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Budo-Gala in Mülheim - Dachverband für Budotechniken Nordrhein ...

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Nach acht Folgen Judo-Geschichte<br />

- e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Zwischenbilanz<br />

Geschichtliche Darstellungen können unterschiedlichen Ansätzen<br />

folgen. In dieser Reihe wird e<strong>in</strong>em „thematisch-konzeptionellem“<br />

Ansatz gefolgt, der versucht, nicht die Chronologie von Ereignissen,<br />

sondern der Entwicklung konzeptioneller Ideen des Kōdōkan-Jūdō<br />

darzustellen. Noch stehen die Gedanken und Entwicklungen z.B. der<br />

theoretischen Unterweisung, der Entwicklung und Systematisierung<br />

der Techniken des Kōdōkan-Jūdō, der Organisationsentwicklung, des<br />

Wettkampfwesens, der Eroberung der Bildungs<strong>in</strong>stitutionen durch<br />

das Jūdō, des Verhältnisses zu anderen Kampfkünsten u.v.a.m. aus.<br />

In den bisher erschienen Artikeln sollte aber das Wesen des Kōdōkan-<br />

Jūdō bereits so weit deutlich geworden se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Quervergleich<br />

mit der heutigen Praxis und e<strong>in</strong>e kritische Reflexion möglich ist und<br />

auch s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>t.<br />

Der junge J. KANō entwickelte Jūdō als e<strong>in</strong> umfassendes System zur<br />

körperlichen, geistigen und moralischen Erziehung (vgl. Teil 4). Diesem<br />

Gedanken blieb er bis zu se<strong>in</strong>em Tod treu. Dies entspricht auch<br />

se<strong>in</strong>er beruflichen Biografie: Nachdem er sich mit Anfang zwanzig<br />

<strong>für</strong> den Lehrerberuf entschieden hat, wurde er schnell Schulleiter<br />

und Beamter im Erziehungsm<strong>in</strong>isterium um später über Jahrzehnte<br />

h<strong>in</strong>weg bis zu se<strong>in</strong>er Pensionierung <strong>für</strong> die Ausbildung von Lehrern<br />

verantwortlich zu se<strong>in</strong>.<br />

Mit zunehmendem Alter von KANō selbst, aber auch se<strong>in</strong>er Schüler,<br />

erweiterte er durch die E<strong>in</strong>führung von Seiryoku-zenyō und Jita-kyōei<br />

den Erziehungsgedanken, der stets von Erzieher und Zögl<strong>in</strong>g ausgeht,<br />

und bei älteren Erwachsenen irgendwann unangemessen wird, zu e<strong>in</strong>er<br />

Lebensphilosphie (auch) <strong>für</strong> Erwachsene (vgl. Teil 6).<br />

Damit war der konzeptionelle Durchbruch von Jūdō als echte Lifetime-Aktivität<br />

geschafft, denn <strong>in</strong> jeder Lebensphase stellen sich die<br />

Fragen der körperlichen Ertüchtigung, der geistig-<strong>in</strong>tellektuellen<br />

Übung und auch der persönlichen Sicherheit im Falle unerwarteter<br />

Gefahren, z.B. durch körperliche Angriffe oder durch Unfälle. Das<br />

Kōdōkan-Jūdō bietet stets angemessene Lösungen.<br />

Oft werden aber aus Sicht des Verfassers bedauerlicherweise Chancen<br />

verpasst, obwohl es nicht am guten Willen und Versuchen mangelt,<br />

„klassisches“ Jūdō zu fördern. Allerd<strong>in</strong>gs greifen Maßnahmen<br />

wie die E<strong>in</strong>schränkung der erlaubten Anwendung von Techniken<br />

- z.B. aktuell von Be<strong>in</strong>greiftechniken - oder Beschänkungen der erlaubten<br />

Griffarten, z.B. Verbot des Nackengriffs bei K<strong>in</strong>dern, deutlich<br />

zu kurz.<br />

Vielmehr bedarf es anstelle e<strong>in</strong>er Ächtung e<strong>in</strong>zelner Teilaspekte e<strong>in</strong>er<br />

Rückbes<strong>in</strong>nung auf die klassischen Konzepte <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit und<br />

deren wohlüberlegte Integration <strong>in</strong> die tägliche Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspraxis.<br />

An dieser Stelle darf aber nicht verschwiegen werden, dass gerade im<br />

Nachwuchsbereich dank der vor e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong> NRW e<strong>in</strong>geführten<br />

Strukturen signifikante Verbesserungen festzustellen s<strong>in</strong>d. Man kann<br />

die Beteiligten nur loben und ermutigen, den e<strong>in</strong>geschlagenen Weg<br />

weiter zu gehen.<br />

Randori beim U 15-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gscamp 2010 <strong>in</strong> Duisburg Foto: Erik Gruhn<br />

Beispiel 1: Randori<br />

J. KANō hat das Konzept des Jūdō-Randori bereits Ende des 19. Jahrhunderts<br />

entwickelt. Auch aus heutiger Sicht muss man es als großen<br />

Wurf bezeichnen und sich Gedanken darüber machen, ob nicht<br />

KANōs Kritik der 1920er- und 1930er-Jahre am Randori heute <strong>in</strong> noch<br />

viel stärkerem Maße als damals berechtigt wäre.<br />

E<strong>in</strong>e Form von Randori, die Techniken gegenseitig ermöglicht anstatt<br />

Angriffe des Partners ständig zu verh<strong>in</strong>dern, verlagert schon alle<strong>in</strong> die<br />

re<strong>in</strong> körperlichen Anforderungen verstärkt <strong>in</strong> Richtung Koord<strong>in</strong>ation,<br />

noch vielseitigerer Beanspruchung der Muskulatur und noch günstigerer<br />

Herz-Kreislaufbelastung anstelle der heute oft sehr <strong>in</strong>tensiven<br />

Beanspruchung der lokalen Muskelausdauer <strong>in</strong> (Unter-)Armen und<br />

Schultern und häufig ungünstigen Belastungen des unteren Rückens.<br />

Wer viel mit eigenen Techniken angreift, wird se<strong>in</strong>e Techniken besser<br />

entwickeln können, als derjenige, der weniger angreift. Umgekehrt<br />

wird auch derjenige se<strong>in</strong>e Verteidigungsfähigkeiten verbessern, der<br />

sich häufiger angreifen lässt. Verh<strong>in</strong>dern beide gegenseitig Angriffe<br />

des Partners, unterstützen sie sich nicht im Lernprozess, sondern verpassen<br />

im Gegenteil beiderseits die Chance zu Fortschritten sowohl<br />

<strong>in</strong> Angriff als auch Verteidigung.<br />

Es ist die feste Überzeugung des Verfassers, dass die ursprüngliche<br />

Art von Randori:<br />

- optimal <strong>für</strong> das Grundlagentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ist,<br />

- <strong>für</strong> alle Nicht-Leistungssportler dem heute verbreiteten Randori<br />

vorzuziehen ist,<br />

- <strong>für</strong> Leistungssportler <strong>in</strong>sbesondere während des Übergangs- und<br />

des Aufbautra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs <strong>in</strong> das regelmäßige Randori <strong>in</strong>tegriert werden<br />

sollte,<br />

- Jūdō wieder zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressanten und spannende Lifetime-Aktivität<br />

machen würde,<br />

- geeignet ist, die technische Qualität des Jūdō mittelfristig auf allen<br />

Ebenen zu steigern,<br />

- viele Menschen länger beim Jūdō halten würde als es heute leider<br />

der Fall ist.<br />

So ganz nebenbei würde es die Verbände durch diese Attraktivitätssteigerung<br />

mittelfristig besser <strong>in</strong> die Lage versetzen, die f<strong>in</strong>anziellen<br />

Probleme z.B. aufgrund der demografischen Entwicklung zu meistern.<br />

Beispiel 2: Kata<br />

KANō hat stets deutlich gemacht, dass zum Verständnis von Jūdō<br />

zw<strong>in</strong>gend Randori und Kata <strong>in</strong> wechselseitiger Ergänzung und wechselseitigem<br />

Bezug zue<strong>in</strong>ander studiert werden müssen. Aber wo f<strong>in</strong>den<br />

wir das <strong>in</strong> der heutigen Praxis?<br />

Nun muss man relativierend sagen, dass <strong>in</strong> praktisch jedem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

mit „<strong>in</strong>formellen“ Kata gearbeitet wird. Darunter verstehen wir Formen,<br />

die e<strong>in</strong> Übungsleiter oder Tra<strong>in</strong>er genau vorgibt, die jedoch ke<strong>in</strong>er<br />

formalen Standardisierung unterliegen (vgl. Folge 7). Es gel<strong>in</strong>gt<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur sehr wenigen Übungsleitern, derartige „<strong>in</strong>formelle“<br />

Kata zu entwickeln und diese gezielt <strong>für</strong> die Vermittlung e<strong>in</strong>es guten<br />

Verständnisses von Jūdō e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Aber wie sieht es bei der Vermittlung derjenigen Kata aus, die dazu<br />

gedacht s<strong>in</strong>d, die wesentlichen Pr<strong>in</strong>zipien des Jūdō aufzuschlüsseln<br />

und erfahrbar zu machen?<br />

Auch wenn es Ausnahmen gibt, so wird doch im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e<br />

Kata an „Bewertungskriterien“ und nicht am Lernwert gemessen -<br />

e<strong>in</strong>e Kata soll schließlich e<strong>in</strong>e „schöne Vorführung se<strong>in</strong>“, oder?<br />

An dieser Stelle muss <strong>in</strong> aller Deutlichkeit widersprochen werden:<br />

Das Studieren und Praktizieren e<strong>in</strong>er Kata soll Körper und Geist<br />

schulen und fit halten, E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> das Wesen und die Funktionalität<br />

von Jūdō ermöglichen und die geübten Techniken verbessern, damit<br />

e<strong>in</strong>e Anwendung <strong>in</strong> Randori und Selbstverteidigung besser gel<strong>in</strong>gen<br />

kann. Das ist der Maßstab, an dem sich der Wert e<strong>in</strong>es Kata-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />

messen lassen muss.<br />

E<strong>in</strong>e formale Demonstration e<strong>in</strong>er Kata ist somit nicht das Ziel des<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, wohl aber e<strong>in</strong>e Nagelprobe der eigenen Fähigkeiten und je<br />

nach Situation e<strong>in</strong>e Evaluation der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit durch Prüfer oder<br />

Wertungsrichter. Selbstverständlich soll e<strong>in</strong>er öffentlichen Demons-<br />

der budoka 1-2/2011 21

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