt 19 untersuchten Staaten wurden im BTI 2012 einer anderen Management-Kategorie zugeordnet als im BTI 2010 (vgl. Tab. 3). Katastrophal zeigte sich dabei die Lage im Sudan: Hier verschlechterte sich die Managementleistung von Präsident Omar al-Bashir und seiner Regierung um dramatische 0,70; das Land liegt für diese Teildimension nun mit mageren 2,56 Punkten auf Rang 118, ihm wird damit im BTI 2012 erstmals ein „gescheitertes Transformationsmanagement“ attestiert. Damit ist der Sudan aber immer noch besser regiert als der „worst performer“ der Region: Iran liegt aufgrund einer Verschlechterung um 0,17 Punkte auf jetzt 2,14 Punkte auf Rang 122. Als Staaten mit „gescheitertem Transformationsmanagement“ stehen Iran und der Sudan in der Region allerdings nicht allein: Libyen unter Muammar al-Gaddafi, im BTI 2010 noch als Land mit „schwacher Management-Leistung“ gewertet, verschlechterte sich um 0,16 Punkte und wird mit einem Gesamtpunktestand von 2,89 fortan ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet (Rang 115). Positive Kategorie-Veränderungen erreichten die bereits erwähnten Länder Syrien und Katar. Tab. 3: Qualität des Transformationsmanagements Managementverbesserungen erreichten die beiden Länder der Spitzengruppe in der Region: Die Türkei setzte – trotz zögerlicher Reaktion auf die globale Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 – ihre positive Entwicklung fort, verbesserte sich um 0,26 Punkte und liegt nun mit einer Gesamtpunktzahl von 6,60 beim Transformationsmanagement auf Rang 17 (im BTI 2010 noch

BTI 2012 | Regionalbericht Naher Osten und Nordafrika 13 Rang 23). Entscheidende Faktoren waren die verbesserte Korruptionsbekämpfung durch die Erdoğan-Regierung, die Schwächung des Militärs als potenziellen Veto-Akteurs, versinnbildlicht durch die Aufdeckung der Ergenekon-Verschwörung, eine verbesserte Herangehensweise an die Kurdenfrage mit der Gewährung zahlreicher neuer (wenngleich kleiner) Zugeständnisse und die größere regionale Kooperation, insbesondere mit Blick auf den Irak, Armenien und Griechenland. Katar überzeugte insbesondere beim verbesserten Konfliktmanagement, der stärkeren Einbindung der Zivilgesellschaft und erhöhten Werten für Glaubwürdigkeit auf internationalem Parkett. So wurden Konflikte zwischen Einheimischen und Gastarbeitern, die 2007 noch zu Streiks und Zusammenstößen führten, von der Regierung weitgehend geschlichtet und beigelegt. Die meisten Verbesserungen hat – angesichts der jüngsten Ereignisse zunächst überraschend – Syrien erreicht. Zwar kommt das Regime von Bashar al-Assad immer noch nicht auch nur annähernd in einen positiven Bewertungsbereich, doch wurde insbesondere die internationale Zusammenarbeit entschieden verbessert. Hier zeigen sich erste Erfolge der Strategie des Regimes, mehr und mehr zentrale Positionen mit gut ausgebildeten Technokraten und nicht mehr primär mit folgsamen Anhängern der Baath-Partei zu besetzen. Im Westen ausgebildete und international erfahrene Diplomaten prägen das Gesicht der neuen syrischen Führungselite, die weniger mit der traditionellen panarabischen und antiisraelischen Propaganda Politik macht, sondern mehr mit wirtschaftspolitisch fundierten Entscheidungen. Dass die syrische Führung dabei einen rein ökonomisch determinierten und sozial nicht ausgewogenen Entwicklungskurs verfolgt und politische Freiheitsrechte vollkommen ignoriert, erweist sich auf Dauer allerdings als keine hinreichende Legitimitätsgrundlage. Die anhaltenden, landesweiten Protestmärsche gegen das Regime sind jedenfalls ein deutliches Signal der Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung. Lohnenswert ist auch ein detaillierterer Blick auf die drei größten Management-Verlierer Libanon, Jemen und Sudan. Libanon (–0,32 Punkte, Rang 92) verlor vor allem aufgrund des politischen Patts zwischen den beiden Koalitionen des „8. März“ (getragen von der Hisbollah) und des „14. März“ (getragen von den prowestlichen Kräften um den ehemaligen Premierminister Saad Hariri), der das Parlament über Monate paralysierte und eine effektive Regierungsbildung unmöglich machte. Die konfessionellen Unterschiede, seit jeher kennzeichnend für das Land, konnten nicht zugunsten eines „gesamtstaatlichen Interesses“ verringert werden, sondern gewannen erneut an Bedeutung. Der Libanon wurde damit auch hinsichtlich seiner internationalen Glaubwürdigkeit abgewertet; insbesondere seit dem Scheitern der prowestlichen Regierungskoalition im Januar 2011 und dem nachfolgenden Regierungswechsel zur Hisbollah-geführten „Koalition des 8. März“ sind Zweifel an der künftigen Verlässlichkeit Libanons in der schwierigen Nahost-Diplomatie angebracht. Im Jemen (–0,37 Punkte, Rang 102) wurde die Aufgabe langfristiger Politikziele zugunsten der Verfolgung kurzfristiger Interessen in den vergangenen Jahren immer deutlicher. Dabei war es nicht nur die mangelhafte Implementierung von Politikbeschlüssen, die die Steuerungsfähigkeit der Regierung von Staatspräsident Ali Abdallah Salih schwächte, sondern vor allem auch die kaum vorhandene Fähigkeit, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. So wurden auf die drängendsten Fragen des Landes (Wasserknappheit, Ernährungslage, Stammeskonflikte, Staatszerfall) keine

<strong>BTI</strong> <strong>2012</strong> | <strong>Regionalbericht</strong> <strong>Naher</strong> <strong>Osten</strong> <strong>und</strong> <strong>Nordafrika</strong> 13<br />

Rang 23). Entscheidende Faktoren waren die verbesserte Korruptionsbekämpfung durch die<br />

Erdoğan-Regierung, die Schwächung des Militärs als potenziellen Veto-Akteurs, versinnbildlicht<br />

durch die Aufdeckung der Ergenekon-Verschwörung, eine verbesserte Herangehensweise an die<br />

Kurdenfrage mit der Gewährung zahlreicher neuer (wenngleich kleiner) Zugeständnisse <strong>und</strong> die<br />

größere regionale Kooperation, insbesondere mit Blick auf den Irak, Armenien <strong>und</strong> Griechenland.<br />

Katar überzeugte insbesondere beim verbesserten Konfliktmanagement, der stärkeren Einbindung<br />

der Zivilgesellschaft <strong>und</strong> erhöhten Werten für Glaubwürdigkeit auf internationalem Parkett. So<br />

wurden Konflikte zwischen Einheimischen <strong>und</strong> Gastarbeitern, die 2007 noch zu Streiks <strong>und</strong><br />

Zusammenstößen führten, von der Regierung weitgehend geschlichtet <strong>und</strong> beigelegt.<br />

Die meisten Verbesserungen hat – angesichts der jüngsten Ereignisse zunächst überraschend –<br />

Syrien erreicht. Zwar kommt das Regime von Bashar al-Assad immer noch nicht auch nur<br />

annähernd in einen positiven Bewertungsbereich, doch wurde insbesondere die internationale<br />

Zusammenarbeit entschieden verbessert. Hier zeigen sich erste Erfolge der Strategie des Regimes,<br />

mehr <strong>und</strong> mehr zentrale Positionen mit gut ausgebildeten Technokraten <strong>und</strong> nicht mehr primär mit<br />

folgsamen Anhängern der Baath-Partei zu besetzen. Im Westen ausgebildete <strong>und</strong> international<br />

erfahrene Diplomaten prägen das Gesicht der neuen syrischen Führungselite, die weniger mit der<br />

traditionellen panarabischen <strong>und</strong> antiisraelischen Propaganda Politik macht, sondern mehr mit<br />

wirtschaftspolitisch f<strong>und</strong>ierten Entscheidungen. Dass die syrische Führung dabei einen rein<br />

ökonomisch determinierten <strong>und</strong> sozial nicht ausgewogenen Entwicklungskurs verfolgt <strong>und</strong><br />

politische Freiheitsrechte vollkommen ignoriert, erweist sich auf Dauer allerdings als keine<br />

hinreichende Legitimitätsgr<strong>und</strong>lage. Die anhaltenden, landesweiten Protestmärsche gegen das<br />

Regime sind jedenfalls ein deutliches Signal der Unzufriedenheit in weiten Teilen der<br />

Bevölkerung.<br />

Lohnenswert ist auch ein detaillierterer Blick auf die drei größten Management-Verlierer Libanon,<br />

Jemen <strong>und</strong> Sudan. Libanon (–0,32 Punkte, Rang 92) verlor vor allem aufgr<strong>und</strong> des politischen Patts<br />

zwischen den beiden Koalitionen des „8. März“ (getragen von der Hisbollah) <strong>und</strong> des „14. März“<br />

(getragen von den prowestlichen Kräften um den ehemaligen Premierminister Saad Hariri), der das<br />

Parlament über Monate paralysierte <strong>und</strong> eine effektive Regierungsbildung unmöglich machte. Die<br />

konfessionellen Unterschiede, seit jeher kennzeichnend für das Land, konnten nicht zugunsten<br />

eines „gesamtstaatlichen Interesses“ verringert werden, sondern gewannen erneut an Bedeutung.<br />

Der Libanon wurde damit auch hinsichtlich seiner internationalen Glaubwürdigkeit abgewertet;<br />

insbesondere seit dem Scheitern der prowestlichen Regierungskoalition im Januar 2011 <strong>und</strong> dem<br />

nachfolgenden Regierungswechsel zur Hisbollah-geführten „Koalition des 8. März“ sind Zweifel<br />

an der künftigen Verlässlichkeit Libanons in der schwierigen Nahost-Diplomatie angebracht.<br />

Im Jemen (–0,37 Punkte, Rang 102) wurde die Aufgabe langfristiger Politikziele zugunsten der<br />

Verfolgung kurzfristiger Interessen in den vergangenen Jahren immer deutlicher. Dabei war es<br />

nicht nur die mangelhafte Implementierung von Politikbeschlüssen, die die Steuerungsfähigkeit der<br />

Regierung von Staatspräsident Ali Abdallah Salih schwächte, sondern vor allem auch die kaum<br />

vorhandene Fähigkeit, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. So wurden auf die drängendsten<br />

Fragen des Landes (Wasserknappheit, Ernährungslage, Stammeskonflikte, Staatszerfall) keine

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!