Wenn einem Dorf das Gas abgedreht wird - Andrássy Universität ...
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6 BUDAPESTER ZEITUNG WIRTSCHAFT 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />
KOMPAKT<br />
� Kommt die Pflichtmitgliedschaft in der<br />
Kammer? Laut Zeitungsmeldungen soll die Mitgliedschaft<br />
in den Industrie- und Handelskammern<br />
angeblich schon Mitte des Jahres zur<br />
Pflicht für sämtliche in Ungarn tätigen Unternehmen<br />
und Gewerbetreibenden gemacht werden.<br />
Die landesweite MKIK des bekanntermaßen<br />
guten Orbán-Vertrauten László Parragh<br />
<strong>wird</strong> dem Vernehmen nach mit weitreichenden<br />
Vollmachten z.B. im Rechtsgebungsprozess<br />
oder in der Berufsausbildung ausgestattet.<br />
� Parteien klauen Hand in Hand. Ohne Resonanz<br />
blieb die Aussage des Fraktionschefs<br />
der Sozialisten und früheren Vizebürgermeisters<br />
von Szombathely, Csaba Czeglédi, wonach<br />
die Parteien laufend und abgestimmt öffentliche<br />
Gelder abzweigen. Das erklärt sich der Politiker<br />
mit der Gleichgültigkeit der Menschen, die von<br />
einer solchen Behauptung nicht mehr überrascht<br />
würden. Der Fidesz habe die MSZP im<br />
rechten Moment diskreditiert und tue seither so,<br />
als sei man selbst von der Korruption verschont<br />
geblieben. Es gibt landesweit ungezählte aufgedeckte<br />
Fälle, in denen mindestens 10% von<br />
Aufträgen oder Ausschreibungsgeldern an örtliche<br />
Politiker zurückflossen.<br />
� 107 Prozent für Großraum Budapest.<br />
Die Region Zentral-Ungarns ist nach der Kaufkraft<br />
pro Kopf der Bevölkerung mit 107% kaum<br />
besser gestellt als der EU-Durchschnitt. Damit<br />
liegt die ungarische Hauptstadt selbst hinter Bukarest<br />
(113%) und findet ergo keinen Platz auf<br />
der TOP25-Liste der reichsten Regionen Europas,<br />
auf der hinter London, Luxemburg und<br />
Brüssel bereits auf Platz 6 Prag und auf Platz 9<br />
Bratislava – noch vor Wien! – folgen. Nordungarn,<br />
die komplette Große Tiefebene und Süd-<br />
Transdanubien gehören derweil mit 40-45% des<br />
durchschnittlichen Einkommens zu den 20 ärmsten<br />
Regionen in Europa.<br />
� Zehn Banken erwarten Offshore-Gelder.<br />
Die Finanzaufsicht PSZÁF hat zehn Geldinstitute<br />
bestimmt, die bei der Heimkehr von Offshore-<br />
Vermögen mitwirken sollen. Ungarische Privatpersonen<br />
dürfen ihr früher am Finanzamt vorbei<br />
ins Ausland transferiertes Vermögen nunmehr<br />
vergünstigt mit 10% versteuern lassen. Unter<br />
den kooperierenden Großbanken finden sich u.<br />
a. die MKB, Erste Bank, Raiffeisen und Volksbank.<br />
� Wohnungsbau wie in den 90ern. Im vergangenen<br />
Jahr entstanden rund 20.800 Wohnungen,<br />
ein gutes Drittel weniger als noch 2009,<br />
meldete <strong>das</strong> Zentralamt für Statistik (KSH). Die<br />
Zahl der neu erteilten Baugenehmigungen sank<br />
gar auf <strong>das</strong> historische Tief von 17.350, weshalb<br />
2011 am Wohnungsmarkt ganz sicher nicht mit<br />
einer Erholung gerechnet werden darf. In der<br />
Neubaustatistik fanden sich zuletzt Ende der<br />
90er Jahre so wenige übergebene Wohnungen<br />
– die Branche geht von einer „natürlichen Reproduktionsrate“<br />
mit 40.000 Wohnungen im Jahr aus.<br />
Richtigstellung des Artikels, der am 6. Dezember<br />
2010 (11. Jahrgang/Nummer 49) unter dem Titel<br />
„Ungarische Unternehmer: Der Ikarus-Mann<br />
Gábor Széles – Privatisieren auf Ungarisch“ erschienen<br />
ist.<br />
n unserem Artikel, der am 6. Dezember 2010<br />
Ierschienen ist, haben wir auf Grundlage von<br />
Informationen, die uns zugespielt worden sind,<br />
und die – wie sich herausgestellt hat – falsche<br />
Fakten enthielten, folgendes veröffentlicht: „Die<br />
MNV strengte gegen die Unternehmen MT-Liz<br />
und Ikarus Holding einen Megaprozess an, bei<br />
dem es um mehr als 20 Milliarden Forint ging.<br />
Die Klage: vielfache Unterlassung der Verpflichtung<br />
zur Erhaltung der Belegschaft. Inzwischen<br />
belaufen sich die Forderungen des Staates auf<br />
rund 34 Milliarden Forint. Das Verfahren am<br />
Hauptstädtischen Gericht ist nach fünf Jahren<br />
allerdings noch immer anhängig.“<br />
Die Ankündigung der lang erwarteten<br />
Strukturreformen und Ausgabenkürzungen<br />
wurde vergangene<br />
Woche wieder verschoben. Bei der<br />
Bekanntgabe kam es zu einiger Verwirrung,<br />
als die Regierungssprecherin<br />
und der Sprecher des Regierungschefs<br />
unterschiedliche Veröffentlichungsfristen<br />
für die Einzelheiten<br />
des Reformpakets nannten.<br />
Die immer wieder verschobene Bekanntgabe<br />
der sogenannten „Reformpläne“<br />
erinnert frappant an die<br />
Art und Weise, wie die Regierung<br />
Gyurcsány mit Reformen umging.<br />
Gyurcsány konnte sich damals nicht<br />
dazu entschließen, die erforderlichen<br />
Schritte zu setzen und professionelle<br />
Verbündete, wie Lehrer<br />
und Ärzte für seine Änderungspläne<br />
hinter sich zu versammeln.<br />
ie Märkte warten darauf, <strong>das</strong>s<br />
DRegierungschef Viktor Orbán<br />
seine Versprechen, die er vor <strong>einem</strong><br />
Monat in <strong>einem</strong> Interview im „Wall<br />
Street Journal“ gemacht hatte, einlöst.<br />
Damals reichten einige Worte<br />
über Ausgabenkürzungen, um die<br />
Märkte und Investoren in Hinblick<br />
auf die Stabilität des Finanzsektors<br />
in Ungarn zu beruhigen. Jetzt reichen<br />
den Investoren keine schönen<br />
Versprechungen mehr, sie haben genug<br />
von der offensichtlichen Unentschlossenheit<br />
der Regierung.<br />
Falls auf der Seite der Investoren<br />
wieder allgemeine Skepsis aufkommen<br />
sollte, könnte die Ankündigung<br />
der Regierung, strikte Maßnahmen<br />
konsequent durchzuführen,<br />
bei den Märkten auf Unglauben<br />
stoßen.<br />
Für die Verzögerungen gibt es<br />
allerdings einige wichtige Gründe:<br />
Richtigstellung<br />
Stellenangebot<br />
Die Schweizerische Botschaft in Budapest sucht per 1. Juni 2011 oder so rasch wie möglich eine/n :<br />
Dynamische/n Sachbearbeiter/in im administrativen Bereich<br />
Zu den abwechslungsreichen und selbständigen Aufgaben gehören:<br />
� Stellvertretung der Betriebsleiterin (Finanzen- und Sicherheitsfragen, Unterhalt der Immobilien, usw.)<br />
� Sekretariat des Geschäftsträgers der Botschaft mit eigenen administrativen Verantwortlichkeiten<br />
� Stellvertretung des Systemadministrators (Informatik)<br />
� Verwaltung der elektronischen Dateien der Botschaft<br />
� Hilfe in konsularischen Spezialfällen; Kontakte mit den ungarischen Behörden<br />
� Hilfe an durchreisende Schweizer<br />
Profil:<br />
Wir suchen eine Allrounderin oder einen Allrounder, selbständig, zuverlässig, offen, kundenorientiert, belastbar<br />
und kontaktfreudig. Sie haben eine rasche Auffassungsgabe und gute Arbeitsorganisation, sind teamorientiert<br />
und zeigen eine überdurchschnittliche Einsatz-bereitschaft.<br />
Sprachkenntnisse: Wir suchen eine Person deutscher Muttersprache mit perfekten Kenntnissen in<br />
Ungarisch. Gute Französisch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift sind eine wertvolle Bereicherung.<br />
Bewerbungen:<br />
Bitte senden Sie Ihr Bewerbungsdossier (inkl. Motivationsschreiben, Lebenslauf mit Foto, Referenzen usw.)<br />
bis 31. März 2011 an die Schweizer Botschaft :<br />
� per Mail : bud.vertretung@eda.admin.ch<br />
� oder per Post an : Schweizerische Botschaft, Stefánia út 107, 1143 Budapest<br />
<strong>Gas</strong>tkommentar zu den erwarteten Strukturreformen<br />
Risiken der Ungewissheit<br />
Den obigen Zeilen widersprechend sind nach<br />
<strong>einem</strong> Urteilspruch des Obersten Gerichts, den<br />
uns Herr Gábor Széles zur Verfügung gestellt<br />
hat, folgende Fakten wahr:<br />
In Vertretung des ungarischen Staates reichte<br />
die MNV Zrt. beim Hauptstädtischen Gericht<br />
gegen die MT-Liz und die Ikarus Holding eine<br />
Klage ein, welche die Zahlung einer Konventionalstrafe<br />
in Höhe von 199.613.335 Forint plus<br />
Zinsen zum Inhalt hatte. Der Prozess wurde<br />
durch die zum Interessenkreis von Herrn Gábor<br />
Széles zählenden Firmen, die Unternehmen MT-<br />
Liz und Ikarus Holding vollständig gewonnen,<br />
die von der MNV Zrt. eingereichte Klage wurde<br />
vom Gericht vollständig und rechtkräftig abgewiesen.<br />
Auf diesem Wege bitten sowohl unsere<br />
Redaktion als auch der Urheber des betreffenden<br />
Artikels, der Journalist Peter Bognar, Herrn Gábor<br />
Széles wegen der Veröffentlichung unwahrer<br />
Tatsachen um Entschuldigung.<br />
Die Behörden arbeiten immer noch<br />
an dem Paket, über <strong>das</strong> es weder<br />
innerhalb der Regierung noch in<br />
der parlamentarischen Mehrheit einen<br />
Konsens gibt. Das Wirtschaftsministerium<br />
unter der Leitung von<br />
György Matolcsy sucht noch immer<br />
nach einer geeigneten und politisch<br />
akzeptablen Wirtschaftspolitik, die<br />
gleichzeitig mit wenigen Einschnitten<br />
Geld spart. Allerdings sind die<br />
von der Regierung identifizierten<br />
Probleme dieselben wie vor Monaten<br />
und Jahren: Hohe Verschuldung<br />
und niedrige Erwerbsquote.<br />
Es scheint keine neue radikale Lösung<br />
für <strong>das</strong> Problem zu geben. Das<br />
heißt auch, <strong>das</strong>s ein Sturm der politischen<br />
Entrüstung nach der Veröffentlichung<br />
des Programms wohl<br />
unvermeidlich sein <strong>wird</strong>.<br />
Ministerpräsident Orbán verteidigte<br />
umgehend die Vergünstigungen<br />
der drei Millionen Rentner für<br />
die öffentlichen Verkehrsmittel. Offenbar<br />
aus Angst davor, an Popularität<br />
zu verlieren. Die einzige konkrete<br />
Maßnahme, die bis zum Ende<br />
der Vorwoche veröffentlicht wurde,<br />
ist die „Hamburger-Steuer“, eine<br />
Extrasteuer, die jenen Menschen,<br />
die ein schädliches Leben führen,<br />
aufgebürdet <strong>wird</strong>. Die Zurückhaltung<br />
der Regierung kommt nicht<br />
von ungefähr, denn eine große Zahl<br />
der Wähler <strong>wird</strong> die negativen Folgen<br />
der einschneidenden Maßnahmen<br />
zu spüren bekommen. Denn<br />
die Regierung will nicht nur die<br />
Anzahl der derzeit 800.000 Invalidenrentner<br />
bedeutend reduzieren,<br />
sondern auch die Sozialhilfe beschneiden.<br />
Insgesamt beläuft sich<br />
Zahl der Langzeitarbeitslosen auf<br />
etwa 300.000. Vor einigen Wochen<br />
wurde die Reduzierung von Medikamentenunterstützungangekündigt,<br />
was 100 Milliarden Forint im<br />
Jahr an Einsparungen bringt. Um<br />
<strong>das</strong> Defizit unter dem angestrebten<br />
Wirtschaftsminister Matolcsy.<br />
Niveau zu halten, erlegte sich die<br />
Regierung zudem noch die Anlage<br />
eines 250 Milliarden Forint starken<br />
Sicherheitspolsters auf. Während<br />
die spezifischen wirtschaftlichen<br />
Maßnahmen noch in Ausarbeitung<br />
sind, trägt die Arbeit an der neuen<br />
Verfassung dazu bei, die Anleger zu<br />
beruhigen. Tibor Navracsics, der<br />
stellvertretender Ministerpräsident<br />
ist, erklärte dazu, <strong>das</strong>s die neue<br />
Verfassung ähnlich wie <strong>das</strong> polnische<br />
Grundgesetz eine Obergrenze<br />
für die Staatsverschuldung in Höhe<br />
von 55 bis 60 Prozent setzen <strong>wird</strong>.<br />
Das Konjunkturpaket scheint<br />
höchst ungewiss, denn es gibt wei-<br />
tere Konfliktherde innerhalb der<br />
Regierung. In der Bildungspolitik<br />
etwa ist nur eine langsame Annäherung<br />
zwischen den ideologisch<br />
starrsinnigen christdemokratischen<br />
Politikern und den Pragmatiker des<br />
Fidesz zu beobachten. Der Juniorpartner<br />
KDNP könnte sich angesichts<br />
des Versuchs des Fidesz bei<br />
der Ausarbeitung der neuen Verfassung<br />
die Opposition mit einzubeziehen,<br />
übervorteilt fühlen. Dies bedeutet<br />
allerdings, <strong>das</strong>s bei Themen<br />
wie Abtreibung und christlich-demokratischen<br />
Werten Kompromisse<br />
eingegangen werden müssen. Es<br />
formiert sich weiterhin eine außerparlamentarische<br />
Opposition, die<br />
gegen die Auswirkungen der Steuersenkungen,<br />
die vor allem Besserbis<br />
Großverdiener begünstigen und<br />
Geringverdienern weniger lassen,<br />
kämpft. Verschiedene Organisationen<br />
kündigten bereits Aktionen gegen<br />
diese Steuer an. Gleichzeitig<br />
lässt die Gesundheitsreform auf sich<br />
warten, wobei die Geduld der Ärzte<br />
schwindet.<br />
Die Verzögerungen bei der Haushaltsreform<br />
bedeuten nicht, <strong>das</strong>s Orbán<br />
die harten, aber notwendigen<br />
Entscheidungen nicht treffen <strong>wird</strong>.<br />
Allerdings schafft die Atmosphäre<br />
von Unsicherheit einen Nährboden<br />
für Angst und Spekulationen. Dies<br />
könnte <strong>das</strong> Ansehen des Fidesz auf<br />
den Märkten und auf lange Sicht<br />
auch bei den Wählern mindern. Die<br />
Frage ist also nicht, was zu tun ist,<br />
sondern wann und wie. Bekanntlich<br />
steckt der Teufel im Detail.<br />
PÉTER KREKÓ