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Wenn einem Dorf das Gas abgedreht wird - Andrássy Universität ...

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11. Jahrgang/Nr. 9 Budapest, 28. Februar - 6. März 2011 www.bzt.hu 750 Forint - 3,00 Euro<br />

KONTROVERSE:<br />

Vertreter von Regierung und<br />

Opposition trafen sich beim DWC<br />

zu einer Podiumsdiskussion.<br />

Politik Seite 4-5 Wirtschaft Seite 6 Kultur Seite 11<br />

EINE REPORTAGE<br />

VON PETER BOGNAR,<br />

KONSTANZE FAßBINDER,<br />

INES GRUBER UND LISA WEIL<br />

2000 Einwohner, 90% Roma,<br />

100% Arbeitslosigkeit – <strong>das</strong> ist die<br />

Realität in Tiszabõ.<br />

m etwa 120 Kilometer entfern-<br />

Iten Budapest spricht die Regierung<br />

im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft<br />

davon, wie man die<br />

Roma durch Bildung integrieren<br />

solle. In Tiszabõ und dem nahe gelegenen<br />

Tiszabura, den beiden einkommensschwächsten<br />

Gemeinden<br />

des Landes, wäre man hingegen<br />

froh, wenn man den normalen<br />

Schulbetrieb aufrecht erhalten<br />

könnte: Während die Schule in Tiszabura<br />

wegen unbezahlter <strong>Gas</strong>rechnungen<br />

bereits geschlossen<br />

wurde, hängt es in Tiszabõ am seidenen<br />

Faden, ob der Ort sich seine<br />

Bildungseinrichtung weiter leisten<br />

kann.<br />

Hoffnungslosigkeit und <strong>das</strong> Gefühl,<br />

von der Regierung im Stich<br />

gelassen worden zu sein, überwältigen<br />

die Menschen dort Tag für<br />

Tag. Akute Mängel gehören für die<br />

meisten Einwohner zum Alltag:<br />

Mangel an Heizmaterial, Strom,<br />

Arbeit, Bildung und Perspektive.<br />

Dafür haben sie andere Faktoren<br />

wie Straßenhunde, Frustration,<br />

Kriminaltät, Schulden und vor allem<br />

Zeit im Überfluss.<br />

Reise<br />

ins Nirgendwo<br />

Trotz eindringlicher Warnung im<br />

unweit gelegenen Törökszentmiklós<br />

– es sei in Tiszabõ sehr gefährlich<br />

– fuhr <strong>das</strong> Reportageteam der<br />

KONJUNKTURPAKET:<br />

Die umfassenden Reformprogramme<br />

der Regierung lassen<br />

weiterhin auf sich warten.<br />

BUDAPESTER ZEITUNG in die beiden<br />

ärmsten Gemeinden Ungarns.<br />

Die Fahrt dorthin führte über mit<br />

Schlaglöchern übersäte, vereiste<br />

KURIOSITÄT:<br />

Andrej Tóth stellt auf dem<br />

Kulturschiff A38 seine etwas<br />

anderen Bilder vor.<br />

Straßen, einspurige Eisenbahnbrücken<br />

und ungesicherte Dämme in<br />

ein Niemandsland. Weit abseits von<br />

ausgerollten roten Teppichen, Sekt-<br />

empfängen und vollmundigen Politikerreden<br />

bot sich in Tiszabõ ein<br />

Bild der Trostlosigkeit. In Tiszabura,<br />

der zweitärmsten Ort Ungarns,<br />

KRITIK:<br />

Historiker Hans Mommsen<br />

spricht über die nationalsozialistische<br />

Vergangenheit Deutschlands.<br />

Gesellschaft Seite 16<br />

Reise in die zwei ärmsten Ortschaften Ungarns<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>einem</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>das</strong> <strong>Gas</strong> <strong>abgedreht</strong> <strong>wird</strong><br />

In Deutschland war es 1949 <strong>das</strong> letzte Mal<br />

soweit, in Frankreich kam es 1958 zuletzt<br />

dazu und nun, 2011, soll auch in Ungarn eine<br />

neue Verfassung den Beginn einer neuen<br />

Staatlichkeit symbolisieren. Nach Bekanntwerden<br />

der Wahlergebnisse sprach Premier<br />

Viktor Orbán von einer „Revolution in den<br />

Wahlkabinen“. Die Ablösung der Verfassung<br />

von 1949 durch ein neues Staatsrecht<br />

ist in den Augen der Regierung die logische<br />

und einzig mögliche Option.<br />

eit der Wende gab es mehrere Anläufe,<br />

Sdem Staat eine neue Verfassung zu geben.<br />

Sowohl die Antal-Regierung (1990-94)<br />

als auch die Regierung Horn (1994-98)<br />

unternahmen entschlossene, jedoch wenig<br />

erfolgreiche Versuche, den Systemwechsel<br />

BZT / Peter Bognar<br />

Roma-Kinder auf dem Schulhof in Tiszabõ – noch befinden sie sich auf einer „Insel des Friedens“.<br />

mittels einer neuen Verfassung zum Abschluss<br />

zu bringen. So sehr eine neue<br />

Verfassung selbst noch 1998 notwendig gewesen<br />

wäre als Viktor Orbán <strong>das</strong> erste Mal<br />

die Regierungsgeschäfte übernahm, so sehr<br />

scheiterte auch er daran, einen breiten, für<br />

dieses Vorhaben notwendigen Konsens herzustellen.<br />

Gelebte Verfassung<br />

Trotz Flickenschusterei hat sich die ungarische<br />

Verfassung in den letzten 20 Jahren jedoch<br />

als durchaus belastbares Staatskonzept<br />

bewährt. Neben diversen Änderungen hat<br />

vor allem <strong>das</strong> Verfassungsgericht dabei geholfen,<br />

Ungenauigkeiten im Text zu interpretieren<br />

und damit Rechtssicherheit herzu-<br />

stellen. Ähnlich wie beim deutschen Grundgesetz<br />

wurde die Verfassung aber nie durch<br />

den Willen des Volkes legitimiert. In beiden<br />

Fällen hat sich dies jedoch im Prinzip als obsolet<br />

erwiesen, da die gelebte Verfassung akzeptiert<br />

war und ihre Legitimität nicht in<br />

Frage gestellt wurde.<br />

Verschiedene Konzepte<br />

Ebenso wie die fehlende Legitimierung<br />

findet der Fidesz weiterhin die Tatsache inakzeptabel,<br />

<strong>das</strong>s die Verfassung Ungarns rein<br />

formal noch immer auf „stalinistischen<br />

Grundlagen“ beruht. Nicht zuletzt diese beiden<br />

Makel will der Fidesz nun mittels einer<br />

neuen Verfassung beheben. Durch ihre verfassungsändernde<br />

Zweidrittelmehrheit ist<br />

gab es zumindest vereinzelt noch<br />

einen Funken Hoffnung.<br />

Lesen Sie den vollständigen<br />

Artikel auf den Seiten 8-9.<br />

Ungarn bekommt eine neue Verfassung<br />

Ohne stalinistische Wurzeln und vom Volkswillen legitimiert<br />

www.takarékbank.hu<br />

KURSE<br />

322.12 323.64<br />

18. Feb. 25. Feb.<br />

269.65 272.80<br />

18. Feb. 25. Feb.<br />

208.56<br />

18. Feb.<br />

207.68<br />

25. Feb.<br />

198.67 201.72<br />

18. Feb. 25. Feb.<br />

BSE<br />

OPEN<br />

22,548.10<br />

21. Feb.<br />

Budapest<br />

Stock Exchange<br />

BUX peak: 30,118.12 July 23, 2007<br />

BUX low: 9,461 March 13, 2009<br />

22,548.10<br />

22,573.15<br />

23,046.76<br />

22,537.64<br />

22,363.85<br />

22,352.78<br />

MO DI MI DO FR<br />

die Regierungskoalition bei diesem Vorhaben<br />

nicht auf die Zustimmung der anderen drei<br />

im Parlament vertretenen Parteien angewiesen.<br />

Neben dem Konzept der Fidesz-KDNP-<br />

Fraktion haben noch die MSZP und die<br />

LMP eigene Verfassungskonzepte vorgelegt.<br />

Allerdings sieht nur die ehemalige Regierungspartei<br />

MSZP die Notwendigkeit einer<br />

neuen Verfassung. Die seit 2010 <strong>das</strong> erste<br />

Mal im Parlament vertretene LMP spricht<br />

sich hingegen klar gegen eine neue<br />

Verfassung aus. Sie erkennt lediglich die<br />

Notwendigkeit diverser Verfassungsänderungen<br />

an.<br />

Auf der Seite 3 stellen wir Ihnen die wichtigsten<br />

Eckpunkte der verschiedenen Verfassungsentwürfe<br />

vor.<br />

CLOSE<br />

23,046.76<br />

25. Feb.<br />

771785 110000 1 1 0 0 9


2 BUDAPESTER ZEITUNG POLITIK 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

KOMPAKT<br />

� Jobbik legt Kranz vor Holocaust-Mahnmal<br />

nieder. Wie <strong>das</strong> Internetportal index.hu<br />

berichtet, hat die Jobbik-Partei im Rahmen des<br />

von ihnen ausgerufenen „Tag der Ehre“ an <strong>einem</strong><br />

Holocaust-Mahnmal in Karcag einen Kranz<br />

niedergelegt. Dabei habe es sich jedoch laut<br />

dem Vize-Vorsitzenden der Partei, Elõd Novák,<br />

um ein Versehen gehandelt; <strong>das</strong> Mahnmal war<br />

für ein Kriegerdenkmal gehalten worden. Durch<br />

minimalen Rechercheaufwand hätte dies verhindert<br />

werden können: Auf der Rückseite des<br />

Denkmals, vor dem Novák auch eine Rede hielt,<br />

ist auf einer Plakette folgende Aufschrift zu<br />

lesen: „Zum ewigen Gedenken an die in Vernichtungslagern<br />

und Arbeitsdiensten ermordeten<br />

446 jüdischen Karcager Märtyrer“.<br />

� Rauchverbot in <strong>Gas</strong>tstätten ab Sommer.<br />

Mehrere Abgeordnete der Regierungskoalition<br />

stellten einen Antrag auf Änderung des Nichtraucher-Schutzgesetzes<br />

dahingehend, <strong>das</strong>s in<br />

sämtlichen öffentlichen Gebäuden <strong>das</strong> Rauchen<br />

nicht mehr gestattet sein soll. Der Vorschlag<br />

beinhaltet außerdem Bußgelder bei Verstößen<br />

gegen die neue Regelung. Allerdings soll es eine<br />

Übergangsfrist von drei Monaten ab Juli geben.<br />

Die Einnahmen aus den Bußgeldern sollen<br />

ausschließlich für gesundheitspolitische Zwecke<br />

verwendet werden.<br />

� Untersuchungsausschuss zur Staatsverschuldung.<br />

Am heutigen Montag <strong>wird</strong> ein<br />

Untersuchungsausschuss zur Entstehung der<br />

Staatsverschuldung eingesetzt. Dieser soll nach<br />

Ansicht der Regierung herausfinden, „wer und<br />

aus welcher Motivation heraus Ungarn endgültig<br />

und dramatisch in den letzten 8 Jahren verschuldet<br />

hat“. Regierungssprecher Péter<br />

Szíjjártó bezeichnete die Staatsschulden als<br />

den größten Feind der Nation, den es anzugehen<br />

gelte. Der Ausschuss <strong>wird</strong> ausschließlich<br />

aus Mitgliedern des Fidesz bestehen.<br />

BUDAPESTER ZEITUNG<br />

ISSN 1419-8770<br />

Verlag: BZT Media Kft.<br />

1037 Budapest, Kunigunda útja 18<br />

Chefredakteur & Herausgeber: Jan Mainka<br />

Tel: 453-0752, 453-0753 Fax: 240-7583<br />

E-Mail: verlag@bzt.hu - redaktion@bzt.hu<br />

Internet: www.bzt.hu<br />

Politik: Peter Bognar<br />

Kultur: Ines Gruber<br />

Fotos: Aaron Taylor<br />

Layout: Zsuzsa Urbán<br />

Marketing & Sales: Jan Mainka<br />

Abo & Distribution: Ildikó Varga<br />

Druck: Adoc Nyomda Kft.<br />

Kioskvertrieb: Hungaropress Kft.<br />

Abonnement:<br />

Tel.: 453-0752 oder E-Mail: verlag@bzt.hu<br />

Preis In Forint In Euro<br />

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Protection:<br />

Budapester Zeitung ist Partner der:<br />

THE BUDAPEST TIMES<br />

Schmiergeldaffäre im Verteidigungsministerium<br />

Ex-Verteidigungsminister unter Verdacht<br />

Muskelprotze mit politischem Rückenwind: Gute Geschäfte dank hochrangiger Beziehungen.<br />

Der ehemalige sozialistische Verteidigungsminister<br />

Ferenc Juhász (2002-2006) steht mit dem<br />

Rücken zur Wand. Juhász wurde am vorvergangenen<br />

Freitag in der Sendung Célpont des ungarischen<br />

Nachrichtensenders hírTV zur Last gelegt,<br />

Schmiergelder entgegengenommen zu haben.<br />

ach Informationen von hírTV sagte der der<br />

NBestechung verdächtigte Brigadegeneral<br />

János O. gegenüber der Staatsanwaltschaft gegen<br />

den Ex-Verteidigungsminister aus. Demnach<br />

streifte auch Ferenc Juhász millionenschwere<br />

Bestechungsgelder ein. János O. sagte aus, <strong>das</strong>s<br />

er dem einstigen Staatssekretär im Verteidi-<br />

gungsministerium, László Fapál, einmal zwölf<br />

Millionen Forint in <strong>einem</strong> Kuvert überreicht habe.<br />

Gemäß jener Aussage, die hírTV vorliegt,<br />

sagte János O. wörtlich: „Er (Fapál) hat vier Millionen<br />

herausgenommen und in eine rote Getränkedose<br />

getan, möglich, <strong>das</strong>s er <strong>das</strong> Geld in<br />

eine Whisky-Dose legte. Er sagte mir daraufhin,<br />

<strong>das</strong>s dies für den Chef sei (…) Chef bedeutete<br />

Minister Ferenc Juhász.“<br />

Laut hírTV sagte János O. zudem aus, <strong>das</strong>s<br />

Fapál ihm gegenüber einmal geäußert hätte, <strong>das</strong>s<br />

jene 50 Prozent, die er bekomme, dreigeteilt<br />

würden. Außer ihm bekämen noch Ferenc Juhász<br />

und der damalige Kabinettschef Mihály Zámbori<br />

ihren Teil. Fapál wurde mit Verdacht auf Beste-<br />

Verdacht auf Veruntreuung<br />

Moskauer Immobilientransfer wirft<br />

Schatten auf Regierung Gyurcsány<br />

Neben den Korruptionsvorwürfen<br />

gegen den sozialistischen Ex-Verteidigungsminister<br />

Ferenc Juhász<br />

berichteten die regierungsnahen<br />

Medien zuletzt auch eingehend<br />

über den 2008 erfolgten Verkauf einer<br />

Moskauer Immobilie durch den<br />

ungarischen Staat. Bekanntlich war<br />

damals die linksliberale Regierung<br />

von Ferenc Gyurcsány am Ruder.<br />

Finanzminister war seinerzeit der<br />

sozialistische Politiker János Veres.<br />

as an der Sache verquer ist, ist<br />

Wder viel zu niedrige Verkaufspreis<br />

der Moskauer Immobilie. Bei<br />

der ehemaligen ungarischen Handelsvertretung<br />

handelt es sich um<br />

ein 17.000 Quadratmeter großes,<br />

zentral gelegenes realsozialistisches<br />

Gebäude, <strong>das</strong> vor dem Verkauf die<br />

größte Immobilie des ungarischen<br />

Staates im Ausland war. Das Gebäude<br />

wurde vom ungarischen Staat im<br />

Jahr 2008 um läppisch anmutende<br />

3,5 Milliarden Forint verkauft.<br />

Im November 2009 veröffentlichte<br />

die konservative Wochenzeitung<br />

Heti Válasz zum ersten Mal ei-<br />

ne offizielle Wertbestimmung des<br />

Moskauer Gebäudes. Laut Dokumenten,<br />

die Heti Válasz vorlagen,<br />

hatte jene russische Immobilienfirma,<br />

die vom ungarischen Staat<br />

mit der Veräußerung des Gebäudes<br />

beauftragt worden war, Angebote<br />

zwischen acht und 13,5 Milliarden<br />

Forint bekommen. Gleichwohl habe<br />

die Regierung Gyurcsány die<br />

Immobilie um den genannten<br />

Spottpreis an ein Offshore-Unternehmen<br />

veräußert. Die Wochenzeitung<br />

Heti Válasz ließ in ihrem<br />

Artikel damals auch durchblicken,<br />

<strong>das</strong>s selbst János Veres in der Angelegenheit<br />

involviert sein könnte.<br />

Veres hatte <strong>das</strong> Blatt daraufhin vor<br />

Gericht verklagt, allerdings erfolglos.<br />

Mindensten fünf Milliarden<br />

Forint Schaden<br />

Weil ihr die ganze Sache in hohem<br />

Maße suspekt erschienen war,<br />

hatte die Wochenzeitung Heti Válasz<br />

<strong>das</strong> Dokument der Staatsanwaltschaft<br />

zukommen lassen. Die<br />

Behörde erachtete es daraufhin für<br />

begründet, ein strafrechtliches Verfahren<br />

einzuleiten, wurde doch<br />

dem Staat ein Schaden von mindestens<br />

fünf Milliarden Forint zugefügt.<br />

Im Rahmen des Verfahrens<br />

wurden vor drei Wochen der ehemalige<br />

ungarische Botschafter in<br />

Moskau, Árpád Székely, die frühere<br />

Staatssekretärin im Außenministerium,<br />

Márta Fekszi, und der Generaldirektor<br />

des Nationalen Ungarischen<br />

Vermögensverwalters,<br />

Miklós Tátrai, festgenommen und<br />

verhört. Die drei Personen wurden<br />

aber bald wieder freigelassen.<br />

Vor zwei Wochen berichtete die<br />

Moskauer Zeitung Vedomoszty davon,<br />

<strong>das</strong>s der jetzige Eigentümer<br />

des Gebäudes, <strong>das</strong> Regionale Entwicklungsministerium<br />

in Russland,<br />

umgerechnet rund 21 Milliarden<br />

Forint, also <strong>das</strong> Siebenfache, für die<br />

Immobilie an besagtes Offshore-<br />

Unternehmen überwiesen habe.<br />

Nachdem der stellvertretende russische<br />

Ministerpräsident, Dimitri Kosak,<br />

erfahren hatte zu welchem Preis<br />

die Immobilie zuvor den Besitzer<br />

chung bereits im vergangenen Dezember in Untersuchungshaft<br />

genommen. Er war bis Juni<br />

2006 Staatssekretär im Verteidigungsministerium<br />

gewesen. Später arbeitete er als Berater für<br />

<strong>das</strong> Ministerium.<br />

In der besagten Sendung von hírTV, wurde<br />

unter Hinweis auf laufende Ermittlungen der<br />

Staatsanwaltschaft berichtet, <strong>das</strong>s es im Verteidigungsministerium<br />

seinerzeit Usus gewesen sei,<br />

<strong>das</strong>s die Offiziere fünf bis zehn Prozent der<br />

Bestellungen durch <strong>das</strong> Ministerium von den<br />

Zulieferern und vertraglichen Partnern zurückverlangt<br />

und <strong>das</strong> Geld untereinander aufgeteilt<br />

hätten. Brigadegeneral János O. soll der Kopf<br />

der korrupten Machenschaften gewesen sein.<br />

Die illegalen Gelder seien zur Hälfte in die<br />

Taschen der Offiziere und zur Hälfte in die<br />

Portemonnaies der ministeriellen Leitung geflossen.<br />

Juhász weist<br />

Vorwürfe zurück<br />

Ferenc Juhász wies die gegen ihn erhobenen<br />

Korruptionsvorwürfe umgehend zurück. Er erklärte,<br />

<strong>das</strong>s die Staatsanwaltschaft in dieser Causa<br />

bereits seit <strong>einem</strong> Jahr Ermittlungen führe und<br />

er noch kein einziges Mal als Zeuge verhört worden<br />

sei.<br />

Unterdessen schrieb die regierungsnahe, konservative<br />

Zeitung Magyar Nemzet, <strong>das</strong>s in jenen<br />

Akten, die mit den Bestechungen beim<br />

Verteidigungsministerium zu tun haben, auch<br />

die Security-Firma In-Kal Security erwähnt werde.<br />

In-Kal Security habe einige öffentliche Aufträge<br />

erhalten und angeblich auch Schmiergelder<br />

an <strong>das</strong> Verteidigungsministerium bezahlt. Die<br />

öffentlichen Aufträge seien vermutlich deshalb<br />

an In-Kal Security vergeben worden, weil der<br />

heutige stellvertretende Chef der Sozialisten,<br />

László Kovács, enge Kontakte zur Security-Firma<br />

pflege, schreibt Magyar Nemzet.<br />

PETER BOGNAR<br />

gewechselt hatte, wollte er den<br />

Kaufvertrag in seiner ersten Wut sogar<br />

für nichtig erklären lassen.<br />

Schließlich entschied die russische<br />

Regierung, <strong>das</strong> Gebäude billiger renovieren<br />

zu lassen als ursprünglich<br />

geplant gewesen war.<br />

Ferenc Gyurcsány<br />

involviert?<br />

In der vorvergangenen Woche<br />

schrieb die bereits erwähnte Wochenzeitung<br />

Heti Válasz unter Berufung<br />

auf die Regierungskontrollbehörde<br />

(Kehi), <strong>das</strong>s die damalige<br />

politische Führung des Landes<br />

vom Verkauf der Moskauer Immobilie<br />

wissen hätte müssen. Laut<br />

Kehi-Leiter Szabolcs Barna Gaál<br />

hat <strong>das</strong> Gyurcsány-Kabinett im Juni<br />

2008 in einer Regierungssitzung<br />

über <strong>das</strong> Schicksal des Moskauer<br />

Gebäudes gesprochen und registriert,<br />

<strong>das</strong>s die Immobilie nicht<br />

mehr im Eigentum des ungarischen<br />

Staates ist. Angeblich seien Außenministerin<br />

Kinga Göncz und János<br />

Veres damals beauftragt worden,<br />

die Angelegenheit mit entsprechenden<br />

Dokumenten „auszubügeln“.<br />

Vor diesem Hintergrund stellt Heti<br />

Válasz die Frage, ob nicht auch der<br />

frühere Regierungschef Ferenc<br />

Gyurcsány in die Sache involviert<br />

gewesen sei.<br />

PETER BOGNAR


28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 POLITIK BUDAPESTER ZEITUNG 3<br />

ngeachtet der Forderungen der<br />

UOpposition <strong>wird</strong> es über die<br />

neue Verfassung allerdings keine<br />

Volksabstimmung geben. So <strong>wird</strong><br />

der häufig genannte Makel der noch<br />

gültigen Verfassung, keine Legitimation<br />

durch <strong>das</strong> Volk zu haben, erneut<br />

nicht behoben. Stattdessen soll<br />

durch einen Fragebogen, der an jeden<br />

wahlberechtigten Ungarn verschickt<br />

<strong>wird</strong>, <strong>das</strong> Volk „Mitsprache“<br />

bekommen. Rechtsexperten stellen<br />

diese Praxis jedoch in Frage. Sie<br />

verweisen darauf, <strong>das</strong>s für die Auswertung<br />

der Fragebögen bis zur geplanten<br />

Verabschiedung der Verfassung<br />

Ende April nicht genug Zeit<br />

bleibe. Auch werden die zwölf Fragen<br />

inhaltlich kritisiert. Bei einer<br />

Mehrheit der Fragen seien die<br />

Antworten schon jetzt absehbar.<br />

Über den konkreten Inhalt der<br />

neuen Verfassung kann bislang nur<br />

spekuliert werden. Die Parlamentsdebatte<br />

zur Verfassungskonzeption<br />

am Dienstag vorvergangener Woche<br />

brachten jedenfalls wenig neue<br />

Erkenntnisse. Vermutlich auch deshalb,<br />

weil an der Debatte lediglich<br />

15 Abgeordnete teilnahmen.<br />

Neue Rolle der<br />

Stephans-Krone<br />

Die ungarische Verfassungskonzeption<br />

sieht vor, die Heilige Stephanskrone<br />

in die Präambel aufzunehmen,<br />

als „Ausdruck ungarischer<br />

Staatlichkeit“. Diese Betrachtungsweise<br />

ist bisher nur in der so genannten<br />

Lehre der Heiligen Krone<br />

vorgekommen – eine stark revisionistische<br />

Sichtweise, welche die<br />

Krone als eigentlichen Träger der<br />

Staatsmacht sieht. Jedoch hat die<br />

Ungarn bekommt eine neue Verfassung<br />

Stephans-Krone soll in die Präambel<br />

Schon 1031 und jetzt wieder: Die Heilige Stephanskrone als Symbol der Staatlichkeit.<br />

Seit dem Frühjahr 2010 heißt es aus Regierungskreisen, <strong>das</strong>s an den<br />

Wahlurnen eine „Revolution“ vollzogen worden sei. Heute ist in jedem öffentlichen<br />

Gebäude <strong>das</strong> Nationale Bekenntnis zur Zusammenarbeit zu finden,<br />

in dem sich die Regierung zu einer neuen Gesellschaftsordnung bekennt<br />

und dem ungarischen Volk für <strong>das</strong> entgegengebrachte Vertrauen<br />

und die friedliche „Revolution“ dankt. In der Menschheitsgeschichte gingen<br />

Revolutionen fast immer mit Verfassungsänderungen einher. Ein gutes<br />

Beispiel ist Frankreich. Hier wurde jede neue Republik mit einer neuen<br />

Verfassung fundiert. Im April bekommt auch Ungarn ein neues<br />

Grundgesetz.<br />

Lehre nie wissenschaftliche Anerkennung<br />

erlangt, da die Krone als<br />

völkerrechtlich souveränes Subjekt<br />

in der Rechtswissenschaft als nicht<br />

haltbar eingestuft wurde.<br />

Die Heilige Krone ist explizit<br />

nicht in die Reihe der nationalen<br />

Symbole aufgenommen. Durch die<br />

Voranstellung der Heiligen Krone<br />

in die Präambel <strong>wird</strong> ihr eine verfassungsrechtliche<br />

Sonderstellung zuteil.<br />

Laut Opposition sollten in der<br />

Präambel nur die herausragenden<br />

Staatsziele formuliert sein. Diese<br />

Meinung <strong>wird</strong> auch von der Mehrheit<br />

der Rechtsgelehrten in Deutschland<br />

und Ungarn vertreten.<br />

Besonderer<br />

Schutz der Ehe<br />

In Absatz 9 des ersten Kapitels<br />

heißt es, <strong>das</strong>s jeder Anspruch auf<br />

die unveräußerlichen Menschenund<br />

Bürgerrechte hätte. Niemand<br />

dürfe aufgrund von Rasse, Hautfarbe,<br />

Geschlecht et cetera benachteiligt<br />

werden. Die sexuelle Neigung<br />

<strong>wird</strong> unter den oben genannten<br />

Gründen nicht explizit erwähnt,<br />

kann aber durch Auslegung des Textes<br />

durchaus als ebenfalls genannt<br />

betrachtet werden.<br />

Dies erscheint in Absatz 7, wo<br />

der Begriff der Ehe definiert <strong>wird</strong>,<br />

schon in <strong>einem</strong> etwas anderen<br />

Licht. Die Ehe <strong>wird</strong> hier unter besonderen<br />

Schutz gestellt. Wörtlich<br />

heißt es in der Konzeption: „Die<br />

Verfassung (...) stellt die Ehe unter<br />

besonderen Schutz, als die grundlegendste<br />

und natürlichste Einheit<br />

zwischen Mann und Frau(...) und<br />

die daraus hervorgehende Familie“.<br />

In Hinblick auf die Anti-Diskri-<br />

minierungsgrundsätze in Absatz 9<br />

ergibt <strong>das</strong> eine andere Auslegung.<br />

Da die Institution der Familie laut<br />

Konzeption mit Mann und Frau<br />

gleichzusetzen ist, kann davon ausgegangen<br />

werden, <strong>das</strong>s jede andere<br />

Art von Lebensgemeinschaft rechtlich<br />

ins Hintertreffen gerät.<br />

Kein konstruktives<br />

Misstrauensvotum mehr<br />

Im Verfassungskonzept der oppositionellen<br />

Partei LMP beispielsweise<br />

<strong>wird</strong> dieser Sorge Ausdruck<br />

verliehen. Durch die vom Ausschuss<br />

gewählte Formulierung <strong>wird</strong> eine<br />

rechtliche Benachteiligung von Alleinerziehern<br />

oder gleichgeschlechtlichen<br />

Partnerschaften ermöglicht.<br />

Die Sozialisten (MSZP) nehmen<br />

hierzu nicht Stellung.<br />

Keinen Spielraum lässt hingegen<br />

die Formulierung zum Recht auf<br />

Leben. Im Regierungskonzept heißt<br />

es wörtlich: „Als grundlegendes<br />

Menschenrecht<br />

gebührt dem<br />

Recht auf Leben,<br />

welches mit der<br />

Empfängnis beginnt,<br />

besonderer<br />

Schutz.“ Damit<br />

<strong>wird</strong> der bisherigen<br />

Rechtspraxis<br />

in Bezug auf Abtreibungen<br />

und dem<br />

damit verbundenenSelbstbestimmungsrecht<br />

der<br />

Frau jegliche Grundlage<br />

entzogen. Besonders<br />

schwer<br />

wiegt, <strong>das</strong>s die Konzeption keinerlei<br />

Ausnahmen vorsieht. Letztlich <strong>wird</strong><br />

aber alles vom genauen Wortlaut des<br />

Verfassungstextes und von der späteren<br />

Rechtsprechung des Verfassungsgerichts<br />

abhängen. Allerdings<br />

bietet die jetzige Formulierung absolut<br />

keinen Raum für Interpretationen.<br />

Im Verfassungsentwurf der LMP<br />

heißt es dazu, es sei „komplett unbegründet,<br />

die Abtreibungsdebatte<br />

wieder zu eröffnen.“ Dementspre-<br />

Die Lehre der<br />

Heiligen Krone<br />

findet bis heute in<br />

der Wissenschaft<br />

keine Anerkennung.<br />

Sie gilt als<br />

revisionistisch.<br />

chend sei die bisherige Rechtspraxis<br />

beizubehalten, <strong>das</strong> Recht auf Leben<br />

ab dem Zeitpunkt der Empfängnis<br />

daher nicht akzeptabel. Die MSZP<br />

spricht in ihrem Entwurf vom<br />

Recht auf Leben schon vor der Geburt,<br />

jedoch unter rechtlichen Beschränkungen<br />

und strengen Bedingungen.<br />

Einer der wohl kritischsten Punkte<br />

des Verfassungskonzepts betrifft<br />

<strong>das</strong> konstruktive Misstrauensvotum.<br />

Noch kann <strong>das</strong> ungarische Parlament<br />

dem amtierenden Ministerpräsidenten<br />

<strong>das</strong> Misstrauen aussprechen<br />

und so die Neuwahl eines Ministerpräsidenten<br />

herbeiführen. Allerdings<br />

kann dem amtierenden Regierungschef<br />

nur <strong>das</strong> Vertrauen entzogen<br />

werden, wenn ein Nachfolger<br />

bereits feststeht.<br />

Die neue Verfassung soll laut Konzeption<br />

den Aspekt des konstruktiven<br />

Misstrauensvotums außen vor<br />

lassen. Ein Misstrauensvotum könnte<br />

demnach auch ohne anschließend<br />

neu gewählten Ministerpräsidenten<br />

durchgeführt wer-<br />

den. Außerdem<br />

heißt es dort, sofern<br />

<strong>das</strong> Parlament<br />

dem Ministerpräsidenten<br />

innerhalb<br />

von zwölf Monaten<br />

drei Mal<br />

<strong>das</strong> Vertrauen entzieht,<br />

ist <strong>das</strong> Parlament<br />

aufzulösen.<br />

Weiterhin kann<br />

der Staatspräsident<br />

<strong>das</strong> Parlament auflösen,<br />

sofern nach<br />

erfolgtem Misstrauensvotum binnen<br />

40 Tagen kein neuer Ministerpräsident<br />

gewählt ist. Die Einigung auf<br />

einen Ministerpräsidenten nicht als<br />

zwingenden Teil des Misstrauensvotums<br />

zu verankern, lässt den Schluss<br />

zu, <strong>das</strong>s mit dieser Regelung - aus<br />

welchen Gründen auch immer - der<br />

Weg zu vorgezogenen Neuwahlen bewusst<br />

geebnet werden soll. Denn ist<br />

die regierende Koalition mit ihrem<br />

Ministerpräsidenten unzufrieden und<br />

spricht sie ihm <strong>das</strong> Misstrauen aus,<br />

BZT / Aaron Taylor<br />

ohne sich auf einen Nachfolger zu einigen,<br />

sind Neuwahlen <strong>das</strong> Einzige,<br />

um diese Situation zu lösen.<br />

Schwammige<br />

Vertrauensfrage<br />

Ebenfalls kritisch ist der zweite<br />

Absatz zur Auflösung des Parlaments<br />

zu betrachten. Der Staatspräsident<br />

wäre demnach berechtigt, <strong>das</strong> Parlament<br />

in Fällen von politischen Vertrauenskrisen<br />

aufzulösen. Was sich<br />

im ersten Anlauf wie die Grundlage<br />

analog zur Vertrauensfrage in<br />

Deutschland liest, entpuppt sich<br />

beim zweiten Lesen als absolut unkonkrete<br />

Formulierung ohne Schranken<br />

und klare Richtlinien. Während<br />

in Deutschland an die Vertrauensfrage<br />

enorm hohe verfassungsrechtliche<br />

Ansprüche gestellt werden und sie<br />

nach gängiger Rechtsprechung explizit<br />

nicht aus politischen Gründen<br />

gestellt werden darf, sieht die ungarische<br />

Konzeption keinerlei Beschränkungen<br />

vor. Insbesondere <strong>das</strong><br />

Recht des Staatspräsidenten, <strong>das</strong><br />

Parlament aufzulösen, wirft viele<br />

Fragen auf. Auf wessen Initiative löst<br />

er <strong>das</strong> Parlament auf? Wann ist die<br />

„verfassungsrechtlich-politische Vertrauenskrise“<br />

erreicht, so<strong>das</strong>s eine<br />

Parlamentsauflösung notwendig<br />

<strong>wird</strong>?<br />

Im Verfassungsentwurf der LMP<br />

<strong>wird</strong> die im Regierungskonzept<br />

vorgeschlagene Auflösung des Parlaments<br />

für den Fall, <strong>das</strong>s binnen<br />

zwölf Monaten kein Haushalt verabschiedet<br />

<strong>wird</strong>, unterstützt. Allerdings,<br />

so die LMP, darf der Wirkungskreis<br />

des Staatspräsidenten<br />

nicht in dem Maße erweitert werden,<br />

wie es <strong>das</strong> Regierungskonzept<br />

vorsieht. Dies würde zu einer Verschiebung<br />

in Richtung eines präsidialen<br />

Systems führen und damit<br />

die Kräfteverhältnisse innerhalb des<br />

Staatssystems stark verändern,<br />

meint die LMP. Die MSZP sieht die<br />

Aufgaben des Staatspräsidenten in<br />

der Verfassung von 1989/90 zur<br />

Genüge beschrieben. Es seien daher<br />

keine Änderungen notwendig.<br />

Auch die Frage des konstruktiven<br />

Misstrauensvotums sieht die MSZP<br />

durch die bisherige Verfassung und<br />

insbesondere durch die Deutung<br />

des Verfassungsgerichts als geklärt an.<br />

Erbrecht als Teil der Verfassung<br />

Zu hinterfragen ist schließlich<br />

auch, warum die Verfassungskonzeption<br />

unter dem Recht auf die<br />

Unverletzlichkeit des Eigentums<br />

auch die Pflicht zur Nachlassregelung,<br />

sprich zum Aufsetzen eines<br />

Testaments, anführt. Das Erbrecht<br />

ist in Deutschland – und derzeit<br />

auch noch in Ungarn – Teil des<br />

Zivilrechts und <strong>wird</strong> durch Gesetze<br />

geregelt. In keiner anderen europäischen<br />

Verfassung ist <strong>das</strong> Erbrecht<br />

als Teil des Staatsrechts angesiedelt.<br />

Das Konzept sieht als eines der<br />

Staatsziele an, jedem Bürger zu<br />

Arbeit zu verhelfen. Dieser Punkt<br />

ist aus zwei Gründen kritisch zu betrachten.<br />

Einerseits wäre die Formulierung<br />

eines Staatsziels in der<br />

Präambel besser aufgehoben (siehe<br />

oben). Andererseits ist die Hilfe zu<br />

Arbeit als Recht so schwammig formuliert,<br />

<strong>das</strong>s sich daraus keine<br />

Pflicht des Staates ableiten lässt.<br />

Heute findet man <strong>das</strong> „Recht auf<br />

Arbeit“ nur noch in sozialistischen<br />

Verfassungen in Lateinamerika.<br />

Freilich, die Konzeption ist noch<br />

lange keine Verfassung, nichtsdestoweniger<br />

lassen sich in ihr viele<br />

Punkte erkennen, die, im Falle ihrer<br />

Umsetzung, zumindest kritisch zu<br />

betrachten wären.<br />

ELISABETH KATALIN GRABOW


4 BUDAPESTER ZEITUNG POLITIK 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 POLITIK BUDAPESTER ZEITUNG 5<br />

DWC-Podiumsdiskussion zur Lage Ungarns<br />

„In Ungarn gibt es keine Demokratiekrise“<br />

Neben den vielen bekannten, eher wirtschaftlichen Problemen, wie die hohe<br />

Staatsverschuldung und die zu geringe Beschäftigungsrate, hat Ungarn auch<br />

schwerwiegende politische Probleme. Nicht zuletzt die Unfähigkeit und Unwilligkeit<br />

der Vertreter verschiedener politischer Lager, ihre Meinungsverschiedenheiten<br />

im offenen Wettbewerb der Argumente direkt und gesittet<br />

miteinander auszutragen. Letzten Mittwoch bot der Deutsche Wirtschaftclub<br />

(DWC) <strong>das</strong> Forum für einen solchen Wettbewerb.<br />

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion<br />

unter dem Titel „Quo Vadis Magyarország?“<br />

machten sich Vertreter von<br />

Regierung und Opposition in entspannter<br />

Atmosphäre Gedanken über<br />

die Lage und Aussichten ihrer Heimat.<br />

Die Regierung wurde dabei von<br />

Zoltán Kovács (Fidesz), Staatssekretär<br />

im Ministerium für öffentliche Verwaltung<br />

und Justiz, vertreten. Unterstützt<br />

wurde er vom Medienjuristen<br />

Márk Lengyel.<br />

Counterpart der beiden war ein weiterer<br />

Kovács, nämlich <strong>das</strong> MSZP-Urgestein<br />

László Kovács, derzeit Vize seiner<br />

Partei und vormals unter anderem<br />

Parteichef, Außenminister und EU-<br />

Kommissar, um nur die wichtigsten<br />

seiner zahlreichen ehemaligen Funktionen<br />

zu nennen. Die Moderation des<br />

Abends oblag Frau Ellen Bos, Leiterin<br />

der Doktorschule an der <strong>Andrássy</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> Budapest. Flankiert wurde<br />

die Runde durch die DWC-Vorstandsmitglieder<br />

Arne Gobert (Rechtsanwalt<br />

bei der Anwaltskanzlei Gobert, Fest &<br />

Partners) sowie Jan Mainka (Herausgeber<br />

der Budapester Zeitung und Budapest<br />

Times).<br />

Eröffnet wurde der Abend vom<br />

DWC-Vorsitzenden Manfred Bey, der in<br />

seiner Begrüßungsansprache keinen<br />

Hehl aus seiner Freude darüber machte,<br />

<strong>das</strong>s dem Club die schöne Aufgabe zugefallen<br />

ist, einmal die Bühne für eine<br />

der seltenen, außerhalb des Parlaments<br />

stattfindenden Begegnungen von Regierung<br />

und Opposition abzugeben.<br />

Sodann hatten die Vertreter der Diskussionsrunde<br />

<strong>das</strong> Wort. Im Wesentlichen<br />

wurden in den folgenden gut<br />

zwei Stunden die Themen Krisenbewältigung,<br />

Strukturreformen, Demokratie<br />

und Mediengesetz systematisch<br />

abgehandelt.<br />

Lesen Sie im Folgenden einige Auszüge<br />

aus den Beiträgen, wobei natürlich die<br />

Meinungen der beiden Spitzenpolitiker<br />

den Vorrang genießen. Da Zoltán Kovács<br />

als Regierungsvertreter häufiger um seine<br />

Meinung gebeten wurde als László<br />

Kovács, ist der Staatssekretär auch unter<br />

den nachstehenden Auszügen überproportional<br />

vertreten. Zunächst die Eröffnungserklärungen:<br />

� Zoltán Kovács: Vor neun Monaten<br />

gab es ein – selbst mit Blick auf <strong>das</strong> ungarische<br />

Wahlsystem – ungewohntes<br />

Ergebnis: Eine Parteienallianz aus Fidesz<br />

und KDNP errang eine Zweidrittelmehrheit,<br />

mit der sie sich auf den<br />

Weg machen konnte, die Aufgaben abzuarbeiten,<br />

die teilweise schon seit<br />

langem bekannt waren beziehungsweise<br />

sich aus den Erfahrungen der letzten<br />

zwanzig Jahre ergaben. (…) Unsere<br />

Ziele sind außerordentlich ambitiös.<br />

Hinter ihnen steht vor allem die Erkenntnis,<br />

<strong>das</strong>s unser Land irgendwo<br />

vom Weg abgekommen ist, sich verirrt<br />

hat. Nach unserer Sicht ist unser Land<br />

an einen Scheideweg angelangt, an<br />

dem wir mit der auf Illusionen und<br />

bloßen Worten beruhenden Politik brechen<br />

müssen. Stattdessen müssen jetzt<br />

Taten und eine echte Umgestaltung die<br />

Hauptrolle spielen. Eine besondere<br />

Bedeutung hat die Forderung mit Blick<br />

auf die vergangenen acht Jahre, in denen<br />

Ungarn seine Führungsrolle in der<br />

Region eingebüßt hat und zu <strong>einem</strong><br />

der Schlusslichter Europas wurde. Es<br />

kam sogar zu so bedauerlichen Ereignissen<br />

wie 2006, als sich die Regierung<br />

gegen <strong>das</strong> eigene Volk wandte. (...)<br />

Wir haben mit der Entschlossenheit<br />

<strong>das</strong> Regierungsruder übernommen, die<br />

Neugestaltung des Landes mit voller<br />

Kraft voranzutreiben und die Aufgaben<br />

zu erledigen, denen sich in den<br />

letzten zwanzig Jahren keine Regierung<br />

stellen wollte oder konnte. Wir<br />

wollen die Bedingungen für eine nachhaltige<br />

Entwicklung Ungarns schaffen,<br />

eine Entwicklung, die in jeder Beziehung<br />

den Normen entspricht, zu denen<br />

sich Ungarn auch bisher schon bekannt<br />

hat beziehungsweise den Erwartungen,<br />

denen Ungarn als Mitglied<br />

der EU und zahlreicher weiterer internationaler<br />

Organisationen entsprechen<br />

möchte.<br />

� László Kovács: In einer Sache stimme<br />

ich mit dem Staatssekretär sicher<br />

überein, nämlich, <strong>das</strong>s solche Begegnungen<br />

sehr nützlich sind. (…) <strong>Wenn</strong><br />

mich damals zur Zeit der Beitrittsverhandlungen<br />

jemand gefragt hätte, wie<br />

weit Ungarn noch davon entfernt ist,<br />

ein sich völlig harmonisch in die Gemeinschaft<br />

einfügendes Mitgliedsland<br />

zu werden, dann hätte ich gesagt:<br />

„Nicht mehr so weit. Wir sind ja schon<br />

auf der Schwelle!“ <strong>Wenn</strong> ich heute<br />

gefragt würde, würde ich sagen, <strong>das</strong>s<br />

wir uns von diesem Zustand entfernt<br />

haben. (…) Über eine erst seit zehn<br />

Monaten im Amt befindliche Regierung<br />

kann man noch kein endgültiges<br />

Urteil sprechen. Unsere ernsten<br />

wirtschaftlichen Probleme sind weiterhin<br />

ungelöst und haben sich teilweise<br />

sogar noch weiter zugespitzt. Die<br />

sozialen Unterschiede haben sich bedeutend<br />

vergrößert. Die Schere zwischen<br />

den oberen zehn Prozent und<br />

dem Rest der Bevölkerung wurde<br />

größer. Für viele haben sich die Lebensbedingungen<br />

verschlechtert. Der<br />

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit<br />

wurden ernsthafte Schäden zugefügt.<br />

Die internationale Position Ungarns<br />

wurde ein wenig erschüttert, was ich<br />

als ehemaliger Außenminister besonders<br />

schmerzhaft empfinde. Vertrauen<br />

wir darauf, <strong>das</strong>s Ungarn auf den richtigen<br />

Weg zurückfindet! Denn der<br />

derzeitige Weg ist gewiss nicht der<br />

Weg, der den Interessen der großen<br />

Mehrheit des ungarischen Volkes<br />

entspricht. Im Übrigen, was die<br />

vorherigen acht Jahre betrifft: Der<br />

Staatssekretär Zoltán Kovács: „Die neue Verfassung <strong>wird</strong> auf dem Boden der europäischen Werte stehen.“<br />

Fidesz hätte nicht so deutlich gewonnen,<br />

wenn in unseren acht Jahren alles<br />

einwandfrei gelaufen wäre. Zweifellos:<br />

Die Reformen, die die vorherigen<br />

Regierungen vorhatten, wurden nur<br />

verkündet, gelangten aber nicht zur<br />

Ausführung. Das hatte auch mit dem<br />

harten Wiederstand der damaligen<br />

Opposition zu tun. Der zweite Grund<br />

ist die internationale Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise, die selbst die stärksten<br />

Länder in Mitleidenschaft gezogen hat.<br />

Zwischen Regierung und Opposition<br />

gab es einen Dissens bezüglich der Frage,<br />

wie dem Land<br />

zu helfen sei. Die<br />

damalige Oppositi-<br />

on behauptete nicht<br />

durch Sparen, sondern<br />

durch Steuersenkungen<br />

und<br />

Konjunkturprogramme.<br />

Meiner Meinung<br />

nach wäre<br />

dieser Weg ein selbstmörderischergeworden.<br />

Als späte<br />

Genugtuung sehe<br />

ich jetzt, <strong>das</strong>s auch<br />

die amtierende Regierung<br />

nicht umhin<br />

kommt, den<br />

von uns eingeschlagenen<br />

Weg des Sparens<br />

zu beschreiten.<br />

(…) Den Vorwurf,<br />

<strong>das</strong>s sich die Regierung 2006<br />

gegen <strong>das</strong> eigene Volk gewandt hat,<br />

kann ich nicht im Raum stehen lassen.<br />

Sie hat sich nicht gegen <strong>das</strong> eigene<br />

Volks gewandt, sondern gegen Demonstranten,<br />

die nicht mit friedlichen<br />

Absichten demonstrierten. In meiner<br />

Zeit in Brüssel habe ich viele derartige<br />

Zusammenstöße erlebt, zwischen der<br />

Polizei des demokratischen belgischen<br />

Staates und gewissen Demonstranten.<br />

� Arne Gobert: Das große Bild, <strong>das</strong><br />

Ungarn gegenüber vielen Investoren<br />

BZT / Aaron Taylor (3)<br />

„Wir brauchen wieder<br />

mehr Rechtssicherheit.<br />

Mit Blick auf die Praxis<br />

halte ich eine Revision<br />

des hiesigen Rechtssystems<br />

für unbedingt<br />

notwendig. In diesem<br />

Kontext finde ich auch<br />

die Erarbeitung einer<br />

neuen Verfassung<br />

erforderlich.“<br />

bietet, gibt Anlass für eine gewisse Verunsicherung.<br />

Diese ist teils so stark,<br />

<strong>das</strong>s sie sogar durchaus existierende<br />

gute Nachrichten verschluckt. <strong>Wenn</strong><br />

man heute im Ausland internationalen<br />

Investorenkonferenzen zu Ungarn beiwohnt,<br />

dann <strong>wird</strong> man nicht in erster<br />

Linie danach gefragt, wie hoch denn<br />

etwa der Körpersteuersatz sei oder<br />

welche Investitionsanreize man bekommen<br />

könne, sondern wie es mit<br />

der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit<br />

aussehe. Ich denke, wenn bei<br />

<strong>einem</strong> Land, <strong>das</strong> Mitglied in der EU<br />

ist, solche Fragen ganz oben auf der<br />

Tagesordnung stehen, dann gibt es irgendwo<br />

ein kleines Problem. Entweder<br />

hinsichtlich der Außendarstellung oder<br />

der Realität. Da stellen sich mir zwei<br />

Fragen: Ist die Verunsicherung gerechtfertigt<br />

und was kann man dagegen<br />

tun? Ich denke, es ist für uns alle<br />

wichtig, <strong>das</strong>s Ungarn ein attraktiver Investitionsstandort<br />

bleibt, <strong>das</strong>s Investoren<br />

gerne hierherkommen, <strong>das</strong>s sie hier<br />

investieren und nicht in den Nachbarländern.<br />

Ich glaube, wir sind uns alle<br />

einig, <strong>das</strong>s etwas getan werden muss,<br />

wenn ein Staatshaushalt in Schieflage<br />

geraten ist. Die Frage ist aber, wie diese<br />

Maßnahmen angegangen werden.<br />

<strong>Wenn</strong> beispielsweise rückwirkend<br />

Steuern erlassen werden, kann dies Ungarns<br />

Image einen schweren Schaden<br />

zufügen und verhindern, <strong>das</strong>s mehr Investitionen<br />

nach Ungarn kommen.<br />

� Ellen Bos: Sind die Maßnahmen der<br />

Regierung gegen die Wirtschaftskrise<br />

effektiv?<br />

� Zoltán Kovács: Im Mai 2010 übernahm<br />

die neue Regierung unter<br />

scheinbar geordneten Verhältnissen die<br />

ungarische Wirtschaft. Schnell stellte<br />

sich aber heraus, <strong>das</strong>s der letztjährige<br />

Haushalt nicht zu halten war. Daher<br />

mussten wir zu drastischen Maßnahmen<br />

greifen. (…) Die Krise hat Ungarn<br />

2008 in <strong>einem</strong> sehr verwundbaren<br />

Zustand erwischt. Deswegen waren<br />

auch ihre Folgen viel schwerwiegender.<br />

Die Krise hat nicht bloß gezeigt,<br />

<strong>das</strong>s die ungarische Wirtschaft<br />

krank ist, sondern auch, <strong>das</strong>s es viele<br />

nicht nachhaltige Strukturen gibt. Sie<br />

hat aber auch gezeigt, <strong>das</strong>s nicht nur<br />

innerhalb der Wirtschaft ernste Probleme<br />

existieren, sondern auch die juristischen<br />

und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

verbesserungsbedürftig<br />

sind. Ein besonderes<br />

Problem sehe<br />

ich in der Institu-<br />

Zoltán Kovács<br />

tionalisierung der<br />

Korruption. Auf jeden<br />

Fall haben all<br />

die vorgefundenen<br />

Bedingungen, die<br />

von uns bisher<br />

unternommenen<br />

Schritte erfordert<br />

und gerechtfertigt.<br />

Die Maßnahmen<br />

der letzten neun<br />

Monate haben verhindert,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Haushaltsdefizit<br />

auf über sieben<br />

Prozent empor klettert.<br />

Wir brauchen<br />

wieder mehr Rechtssicherheit.<br />

Mit Blick<br />

auf die Praxis halte ich eine Revision<br />

des hiesigen Rechtssystems für unbedingt<br />

notwendig. In diesem Kontext<br />

finde ich auch die Erarbeitung einer<br />

neuen Verfassung erforderlich. (…) Im<br />

Übrigen finde ich es durchaus nicht<br />

normal, wenn die Polizei auf friedliche<br />

Demonstranten schießt – wie auch unabhängige<br />

Experten bestätigt haben.<br />

So etwas darf es in <strong>einem</strong> demokratischen<br />

Land nicht geben!<br />

� László Kovács: Anfang September<br />

äußerten sich führende Vertreter der<br />

Regierung noch dahingehend, <strong>das</strong>s<br />

Ungarn eine der stabilsten Volkswirtschaften<br />

der Welt sei. Angeblich<br />

herrschten in der Wirtschaft geordnete<br />

Verhältnisse. Dann war plötzlich von<br />

<strong>einem</strong> über sieben Prozent ausufernden<br />

Defizit die Rede. (…) Wenige Wochen<br />

nach der Wahl hat sich Premier Orbán<br />

damit gebrüstet, <strong>das</strong>s Ungarn innerhalb<br />

der EU Rekordhalter bei der<br />

Defizitverminderung sei. Das unterschreibe<br />

ich gerne. Es ist aber ein Verdienst<br />

der Bajnai-Regierung. (…) Jetzt<br />

sieht es so aus, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Budget zwar<br />

kurzfristig durch Sondereinnahmen,<br />

wie dem Erlass der Sondersteuern und<br />

der Enteignung der privaten Rentengelder,<br />

gerettet werden konnte. Ich<br />

habe aber die Sorge, <strong>das</strong>s – wenn die<br />

ungarische Regierung in Kürze <strong>das</strong><br />

Konvergenzprogramm einreicht – die<br />

EU-Kommission Zweifel an dessen<br />

Nachhaltigkeit anmelden <strong>wird</strong>. <strong>Wenn</strong><br />

es keine Strukturreformen gibt, dann<br />

<strong>wird</strong> all den verabschiedeten Maßnahmen<br />

ein nur vorrübergehender Erfolg<br />

zuteil.<br />

� Zoltán Kovács: Die Rentenkassen,<br />

um die es geht, waren keine echten privaten<br />

Rentenkassen. Die echten privaten<br />

Rentenkassen werden in Ungarn<br />

von niemandem angerührt. Wir respektieren<br />

sie und unterstützen ihre<br />

Existenz. Das System der individuellen<br />

Ansparungen ist ein wichtiger Pfeiler<br />

des ungarischen Rentensystems. Das<br />

Problem sind aber die obligatorischen<br />

privaten Rentenkassen. Von diesem<br />

System hat sich in Ungarn herausgestellt,<br />

<strong>das</strong>s es nicht gut funktioniert. Es<br />

entzog der ersten, staatlichen Säule des<br />

Rentensystems, bedeutende finanzielle<br />

Mittel. Es geht also um einen Schritt,<br />

der schon längst hätte getan werden<br />

müssen. Die daraus stammenden Einnahmen<br />

werden wir nicht verspekulieren,<br />

sondern werden sie zur Senkung<br />

der Staatsverschuldung verwenden.<br />

� László Kovács: Es geht bei der kritisierten<br />

Säule um Eigenvorhersorge.<br />

Seinerzeit stimmte der Fidesz meiner<br />

Erinnerung nach mit der Schaffung<br />

dieser Säule des Rentensystems überein.<br />

Noch kürzlich hatte sogar Viktor<br />

Orbán festgestellt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Problem<br />

mit dem Rentensystem für die kommenden<br />

dreißig Jahre gelöst sei, es auf<br />

drei soliden Pfeilern ruhe und man<br />

nicht eingreifen müsse. Inzwischen<br />

hatte man es sich anders überlegt, <strong>das</strong><br />

Geld wurde eben benötigt. Es wäre eleganter<br />

gewesen und konsequenter,<br />

wenn die Mittel aus der halbstaatlichen<br />

nicht in die staatliche Rentenkasse umgruppiert<br />

worden wären, sondern in<br />

die freiwillige Rentenversicherung. Die<br />

Gelder wurden jetzt entnommen, man<br />

<strong>wird</strong> aber erst später sehen, wofür sie<br />

wirklich verwendet wurden. Im Moment<br />

sieht es so aus, als würden sie zur<br />

Deckung laufender Einnahmen benutzt<br />

und nur zu <strong>einem</strong> geringen Teil<br />

zur Senkung der Staatsverschuldung.<br />

� Ellen Bos: Wie sieht es mit den Strukturreformen<br />

aus?<br />

� Zoltán Kovács: Das Wort Reform<br />

mag ich nicht sehr, ich würde es lieber<br />

Paradigmenwechsel nennen. Wir haben<br />

diesbezüglich eine andere Herangehensweise<br />

als die vorherige Regierung.<br />

Es ist nicht ausschlaggebend<br />

wie viel im Einzelfall gespart werden<br />

kann, sondern, <strong>das</strong>s Systeme entstehen,<br />

die rationaler, sparsamer und effizienter<br />

funktionieren. Und wenn sich entlang<br />

dieser Schritte auch Spareffekte ergeben,<br />

dann umso besser. Die Erneuerung<br />

Ungarns bedeutet nach unserer<br />

Auffassung, <strong>das</strong>s alle Versorgungssysteme<br />

selbsterhaltend funktionieren und<br />

sparsam im Umgang mit Steuergeldern<br />

sein müssen. Außerdem sollten sie<br />

den Erwartungen zu Beginn des 21.<br />

Bei der Podiumsdiskussion des Deutschen Wirtschaftsclubs Budapest wurde gut zwei Stunden lang intensiv über die Frage „Quo Vadis Magyarország?“ nachgedacht.<br />

Jahrhunderts entsprechen. (…) <strong>Wenn</strong><br />

wir von Paradigmenwechsel sprechen,<br />

muss man auch sehen, <strong>das</strong>s es nicht nur<br />

um Ungarn geht. (…) 2008 war ein<br />

schweres Warnzeichen für EU. Das Leben<br />

so fortzusetzen wie gewohnt, geht<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht<br />

mehr. Es finden große Umschichtungen<br />

und Umorganisierungen in der<br />

Weltwirtschaft statt. Europa steht<br />

dabei nicht gut da. Die Schritte, die<br />

Ungarn, teils als Mitglied der EU und<br />

teils als ein in der<br />

Krise befindliches<br />

mitteleuropäisches<br />

Land unternimmt,<br />

sind also nicht nur<br />

im nationalen, sondern<br />

auch internationalen<br />

Kontext<br />

zu sehen. Für Ungarn<br />

gab es mit der<br />

Krise von 2008<br />

keine großen Möglichkeiten,<br />

einen anderen<br />

Weg zu beschreiten<br />

als den<br />

eingeschlagenen.<br />

Für ein Land, in<br />

dem die Verschuldung<br />

bei über 80<br />

Prozent liegt und<br />

<strong>das</strong>s nach Malta die<br />

geringste Beschäftigungsquoteaufweist,<br />

sind die klassischen Rezepte nicht<br />

anwendbar. Deshalb versucht die Regierung<br />

mit der Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

und der Verminderung der<br />

Staatsverschuldung aus der gegenwärtigen<br />

prekären Lage auszubrechen. Die<br />

dabei im Einzelnen unternommenen<br />

Schritte kann man jetzt kritisieren, die<br />

letzten Jahre haben aber bewiesen, <strong>das</strong>s<br />

die klassischen Rezepte nicht funktionieren.<br />

� László Kovács: Was wir gegenwärtig<br />

erleben, ist keine Steuerreform. Das ist<br />

eine Steuerumverteilung. Es geht nicht<br />

einmal um größere Steuersenkungen,<br />

wie von der Regierung zuvor versprochen.<br />

In den Genuss von Steuersenkungen<br />

kommen nur Bürger mit<br />

<strong>einem</strong> Bruttoeinkommen von über etwa<br />

300.000 Forint. Wessen Einkommen<br />

darunter liegt, für den führen die<br />

Änderungen zu einer Verminderung<br />

des Nettolohns. Das ist gesellschaftlich<br />

gesehen nicht gerade gerecht. (…) Was<br />

die selbsterhaltenden Verteilungssysteme<br />

betrifft, so höre ich mit Freude von<br />

den Plänen der Regierung. Seinerzeit<br />

wollte die Gyurcsány-Regierung <strong>das</strong>selbe.<br />

Mit der Einführung der Praxisgebühr<br />

und Krankenhaustagegeldes<br />

sollte beispielsweise ein ganz bescheidener<br />

Schritt in Richtung eines selbsterhaltenden<br />

Gesundheitssystems gegangen<br />

werden. Der Fidesz machte<br />

diesem Ansinnen damals mit <strong>einem</strong><br />

Referendum einen Strich durch die<br />

Rechnung. Auch <strong>das</strong> Bildungssystem<br />

sollte durch die Einführung von Studiengebühren<br />

auf eine gesündere fi-<br />

„Es ist eine wirklich<br />

ungarische Frage, zu<br />

entscheiden, wie man<br />

zur Geschichte steht<br />

und was man mit einer<br />

neuen Verfassung ausdrücken<br />

möchte. Für<br />

<strong>das</strong> Selbstverständnis<br />

eines Landes kann es<br />

manchmal durchaus<br />

wichtig sein,<br />

eine neue Verfassung<br />

zu erlassen. “<br />

nanzielle Basis gestellt werden. Auch<br />

dies wurde durch <strong>das</strong> Referendum<br />

vereitelt. Ich würde mich freuen, wenn<br />

die Regierung jetzt etwas in diese<br />

Richtung unternehmen würde. Egal,<br />

ob wir es nun Reform oder Neuordnung<br />

nennen. (…) Die Veröffentlichung<br />

der Strukturreformen scheint sich immer<br />

weiter zu verzögern. Dass wir als<br />

Opposition den Tag der Veröffentlichung<br />

ungeduldig herbeisehnen, ist<br />

<strong>das</strong> geringste Problem, aber die Investoren<br />

und interna-<br />

Arne Gobert<br />

tionalen Geldkreise<br />

wiegen schwerer.<br />

Ich hoffe, <strong>das</strong>s ihre<br />

Geduld noch etwas<br />

anhält.<br />

� Zoltán Kovács:<br />

<strong>Wenn</strong> Herr Kovács<br />

davon spricht, <strong>das</strong>s<br />

es sich nicht um<br />

eine Steuerreform<br />

handelt, dann muss<br />

ich ihm wiedersprechen.<br />

Es handelt<br />

sich um den<br />

Beginn einer Steuerreform,<br />

ja sogar<br />

einer Steuerrevolution,<br />

in deren Ergebnis<br />

wir bereits<br />

mittelfristig ein<br />

Land sehen wollen,<br />

<strong>das</strong> sowohl in Hinblick auf die Steuerlasten<br />

als auch die administrativen<br />

Belastungen von Unternehmen zu den<br />

wettbewerbsfähigsten Mitteleuropas<br />

zählen <strong>wird</strong>. Oder besser: Wieder<br />

zählen <strong>wird</strong>. Denn zur Jahrtausendwende<br />

unter der ersten Orbán-Regierung<br />

waren wir schon einmal so weit.<br />

Die Folgen der vergangenen acht Jahre<br />

zu beseitigen, <strong>wird</strong> nicht leicht sein.<br />

Herr Kovács wies darauf hin, was seine<br />

Regierung einst wollte. Bei uns befinden<br />

sich die Absichten aber nicht nur<br />

auf der Ebene von bloßen Wünschen,<br />

wir haben bereits mit ihrer Umsetzung<br />

begonnen. In den vergangenen zehn<br />

Monaten haben wir mehr als 170<br />

Gesetzesnovellen durchs Parlament gebracht.<br />

Diese großen Veränderungen<br />

können aber freilich nicht ganz ohne<br />

die Verletzung von Interessen durchgeführt<br />

werden. (…) Eine Diskriminierung<br />

ausländischer Firmen kann ich<br />

nicht erkennen. Beim Erlass der Sondersteuern<br />

motivierte uns vor allem,<br />

<strong>das</strong>s sich auch die Segmente am Preis<br />

für die Erneuerung der Wirtschaft<br />

beteiligen sollen, die in den vergangenen<br />

Jahren sehr stark von den<br />

Vorzügen Ungarns profitiert haben.<br />

� Ellen Bos: Braucht Ungarn eine<br />

neue Verfassung?<br />

� Zoltán Kovács: In Ungarn gibt es<br />

keine Demokratiekrise. In den vergangenen<br />

zwei Monaten haben immense<br />

Kräfte daran gearbeitet, zu beweisen,<br />

wir hätten eine. Unsere Regierung muss<br />

sich aber in Sachen Demokratie nicht<br />

von solchen Ratgebern belehren lassen,<br />

die teilweise an der Leitung des alten<br />

Systems beteiligt waren. Die ungarische<br />

Wende war eine samtene. Sie ließ aber<br />

zahlreiche Probleme offen, die bis heute<br />

ihrer Lösung harren. Man kann lange<br />

Prozesse nicht überspringen. <strong>Wenn</strong> wir<br />

im Fall von Ungarn von <strong>einem</strong> Demokratiedefizit<br />

sprechen, dann hat <strong>das</strong><br />

weniger mit den aktuellen Maßnahmen<br />

zu tun, sondern mit der Struktur, in denen<br />

vierzig Jahre Kommunismus nachwirken.<br />

Ungarn muss aus eigener Kraft<br />

mit diesem Erbe fertigwerden. Deshalb<br />

brauchen wir auch eine neue Verfassung.<br />

� Arne Gobert: Ich beziehe nicht gern<br />

zur Verfassungsdiskussion Stellung.<br />

Das ist eine wirklich ungarische Frage,<br />

zu entscheiden, wie man zur Geschichte<br />

steht und was man mit einer neuen Verfassung<br />

ausdrücken möchte. Für <strong>das</strong><br />

Selbstverständnis eines Landes kann es<br />

manchmal durchaus wichtig sein, eine<br />

neue Verfassung zu erlassen. Entscheidend<br />

ist, was man mit dem Rahmen<br />

anfängt. (…) Ein Verfassungsgericht<br />

ist Teil einer Gewaltenteilung.<br />

Eine abstrakte und konkrete Normenkontrolle.<br />

Für mich ist es ein Ausdruck<br />

der Demokratie. Die Gerichte als Teil<br />

der Gewaltenteilung mit dem Verfassungsgericht<br />

oben drauf, sind <strong>das</strong><br />

wichtigste Element, um Rechtssicherheit<br />

dokumentieren zu können.<br />

� László Kovács: Als wir 1994 72 Prozent<br />

der Mandate erzielten, sprachen<br />

wir uns dafür aus, <strong>das</strong>s man mit zwei<br />

Drittel nicht die Verfassung ändern<br />

kann. Wir waren stattdessen für eine<br />

Grenze von mindestens Vier Fünfteln.<br />

Wir haben uns also selbst begrenzt.<br />

(…) Heute bewegt sich Ungarn de facto<br />

in Richtung Einparteiensystem.<br />

� Ellen Bos: Wird auf dem Weg zur<br />

neuen Verfassung auch nach <strong>einem</strong><br />

Konsens über <strong>das</strong> Fidesz-Lager hinaus<br />

gesucht?<br />

� Zoltán Kovács: Zuerst wollte die<br />

MSZP 1994 die Verfassung ändern.<br />

Nicht zuletzt deshalb, weil die zu dem<br />

Zeitpunkt und auch heute noch<br />

gültige, zur Wende modifizierte Verfassung<br />

nur als provisorische Verfassung<br />

gedacht war. Dieser Fakt <strong>wird</strong> von den<br />

Sozialisten heute geflissentlich übersehen.<br />

(…) Aber es handelt sich immer<br />

noch nur um eine veränderte Variante<br />

einer in ihrem Kern stalinistischen Verfassung.<br />

Schon allein aus symbolischen<br />

Gründen ist es deshalb höchste Zeit,<br />

sie zu ändern. (…) Meiner Erinnerung<br />

nach kam es 1994 nicht wegen der<br />

Selbstbeschränkung zu keiner Änderung<br />

der Verfassung, sondern wegen<br />

Problemen mit dem Koalitionspartner.<br />

Die Idee einer neuen Verfassung stand<br />

auch 2002, zu Beginn der Medgyessy-<br />

Regierung, auf der Tagesordnung. Es<br />

fehlte damals nur die notwendige<br />

Zweidrittelmehrheit. (…) Abgesehen<br />

von der symbolischen Komponente<br />

sprechen auch zahlreiche weitere Gründe,<br />

bei einer der Zukunft zugewandten<br />

Regierung, für eine Änderung der<br />

Verfassung. (…) Zur neuen Verfassung<br />

möchte ich drei wichtige Dinge hervorheben.<br />

Erstens: Die Verfassung<br />

<strong>wird</strong> auf dem Boden der europäischen<br />

Werte stehen und die Europäische<br />

Grundrechtecharta respektieren. Zweitens:<br />

Es <strong>wird</strong> durch sie zu keinerlei<br />

größeren institutionellen Veränderungen<br />

kommen. Die Institutionen, die im<br />

Rahmen des demokratischen Ungarns<br />

entstanden sind, werden in Ehren gehalten.<br />

Drittens: Ein Passus der neuen<br />

Verfassung <strong>wird</strong> verhindern, <strong>das</strong>s sich<br />

Ungarn noch einmal bis an den Rand<br />

des Zusammenbruchs verschuldet.<br />

� Ellen Bos: Wird es im Interesse einer<br />

größeren Legitimität der neuen<br />

Verfassung eventuell ein Referendum<br />

über sie geben?<br />

MSZP-Vize László Kovács und Moderatorin Ellen Bos, Dozentin an der <strong>Andrássy</strong>-<strong>Universität</strong>.<br />

� Zoltán Kovács: Wie der gesamte<br />

Verfassungsschöpfungsprozess ist<br />

auch die Frage eines Referendums<br />

noch offen. Die Regierung ist nur<br />

im technischen Sinne Teil des Prozesses.<br />

Wir werden jedweder politischer<br />

Kraft jedwede Hilfe angedeihen<br />

lassen, die von einer Regierung<br />

in einer solchen Situation zu erwarten<br />

wäre. Die Verfassungsänderung<br />

ist Sache der Parlamentarier.<br />

Meine private Meinung zur Frage<br />

eines Referendums – ich bin ja nicht<br />

Mitglied des Parlaments – ist folgende:<br />

Eine Verfassungsänderung<br />

ist für ein Referendum, bei dem es<br />

praktisch nur um ein „Ja“ oder<br />

„Nein“ geht, eine zu komplexe Materie.<br />

Ich würde die Entscheidung<br />

lieber dem Parlament überlassen.<br />

(…) Ich bin übrigens nicht der<br />

Meinung, <strong>das</strong>s Vierfünftel oder eine<br />

noch stärkere Unterstützung notwendig<br />

sein sollten, um eine Verfassung<br />

zu ändern. Die Kräfteverhältnisse,<br />

die heute im Parlament<br />

existieren, sind nicht zufällig entstanden.<br />

Sie sind Ausdruck des<br />

Wählerwillens. Sie sind aber übrigens<br />

auch nicht dergestalt, <strong>das</strong>s man<br />

eine Wiedergeburt des Einparteiensystems<br />

fürchten müsse. Die Wählergunst<br />

kann sich auch wieder ändern<br />

und bei den kommenden Parlamentswahlen<br />

zu einer komplett anderen<br />

Kräftekonstellation im Parlament<br />

führen. Die regierenden Parteien wissen,<br />

<strong>das</strong>s die momentane Zweidrittelmehrheit<br />

nicht nur eine Möglichkeit,<br />

sondern auch eine riesige<br />

Verantwortung ist. Bei ihrer ungenügenden<br />

Wahrnehmung müssen gegebenenfalls<br />

auch die negativen Konsequenzen<br />

akzeptiert werden.<br />

JAN MAINKA


6 BUDAPESTER ZEITUNG WIRTSCHAFT 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

KOMPAKT<br />

� Kommt die Pflichtmitgliedschaft in der<br />

Kammer? Laut Zeitungsmeldungen soll die Mitgliedschaft<br />

in den Industrie- und Handelskammern<br />

angeblich schon Mitte des Jahres zur<br />

Pflicht für sämtliche in Ungarn tätigen Unternehmen<br />

und Gewerbetreibenden gemacht werden.<br />

Die landesweite MKIK des bekanntermaßen<br />

guten Orbán-Vertrauten László Parragh<br />

<strong>wird</strong> dem Vernehmen nach mit weitreichenden<br />

Vollmachten z.B. im Rechtsgebungsprozess<br />

oder in der Berufsausbildung ausgestattet.<br />

� Parteien klauen Hand in Hand. Ohne Resonanz<br />

blieb die Aussage des Fraktionschefs<br />

der Sozialisten und früheren Vizebürgermeisters<br />

von Szombathely, Csaba Czeglédi, wonach<br />

die Parteien laufend und abgestimmt öffentliche<br />

Gelder abzweigen. Das erklärt sich der Politiker<br />

mit der Gleichgültigkeit der Menschen, die von<br />

einer solchen Behauptung nicht mehr überrascht<br />

würden. Der Fidesz habe die MSZP im<br />

rechten Moment diskreditiert und tue seither so,<br />

als sei man selbst von der Korruption verschont<br />

geblieben. Es gibt landesweit ungezählte aufgedeckte<br />

Fälle, in denen mindestens 10% von<br />

Aufträgen oder Ausschreibungsgeldern an örtliche<br />

Politiker zurückflossen.<br />

� 107 Prozent für Großraum Budapest.<br />

Die Region Zentral-Ungarns ist nach der Kaufkraft<br />

pro Kopf der Bevölkerung mit 107% kaum<br />

besser gestellt als der EU-Durchschnitt. Damit<br />

liegt die ungarische Hauptstadt selbst hinter Bukarest<br />

(113%) und findet ergo keinen Platz auf<br />

der TOP25-Liste der reichsten Regionen Europas,<br />

auf der hinter London, Luxemburg und<br />

Brüssel bereits auf Platz 6 Prag und auf Platz 9<br />

Bratislava – noch vor Wien! – folgen. Nordungarn,<br />

die komplette Große Tiefebene und Süd-<br />

Transdanubien gehören derweil mit 40-45% des<br />

durchschnittlichen Einkommens zu den 20 ärmsten<br />

Regionen in Europa.<br />

� Zehn Banken erwarten Offshore-Gelder.<br />

Die Finanzaufsicht PSZÁF hat zehn Geldinstitute<br />

bestimmt, die bei der Heimkehr von Offshore-<br />

Vermögen mitwirken sollen. Ungarische Privatpersonen<br />

dürfen ihr früher am Finanzamt vorbei<br />

ins Ausland transferiertes Vermögen nunmehr<br />

vergünstigt mit 10% versteuern lassen. Unter<br />

den kooperierenden Großbanken finden sich u.<br />

a. die MKB, Erste Bank, Raiffeisen und Volksbank.<br />

� Wohnungsbau wie in den 90ern. Im vergangenen<br />

Jahr entstanden rund 20.800 Wohnungen,<br />

ein gutes Drittel weniger als noch 2009,<br />

meldete <strong>das</strong> Zentralamt für Statistik (KSH). Die<br />

Zahl der neu erteilten Baugenehmigungen sank<br />

gar auf <strong>das</strong> historische Tief von 17.350, weshalb<br />

2011 am Wohnungsmarkt ganz sicher nicht mit<br />

einer Erholung gerechnet werden darf. In der<br />

Neubaustatistik fanden sich zuletzt Ende der<br />

90er Jahre so wenige übergebene Wohnungen<br />

– die Branche geht von einer „natürlichen Reproduktionsrate“<br />

mit 40.000 Wohnungen im Jahr aus.<br />

Richtigstellung des Artikels, der am 6. Dezember<br />

2010 (11. Jahrgang/Nummer 49) unter dem Titel<br />

„Ungarische Unternehmer: Der Ikarus-Mann<br />

Gábor Széles – Privatisieren auf Ungarisch“ erschienen<br />

ist.<br />

n unserem Artikel, der am 6. Dezember 2010<br />

Ierschienen ist, haben wir auf Grundlage von<br />

Informationen, die uns zugespielt worden sind,<br />

und die – wie sich herausgestellt hat – falsche<br />

Fakten enthielten, folgendes veröffentlicht: „Die<br />

MNV strengte gegen die Unternehmen MT-Liz<br />

und Ikarus Holding einen Megaprozess an, bei<br />

dem es um mehr als 20 Milliarden Forint ging.<br />

Die Klage: vielfache Unterlassung der Verpflichtung<br />

zur Erhaltung der Belegschaft. Inzwischen<br />

belaufen sich die Forderungen des Staates auf<br />

rund 34 Milliarden Forint. Das Verfahren am<br />

Hauptstädtischen Gericht ist nach fünf Jahren<br />

allerdings noch immer anhängig.“<br />

Die Ankündigung der lang erwarteten<br />

Strukturreformen und Ausgabenkürzungen<br />

wurde vergangene<br />

Woche wieder verschoben. Bei der<br />

Bekanntgabe kam es zu einiger Verwirrung,<br />

als die Regierungssprecherin<br />

und der Sprecher des Regierungschefs<br />

unterschiedliche Veröffentlichungsfristen<br />

für die Einzelheiten<br />

des Reformpakets nannten.<br />

Die immer wieder verschobene Bekanntgabe<br />

der sogenannten „Reformpläne“<br />

erinnert frappant an die<br />

Art und Weise, wie die Regierung<br />

Gyurcsány mit Reformen umging.<br />

Gyurcsány konnte sich damals nicht<br />

dazu entschließen, die erforderlichen<br />

Schritte zu setzen und professionelle<br />

Verbündete, wie Lehrer<br />

und Ärzte für seine Änderungspläne<br />

hinter sich zu versammeln.<br />

ie Märkte warten darauf, <strong>das</strong>s<br />

DRegierungschef Viktor Orbán<br />

seine Versprechen, die er vor <strong>einem</strong><br />

Monat in <strong>einem</strong> Interview im „Wall<br />

Street Journal“ gemacht hatte, einlöst.<br />

Damals reichten einige Worte<br />

über Ausgabenkürzungen, um die<br />

Märkte und Investoren in Hinblick<br />

auf die Stabilität des Finanzsektors<br />

in Ungarn zu beruhigen. Jetzt reichen<br />

den Investoren keine schönen<br />

Versprechungen mehr, sie haben genug<br />

von der offensichtlichen Unentschlossenheit<br />

der Regierung.<br />

Falls auf der Seite der Investoren<br />

wieder allgemeine Skepsis aufkommen<br />

sollte, könnte die Ankündigung<br />

der Regierung, strikte Maßnahmen<br />

konsequent durchzuführen,<br />

bei den Märkten auf Unglauben<br />

stoßen.<br />

Für die Verzögerungen gibt es<br />

allerdings einige wichtige Gründe:<br />

Richtigstellung<br />

Stellenangebot<br />

Die Schweizerische Botschaft in Budapest sucht per 1. Juni 2011 oder so rasch wie möglich eine/n :<br />

Dynamische/n Sachbearbeiter/in im administrativen Bereich<br />

Zu den abwechslungsreichen und selbständigen Aufgaben gehören:<br />

� Stellvertretung der Betriebsleiterin (Finanzen- und Sicherheitsfragen, Unterhalt der Immobilien, usw.)<br />

� Sekretariat des Geschäftsträgers der Botschaft mit eigenen administrativen Verantwortlichkeiten<br />

� Stellvertretung des Systemadministrators (Informatik)<br />

� Verwaltung der elektronischen Dateien der Botschaft<br />

� Hilfe in konsularischen Spezialfällen; Kontakte mit den ungarischen Behörden<br />

� Hilfe an durchreisende Schweizer<br />

Profil:<br />

Wir suchen eine Allrounderin oder einen Allrounder, selbständig, zuverlässig, offen, kundenorientiert, belastbar<br />

und kontaktfreudig. Sie haben eine rasche Auffassungsgabe und gute Arbeitsorganisation, sind teamorientiert<br />

und zeigen eine überdurchschnittliche Einsatz-bereitschaft.<br />

Sprachkenntnisse: Wir suchen eine Person deutscher Muttersprache mit perfekten Kenntnissen in<br />

Ungarisch. Gute Französisch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift sind eine wertvolle Bereicherung.<br />

Bewerbungen:<br />

Bitte senden Sie Ihr Bewerbungsdossier (inkl. Motivationsschreiben, Lebenslauf mit Foto, Referenzen usw.)<br />

bis 31. März 2011 an die Schweizer Botschaft :<br />

� per Mail : bud.vertretung@eda.admin.ch<br />

� oder per Post an : Schweizerische Botschaft, Stefánia út 107, 1143 Budapest<br />

<strong>Gas</strong>tkommentar zu den erwarteten Strukturreformen<br />

Risiken der Ungewissheit<br />

Den obigen Zeilen widersprechend sind nach<br />

<strong>einem</strong> Urteilspruch des Obersten Gerichts, den<br />

uns Herr Gábor Széles zur Verfügung gestellt<br />

hat, folgende Fakten wahr:<br />

In Vertretung des ungarischen Staates reichte<br />

die MNV Zrt. beim Hauptstädtischen Gericht<br />

gegen die MT-Liz und die Ikarus Holding eine<br />

Klage ein, welche die Zahlung einer Konventionalstrafe<br />

in Höhe von 199.613.335 Forint plus<br />

Zinsen zum Inhalt hatte. Der Prozess wurde<br />

durch die zum Interessenkreis von Herrn Gábor<br />

Széles zählenden Firmen, die Unternehmen MT-<br />

Liz und Ikarus Holding vollständig gewonnen,<br />

die von der MNV Zrt. eingereichte Klage wurde<br />

vom Gericht vollständig und rechtkräftig abgewiesen.<br />

Auf diesem Wege bitten sowohl unsere<br />

Redaktion als auch der Urheber des betreffenden<br />

Artikels, der Journalist Peter Bognar, Herrn Gábor<br />

Széles wegen der Veröffentlichung unwahrer<br />

Tatsachen um Entschuldigung.<br />

Die Behörden arbeiten immer noch<br />

an dem Paket, über <strong>das</strong> es weder<br />

innerhalb der Regierung noch in<br />

der parlamentarischen Mehrheit einen<br />

Konsens gibt. Das Wirtschaftsministerium<br />

unter der Leitung von<br />

György Matolcsy sucht noch immer<br />

nach einer geeigneten und politisch<br />

akzeptablen Wirtschaftspolitik, die<br />

gleichzeitig mit wenigen Einschnitten<br />

Geld spart. Allerdings sind die<br />

von der Regierung identifizierten<br />

Probleme dieselben wie vor Monaten<br />

und Jahren: Hohe Verschuldung<br />

und niedrige Erwerbsquote.<br />

Es scheint keine neue radikale Lösung<br />

für <strong>das</strong> Problem zu geben. Das<br />

heißt auch, <strong>das</strong>s ein Sturm der politischen<br />

Entrüstung nach der Veröffentlichung<br />

des Programms wohl<br />

unvermeidlich sein <strong>wird</strong>.<br />

Ministerpräsident Orbán verteidigte<br />

umgehend die Vergünstigungen<br />

der drei Millionen Rentner für<br />

die öffentlichen Verkehrsmittel. Offenbar<br />

aus Angst davor, an Popularität<br />

zu verlieren. Die einzige konkrete<br />

Maßnahme, die bis zum Ende<br />

der Vorwoche veröffentlicht wurde,<br />

ist die „Hamburger-Steuer“, eine<br />

Extrasteuer, die jenen Menschen,<br />

die ein schädliches Leben führen,<br />

aufgebürdet <strong>wird</strong>. Die Zurückhaltung<br />

der Regierung kommt nicht<br />

von ungefähr, denn eine große Zahl<br />

der Wähler <strong>wird</strong> die negativen Folgen<br />

der einschneidenden Maßnahmen<br />

zu spüren bekommen. Denn<br />

die Regierung will nicht nur die<br />

Anzahl der derzeit 800.000 Invalidenrentner<br />

bedeutend reduzieren,<br />

sondern auch die Sozialhilfe beschneiden.<br />

Insgesamt beläuft sich<br />

Zahl der Langzeitarbeitslosen auf<br />

etwa 300.000. Vor einigen Wochen<br />

wurde die Reduzierung von Medikamentenunterstützungangekündigt,<br />

was 100 Milliarden Forint im<br />

Jahr an Einsparungen bringt. Um<br />

<strong>das</strong> Defizit unter dem angestrebten<br />

Wirtschaftsminister Matolcsy.<br />

Niveau zu halten, erlegte sich die<br />

Regierung zudem noch die Anlage<br />

eines 250 Milliarden Forint starken<br />

Sicherheitspolsters auf. Während<br />

die spezifischen wirtschaftlichen<br />

Maßnahmen noch in Ausarbeitung<br />

sind, trägt die Arbeit an der neuen<br />

Verfassung dazu bei, die Anleger zu<br />

beruhigen. Tibor Navracsics, der<br />

stellvertretender Ministerpräsident<br />

ist, erklärte dazu, <strong>das</strong>s die neue<br />

Verfassung ähnlich wie <strong>das</strong> polnische<br />

Grundgesetz eine Obergrenze<br />

für die Staatsverschuldung in Höhe<br />

von 55 bis 60 Prozent setzen <strong>wird</strong>.<br />

Das Konjunkturpaket scheint<br />

höchst ungewiss, denn es gibt wei-<br />

tere Konfliktherde innerhalb der<br />

Regierung. In der Bildungspolitik<br />

etwa ist nur eine langsame Annäherung<br />

zwischen den ideologisch<br />

starrsinnigen christdemokratischen<br />

Politikern und den Pragmatiker des<br />

Fidesz zu beobachten. Der Juniorpartner<br />

KDNP könnte sich angesichts<br />

des Versuchs des Fidesz bei<br />

der Ausarbeitung der neuen Verfassung<br />

die Opposition mit einzubeziehen,<br />

übervorteilt fühlen. Dies bedeutet<br />

allerdings, <strong>das</strong>s bei Themen<br />

wie Abtreibung und christlich-demokratischen<br />

Werten Kompromisse<br />

eingegangen werden müssen. Es<br />

formiert sich weiterhin eine außerparlamentarische<br />

Opposition, die<br />

gegen die Auswirkungen der Steuersenkungen,<br />

die vor allem Besserbis<br />

Großverdiener begünstigen und<br />

Geringverdienern weniger lassen,<br />

kämpft. Verschiedene Organisationen<br />

kündigten bereits Aktionen gegen<br />

diese Steuer an. Gleichzeitig<br />

lässt die Gesundheitsreform auf sich<br />

warten, wobei die Geduld der Ärzte<br />

schwindet.<br />

Die Verzögerungen bei der Haushaltsreform<br />

bedeuten nicht, <strong>das</strong>s Orbán<br />

die harten, aber notwendigen<br />

Entscheidungen nicht treffen <strong>wird</strong>.<br />

Allerdings schafft die Atmosphäre<br />

von Unsicherheit einen Nährboden<br />

für Angst und Spekulationen. Dies<br />

könnte <strong>das</strong> Ansehen des Fidesz auf<br />

den Märkten und auf lange Sicht<br />

auch bei den Wählern mindern. Die<br />

Frage ist also nicht, was zu tun ist,<br />

sondern wann und wie. Bekanntlich<br />

steckt der Teufel im Detail.<br />

PÉTER KREKÓ


28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 WIRTSCHAFT BUDAPESTER ZEITUNG 7<br />

Zwei-Milliarden-Rahmen-Vertrag zwischen NFÜ und PD-Konsortium<br />

Große Summe sorgt für große Fantasien<br />

Nachdem die Nationale Entwicklungsagentur<br />

(NFÜ) dem PD-Konsortium<br />

bereits am 11. Februar den<br />

Zuschlag erteilt hatte, die Behörde in<br />

den kommenden vier Jahren „technisch-fachlich<br />

und juristisch“ zu unterstützen,<br />

wurde letzte Woche mehrfach<br />

Kritik an diesem Vorgang laut.<br />

rößter Stein des Anstoßes ist<br />

Gden Kritikern die Tatsache, <strong>das</strong>s<br />

die Tenderunterlagen zwar noch drei<br />

Käufer gefunden hatten, ein gültiges<br />

Angebot letztlich aber nur vom genannten<br />

Konsortium abgegeben wurde.<br />

Rechtsanwalt Attila Dezsõ, vom<br />

dem <strong>das</strong> „D“ im Namen des siegreichen<br />

Konsortiums stammt, kann<br />

daran nichts Anstößiges finden. „Die<br />

Zahl der Firmen, die all die vom<br />

NFÜ verlangten Anforderungen erfüllen,<br />

ist halt sehr begrenzt. Ich<br />

könnte eigentlich nur noch eine weitere<br />

Firma nennen, die außer unserem<br />

Konsortium dazu in der Lage<br />

wäre.“<br />

Es geht nur um einen<br />

Rahmenvertrag<br />

Weiterhin war vielen Beobachtern<br />

die im Vertrag genannte, ungewöhnlich<br />

hohe Summe von zwei Milliarden<br />

Forint ein Grund für gewisse<br />

Spekulationen. Um die besondere<br />

Höhe der Vertragssumme noch besser<br />

veranschaulichen zu können,<br />

schaute sich die Internetzeitung<br />

Origo gleich einmal andere Beraterverträge<br />

der NFÜ an. Dabei fanden<br />

die Origo-Journalisten heraus, <strong>das</strong>s<br />

seit 2006 der höchstdotierte Beratervertrag<br />

ein vergleichsweise bescheidenes<br />

Volumen von 74 Millionen<br />

Forint hatte.<br />

Allerdings werde in den Medienberichten<br />

geflissentlich übergangen,<br />

<strong>das</strong>s es sich bei den fraglichen zwei<br />

Milliarden Forint jetzt lediglich um<br />

eine Rahmensumme handelt, bemerkt<br />

Dezsõ. „Auf Grund des Vertrags<br />

können wir praktisch nicht einen<br />

einzigen Forint von der NFÜ<br />

verlangen. Sollte es die Behörde etwa<br />

durch eine gute interne Arbeitsorganisation<br />

aus eigener Kraft schaffen,<br />

die Qualitätsprüfungen von Fördermittelanträgen<br />

und ähnliche Tätigkeiten<br />

alleine vorzunehmen, könnten<br />

wir sogar ganz leer ausgehen“, sagt<br />

der Rechtanwalt von der Kanzlei<br />

CHSH Dezsõ & Partners.<br />

Moderater Stundensatz<br />

von 16.000 Ft<br />

Der Auftrag beinhalte lediglich, <strong>das</strong>s<br />

sich die NFÜ-Mitarbeiter bei erschöpften<br />

eigenen Ressourcen oder fehlendem<br />

Knowhow zu <strong>einem</strong> für Branchenverhältnisse<br />

eher moderaten Stundensatz<br />

von 16.000 Ft an <strong>das</strong> Konsortium<br />

beziehungsweise die hinter ihm<br />

stehenden Kanzleien wenden können.<br />

Als Höchstgrenze des Gesamtvolumens<br />

wurde ausgehend von den bisherigen<br />

Erfahrungen ein Limit von zwei<br />

Milliarden Forint für den Vertragszeitraum<br />

von vier Jahren festgesetzt.<br />

Dass bei <strong>einem</strong> solchen Vertrag der<br />

maximale Rahmen des Auftragsvolumens<br />

beziffert werden müsse, sei lediglich<br />

einer rechtlichen Vorschrift geschuldet,<br />

erklärt Dezsõ, wobei er aus<br />

s<strong>einem</strong> Unbehagen über die provozierend<br />

hohe Zahl kein Hehl macht.<br />

„Hätten wir uns einfach auf einen festen<br />

Stundensatz geeinigt, dann hätte<br />

sich kein einziger Journalist für den<br />

Vertrag interessiert. Aber Vorschrift ist<br />

BZT / Jan Mainka<br />

Anwalt Attila Dezsõ: Arbeiten dieser Dimension sind auf dem Markt bekannt.<br />

nun einmal Vorschrift“, findet er sich<br />

mit dem Milliarden-Etikett des Vertrages<br />

ab, <strong>das</strong> ihm und seiner Kanzlei<br />

seit einigen Tagen eine ungewollte<br />

Medienpräsenz beschert.<br />

Zweifach falsche<br />

Datumsangabe<br />

Und schließlich ist da aber auch<br />

noch die Sache mit den Terminen.<br />

Laut teils übereinstimmender Presseberichte<br />

konnten pikanterweise angeblich<br />

nur zwischen dem 27. Dezember<br />

und 5. Januar Gebote abgegeben<br />

werden. Nach Aussage von<br />

Dezsõ sei jedoch keine der beiden<br />

Datumsangaben zutreffend. „Am 16.<br />

Dezember wurde die Ausschreibung<br />

bekanntgegeben. Abgabeschluss wäre<br />

nach der üblichen Vorgehensweise<br />

der 3. Januar gewesen. Da aber die<br />

Feiertage in <strong>das</strong> Intervall fielen, wurde<br />

die Abgabefrist von der Behörde auf<br />

den 13. Januar verschoben.“<br />

Der grobe Inhalt der Ausschreibung<br />

sei aber ohnehin bereits seit einer mit<br />

dem 30. August 2010 datierten Vorabmitteilung<br />

der Behörde bekannt gewesen,<br />

so Dezsõ, während er auf <strong>das</strong><br />

Datum des vor ihm liegenden Dokuments<br />

weist. „Seit diesem Zeitpunkt<br />

konnte sich also praktisch jede interessierte<br />

Kanzlei auf die Eröffnung des<br />

Tenders vorbereiten“, unterstreicht er.<br />

„Arbeiten dieser Dimension sind auf<br />

dem Markt ohnehin bekannt und werden<br />

von den Akteuren erwartet.“<br />

Ergo: Nicht in jedem Paket, auf<br />

<strong>das</strong> Journalisten geflissen <strong>das</strong> Etikett<br />

„korruptionsverdächtig“ heften,<br />

muss zwangsläufig auch wirklich<br />

Korruption drinstecken.<br />

JAN MAINKA<br />

KOMPAKT<br />

� Neuer Geschäftsführer bei BMW Ungarn.<br />

Mit Wirkung vom 1. April <strong>wird</strong> der Franzose<br />

Paul de Courtois die Geschäftsführung der<br />

BMW Magyarország Kft. übernehmen. Der bislang<br />

im Vertriebsraum Afrika/Karibik zuständige<br />

Manager folgt Henning Putzke, der seine berufliche<br />

Laufbahn nach fünf Jahren in Ungarn in<br />

Deutschland fortsetzen <strong>wird</strong>.<br />

� Wienerberger häuft Verluste an. Der österreichische<br />

Ziegelhersteller musste 2010 Verluste<br />

von 35 Mio. Euro hinnehmen, die sich neben<br />

den durch eine Umstrukturierung bereits<br />

2009 fabrizierten 260 Mio. Euro an Verlusten<br />

freilich bescheiden ausnehmen. Die Umsatzerlöse<br />

der Wienerberger-Gruppe sanken weiter<br />

um 4% auf 1,75 Mrd. Euro. Das lässt nichts Gutes<br />

für die ungarische Tochtergesellschaft erhoffen,<br />

die einst munter zahlreiche Konkurrenten<br />

schluckte und sogar ein neues Ziegelwerk in<br />

Ostungarn erbaute.<br />

� Anderthalb Millionen sehen digital fern.<br />

Bei den großen Anbietern nutzten am Jahresende<br />

bereits 870.000 Privathaushalte Sat-TV und<br />

560.000 Haushalte digitales Kabel- oder IPTV,<br />

steht im neuesten Bericht der Medienbehörde<br />

NMHH. Im Fernsehsegment behauptet UPC die<br />

Position als Marktführer mit <strong>einem</strong> Marktanteil<br />

von 29% vor DIGI mit 26% und T-Home mit 25%.<br />

� Hundert Millionen für Genesis. Die fünf<br />

großen Investorengruppen bei der Genesis<br />

Energy Nyrt. versäumten, eine im geschlossenen<br />

Kreis vorgenommene Anhebung des<br />

Grundkapitals in Hinsicht auf die daraus<br />

abgeleitete Pflicht einer Offertstellung anzumelden.<br />

Die Investitionen im Energiegeschäft tätigenden<br />

Offshore-Firmen steigerten ihre Geschäftsanteile<br />

auf 82%, ohne den restlichen Aktionären<br />

ein Angebot zu unterbreiten. Deshalb<br />

wurde ihnen jetzt eine Aufsichtsstrafe von insgesamt<br />

100 Mio. Forint aufgebrummt.<br />

� Baustoffhersteller trotzt Rezession. Die<br />

1997 gegründete Masterplast Zrt. erzielte im<br />

abgelaufenen Jahr mit 85,2 Mio. Euro nur geringfügig<br />

weniger Umsatzerlöse als zuvor, <strong>das</strong><br />

Vorsteuerergebnis sank derweil von 725.000<br />

Euro auf ein Drittel ab. Der durch den um ein<br />

Zehntel schrumpfenden einheimischen Baustoffmarkt<br />

ausgelösten Konsolidierung fielen<br />

zwei ausländische Tochtergesellschaften im Kosovo<br />

und in Montenegro zum Opfer. Masterplast<br />

bereitet sich seit 2008 auf den Gang an die Budapester<br />

Wertpapierbörse vor.


8 BUDAPESTER ZEITUNG REPORTAGE 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 9<br />

D er<br />

achtjährige Lacika stottert. Mit<br />

scheuem Stolz zeigt er <strong>das</strong> Bild,<br />

<strong>das</strong> er im Malunterricht gezeichnet<br />

hat. Es sei die Zeichentrickfigur „Son<br />

Goku“, stammelt er. Auf <strong>das</strong> Lob der Erwachsenen<br />

verzieht sich sein Mund zu<br />

<strong>einem</strong> breiten Lächeln.<br />

Lacika besucht die Grundschule im<br />

2000-Seelen-Ort Tiszabõ. Dieser liegt<br />

rund 120 Kilometer südöstlich von Budapest.<br />

Gefragt danach, was er werden<br />

wolle, muss Lacika nicht lange überlegen:<br />

„Polizist“. Kriszta, die junge, engagierte<br />

Schulpsychologin, erklärt später,<br />

<strong>das</strong>s der kleine Junge ohne männliche<br />

Familienangehörige aufwachsen müsse.<br />

„Sie sind alle im Gefängnis“, sagt sie.<br />

Gáborné Domán, eine kleine, resolut<br />

wirkende Mittfünfzigerin, ist die Schuldirektorin<br />

in Tiszabõ. Sie erklärt, <strong>das</strong>s die<br />

rund 350 Kinder an der Schule ausnahmslos<br />

Roma seien. Sie kämen bereits<br />

mit großen Defiziten in die Schule. Mit<br />

sechs Jahren könnten sich viele sprach-<br />

Eine der Ruinen in Tiszabõ.<br />

József Túró mit <strong>einem</strong> seiner sieben Kinder.<br />

Der Bürgermeister von Tiszabura: László Farkas.<br />

lich noch nicht richtig ausdrücken. „Wie<br />

soll man ihnen da <strong>das</strong> Lesen und Schreiben<br />

beibringen?“<br />

Viele der Schüler könnten dieses Handikap<br />

bis zum Schulabgang – im Idealfall<br />

im Alter von 14 Jahren – nicht ausmerzen,<br />

erklärt Schulpsychologin Kriszta. In<br />

einer weiterführenden Schule hätten es<br />

die meisten daher sehr schwer. „Viele geben<br />

schon nach ein bis zwei Monaten<br />

auf.“ Ihre spätere Arbeitslosigkeit sei also<br />

vorprogrammiert.<br />

Laut Kriszta gibt es auch immer wieder<br />

Schülerinnen, die mit vierzehn, fünfzehn<br />

Jahren schwanger werden. Um <strong>das</strong> Kindergeld<br />

beziehen zu können, sagt sie.<br />

Oder sie würden einfach nicht verhüten.<br />

Prostitution in diesem Alter sei auch keine<br />

Seltenheit. „Wir haben ein vierzehnjähriges<br />

Mädchen an der Schule, <strong>das</strong><br />

schon mit zwölf Jahren auf den Strich<br />

ging“, erzählt sie. Das Mädchen sei jetzt<br />

schwanger.<br />

Schuldirektorin Domán ergreift wieder<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>einem</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>das</strong> <strong>Gas</strong> <strong>abgedreht</strong> <strong>wird</strong><br />

<strong>das</strong> Wort. Sie meint, <strong>das</strong>s die Schüler keinerlei<br />

Respekt vor fremdem Eigentum<br />

hätten. Sie „zerschlagen Fenster, klauen<br />

Wasserhähne, zerstören neue Möbel und<br />

beschmieren die frisch gestrichenen weißen<br />

Wände“. <strong>Wenn</strong> man nach dem Grund<br />

frage, heißt es nur, „weil es cool ist“.<br />

Prügeleien stünden auch auf der Tagesordnung.<br />

Allein in den letzten drei Tagen<br />

habe es ein gebrochenes Jochbein<br />

und einen Armbruch gegeben, sagt die<br />

Direktorin. Psychologin Kriszta fügt erklärend<br />

hinzu, <strong>das</strong>s die Schlägereien vor<br />

allem der tiefen Unzufriedenheit der<br />

Schüler geschuldet seien. „Das triste Leben<br />

frustriert die Kinder, <strong>das</strong> entlädt sich<br />

oft in Gewalt.“<br />

Kein Ausweg<br />

in Sicht<br />

Eine ältere Lehrerin gesellt sich hinzu.<br />

Von den vielen Lehrjahren sichtlich ermattet,<br />

erzählt sie, <strong>das</strong>s ihre Schüler oft<br />

im ordinären Tonfall mit ihr sprechen<br />

würden. „Ich ignoriere sie dann, und sage<br />

ihnen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Klassenzimmer eine<br />

‚Insel des Friedens’ ist, wo so nicht miteinander<br />

geredet <strong>wird</strong>“. Im Unterricht<br />

funktioniere <strong>das</strong> ganz gut. Doch in den<br />

Pausen würden sich die Schüler schlagartig<br />

wieder zu „wilden Tieren“ verwandeln.<br />

„An dieser Schule muss man als<br />

Lehrer jeden Tag neu anfangen, <strong>das</strong> ist<br />

unglaublich anstrengend“, sagt sie geknickt.<br />

Ob es denn einen Ausweg gebe? „Lernen,<br />

lernen, lernen. Es gibt kein besseres<br />

Rezept“, da sind sich die Lehrerin und die<br />

Schuldirektorin einig. Doch welche<br />

Berufswünsche haben die älteren Kinder<br />

eigentlich? Die elfjährige Ildikó will Frisörin<br />

werden, so wie viele andere Schülerinnen<br />

auch. Die vierzehnjährige Zsuzsanna<br />

möchte ebenfalls in <strong>einem</strong> Friseurgeschäft<br />

arbeiten. „Oder ich heirate Ernõ.“<br />

„Ich werde nichts“, sagt der zehnjährige<br />

Béla. Demgegenüber hat der zwei<br />

Jahre ältere András bereits konkrete Vorstellungen:<br />

„Polizist wäre toll, dann sperre<br />

ich nämlich die Leute ein, die klauen.“<br />

„Und was klauen sie?“, fragt die Lehrerin.<br />

„Na Holz im Wald“, lautet seine Antwort.<br />

„Und du klaust kein Holz im Wald,<br />

András?“ „Doch. Deshalb werde ich mich<br />

selbst einsperren.“ Seine Worte sorgen im<br />

Klassenzimmer für Gelächter.<br />

Auf die Frage, ob die Schüler Hunger<br />

leiden müssten, erzählt Schulpsychologin<br />

Kriszta von <strong>einem</strong> neunjährigen<br />

Mädchen, <strong>das</strong>s kürzlich „mit Bauchschmerzen“<br />

zu ihr gekommen sei. Sie habe<br />

ihr Tee mit viel Zucker gegeben. „Das<br />

hat fürs erste die Magenschmerzen gelindert.“<br />

Danach hätten sie zusammen mit<br />

Puppen gespielt. Das Mädchen sei dabei<br />

<strong>das</strong> „Hühnchen“ gewesen – <strong>das</strong> Hühnchen,<br />

<strong>das</strong> „keine Körner bekommt“.<br />

Der Geographieunterricht an der<br />

Schule findet mit Hilfe von Computern<br />

statt. Milde lächelnd erzählt der etwa<br />

fünfzigjährige Lehrer, <strong>das</strong>s der Großteil<br />

der Kinder weder gut lesen noch schreiben<br />

könne. Deshalb versuche er ihnen<br />

den Lehrstoff „visuell“ über <strong>das</strong> Internet<br />

zu vermitteln, etwa mit Google Maps.<br />

„Sie können sich dann zum Beispiel <strong>das</strong><br />

Schachbrettmuster einer amerikanischen<br />

Stadt besser vorstellen. Würde ich ihnen<br />

dieses Phänomen erklären, würden sie<br />

Tiszabõ und Tiszabura gelten als die zwei ärmsten Gemeinden Ungarns.<br />

In beiden Ortschaften herrschen immense Arbeitslosigkeit und bittere<br />

Armut. Ein Reportageteam der BUDAPESTER ZEITUNG machte<br />

sich ein Bild von den Zuständen in den zwei Orten.<br />

es nicht verstehen.“ In jeder Unterrichtsstunde<br />

gebe er den Kindern auch nur eine<br />

Aufgabe. „Mehr kann ich ihnen nicht<br />

zumuten.“<br />

Haben sie die Aufgabe gelöst, dürfen<br />

die Schüler im Internet surfen oder sich<br />

Computerspielen hingeben. Zwei Mädchen<br />

in reiferem Alter sehen sich gebannt<br />

Bilder von pubertären Buben an, die im<br />

Internet mit nacktem Oberkörper posieren.<br />

An <strong>einem</strong> anderen Gerät ist ein<br />

Schüler ganz darin vertieft, Autorennen<br />

zu fahren. Selbst einen Computer zu besitzen<br />

ist in Tiszabõ, wo viele Familien<br />

nicht einmal eine Toilette im Haus haben<br />

und den Strom von der Stromleitung abzapfen,<br />

fast undenkbar.<br />

Auf dem trostlosen Schulhof rutschen<br />

einige Schüler zum Spaß auf den zugefrorenen<br />

Pfützen umher. Kaum ein Kind<br />

ist der Jahreszeit entsprechend gekleidet.<br />

Die meisten tragen Turnschuhe und Jogginghosen.<br />

Handschuhe, Mützen oder<br />

Schals, geschweige denn warme Winterjacken<br />

sind nur wenige zu sehen. Früher<br />

gab es viele Bäume auf dem Schulhof.<br />

Heute zeigen Baumstümpfe gen Himmel.<br />

Auf den heruntergekommenen Zustand<br />

der Schule angesprochen, erzählt<br />

Direktorin Domán, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gesundheitsamt<br />

(ÁNTSZ) sogar schon mit ihrer<br />

Schließung gedroht habe. „Sie ist unhygienisch<br />

und für die Kinder zum Teil lebensgefährlich“,<br />

so Domán. In der Schule<br />

werde nicht geputzt. Es sei einfach<br />

kein Geld dafür da. Die fehlende Reinigung<br />

springt vor allem in den Toiletten<br />

ins Auge: Die weißen Fliesen sind braun<br />

verschmiert. Vom Matsch des Schulhofs?<br />

Offenbar <strong>wird</strong> auch wenig gelüftet. Im<br />

ganzen Gebäude riecht es nach abgestandener<br />

Luft und Schweiß.<br />

In ihrer Hilflosigkeit ist Schuldirektorin<br />

Domán besonders auf die Regierenden<br />

wütend: „Statt den Mund vollzunehmen,<br />

sollten die Politiker vorbeikommen und<br />

endlich Taten sprechen lassen. Schulen<br />

wie diese hier, sind eine Schande für dieses<br />

Land.“<br />

„Bis zum Hals<br />

in Schulden“<br />

Auf der Fahrt von der Schule zum Bürgermeisteramt<br />

sind auf der Straße viele<br />

streunende Hunde zu sehen. Etliche<br />

Häuser sind unbewohnt. Durch Fensterhöhlen<br />

sieht man in ihr entkerntes Inneres.<br />

Aus den Hausruinen wurde sichtlich<br />

alles Verwertbare geplündert. Mauerreste<br />

deuten an, wo früher einmal ein Gartenzaun<br />

war.<br />

Das Bürgermeisteramt steht dem Ort<br />

an Tristesse in nichts nach. Kalter Zigarettenrauch<br />

erfüllt <strong>das</strong> gedrungene Gebäude.<br />

Rasch <strong>wird</strong> klar, warum es hier so<br />

stickig ist: Im Büro von Bürgermeister<br />

Barnabás Farkas hängt der Rauch in dik-<br />

VON PETER BOGNAR, KONSTANZE FAßBINDER, INES GRUBER UND LISA WEIL<br />

ken Schwaden. Ein paar verstaubte und<br />

vergilbte Plastikorchideen stehen auf den<br />

Schränken hinter dem Schreibtisch. Farkas<br />

sitzt in gebeugter Haltung da. Auf<br />

dem dunklen Anzug, den er trägt, sind<br />

seine Haarschuppen besonders gut sichtbar.<br />

Er nuschelt.<br />

„Tiszabõ steckt bis zum Hals in Schulden“.<br />

Der Stromversorger, sagt er, werde<br />

wegen unbeglichener Rechnungen den<br />

Strom im März voraussichtlich abdrehen.<br />

„Es ist nicht mein Fehler“, beeilt sich der<br />

Bürgermeister zu beteuern. Es gebe<br />

nichts mehr, woran in der Gemeinde<br />

noch gespart werden könne. Mangels<br />

Geld sei von ihm auch schon die Putzfrau<br />

entlassen worden. „Jetzt putzt der<br />

Notar <strong>das</strong> Bürgermeisteramt und auch<br />

ich helfe ab und zu mit.“ Er habe der Regierung<br />

bereits mehrere Briefe geschrieben<br />

und darum gebeten, dem Ort finanziell<br />

unter die Arme zu greifen. Doch sei<br />

sein Anliegen jedes Mal auf taube Ohren<br />

gestoßen, schildert er.<br />

Ob es in Tiszabõ Arbeit gebe? Farkas<br />

schüttelt den Kopf: „Hier sind alle arbeitslos.“<br />

„Früher“, sagt er, „früher war<br />

Tiszabõ eine blühende Ortschaft. Jeder<br />

Haushalt hatte Kühe, Schweine und<br />

Hühner.“ Doch dann sei die große Flut<br />

gekommen. 2002 sei die Theiß, die am<br />

<strong>Dorf</strong> entlang fließt über die Ufer getreten.<br />

„Die Zerstörungen der Überschwemmung<br />

waren groß.“ Seither befinde sich<br />

Tiszabõ im Niedergang. „Viele Ungarn<br />

sind wegen der aussichtslosen Lage weg<br />

gegangen. Heute leben praktisch nur<br />

noch Zigeuner hier“, erklärt Farkas, der<br />

selbst Roma ist.<br />

Die Hiergebliebenen hätten nicht einmal<br />

mehr Geld zum Heizen. „Sie gehen<br />

in die umliegenden Wälder, um illegal<br />

Holz zu fällen.“ Farkas kommt auch auf<br />

die vielen leerstehenden Häuser zu sprechen,<br />

die in Tiszabõ oft bis auf die<br />

Grundmauern abgetragen wurden. „Um<br />

Eisen und andere Baumaterialien verkaufen<br />

zu können, vergreifen sich die<br />

mittellosen Einwohner einfach an den<br />

leeren Gebäuden.“ Die Situation im Ort<br />

sei bereits so dramatisch, <strong>das</strong>s die Einwohner<br />

in ihren eigenen Häusern Fliesen<br />

und sanitäre Anlagen abmontieren,<br />

um an Geld zu kommen.<br />

Was die Menschen ohne Arbeit den<br />

ganzen Tag so machen? „Sie vermehren<br />

sich“, antwortet der Bürgermeister trocken.<br />

Er erklärt: „<strong>Wenn</strong> jemand keine Arbeit<br />

hat und den ganzen Tag zu Hause<br />

ist, was soll er denn mit seiner Frau sonst<br />

tun? Er hat Zeit, und er ist vor allem ausgeruht.“<br />

Illegale Rohdungen<br />

der Wälder<br />

Die Fahrt in die rund zwanzig Kilometer<br />

entfernte Ortschaft Tiszabura führt<br />

entlang der Theiß über einen Damm.<br />

Diese Strecke sei besser als die von<br />

Schlaglöchern übersäte Landstraße, heißt<br />

es in Tiszabõ. Auf dem schmalen Grat<br />

des Damms ist es rutschig. Alles andere<br />

als Schritttempo wäre waghalsig.<br />

Während der Fahrt heulen immer wieder<br />

Motorsägen auf und man hört <strong>das</strong><br />

Brechen von Holz. Auf dem Damm verkehren<br />

trotz eisiger Temperaturen auch<br />

Radfahrer. Äxte und Sägen sind auf die<br />

Gepäckträger der Räder gezurrt. An <strong>einem</strong><br />

Waldrand seitlich des Dammes<br />

packen Männer Baumstämme und Äste<br />

auf einen Autoanhänger. Sogar am helllichten<br />

Tag <strong>wird</strong> hier illegal abgeholzt.<br />

Von <strong>einem</strong> ehemaligen Baumbestand daneben<br />

sind nur noch Stümpfe übrig, die<br />

aus der silbrig glänzenden Eisfläche ragen.<br />

Der Bürgermeister von Tiszabura,<br />

László Farkas, ist leger gekleidet. Trotz<br />

des Wusts an Problemen strahlt er Unbekümmertheit<br />

aus. In s<strong>einem</strong> Büro fallen<br />

zwei Wandkarten besonders auf. Auf der<br />

einen ist „Großungarn“, auf der anderen<br />

<strong>das</strong> Land in seiner heutigen Größe abgebildet.<br />

Einige welke Zimmerpflanzen im<br />

Büro haben wohl lange kein Wasser<br />

mehr bekommen.<br />

Seit zehn Jahren steht Farkas an der<br />

Spitze von Tiszabura. Mit 23 Jahre wurde<br />

er zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt.<br />

„Was will dieser Rotzbub?“, hätten<br />

die Skeptiker damals gefragt. Heute sagt<br />

Farkas selbstbewusst, <strong>das</strong>s er außer sich<br />

niemand anderen im Ort kenne, der den<br />

Problemen gewachsen wäre.<br />

Auch Tiszabura steckt heillos in Schulden.<br />

Die Gründe für diese Malaise ortet<br />

Farkas in der verfehlten Politik der einstigen<br />

Regierung unter Péter Medgyessy<br />

(2002-2004). Medgyessy und seine linksliberale<br />

Regierung erhöhten nach ihrem<br />

Wahlsieg im Jahr 2002 die Löhne der öffentlich<br />

Bediensteten um 50 Prozent.<br />

„Schön und gut“, sagt Farkas, „nur <strong>das</strong>s<br />

es keine Deckung für diese Lohnerhöhungen<br />

gab.“ Der Bürgermeister erzählt,<br />

<strong>das</strong>s sich die Ortschaft gezwungen sah,<br />

Kredite aufzunehmen, um die abrupt gestiegenen<br />

Lohnkosten der <strong>Dorf</strong>bediensteten<br />

bezahlen zu können.<br />

Heute belaufen sich die Schulden von<br />

Tiszabura auf rund 100 Millionen Forint.<br />

„Alles unbezahlte Rechnungen“, erklärt<br />

Farkas. 15 Millionen allein machen die nicht<br />

beglichenen <strong>Gas</strong>rechnungen aus. Als<br />

Konsequenz habe der örtliche Energieversorger<br />

im Dezember kurzerhand den<br />

<strong>Gas</strong>hahn zugedreht. Ohne <strong>Gas</strong> gibt es keine<br />

Heizung, und ohne Heizung kann unter<br />

anderem die Schule nicht betrieben<br />

werden. „Das war ein Schlag ins Gesicht.“<br />

Der Schulunterricht findet derzeit notgedrungen<br />

im Sitzungssaal des Bürgermeisteramtes,<br />

im verwahrlosten Kulturhaus<br />

und <strong>einem</strong> gemeinnützigen Gebäude<br />

der Ortschaft statt – wegen des Platzmangels<br />

in Vormittags- und Nachmittagsschichten.<br />

Wann der Schulbetrieb im<br />

Schulgebäude wieder aufgenommen<br />

werden kann? „<strong>Wenn</strong> <strong>das</strong> <strong>Gas</strong> aufgedreht<br />

<strong>wird</strong>“, sagt der Bürgermeister lapidar.<br />

Und fügt mit <strong>einem</strong> schalkhaften Lächeln<br />

hinzu: „In Auschwitz haben wir uns darüber<br />

nicht so gefreut.“<br />

In diesem Jahr, sei wegen Geldmangels<br />

auch ein Programm für die Vergabe<br />

von gemeinnütziger Arbeit eingestellt<br />

worden. Während im Vorjahr noch rund<br />

600 Menschen in Tiszabura Arbeit und<br />

ein bescheidenes Einkommen gegeben<br />

wurde, verrichten heute nur noch drei<br />

Personen gemeinnützige Tätigkeiten.<br />

Das bedeutet auch, <strong>das</strong>s viele nicht<br />

einmal mehr die monatliche Sozialhilfe<br />

in Höhe von 28.500 Forint erhalten. Der<br />

Grund: Diese ist an Arbeit gekoppelt. Für<br />

den Erhalt muss man mindestens zwei<br />

Monate im Jahr gearbeitet haben. Und<br />

Arbeit gibt es weit und breit kaum. Vor<br />

der Wende habe es in der Umgebung<br />

noch eine Tabakfabrik, eine Zuckerfabrik,<br />

ein Geflügelverarbeitungsunternehmen<br />

und Bauindustrie gegeben. „Alle haben<br />

dicht gemacht“, so Farkas. Obendrein<br />

seien auch die funktionierenden<br />

Kolchosen zerschlagen worden, wodurch<br />

ebenfalls viele Menschen arbeitslos<br />

wurden.<br />

„<strong>Wenn</strong> bei vielen nun auch noch die<br />

Sozialhilfe wegfällt, habe ich die Sorge,<br />

<strong>das</strong>s in Tiszabura nicht nur die Kriminalität<br />

weiter ansteigt, sondern <strong>das</strong>s Menschen<br />

auch hungern müssen“, sagt Farkas.<br />

Der Bürgermeister erzählt, <strong>das</strong>s viele<br />

Bewohner des Ortes auf eigene Faust in<br />

die nahe gelegenen Wälder jagen gingen.<br />

„Vor kurzem ist jemand mit <strong>einem</strong><br />

Wildschwein zurückgekehrt.“<br />

Ob es Polizisten im Ort gebe? „Auf<br />

dem Papier gibt es drei, ich habe bisher<br />

aber nur einen getroffen“, sagt der Bürgermeister.<br />

Und der habe sich auch nur<br />

blicken lassen, weil er für seine Frau<br />

nach Arbeit gesucht habe. „Weil wir die<br />

Leute nicht mehr bezahlen können, gibt<br />

es im Ort auch keine Bürgerwehr mehr“,<br />

sagt Farkas. Und dann gebe es auch noch<br />

<strong>das</strong> Problem der streunenden Hunde.<br />

Die hungrigen Tiere rotten sich zu Rudeln<br />

zusammen und gehen in der Umgebung<br />

von Tiszabura auf Jagd, so der Bürgermeister.<br />

Er warnt davor, gewisse Gegenden<br />

in der Gemeinde bei Dunkelheit<br />

aufzusuchen. „Sie sind sehr angriffslustig.“<br />

„Was kann man<br />

hier schon machen?“<br />

Hinter dem geisterhaft leer stehenden<br />

Schulgebäude ist <strong>das</strong> Kulturhaus zu finden.<br />

Das Gebäude ist klein, die Fenstergitter<br />

sind verrostet. Im Inneren bröckelt<br />

der Putz. Drinnen ist es aber warm. Über<br />

der Bühne des kleinen Festsaals prangt<br />

noch die Weihnachtsdekoration. Außerdem<br />

hängen rosafarbene Luftballons und<br />

Papiergirlanden von der Decke. „Gleiche<br />

Chancen gegen Brustkrebs“ steht in großen<br />

Lettern an der Wand. In der Mitte des<br />

Raumes hängt eine kleine Diskokugel<br />

mit blinden Spiegeln.<br />

Hinter provisorischen Pappwänden<br />

wurde hier notdürftig ein Unterrichtsraum<br />

eingerichtet. In den restlichen<br />

„Klassenzimmern“, die in fensterlosen,<br />

muffigen Räumen beherbergt sind, stehen<br />

die Stühle schon auf den Tischen. Es<br />

ist später Nachmittag. Zwei Frauen mittleren<br />

Alters sind gerade dabei, <strong>das</strong> Gebäude<br />

zu reinigen. Eine der beiden ist eine<br />

Roma.<br />

Die Frauen gehören zu jenen drei Personen,<br />

die im Ort noch gemeinnützige<br />

Arbeit leisten. Für sechs Stunden pro Tag<br />

erhalten sie einen Lohn in Höhe von monatlich<br />

45.000, für vier Stunden kriegt<br />

man 31.000 Forint. Die Roma klagt über<br />

ihren immergleichen Alltag: „Was kann<br />

man in diesem Kaff schon machen?“ Einmal<br />

im Jahr, sagt sie, gehe die ganze Familie<br />

in den Nachbarort Pizza essen. Das<br />

sei der einzige Lichtblick in ihrem eintönigen<br />

Leben. Die andere Frau erzählt,<br />

<strong>das</strong>s sie bisher nur einmal in Budapest<br />

gewesen sei – vor 28 Jahren zur Hochzeitsreise<br />

mit ihrem Mann. Budapest ist<br />

rund 100 Kilometer von Tiszabura entfernt.<br />

Wie <strong>das</strong> Zusammenleben von Ungarn<br />

und Roma in Tiszabura funktioniere?<br />

„Eigentlich gut“, meinen beide. „Konflikte<br />

gibt es nicht. <strong>Wenn</strong>, dann nur deshalb,<br />

weil die Zigeuner klauen. Die beklauen<br />

sich aber auch untereinander“, sagt die<br />

Roma. Die andere Frau ergänzt: „Deshalb<br />

finde ich, <strong>das</strong>s wir in Tiszabura kein ethnisches,<br />

sondern ein soziales Problem<br />

haben.“ Ihre Kollegin nickt zustimmend.<br />

3000 Einwohner –<br />

1 Arzt<br />

Allgemeinarzt Balázs Horváth ist jung<br />

und sportlich. Er trägt einen Dreitagebart.<br />

Sein schulterlanges Haar hat er zu <strong>einem</strong><br />

Zopf gebunden. Horváth ist der einzige<br />

Arzt, der in Tiszabura geblieben ist. Der<br />

Kinder- und der Zahnarzt haben die Ortschaft<br />

wegen der misslichen Situation vor<br />

wenigen Monaten fluchtartig verlassen.<br />

Deshalb ist Horváth heute für rund 3.000<br />

Einwohner zuständig, in denen die<br />

Mehrheit Roma sind.<br />

„Die gesundheitliche Situation hier im<br />

<strong>Dorf</strong> ist weitaus schlechter als die des nationalen<br />

Durchschnitts“, so Horváth. Die<br />

häufigsten Krankheiten seien Mangelerkrankungen,<br />

Rheuma, Asthma und Herz-<br />

Gefäß-Erkrankungen. Außerdem gebe es<br />

viele Fälle von Schwangerschaften bei<br />

Minderjährigen. „Dabei hält die Gemeindeschwester<br />

regelmäßig Vorträge – unaufgeklärt<br />

sind die Jugendlichen also<br />

nicht. Wir verteilen umsonst Kondome,<br />

und auch die Dreimonats-Verhütungs-<br />

spritze kostet wenig. Aber wenn Jugendliche<br />

verliebt sind, ist ihnen alles egal –<br />

und die Jungs mögen Kondome eben<br />

nicht so gern“, erklärt der Arzt.<br />

Trotz der bitteren Armut in Tiszabura<br />

sei im Winter noch niemand mit Erfrierungswunden<br />

oder Frostbeulen zu ihm<br />

gekommen. Probleme resultieren eher<br />

aus dem Gegenteil. Die meisten Familien<br />

heizen mit Holz aus den umliegenden<br />

Wäldern. „Um die Wärme in der Wohnung<br />

zu halten, lüften sie jedoch kaum.<br />

Dadurch werden ständig Schadstoffe eingeatmet,<br />

die sich in der Lunge absetzen“,<br />

erklärt Horváth. Das Ergebnis sei ein<br />

überdurchschnittlich hohes Vorkommen<br />

von chronischem Asthma, vor allem bei<br />

Kindern. Atemwegerkrankungen sind<br />

bei Kindern aber auch deshalb so häufig,<br />

weil viele Mütter ihre Säuglinge mit<br />

Kuhmilch füttern, so der Arzt.<br />

Ein anderes großes Problem seien<br />

Fehlernährung und der enorme Vitaminmangel.<br />

„Viele meiner Patienten essen<br />

kaum Obst oder Gemüse. Die Menschen<br />

hier verzehren vor allem Weißbrot<br />

und Schweinefleisch, <strong>das</strong> in Massen jedoch<br />

entzündungserregend wirken<br />

kann“, sagt Horváth. Viele würden sich<br />

auch mit Chips, Cola und Süßigkeiten<br />

vollstopfen, wenn sie ihre Löhne oder<br />

Sozialgelder bekämen, weiß der Arzt.<br />

Ihre Kinder seien den Roma „heilig“.<br />

Sei ein Roma-Kind ernsthaft krank,<br />

nähmen sie trotz Mittellosigkeit auch<br />

große Unkosten in Kauf. „<strong>Wenn</strong> es<br />

nicht anders geht, nehmen sie einen<br />

Kredit auf, um Medikamente oder die<br />

Fahrtkosten ins Krankenhaus bezahlen<br />

zu können.“ Horváth meint damit keine<br />

Bankkredite, sondern Kredite von<br />

Privatpersonen mit „Wucherzinsen“. In<br />

vielen Fällen könnten die horrenden<br />

Rückzahlungen von den Schuldnern<br />

aber nicht geleistet werden. „Im Ort<br />

wurden deshalb auch schon Häuser in<br />

Brand gesteckt“, weiß er zu berichten.<br />

„Kakerlaken hinter<br />

den Wänden“<br />

József Turó wirkt auf den ersten Blick<br />

jungenhaft. Bei genauerem Hinsehen<br />

Eine Grundschulklasse in Tiszabõ. Familie Túró in ihrem Zuhause. Der Bürgermeister von Tiszabõ: Barnabás Farkas.<br />

sieht der Roma aber müde und abgearbeitet<br />

aus. Tiefe Falten umgeben seine<br />

grünen Augen. Mit seiner jetzigen Frau<br />

hat er sieben Kinder, vier von ihr, drei<br />

von ihm.<br />

Grinsend und bisweilen Grimassen<br />

schneidend, sehen die hübsch gekleideten<br />

Kinder ihrer Mutter dabei zu, wie sie<br />

in der Küche „sovány“ zubereitet. „Sovány“<br />

bedeutet mager. Es ist ein billiger Ersatz<br />

für Brot, <strong>das</strong> für viele Familien in Tiszabura<br />

zu teuer ist. „Aus Wasser, Backpulver<br />

und Hefe knete ich einen Teig und frittiere<br />

ihn dann in heißem Öl“, erklärt sie.<br />

Seit fünf Jahren ist József arbeitslos.<br />

Zuvor habe er jahrelang als Maurer für<br />

ein Bauunternehmen gearbeitet. Bis zu<br />

370 Stunden im Monat. József will unbedingt<br />

wieder arbeiten. „Um den Kindern<br />

eine ordentliche Ausbildung geben<br />

zu können“, sagt er. Derzeit betrage<br />

<strong>das</strong> Familienbudget rund 150.000<br />

Forint im Monat. Es setze sich vor allem<br />

aus der Familienbeihilfe zusammen.<br />

„Viel zu wenig, um meiner Familie ein<br />

anständiges Leben bieten zu können“,<br />

sagt József.<br />

In ihrem Haus bewohnen József und<br />

seine Familie drei Zimmer. Weil es zu<br />

wenige Betten gibt, schlafen jeweils<br />

zwei Kinder auf einer Liegestatt. Im<br />

Wohnzimmer prangt eine Tapete mit<br />

Efeu-Muster, darunter verdeckt eine<br />

Holzvertäfelung die Wand. Immer wieder<br />

krabbeln hinter der Vertäfelung käferartige<br />

Getiere hervor. Etwa Spinnen?<br />

„Nein, nein, <strong>das</strong> sind Kakerlaken“, erklärt<br />

die älteste Tochter Ildikó.<br />

Auch die Küche ist nur beim ersten<br />

Hinsehen adrett. Nach einer Weile fällt<br />

auf, <strong>das</strong>s der Wasserhahn an der Küchenspüle<br />

aus <strong>einem</strong> großen grauen<br />

Loch in der Wand hervorragt. Hinter der<br />

großen Küchentheke wiederum hören<br />

die Bodenfliesen einfach auf und es<br />

schaut <strong>das</strong> nackte Erdreich hervor.<br />

Die vierzehnjährige Ildikó drückt sich<br />

selbstsicher und gewählt aus. Sie hat<br />

feste Pläne. So wolle sie eine Handelsschule<br />

besuchen, mit Englisch und Französisch<br />

als Wahlsprachen. József hofft:<br />

„Diese Schule <strong>wird</strong> für meine Tochter<br />

vielleicht ein Ausweg aus der Armutsfalle<br />

sein.“<br />

Trotz des schlechten Zustands <strong>wird</strong> auch dieses Haus bewohnt.


10 BUDAPESTER ZEITUNG DESIGN 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

Klar und minimalistisch – so sind<br />

die Designs des Labels „Nubu“,<br />

<strong>das</strong> Judit Garam und ihr Bruder<br />

Peter vor annähernd drei Jahren<br />

gemeinsam gründeten. Feine Stoffe,<br />

gute Verarbeitung, schlichte<br />

und doch ausgefallene Schnitte<br />

kennzeichnen ihre Kleider. Dazu<br />

gehören Shirts, Kostüme, Anzüge,<br />

Jeans und Accessoires wie zum<br />

Beispiel Taschen. Zeitgleich mit<br />

der Gründung ihres Labels eröffneten<br />

die Geschwister den Mono<br />

Fashion Shop, wo sie „Nubu“<br />

auch vertreiben. Im Laden dominieren<br />

die Farben Schwarz, Anthrazit<br />

und weitere Grautöne, Mauve<br />

und Nuancen von Karamell bis<br />

Weiß. Präsentation und ausgewählte<br />

Accessoires machen <strong>das</strong><br />

Sortiment zu etwas Besonderem.<br />

Auch aufgrund der Preise: Mono<br />

ist <strong>das</strong> beste Beispiel dafür, <strong>das</strong>s<br />

qualitativ hochwertige und ausgefallene<br />

Designerkleidung nicht<br />

teuer sein muss – die meisten Teile<br />

kosten nicht mehr, als man in einer<br />

großen internationalen Modekette<br />

dafür zahlen würde. Wir sprachen<br />

mit der Designerin Judit Garam.<br />

� Wie würden Sie Ihr Label charakterisieren?<br />

Minimalistisch, clean, pur. Wir<br />

kreieren einen urbanen Stil, der alltagstauglich<br />

und gleichzeitig alternativ<br />

ist. Für normale Frauen im<br />

Berufsleben. Wir produzieren in<br />

kleiner Auflage, von jedem Stück<br />

gibt es nur ein paar Exemplare.<br />

Das macht unsere Kleidung zu etwas<br />

Besonderem, auch, weil jedes<br />

Teil von nur einer Person per<br />

Hand angefertigt <strong>wird</strong>.<br />

� Welche Zielgruppe sprechen Sie<br />

damit an?<br />

Hm, <strong>das</strong> ist schwierig. Ich würde<br />

sagen, jüngere Leute mögen unsere<br />

Sachen, vor allem die älteren<br />

kaufen sie dann. Allgemein vielleicht<br />

die 18- bis 40-Jährigen. Wir<br />

haben Kleidung in den Größen S<br />

bis XL im Laden. Die Kunden<br />

können aber auch andere Größen<br />

bestellen.<br />

� Woher holen Sie sich Ihre Inspiration?<br />

Ich kann nicht sagen, <strong>das</strong>s ich von<br />

bestimmten Designern beeinflusst<br />

werde oder mich an ihnen orientiere.<br />

Meine Ideen kommen aus m<strong>einem</strong><br />

Inneren. Aber natürlich orientiere<br />

ich mich bei meinen Designs<br />

schon an Trends.<br />

BZT / Aaron Taylor<br />

� Wie kam es dazu, <strong>das</strong>s Sie anfingen,<br />

Mode zu machen?<br />

Ich war einfach schon immer daran<br />

interessiert, bereits als kleines<br />

Mädchen von zehn Jahren. Es war<br />

deshalb früh klar, <strong>das</strong>s ich etwas<br />

mit Kleidung und Mode machen<br />

würde. Zu diesem Zeitpunkt gab<br />

es jedoch noch keine gute Schule<br />

in Ungarn, <strong>das</strong> kam erst in den<br />

letzten Jahren. So habe ich einfach<br />

selbst herumprobiert, <strong>das</strong> Leben<br />

war mein Lehrer. Ich bin<br />

Autodidakt.<br />

� Wann gründeten Sie Ihr eigenes<br />

Label?<br />

Vor zehn Jahren gründeten wir<br />

„Miju“. Vor knapp drei Jahren kamen<br />

dann unser Laden, der Mono<br />

Fashion Shop, und die Marke<br />

„Nubu“ hinzu.<br />

� Gibt es neben „Nubu“ noch andere<br />

Marken im Mono Fashion Shop?<br />

Designer aus Ungarn – Teil 3<br />

Judit Garam und ihr Label Nubu<br />

Puristisch und elegant<br />

Autodidaktin Judit Garam in ihrem Mono Fashion Shop.<br />

Neben unseren beiden eigenen Labeln<br />

haben wir hier Kollektionen<br />

anderer, hauptsächlich ungarischer<br />

Designer. Den Anfang machten<br />

sechs große ungarische Marken.<br />

Inzwischen sind es mehr. Jeden<br />

Monat präsentieren wir im Laden<br />

die Kollektion eines <strong>Gas</strong>t-Designer<br />

aus Ungarn oder dem Ausland.<br />

Mit diesem Programm helfen wir<br />

jungen und talentierten Designern,<br />

Fuß zu fassen und auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Darunter<br />

sind auch die Arbeiten von Designstudenten<br />

und Absolventen<br />

der <strong>Universität</strong>. So geben wir dem<br />

kreativen Nachwuchs eine Chance.<br />

Normalerweise bleiben die Kollektionen<br />

einen Monat lang im Laden.<br />

Danach entschieden wir, ob<br />

wir sie weiter vertreiben oder<br />

nicht. Eigentlich lehnen wir niemanden<br />

ab, der zu uns kommt und<br />

ausstellen möchte. Außer, die<br />

Kreationen sind beispielsweise zu<br />

farbenfroh, <strong>das</strong> würde dann nicht<br />

in unser Shop-Konzept passen.<br />

Momentan führen wir die Marken<br />

„Nubu“, „Anh Tuan“, „Nanushka“,<br />

„Use“, „Feher Design", „Artista“,<br />

„Miju“, „Nos“, „Bálint Sára“,<br />

„Konsánszky Dóra“, „Souffle"<br />

und „Nubu Baby“, daneben noch<br />

einige Schmucklinien. Alle Marken<br />

besitzen einen für ihren jeweiligen<br />

Designer typischen Stil.<br />

� Inzwischen gibt es ihr Label<br />

„Nubu“ auch in Wien und Berlin zu<br />

kaufen. Planen Sie weitere internationale<br />

Standorte?<br />

Wir sind auf alle Fälle offen für internationale<br />

Kooperationen. Wir möchten<br />

auch gerne an Fashion Weeks teilnehmen,<br />

vor zwei Jahren waren wir<br />

zum Beispiel auf der Winter-Fashion-<br />

Week in New York und Los Angeles<br />

vertreten. Hier in Budapest organisieren<br />

wir mit Mono Fashion unsere<br />

eigenen Modenschauen.<br />

� Was dürfen wir von Ihrer aktuellen<br />

Frühlingskollektion erwarten?<br />

Sie ist frisch und hell, <strong>das</strong> tut gut<br />

nach dem dusteren Winter. Wir haben<br />

neue Designs und Schnitte.<br />

Geometrie spielt eine große Rolle.<br />

Darunter sind Stücke mit Malereien,<br />

jedes davon ist ein absolutes<br />

Unikat. Wir sind gerade dabei, sie<br />

ZUR PERSON<br />

nach und nach mit der gesamten<br />

neuen Kollektion ins Sortiment<br />

des Ladens zu nehmen.<br />

KONSTANZE FAßBINDER<br />

„Nubu“ erhältlich<br />

im Mono Fashion Shop<br />

V. Kossuth Lajos utca 20<br />

Telefon: +36 1 317 7789<br />

Mobil: +36 20 772 5273<br />

Email: info@monofashion.hu,<br />

www.monofashion.hu<br />

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag<br />

10 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 18<br />

Uhr, Sonntag geschlossen.<br />

JUDIT GARAM stammt aus Budapest. Seit zehn Jahren führt sie <strong>das</strong><br />

Label „Miju“, vor drei Jahren gründete sie mit ihrem Bruder Peter<br />

den Mono Fashion Shop und ihr gemeinsames Label „Nubu“. Zum<br />

Mono Shop gehört außerdem die Mono Gallery für Zeitgenössische<br />

Kunst in der Várfok utca 1 in Buda, die Garams Mann führt. Hier<br />

<strong>wird</strong> <strong>das</strong> Konzept von Mono auf Kunst übertragen: Präsentiert werden<br />

die Arbeiten junger, ungarischer Künstler. Mehr Infos auf<br />

www.monogaleria.hu/hu/galeria.html.


28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 VERANSTALTUNGEN BUDAPESTER ZEITUNG 11<br />

Kunstausstellung auf dem Kulturschiff A38<br />

Kurios, aber großartig<br />

Weniger erotisch, dafür umso humorvoller setzt<br />

Andrej Tóth Szenen des Pariser Varietés „Crazy<br />

Horse“ in seinen Malereien um. Da werden<br />

Tänzerinnen Hühnerköpfe aufgesetzt und dicke<br />

Waden verpasst – <strong>das</strong> alles jedoch auf eine bemerkenswert<br />

liebevolle Art und Weise. Das<br />

Kulturschiff A38 zeigt Tóths Werke noch bis zum<br />

19. März im neuen Ausstellungsraum.<br />

as „Crazy Horse“ in Paris wurde 1951 eröff-<br />

Dnet und ist heute eines der berühmtesten<br />

Varietés neben dem „Moulin Rouge“. Die Frauen<br />

dort tanzen in luftigem Gewand, mit Perücken<br />

und schwingenden Federboas. Grazile Damen und<br />

erotische Momente sucht man in Andrej Tóths<br />

Malereien jedoch vergebens. Die Betonung seiner<br />

Ausstellung „Crazy Horse“ liegt auf „crazy“: So<br />

zeigt der 1978 in Kaposvár geborene Künstler eine<br />

Reihe identischer, dickwadiger Frauenbeine auf<br />

s<strong>einem</strong> Bild „Huit Femmes“, zu Deutsch „Acht<br />

Frauen“. Die Beine gehören zu „Baby Light“,<br />

„Daisy Blu“, „Diva Novita“ und fünf weiteren kreativ<br />

benannten Tänzerinnen, die übrigens tatsächlich<br />

im Pariser Varieté zu sehen sind. Doch womöglich<br />

wären die in Wahrheit sportlich-schlanken<br />

Frauen nicht begeistert über ihre Abbildungen.<br />

Persönlicher Blickwinkel im Mittelpunkt<br />

Dabei ist es gerade diese Art der Darstellung,<br />

die Tóths Kunst so interessant macht. Um <strong>das</strong><br />

„Schöne“ und „Erotische“ geht es ihm nicht. Vielmehr<br />

spielt er mit diesen Begriffen und dem, was<br />

heutzutage darunter verstanden <strong>wird</strong>. Den Zeige-<br />

Der als genial geltende amerikanische<br />

Schlagzeuger Brain Blade steht<br />

am 6. März mit fünf befreundeten<br />

Künstlern, einer Gitarre und selbstkomponierten<br />

Liedern vor dem Publikum<br />

im Palast der Künste.<br />

rian Blade, US-amerikanischer<br />

BJazzschlagzeuger und Komponist,<br />

gehört zu jener Kategorie von<br />

Musikern, von denen man sagt, <strong>das</strong>s<br />

sie erfunden werden müssten, würden<br />

Dita von Teese wie Tóth sie sieht.<br />

finger erhebt Tóth bei s<strong>einem</strong> Spiel jedoch nicht.<br />

Liebevoll und mit Humor zeigt er dem Betrachter<br />

<strong>das</strong>, was man neben dem Gewöhnlichen noch auf<br />

der Bühne des „Crazy Horse“ sehen kann.<br />

Brian Blade im Palast der Künste<br />

Jazzschlagzeuger mit Gitarre<br />

Wagt sich auf neues Terrain: Brain Blade mit Gitarre.<br />

sie nicht bereits existieren. Er begann<br />

seine Karriere in New Orleans und arbeitete<br />

seitdem mit unterschiedlichen<br />

Künstler und Stars der Jazzwelt wie<br />

Kenny Garett, Joshua Redman und<br />

Brad Mehldau und Weltmusikgrößen<br />

wie Norah Jones, Bill Frisell, Seal und<br />

sogar Bob Dylan zusammen. Außerdem<br />

ist er ständiges Mitglied des<br />

Wayne Shorter Quartetts und arbeitete<br />

bei mehreren Alben mit, die einen<br />

Grammy gewonnen haben.<br />

Jetzt wagt Blade sich auf ganz<br />

neue Wege: Er tritt in Budapest mit<br />

seiner Band Fellowship und <strong>einem</strong><br />

neuem Musikinstrument auf: der<br />

Gitarre. Mit ihr trägt er Stücke seiner<br />

sehr intimen Platte „Mama<br />

Rosa“ vor. Und beweist damit, <strong>das</strong>s<br />

Drummer keine Lärmverursacher,<br />

sondern sehr wohl Musiker sind, die<br />

auch Ahnung von Musik haben und<br />

mehr tun als nur den Rhythmus angeben.<br />

So hat Blade bei „Mama<br />

Rose“ nicht nur alle Lieder selbst<br />

komponiert, sondern übernimmt<br />

auch den Part des Sängers, Gitarristen,<br />

Pianisten und manchmal auch<br />

Bassisten.<br />

Schlagzeug fristet<br />

Schatten<strong>das</strong>ein<br />

Das Album trägt den Namen seiner<br />

Großmutter, seine Lieder erwecken<br />

die Geschichte einer ganzen<br />

Familie zum Leben. Mit den Texten<br />

erzählt Blade den Zuhörern etwas<br />

von seiner ganz persönlichen Welt,<br />

berichtet über Liebe, Akzeptanz,<br />

Lebenserfahrungen und anderen<br />

Menschen aus s<strong>einem</strong> Leben. Und<br />

dies alles mit unglaublich viel Gefühl.<br />

Im Vordergrund steht dabei<br />

sein melodischer, sanfter Gesang; <strong>das</strong><br />

Schlagzeug fristet fast ein Schatten<strong>das</strong>ein.<br />

Unterstützung hatte Blade<br />

bei dem Album von Greg Leisz,<br />

Jon Cowherd, Chris Thomas und<br />

dem begnadetem Jazz-Gitarristen<br />

Kurt Rosenwinkel. Stilistisch geht<br />

„Mama Rosa“ in Richtung Folk, mit<br />

einer Mischung aus Pop- und auch<br />

Für den in Budapest lebenden Tóth sind Konzeptausstellungen<br />

nicht ungewöhnlich. Bereits<br />

2009 gab es in seiner Ausstellung „Dolce Vita<br />

Bed & Breakfast“ Szenen aus dem gleichnamigen<br />

sizilianischen Hotel zu sehen, so zum Beispiel eine<br />

beleibte, nackte, Melonen essende Frau und<br />

ein homosexuelles Paar, <strong>das</strong> sich im Restaurant<br />

heimlich mit den Füßen streichelt. Tóth zeigt<br />

gern <strong>das</strong>, was er auch wirklich vor sich sieht – nur<br />

eben aus s<strong>einem</strong> persönlichen Blickwinkel. Dabei<br />

nutzt er eine naive Maltechnik, die neben der verzerrten<br />

Darstellung als wesentliches Humorelement<br />

fungiert. Auch die Beschriftung seiner<br />

Werke nutzt Tóth, um Pointen zu setzen. Sogar<br />

künstlerische Paraphrasen lassen sich erkennen.<br />

So setzt der Künstler „Gabrielle d’Estrées und einer<br />

ihrer Schwestern“ Hühnerköpfe auf und<br />

nennt die Brustwarzenzwickerin „Madame Marika“,<br />

während sich die Gezwickte als „Frau Aichelburg“<br />

entpuppt. Kurios, aber großartig. An der<br />

Plakatartigkeit von Tóths Werken lässt sich außerdem<br />

sein eigentliches Handwerk erkennen: Der<br />

Künstler studierte Garfikdesign an der Moholy-<br />

Nagy <strong>Universität</strong>. Von 2008 bis 2010 erhielt er<br />

zudem den Preis „Kulturelles Plakat des Jahres“<br />

und im Vorjahr den „Goldenen Reißnagel“, die<br />

Auszeichnung des Verbandes ungarischer Grafikstudios.<br />

Auch die Kooperation mit dem A38 hat<br />

in Tóths grafischer Arbeit seinen Ursprung, denn<br />

er war es, der <strong>das</strong> visuelle Konzept des Kulturschiffes<br />

entwarf. Sowohl die Webseite als auch<br />

unzählige Veranstaltungsplakate stammen aus seiner<br />

kreativen Feder.<br />

LISA WEIL<br />

ANDREJ TÓTH – „CRAZY HORSE“<br />

Kulturschiff A38, Petõfi Brücke Budaer Seite<br />

www.a38.hu<br />

Ausstellung bis zum 19. März<br />

Anmeldung unter Telefon +36.1.464.3940<br />

Jazz-Elementen. Ein wirklich erstaunliches<br />

Album eines Schlagzeugers,<br />

der überzeugend und aufrichtig<br />

daherkommt.<br />

Kein geborener<br />

Sänger<br />

Für eingefleischte Jazz-Fans<br />

könnten Album und Konzert etwas<br />

zu „mittig“ ausgerichtet sein, denn<br />

Blade verzichtet auf seine spektakulären,<br />

farbigen, mit mehr Höhen<br />

und Tiefen daherkommenden Jazzimprovisationen.<br />

Die Stimme des<br />

Drummers bleibt die ganze Zeit im<br />

gleichen mittleren Bereich; man<br />

merkt ihm eben an, <strong>das</strong>s er kein<br />

Sänger ist. Aber es ist vom Künstler<br />

anscheinend gar nicht gewollt, die<br />

Stärken des Jazz, Improvisation,<br />

Duelle verschiedener Instrumente,<br />

Themenvariationen und überlange<br />

atmosphärische Instrumentalpassagen<br />

in den kurzen Pop-Songs<br />

unterzubringen. Die ruhigen, stillen<br />

Lieder sind eher spartanisch,<br />

knapp instrumentiert und an eingängigen<br />

Themata ausgerichtet,<br />

nur selten gibt es Abstecher des<br />

Pianos oder der Gitarre in den Jazz-<br />

Bereich.<br />

Trotzdem, oder genau deswegen<br />

ist die Platte sehr gut gelungen. Wer<br />

Bob Dylan oder Jack Johnson zu seinen<br />

Favoriten zählt, <strong>wird</strong> große<br />

Freude an dem Konzert haben.<br />

Die Eintrittskarten kosten zwischen<br />

1.800 und 5.900 Forint.<br />

INES GRUBER<br />

PALAST DER KÜNSTE,<br />

6. März, 19.30 Uhr<br />

IX. Komor Marcell utca 1<br />

www.mupa.hu<br />

Kultur &<br />

Bildung<br />

GOETHE-INSTITUT<br />

IX. Ráday utca 58<br />

Tel.: +36 1 374 4070<br />

E-Mail: info@budapest.goethe.org<br />

www.goethe.de/budapest<br />

Leiterin: Dr. Gabriele Gauler<br />

2. März, 18 Uhr: Der Filmklub des Goethe-Instituts<br />

zeigt den Polizeithriller „Im Angesicht des Verbrechens“<br />

(Folge 5 und 6) in deutscher, russischer<br />

und jiddischer Sprache mit deutschen Untertiteln.<br />

Ab 4. März: Buchausstellung mit dem Titel „Ein<br />

Fall für Literatur“. Gezeigt werden Bücher und Porträts<br />

von sechzehn originellen und zeitgenössischen<br />

Krimiautoren aus Deutschland und Österreich.<br />

Öffnungszeiten der Bibliothek des Goethe-Instituts:<br />

dienstags bis donnerstags 14 bis 19 Uhr, freitags<br />

11 bis 17 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr.<br />

ÖSTERREICHISCHES KULTURFORUM<br />

VI. Benczúr utca 16,<br />

Tel.: +36 1 413 3590,<br />

E-Mail: budapest-kf@bmeia.gv.at,<br />

www.okfbudapest.hu,<br />

Leiterin: Dr. Elisabeth Kornfeind<br />

1. und 2. März: Konferenz zum Thema „Erhaltung<br />

des architektonischen Erbes. Gesellschaft im<br />

Wandel – Denkmalschutz im Wandel?“ im Kongresssaal<br />

des Instituts für Gesellschaftsforschung der<br />

Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Interessenten<br />

können sich unter szima@office.mta.hu<br />

registrieren.<br />

Bis 19. März: Das Kulturforum zeigt in der Knoll<br />

Galéria am Liszt Ferenc Platz die Ausstellung „R.D.“.<br />

Die Zeichnungen und Gemälde thematisieren die<br />

68er Bewegung und ihre Wirkung auf Ungarn.<br />

ANDRÁSSY UNIVERSITÄT<br />

VIII. Pollack Mihály tér 3<br />

Tel: +36 1 266 3101, -4408<br />

30 525 50 43<br />

Fax: +36 1 266 3099<br />

www.andrassyuni.hu<br />

Rektor: Prof. Dr. András Masát<br />

2. März, 19 Uhr: Die Fakultät für Mitteleuropäische<br />

Studien der <strong>Andrássy</strong> <strong>Universität</strong> Budapest<br />

und <strong>das</strong> Österreichische Kulturforum lädt ein<br />

zum Vortrag von Univ. Prof. Dr. Dr. Oliver<br />

Rathkolb (<strong>Universität</strong> Wien) zum Thema „Bruno<br />

Kreisky und seine Zeit“.<br />

KONRAD-ADENAUER-STIFTUNG<br />

I. Batthyány utca 49<br />

Tel: +36 1 487 5010<br />

E-Mail: adenauer@adenauer.hu,<br />

www.adenauer.hu<br />

Leiter: Hans Kaiser<br />

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG<br />

V. Fõvám tér 2-3,<br />

Tel: +36 1 461 6011,<br />

E-Mail:<br />

anita.horvath@fesbp.hu<br />

www.fesbp.hu<br />

Leiter: Heinz Albert Huthmacher<br />

DEUTSCHSPRACHIGE KIRCHEN<br />

RÖMISCH-KATHOLISCHE GEMEINDE<br />

I. Fõ utca 43, Tel./Fax: 213 7508<br />

Pfarrer: noch nicht benannt<br />

Gottesdienste: jeden Sonn- und Feiertag um 10<br />

Uhr in der Szent Ferenc Sebei Kirche (Nähe<br />

Batthyány tér).<br />

EVANGELISCH-REFORMIERTE<br />

GEMEINDE<br />

V. Alkotmány utca 15, Tel./Fax: 311 2369<br />

Pfarrer: Zoltán Balog<br />

Gottesdienste: sonntags 10 Uhr, (Eingang um die<br />

Ecke in der Hold utca).<br />

EVANGELISCH-LUTHERISCHE<br />

GEMEINDE<br />

I. Logodi utca 5-7, Tel./Fax: 212 8979<br />

Pfarrer: Johannes Erlbruch<br />

Gottesdienste: sonntags 10 Uhr in der Kapelle<br />

Táncsics Mihály utca 28


12 BUDAPESTER ZEITUNG VERANSTALTUNGEN 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

Kunst zum selber machen<br />

Eine Handwerks- und Kreativausstellung mit Markt findet am Wochenende des 5. und 6. März in<br />

der Petõfi Halle statt. Über 100 Aussteller zeigen ihre Handarbeiten, der Markt bietet Möglichkeiten<br />

zum Kauf von Grundmaterialien. Den ganzen Tag über gibt es Programme für Groß und Klein<br />

mit Vorstellungen und Work-Shops. Die Besucher können Körbe flechten, Kerzen gießen, Papier<br />

pressen, aber auch Seiden- und Glasmalerei ausprobieren. Der Eintritt kostet für Familien 1.200,<br />

für Kinder und Rentner 400 und für Erwachsene 600 Forint.<br />

Petõfi Csarnok<br />

5. bis 6. März<br />

Geöffnet: 10 bis 18 Uhr<br />

Zichy Mihály út 14<br />

www.pecsa.hu<br />

MONTAG, DEN 28. FEBRUAR<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

TÁRSASKÖR ÓBUDA, 19 UHR: Nándor Götz (Saxofon) und<br />

seine Studenten, <strong>das</strong> Weiner Saxofonensemble und<br />

Saito Misako (Klavier) spielen Rossini – „Barbier von<br />

Sevilla“.<br />

III. Kiskorona utca 7, www.obudaitarsaskor.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BARTÓK,<br />

19.30 UHR: Organist Xaver Varnus spielt Werke von<br />

Mozart. Zweites von zwei Konzerten.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

HUBAY MUSIKSAAL (HOTEL VIKTORIA), 19.30 UHR: Pál Éder,<br />

Ágnes Beke (Violine), Ágota Temesváry (Viola), Eszter<br />

Baráti (Cello) und Géza Bánhegyi (Klarinette): „Schubert<br />

– Quartettsatz in C-Moll“, Mozart – „Klarinettenquintett<br />

in A-Dur“ und Schubert „Streichquartett in D-<br />

Moll ‚Der Tod und <strong>das</strong> Mädchen'“.<br />

I. Bem rakpart 11, www.hubayzeneterem.hu<br />

Ausgehen<br />

PALAST DER KÜNSTE – FESTIVALTHEATER, 20 UHR: Haitischer<br />

Sänger David Mettelus „Ti Coca“ und seine Band<br />

Wanga-Nègès.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

OLD MAN'S MUSIC PUB, 21 UHR: Ferenczi György und<br />

Rackajam (Blues).<br />

VII. Akácfa utca 13, www.oldmans.hu<br />

INSTANT, 21.30 UHR: Egy Kiss Erzsi Zene, gefolgt von<br />

Various Tilos DJ Selection um 23 Uhr.<br />

VI. Nagymezõ utca 38, www.instant.co.hu<br />

DIENSTAG,1.MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

HÁLÓ, 19 UHR: Eszter Krulik, Angéla Bálint (Violine),<br />

Péter Tornyai (Viola) und Balázs Kántor (Cello) spielen<br />

Werke von Bartók.<br />

V. Ferenciek tere 7-3, www.halo.hu<br />

UNGARISCHE STAATSOPER, 19 UHR: Donizetti – „Don<br />

Pasquale“.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 22, www.opera.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BARTÓK,<br />

19.30 UHR:Das MÁV Sinfonieorchester mit Zoltán Gyöngyössy<br />

(Flöte): Iván Madarász – „Flötenkonzert Nr.2“<br />

und Mahler – „Sinfonie Nr.5“, Leitung: Gergely Kesselyák.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 19 UHR: Kompagnie Éva Duda –<br />

„Faun“ (ab 16 Jahre).<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE, 19 UHR: Mikis Theodorakis – „Zorba –<br />

Ballett in zwei Akten“, Choreografie: Gábor Keveházi.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

SZIMPLA KERT, 21 UHR: Lounge Night DJ Set.<br />

VII. Kazinczy utca 14, www.szimpla.hu<br />

MITTWOCH, DEN 2. MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

UNGARISCHE STAATSOPER, 19 UHR: „Die Kamarazovs – Ballettaufführung<br />

zur Musik von Rachmaninow, Mogyest<br />

Mussorgsky, Wagner und russischer Zigeunermusik“,<br />

Choreografie: Boris Eifman.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 22, www.opera.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BARTÓK,<br />

19.30 UHR: Franz Liszt Kammerorchester mit Gautier<br />

Capucon (Cello): Schostakowitsch – „Kammersinfonie“,<br />

Tschaikowsky – „Rokoko-Variationen“ und Tschaikowsky<br />

– „Serenade für Streicher in C-Dur“.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 19 UHR: ExperiDance – Kompagnie<br />

Román Sándor: „Essence“.<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

KULTURSCHIFF A38, 20 UHR: Zigeunerband Róbert Farkas:<br />

„Budapest Bár“ – Ungarische Chansons der 30er und<br />

40er Jahre.<br />

XI. Budaer Seite der Petõfi-Brücke, www.a38.hu<br />

SZIMPLA CAFÉ, 21 UHR: Jazzpianist Dezsõ Oláh.<br />

VII. Kertész utca 48, www.szimpla.hu<br />

DONNERSTAG, DEN 3. MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

UNGARISCHES RADIO – MARMORSAAL, 18 UHR: Duo The Egri<br />

& Pertis (Mónika Egri und Attila Pertis (Klavier)) spielen<br />

Werke von Liszt.<br />

VIII. Pollack M tér 8, www.mr3.hu<br />

UNGARISCHE STAATSOPER, 19 UHR: „Die Kamarazovs – Ballettaufführung<br />

zur Musik von Rachmaninow, Mogyest<br />

Mussorgsky, Wagner und russischer Zigeunermusik“,<br />

Choreografie: Boris Eifman.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 22, www.opera.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA<br />

BARTÓK, 19.30 UHR: Ungarisches National-Philharmonieorchester<br />

mit Kristóf Baráti (Violine): Liadov – „Nenie“,<br />

Glazunov – „Violinkonzert in A-Moll“ und Scriabin –<br />

„Sinfonie Nr. 3 in C-Moll“, Leitung: Alexandr Vedernikov.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 10.30 UND 15 UHR: Kompagnie<br />

Yvette Bozsik – „Peter und der Wolf“.<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

BUDAPEST JAZZ CLUB, 21 UHR: Panchan – Release-<br />

Konzert des Albums Édenkelet.<br />

VIII. Múzeum utca 7, www.bjc.hu<br />

FREITAG, DEN 4. MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

BÉLA BARTÓK GEDENKHAUS, 18 UHR: Márta Ábrahám (Violine),<br />

Péter Bársony (Viola) und Ditta Rohmann (Cello)<br />

spielen Streichertrios von Beethoven.<br />

II. Csalán utca 29, www.bartokmuseum.hu<br />

UNGARISCHE STAATSOPER, 19 UHR: Puccini – „La Bohéme“.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 22, www.opera.hu<br />

TÁRSASKÖR ÓBUDA, 19 UHR: Franz Liszt Kammerorchester<br />

spielt ein Konzert für die Renovierung der Orgel der<br />

Sárospataker Basilika: Tschaikowsky – „Streichserenade<br />

in C-Dur“, Schostakowitsch – „Kammersinfonie“<br />

und Liszt – „Ungarische Rhapsodie Nr. 2“, transkribiert<br />

von Wolf.<br />

III. Kiskorona utca 7, www.obudaitarsaskor.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BAR-<br />

TÓK, 19.30 UHR: Pannon Philharmonieorchester Pécs<br />

mit Ildikó Komlósi (Gesang): Webern – „Passacaglia<br />

Nr.1“, Mahler – „Kindertotenlieder“ und Dohnányi –<br />

„Sinfonie Nr. 2 in E-Dur“, Leitung: Tibor Bogányi.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

UNGARISCHES NATIONALMUSEUM, 19.30 UHR: Sinfonieorchester<br />

des Ungarischen Radios: Prokofiev – „Klassische<br />

Sinfonie“, Wagner – „Siegfried-Idyll“ und Bartók – „Suite<br />

Nr. 2“, Leitung: Stephen D'Agostino.<br />

VIII. Múzeum körút 14-16, www.hnm.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 19 UHR: Zentraleuropäisches<br />

Tanztheater – „Carnival“.<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

Erster<br />

Geburtstag<br />

Die Band mit dem ungewöhnlichen Namen Bin-<br />

Jip feiert am 4. März mit der tschechischen<br />

Gruppe Lesní zver ihr einjähriges Jubiläum. Hinter<br />

dem ausgefallenen, original koreanischen Namen<br />

Bin-Jip verstecken sich vier außergewöhnliche<br />

ungarische Musiker: Veronika Harcsa,<br />

Zsolt Kaltenecker, Bálint Gyémánt und András<br />

Józsa. Die Künstler produzieren und schreiben<br />

ihre Triphop, Elekro und Nu-Jazz Musik gemeinsam.<br />

Die tschechische Gruppe Lesní zver (freie<br />

Übersetzung: Tiere des Waldes) ist ein Jazz-Trio<br />

aus Prag, was gerne improvisiert und auch programmierte<br />

Effekte benutzt. Der Eintritt kostet<br />

im Vorverkauf 1.700, am Tag des Konzertes<br />

2.200 Forint.<br />

Kulturschiff A38<br />

4. März, 21 Uhr<br />

XI. Budaer Seite der Petõfi-Brücke<br />

www.a38.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – FESTIVALTHEATER, 19 UHR: Honvéd<br />

Tanztheater – „Dózsa – Tanzchronik über die Taten von<br />

György Dózsa“.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

KULTURSCHIFF A38, 20 UHR: Einjähriges Jubiläum der<br />

Jazz/Electronic-Band Bin-Jip, unterstützt von Lesni Zver.<br />

XI. Budaer Seite der Petõfi-Brücke, www.a38.hu<br />

GALERIE KOGART: Ausstellung der Werke, die 2010 von<br />

der Gábor Kovács Kunststiftung gekauft wurden, bis 27.<br />

März 2011, montags bis freitags 10 bis 18 Uhr.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 112, www.kogart.hu<br />

SAMSTAG, DEN 5. MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

FRANZ LISZT MUSIKAKADEMIE, 11 UHR: Ksenia Nosikova<br />

(Klavier) spielt Werke von Clara Schumann, Schumann<br />

und Meyerbeer-Liszt.<br />

VI. Vörösmarty Mihály utca 35<br />

www.lisztmuseum.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BARTÓK,<br />

19.30 UHR: Budapest Konzert mit Miklós Perényi (Cello):<br />

Nikolai Rimsky – „Russische Ostern“, Schostakowitsch<br />

– „Cellokonzert Nr. 2“ und Tschaikowsky – „Sinfonie Nr.<br />

5 in E-Moll“, Leitung: András Keller.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

UNGARISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN – GROßER SAAL,<br />

19.30 UHR: Katalin Szutrély, Péter Bárány, László Kálmán,<br />

Dávid Csizmár (Gesang), Purcell Chor und Orfeo<br />

Orchester: Bach – „Was willst du dich betrüben: Kantate“,<br />

Leitung: György Vashegyi.<br />

V. Roosevelt tér 9, www.mta.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 19 UHR: Kompagnie Dezsõ Fitos<br />

– „Die schwarze Mühle“.<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

TÁRSASKÖR ÓBUDA, 19 UHR: Róbert Rátonyi Kr. (Klavier),<br />

Gyula Csepregi (Saxofon), Ferenc Gayer (Kontrabass)<br />

und György Jeszenszky (Percussion) spielen Jazz-<br />

Adaptionen berühmter Lieder von Rezsõ Seress und<br />

weiteren ungarischen Komponisten der 1920er und<br />

1930er Jahre.<br />

III. Kiskorona utca 7, www.obudaitarsaskor.hu<br />

KULTURSCHIFF A38, 20 UHR: Steve Lukather Band.<br />

XI. Budaer Seite der Petõfi-Brücke, www.a38.hu<br />

KONGRESSZENTRUM BUDAPEST, 20 UHR: Album-Releasekonzert<br />

von Ghymes, zu <strong>Gas</strong>t: Kati Wolf.<br />

XII. Budapest Jagelló út 1-3,<br />

SONNTAG, DEN 6. MÄRZ<br />

Tanz,Theater und klassische Musik<br />

BÉLA BARTÓK GEDENKHAUS, 11 UHR: Mária Kovalszki, Bálint<br />

Zsoldos (Klavier), Gábor Devich (Klarinette), Anita Miskolczi,<br />

Gergely Devich (Cello) und ihre Studenten Júlia<br />

Pusker (Violine), Balázs Dolfin (Cello) und Krisztina Kocsis<br />

(Klavier) spielen Auszüge von Werken von Händel,<br />

Brahms, Debussy, Sibelius, Kodály, Bartók und<br />

Piazzolla.<br />

II. Csalán utca 29, www.bartokmuseum.hu<br />

FRANZ LISZT MUSIKAKADEMIE, 16 UHR: Renáta Darázs, Ildikó<br />

Gaál (Gesang), Gábor Galavics (Klarinette), Angéla<br />

Bálint (Violine), János Kéry, Dalma Lendvai, Sándor Leschák,<br />

Gábor Monostori, László Stachó (Klavier) und<br />

THReNSeMBle – Gruppe für Zeitgenössische Musik<br />

spielen Werke von Grieg, Kókai, De Falla, Beethoven,<br />

Kodály, Máté Szigeti und Bartók, Leitung: Balázs Horváth.<br />

VI. Vörösmarty Mihály utca 35<br />

www.lisztmuseum.hu<br />

UNGARISCHE STAATSOPER, 19 UHR: Puccini – „La Bohéme“.<br />

VI. <strong>Andrássy</strong> út 22, www.opera.hu<br />

FRANZ LISZT MUSIKAKADEMIE, 19 UHR: Quartett Kelemen<br />

spielt Werke von Haydn, Ligeti und Mendelssohn.<br />

VI. Vörösmarty Mihály utca 35<br />

www.lisztmuseum.hu<br />

Ausgehen<br />

NATIONALES TANZTHEATER, 10.30 UND 15 UHR: Honvéd<br />

Tanztheater: „Schlafende Schönheit“; der Aufführung<br />

folgen Kostümwettbewerb und Tanzworkshop.<br />

I. Színház utca 1-3, www.nemzetitancszinhaz.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – FESTIVALTHEATER, 19 UHR: Volksensemble<br />

des Ungarischen Staates – „Dreamtime“.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu<br />

PALAST DER KÜNSTE – NATIONALE KONZERTHALLE BÉLA BARTÓK,<br />

19.30 UHR: Jazz-Schlagzeuger Brian Blade: „Mama<br />

Rosa“.<br />

IX. Komor Marcell utca 1, www.mupa.hu


28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 BUDAPEST BUDAPESTER ZEITUNG 13<br />

chon im Grußwort des verhin-<br />

Sderten Oberbürgermeisters István<br />

Tarlós unterstrich sein Vertreter<br />

István György die Vielfältigkeit und<br />

Vielschichtigkeit der Donaustrategie.<br />

Diese spiegelte sich auch in der<br />

Liste der Vortragenden wider. So<br />

nahmen neben Vertretern verschiedener<br />

Ministerien, Wissenschaftlern<br />

und Vertretern der Wirtschaft auch<br />

geistliche Würdenträger an der<br />

Diskussion teil. Eine der Chancen<br />

der Donaustrategie sei es, so<br />

György, bessere Kooperationen entlang<br />

der Donau zu ermöglichen.<br />

Dies sei mehr als ein makroökonomisches<br />

Konzept. Vielmehr müsse<br />

die Zukunft Budapests mit Blick auf<br />

seine Position zwischen den anderen<br />

Anrainerstaaten gemeinsam mit<br />

diesen geplant und verwirklicht<br />

werden.<br />

Eigene Strategie<br />

der Anrainerstaaten<br />

Eine der zu beantwortenden Fragen<br />

griff Hans Kaiser, Leiter der<br />

Budapester Vertretung der Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung, bereits in seiner<br />

Begrüßung auf. Er betonte die<br />

Wichtigkeit einer eigenen Strategie<br />

für die Anrainerstaaten der Donau.<br />

Weiterhin hob er die Besonderheit<br />

Neue Konzepte zu altehrwürdigen Traditionen<br />

Die Donau als eigene Region � BKV kauft ein. Die Budapester<br />

Rege Diskussion über die Zukunft der Donauregion.<br />

„Die Möglichkeiten Budapests innerhalb der Donau-Strategie – werteorientierte<br />

Stadtentwicklung“ lautete der programmatische Titel einer<br />

ganztägigen Konferenz, zu der letzten Donnerstag die Konrad-Adenauer-<br />

Stiftung, die Ungarische Paneuropäische Union und die Stadt Budapest in<br />

die Räumlichkeiten des FUGA Architektur-Instituts eingeladen hatte.<br />

der angestrebten Donaustrategie<br />

hervor. So sagte er, <strong>das</strong>s nicht nur<br />

wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt<br />

werden, sondern auch kulturelle<br />

Belange Beachtung finden sollten.<br />

Der Vorteil des angestrebten<br />

Konzepts läge darin, den kleinen<br />

Anrainerstaaten durch ihren Zusammenschluss<br />

die Möglichkeit zu<br />

geben, ihrer Stimme mehr Gewicht<br />

zu verleihen. Vor allem die Rolle<br />

Budapests innerhalb der Donauregion<br />

wurde von verschiedensten<br />

Blickwinkeln aus beleuchtet. So sei<br />

es zum Beispiel wichtig zu klären,<br />

welche Möglichkeiten sich für<br />

Budapest durch seine Lage an der<br />

Donau ergäben und wie vorhandene<br />

Ressourcen noch effizienter genutzt<br />

werden könnten.<br />

Althergebrachte Werte<br />

schützen<br />

Natürlich wurde auf der Konferenz<br />

auch viel davon gesprochen,<br />

was es noch alles an Möglichkeiten<br />

gäbe und welche Ideen verwirklicht<br />

werden könnten. Bei letzterem blieben<br />

viele Referenten allerdings eher<br />

an der Oberfläche. So auch etwa der<br />

<strong>Universität</strong>sdozent und Fachmann<br />

für kanonisches Recht Lóránd Újházi,<br />

der <strong>das</strong> Augenmerk der Zuhö-<br />

Teilnehmer: Hans Kaiser, Loránd Újházi, Ellen Bos und János Mónus.<br />

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rerschaft auf ein eher wenig beachtetes<br />

Problem lenkte: Kirchen, die<br />

für ihren eigentlichen Zweck, den<br />

Gottesdienst, nicht mehr genutzt<br />

würden. Der Dozent der theologischen<br />

Sapienta Hochschule sprach<br />

sich dafür aus, die identitätsstiftende<br />

Wirkung der Kirchen in der<br />

durchgehend christlich geprägten<br />

Donauregion nicht zu unterschätzen.<br />

Die Gemeinschaft der Anrainerstaaten<br />

sei auch hier gefordert,<br />

althergebrachte Werte zu schützen.<br />

Wie diese Werte zu schützen seien,<br />

führte er jedoch nicht weiter aus.<br />

Donauregion als<br />

Weltkulturerbe<br />

Der Vertreter des Ministeriums für<br />

Nationale Ressourcen, Kornél Kováts<br />

betonte den unbedingten Willen der<br />

Regierung, die Donaustrategie zu <strong>einem</strong><br />

erfolgreichen Abschluss zu bringen.<br />

Insbesondere müssten trotz aller<br />

supranationalen Bestrebungen innerhalb<br />

der EU die Interessen der einzelnen<br />

Staaten gewahrt bleiben. Der ungarische<br />

Vorsitz des EU-Rates böte<br />

nun die Gelegenheit, diesen Wunsch<br />

mit Nachdruck voranzutreiben.<br />

Den Plänen der Regierung nach<br />

soll Ungarn und insbesondere Budapest<br />

als Teil der Donauregion in<br />

die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes<br />

aufgenommen werden. Dies<br />

sei als Teil der Donaustrategie elementar<br />

und <strong>wird</strong> durch die Regierung,<br />

so Kováts, momentan intensiv<br />

vorbereitet. Weitere Punkte, die<br />

im Rahmen der Strategie verwirklicht<br />

werden sollen, sind zum Beispiel<br />

über nationale Grenzen hinweg<br />

führende Wanderwege und ein<br />

sogenannter Ring des Kulturerbes.<br />

Die geforderten Kriterien der UN-<br />

ESCO nach Schutz, Erhaltung und<br />

Präsentation sollen verstärkt in Angriff<br />

genommen werden.<br />

ELISABETH KATALIN GRABOW<br />

KOMPAKT<br />

Verkehrsbetriebe (BKV) haben der<br />

am 6. Februar in Kraft getretenen Verordnung<br />

der Hauptstadt genüge<br />

getan und Rauchverbotsschilder an<br />

den 5000 Haltestellen angebracht.<br />

Die 40x10 cm großen Klebezettel<br />

samt Tafel haben die BKV insgesamt<br />

34 Mio. Ft. gekostet. Ihren Zweck erfüllen<br />

sie jedoch nicht: Sie zogen<br />

schon ab dem ersten Tag Blasen und<br />

lösen sich bereits ab. Die Verkehrsbetriebe<br />

haben sich bereits an den<br />

Hersteller Gravoform Kereskedelmi<br />

és Szolgáltató Kft. gewandt, der die<br />

Tafeln auf Garantie auswechselt. Am<br />

8. März endet die Übergangsfrist:<br />

Dann können die Ordnungskräfte<br />

rauchende Wartende an den Haltestellen<br />

zur Kasse bitten.<br />

� Nationalmuseum kostet nichts.<br />

Wegen der großen Nachfrage wurde<br />

die Ausstellung über <strong>das</strong> Leben von<br />

István Széchenyi im Nationalmuseum<br />

bis zum 15. März verlängert.<br />

Sie wurde am vergangenen Oktober<br />

eröffnet und kann mit den ständigen<br />

Sammlungen am Nationalfeiertag<br />

kostenlos besichtigt werden.<br />

� Tarlós will tauschen. Der Oberbürgermeister<br />

István Tarlós erklärte<br />

am vergangenen Dienstag im HírTV,<br />

<strong>das</strong>s die Budapester Verkehrsbetriebe<br />

(BKV) zwei Immobilien beim<br />

Staat eintauschen und dafür 19 Mrd.<br />

Ft. erhalten könnten. Dieses Geld<br />

würde für die Finanzierung in diesem<br />

Jahr ausreichen, ab kommendem<br />

Jahr müsste der Staat dann in die<br />

Schuldenbewältigung mit einsteigen.<br />

Die Stadt würde für <strong>das</strong> Geld die<br />

Grundstücke hinter der Kunsthalle<br />

und dem Operettentheater dem Staat<br />

überlassen. Auch die Übergabe des<br />

Trafó ist geplant.<br />

� KDNP ist stolz. Die Christdemokratische<br />

Volkspartei (KDNP) ist der<br />

Meinung Budapest solle stolz auf<br />

seine Polizei sein. Diese hatte vorvergangene<br />

Woche der Gay Pride<br />

Parade Steine in den Weg gelegt. Die<br />

Partei begrüßte die Entscheidung<br />

und erklärte, <strong>das</strong>s die Polizei damit<br />

den Frieden der Hauptstadt beschützt<br />

und die Verhältnismäßigkeit<br />

bei der Kollision zweier Freiheitsrechte<br />

gefunden habe.<br />

� Gödöllõer <strong>Universität</strong> zeigt an.<br />

Die Gödöllõer Szent István <strong>Universität</strong><br />

hat vergangenen Freitag Anzeige<br />

gegen Unbekannt erhoben, da sie in<br />

den Besitz von Dokumenten gekommen<br />

ist. Diese belegen, <strong>das</strong>s die die<br />

Duna-menti Regionális Vízmû Zrt.<br />

(Wasserwerke) nachweislich schon<br />

seit Monaten von der Verschmutzung<br />

ihres Trinkwassers wussten und<br />

nichts dagegen unternommen haben.<br />

Das Problem sind die hohen Werte<br />

von Nitrat und Atrazin im Wasser, die<br />

<strong>das</strong> ganze Gelände der <strong>Universität</strong><br />

betreffen. Der Direktor der Wasserwerke,<br />

Csaba Vogel teilte mit, <strong>das</strong>s<br />

sie selbst diese Stoffe nicht benutzen,<br />

also die Verseuchung von Unbekannten<br />

verursacht worden sein muss.


14 BUDAPESTER ZEITUNG BUDAPEST 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

UMZUG<br />

ÜBERSETZUNG<br />

KLEINANZEIGEN<br />

Schlemmer-Donnerstag<br />

Essen zum halben Preis<br />

Eine alte ungarische Tradition wurde wieder belebt: Essen bis zum Umfallen im Kheiron.<br />

Am ersten Donnerstag nach Aschermittwoch,<br />

am 10. März findet ungarnweit in bestimmten<br />

Restaurants der „Torkos Csütörtök“<br />

statt, der zum schlemmen und genießen<br />

verführt.<br />

er „Torkos Csütörtök“ (Schlemmer-<br />

DDonnerstag) gehört zu einer alten ungarischen<br />

Volkstradition und fand in der<br />

Vergangenheit immer am ersten Donnerstag<br />

nach Aschermittwoch, in der Fastenzeit statt.<br />

An diesem Tag konnte, trotz der vierzigtägigen<br />

Fastenzeit, Fleisch verzehrt werden, es<br />

gab sogar verschiedene Regionen in Ungarn,<br />

wo <strong>das</strong> Schlemmen bis zum Umfallen zur<br />

Pflicht gehörte. Grund dafür <strong>wird</strong> die Angst<br />

vor dem Verkommen der Essensreste aus der<br />

Faschingszeit gewesen sein, die an diesem Tag<br />

dann restlos vernichtet wurden.<br />

Diese alte Tradition hat die Ungarische<br />

Tourismus Zrt. (Magyar Turizmus Zrt.) zum<br />

ersten Mal 2006 wieder aufleben lassen.<br />

Damals nahmen etwa 500 Restaurants in<br />

ganz Ungarn an der Aktion teil. Sie alle gaben<br />

50 Prozent Erlass auf <strong>das</strong> gesamte Angebot<br />

ihrer Speise- und Getränkekarten. Die Aktion<br />

fand großen Anklang, die Gäste genossen es,<br />

mal etwas Neues zu probieren und die <strong>Gas</strong>tronomen<br />

freuten sich über mögliche neue<br />

Stammkunden und die gestiegenen Einnahmen.<br />

Wegen des großen Erfolges wurde der<br />

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GESUNDHEIT<br />

„Torkos Csütörtök“ in den folgenden Jahren<br />

regelmäßig wiederholt und gewann immer<br />

mehr begeisterte Anhänger auf beiden Seiten:<br />

Im vergangenen Jahr schlemmte die Rekordzahl<br />

von über 230.000 Essern in über 1.300<br />

gastronomischen Einrichtungen.<br />

Testen können die Neugierigen nicht nur<br />

Restaurants, Cafés und Pubs des niedrigeren<br />

Preissektors, wie verschiedene MacDonalds<br />

und T.G.I. Friday´s in Budapest, <strong>das</strong> A38<br />

Schiff und <strong>das</strong> Tacos Locos, sondern auch einige<br />

bekanntere traditionelle Restaurants wie<br />

<strong>das</strong> Anonymus, Kheiron, Gerbeaud und Chez<br />

Daniel. Die Restaurants sind flächendeckend<br />

im Land verteilt und <strong>das</strong> Angebot geht von<br />

traditionellen ungarischen, über französische,<br />

italienische, und spanische, bis zu Speisen aus<br />

der japanischen Kochkultur.<br />

Der „Torkos Csütörtök“ gibt den Genießern<br />

die Möglichkeit, mal eine etwas andere, ganz<br />

neue Küche auszuprobieren und ein Drittel<br />

der Restaurants verlängert die Aktion vom<br />

Donnerstag auf <strong>das</strong> gesamte Wochenende.<br />

Wegen der großen Beliebtheit ist es allerdings<br />

besser schon vorab einen Tisch zu reservieren.<br />

Ein Blick auf die Webseite lohnt sich, denn<br />

die Anmeldung der Restaurants zu der Aktion<br />

läuft noch immer.<br />

Weiter Informationen zu den teilnehmenden<br />

Restaurants, unter www.menjunkenni.hu.<br />

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REIFEN<br />

BZT / Aaron Taylor


28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9 GASTRONOMIE BUDAPESTER ZEITUNG 15<br />

Im selben Gebäudekomplex wie <strong>das</strong><br />

Corinthia Hotel Budapest, entlang<br />

des Großen Rings, bietet <strong>das</strong> Bock<br />

Bisztró feines Essen in stilvoller, aber<br />

entspannter Umgebung. Anzusiedeln<br />

ist es zwischen offener Bar und<br />

Restaurant. Vor Kurzem hat es sein<br />

Angebot durch ungarisch und asiatisch<br />

beeinflusstes Frühstück erweitert.<br />

Der Hauptfokus bleibt jedoch<br />

auf der ungarischen Küche, die<br />

in Form der bescheidenen, aber nahrhaften<br />

Hurkas (Blutwürste) oder<br />

Grieben, die derzeit auf der Speisekarte<br />

stehen, selten anzutreffen ist in<br />

Budapests High-End-Restaurants.<br />

ie gastronomische Tradition<br />

DUngarns ist nicht gerade berühmt<br />

dafür, vegetarierfreundlich zu<br />

sein. Eine Tatsache, die bei schneller<br />

Durchsicht der Speisekarte und der<br />

Spezialitätentafel im Bock Bisztró bestätigt<br />

<strong>wird</strong>. Dennoch werden auch<br />

Variationen von Muscheln, Süß- und<br />

Meerwasser-Fischen angeboten. Die<br />

Weinkarte – ausschließlich auf Ungarisch<br />

– ist ausgezeichnet, der Service<br />

höflich und aufmerksam.<br />

PREISE<br />

Vorspeisen und Suppen:......950-3.700 HUF<br />

Vorspeisen: ................3.400-6.700 HUF<br />

Dessert:........................350-1.100 HUF<br />

Wein (Flasche): ..........3.700-21.000 HUF<br />

BOCK BISZTRÓ<br />

(Eingang von der Straße)<br />

VII. Bezirk, Erzsébet körút 43-49<br />

Mo-Sa 12 bis 24 Uhr<br />

(+36-1) 321-0340<br />

www.bockbistro.hu<br />

BZT / Aaron Taylor (7)<br />

Bock Bisztró am Erzsébet körút<br />

Gehobene bäuerliche Küche<br />

Die zu Beginn gereichten Häppchen<br />

von kräftigem selbstgebackenen<br />

Brot mit Kräuter-Schweinefett, geschnittenen<br />

rohen Zwiebeln und grünem<br />

Pfeffer verraten die Wurzeln der<br />

Inspiration des Bisztrós: Das geho-<br />

bene bäuerliche Leben. Bereits die<br />

Vorspeisen zeigen die Vielseitigkeit<br />

von Bocks Küche: Die geräucherte<br />

Forelle mit Gemüse, geräuchertem<br />

Paprika und ungarischer Stör-Ei-Sauce<br />

ist fest, zart und lecker. Rindercarpaccio<br />

– gewickelt in einer dünnen<br />

Roulade mit Gänseleber – ist extrem<br />

weich und krümelig in der Textur<br />

und <strong>wird</strong> nur mit <strong>einem</strong> Hauch von<br />

Salz unterstützt. Mit leichtem Salat<br />

und Käsespänen ist es sehr köstlich.<br />

Die begleitende Gänseleber, gekrönt<br />

V. Zoltán u. 16<br />

(am Szabadság tér)<br />

Reservierung:<br />

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453-0752, 453-0753<br />

E-Mail: verlag@bzt.hu<br />

mit Sushi-Ingwer, Räucheraal und<br />

Wasabi-Sauce, ist zwar phantasievoll,<br />

aber vielleicht etwas zu komplex und<br />

mächtig für den delikaten Geschmack<br />

des Carpaccios. Von der<br />

Spezialitätentafel ist der Hummer-<br />

Capuccino mit <strong>einem</strong> Ceviche aus<br />

Langostino ein faszinierendes Konzept,<br />

Kaffee zuzubereiten; auch der<br />

cremige Fleischeintopf mit Steinpil-<br />

Alles, was Sie schon immer über<br />

die Ungarische Küche wissen wollten.<br />

Dazu kommen Sie in den Genuss unserer allabendlichen Unterhaltung<br />

mit einer landesbekannten Zigeunerband, die weltbekannte<br />

Zigeunermusik sowie Evergreens internationaler Künstler spielt.<br />

Bringen Sie diese Anzeige bei Ihrem Besuch mit! Wir laden Sie ein zu <strong>einem</strong><br />

Glas Pálinka des Hauses (4cl Ungarischer Schnaps) nach dem Essen.<br />

Táncsics Mihály u. 25, 1014 Budapest (Burgviertel)<br />

Reservation: +36 1 212 8565, +36 1 212 9891, kiralyrest@t-online.hu, www.kiralyrestaurant.hu<br />

zen und Sellerie bietet eine wirklich<br />

leckere Kombination unterschiedlicher<br />

Geschmacksrichtungen und<br />

Texturen.<br />

Bei den Hauptgerichten ist <strong>das</strong><br />

Zanderfilet auf Bulgur-Weizengrütze<br />

ein schönes, festes, gut gekochtes<br />

und fein gewürztes Fischgericht. Die<br />

fein säuberlich präsentierte Ochsenbacke<br />

in Sauce mit Knödel, leicht gerösteten<br />

Zwiebeln, Knoblauch und<br />

Knochenmark ist wegen des Fleisches,<br />

<strong>das</strong> gut gekocht und zart ist,<br />

ziemlich mächtig. Die Knödel sind<br />

leider ein wenig trocken geraten und<br />

eine Gemüsebeilage hätte <strong>das</strong> Gericht<br />

etwas leichter gemacht.<br />

Vielleicht ist der honigbeträufelte<br />

Quarkkuchen mit Dill nicht die naheliegendste<br />

Dessertwahl nach <strong>einem</strong><br />

solch reichhaltigen Essen. Jedoch<br />

bringt der Dill eine erfrischende Note.<br />

Die Basis aus Croquembouche bestehend<br />

aus Nüssen und zerbröseltem<br />

Kuchenteig ist knackig und schmackhaft,<br />

und gleicht den kompakten<br />

Charakter des Käseteils aus.<br />

BÉNÉDICTE WILLIAMS


16 BUDAPESTER ZEITUNG PANORAMA 28. FEBRUAR - 6. MÄRZ 2011 • NR. 9<br />

KOMPAKT<br />

� 400 Kältetote. Das Ungarische Soziale<br />

Forum gab bekannt, <strong>das</strong>s während der kalten<br />

Jahreszeit von September 2010 bis vergangenen<br />

Dienstag 105 Menschen in ihren ungeheizten<br />

Wohnungen, 68 unter freiem Himmel<br />

und die restlichen 227 durch Unterkühlungen<br />

im Krankenhaus starben. Durch die angekündigte<br />

anhaltende Kältewelle kann mit noch<br />

mehr Opfern gerechnet werden.<br />

� Bistum hatte Schwarzgeld. Die Untersuchungen<br />

im Pécser Bischoffsbezirk weiten<br />

sich aus. Wie vergangenen Mittwoch bekannt<br />

wurde, hatte der ehemalige Finanzverwalter<br />

Gyula Wolf auch eine Schwarzgeldkasse,<br />

worüber jedoch keine Unterlagen existieren.<br />

Die Summe der Schulden wächst ständig:<br />

Inzwischen reden die Verantwortlichen von<br />

200 Mrd. Ft., die nicht an die Kirchengemeinden<br />

ausgezahlt wurden. Sein Nachfolger<br />

hat die Geistlichen Anfang Februar gebeten,<br />

eine komplette Aufstellung der Ausstände zu<br />

erstellen, um einen Überblick zu bekommen.<br />

� Geburtenrate auf dem Tiefpunkt. Das<br />

Statistische Zentralamt gab am vergangenen<br />

Mittwoch bekannt, <strong>das</strong>s im Jahr 2010 90.350<br />

Kinder auf die Welt gekommen sind. Damit<br />

wurde ein neuer Tiefpunkt in der Statistik erreicht,<br />

denn die Geburtenrate sank im Vergleich<br />

zum vorvergangenen Jahr um 6.3%. Die<br />

Sterberate ist dabei gleich geblieben. So ist die<br />

Einwohnerzahl Ungarns 2010 um 40.100 gesunken.<br />

Die Zahl der Einwanderer wirkt dem<br />

zwar ein wenig entgegen, trotzdem ist die<br />

Bevölkerungszahl damit um 28.000 Köpfe gesunken.<br />

� Verteidigungsministerium zufrieden.<br />

Am vergangen Freitag wurde bekannt, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Ungarische Verteidigungsministerium sehr<br />

zufrieden mit den Helmen der Bundeswehr ist.<br />

Diese hatte sie für die Missionen in Afghanistan<br />

zur Verfügung gestellt. Nach eingehender<br />

Prüfung hätte sich herausgestellt, <strong>das</strong>s die<br />

deutschen Helme die Besten seien und alle an<br />

sie gestellten Erwartungen erfüllen würden.<br />

Dazu komme noch die ausgezeichnete<br />

deutsche Qualität und Herstellergarantie, erklärte<br />

der Sprecher des Ministeriums.<br />

� Entlassung wegen Beschwerde. Eine<br />

Arbeiterin beschwerte sich vergangenen Donnerstag<br />

per SMS in der Radiosendung Class<br />

FM Morning Show über ihren Arbeitgeber, der<br />

sie und ihre Kollegen in einer Szigetvárer<br />

Schuhfabrik bei 6°C arbeiten ließ. Kurz darauf<br />

wurde sie deswegen fristlos gekündigt. Die<br />

Arbeitsschutz Hauptaufsichtsbehörde des Komitat<br />

Baranya hat sich inzwischen eingeschaltet<br />

und untersucht den Fall. Nach den Arbeitsgesetzen<br />

muss der Arbeitgeber für wenigsten<br />

12-14°C am Arbeitsplatz sorgen. Auch der<br />

Bürgermeister von Szigetvár hat der Frau<br />

seine Unterstützung zugesichert.<br />

Der namhafte ungarische Regisseur<br />

Béla Tarr sorgte am Rande des 61.<br />

Berliner Filmfestivals „Berlinale“<br />

für einen Eklat. Nachdem Tarr für<br />

seinen Film „The Turin Horse“ den<br />

Großen Preis der Jury und den FI-<br />

PRESCI-Preis erhalten hatte,<br />

machte er in <strong>einem</strong> Interview mit<br />

dem Berliner Tagesspiegel s<strong>einem</strong><br />

Unmut über die rechtskonservative<br />

Regierung von Viktor Orbán Luft.<br />

uf die Frage, wie sich <strong>das</strong> kultu-<br />

Arelle Klima in Ungarn verändert<br />

habe, sagte Tarr: „Bei uns passiert<br />

gerade, was man in Deutschland<br />

“Kulturkampf“ nennt.<br />

Staatliche Förderzusage<br />

„Klopapier“<br />

Die Regierung hasst die Intellektuellen,<br />

weil sie liberal und oppositionell<br />

sind, sie beschimpft uns als<br />

Vaterlandsverräter.“ Gefragt danach,<br />

ob er als Filmemacher konkret behindert<br />

werde, antwortete der Regisseur:<br />

„Die Regierung hat jede Unterstützung<br />

für uns gestoppt. Die<br />

Hälfte der Produzenten ist schon<br />

pleite, Kinos schließen, auch drei<br />

meiner eigenen Produktionsprojekte<br />

liegen auf Eis. (…) Aber die von<br />

staatlicher Seite unterschriebene<br />

Förderzusage ist jetzt bloß noch<br />

Historiker Hans Mommsen referierte an der <strong>Andrássy</strong> <strong>Universität</strong><br />

Kritik am Auswärtigen Amt erneuert<br />

Nahm bei seiner Rede kein Blatt vor den Mund: Hans Mommsen.<br />

Rund 150 Gäste versammelten sich im Spiegelsaal<br />

der <strong>Andrássy</strong> <strong>Universität</strong>, um einen Vortrag<br />

des Historikers Hans Mommsen zu hören.<br />

Mommsen besuchte die <strong>Universität</strong> zum ersten<br />

Mal, wobei er zum Thema „Die Auseinandersetzung<br />

mit der nationalsozialistischen Vergangenheit<br />

in der Bundesrepublik Deutschland. Last<br />

und Verpflichtung“ referierte. Die Veranstaltung,<br />

welche von Donau-Institut und Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung organisiert wurde, sollte auch<br />

für die ungarische Bevölkerung eine Hilfe sein,<br />

die postkommunistische Vergangenheit aufzuarbeiten.<br />

ichtlich erfreut zeigte sich Ellen Bos, Leiterin<br />

Sder Professur für Politikwissenschaft an der<br />

<strong>Andrássy</strong> <strong>Universität</strong>, über den Besuch von Hans<br />

Mommsen: „Es ist ein schon lange geplantes<br />

Vorhaben gewesen, <strong>das</strong> nach Jahren nun endlich<br />

geklappt hat.“ Sie lobte die ehrliche und schonungslose<br />

Aufarbeitung der Vergangenheit in<br />

Deutschland und wies zugleich auf die Bedeutung<br />

für Ungarn hin. „Im Rahmen der Donau-<br />

Ungarischer Filmemacher kritisiert die Regierung scharf<br />

Béla Tarr: „Die Regierung hasst<br />

die Intellektuellen“<br />

Klopapier.“ Die Frage schließlich, ob<br />

er mit dem Gedanken spiele, ganz<br />

ins Ausland zu gehen, beantwortete<br />

Tarr folgendermaßen: „Ich bin Ungar.<br />

Diese Regierung ändert gerade<br />

die Verfassung und stellt sich auf 20<br />

Jahre Amtszeit ein. Aber sie muss<br />

weg. Nicht ich.“<br />

Schaden für<br />

Filmlandschaft<br />

In Ungarn sorgte <strong>das</strong> Tagesspiegel-<br />

Interview Tarrs für Empörungsstürme,<br />

zumal im Regierungslager. Der<br />

Chef des staatlichen Filmverleihs<br />

Mokép, Balász Gulyás, richtete sogar<br />

einen offenen Brief an den Regisseur.<br />

Er schreibt darin wie folgt: „Statt uns<br />

selbstvergessen über diesen Preis zu<br />

freuen und stolz darauf zu sein, sind<br />

wir dazu gezwungen, die leichtfertigen<br />

Äußerungen zu analysieren, die<br />

der Regisseur siegestrunken getätigt<br />

hat.“ Gulyás unterstellte Tarr, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Interview „schlicht und einfach<br />

Unwahrheiten“ beinhalte. Es schade<br />

deshalb nicht nur Tarr selbst, sondern<br />

der gesamten ungarischen Filmindustrie.<br />

Der ungarische Filmproduzentenverband<br />

wiederum rief Tarr<br />

dazu auf, er solle „auf allen internationalen<br />

Foren“ klarstellen, <strong>das</strong>s er<br />

„ausschließlich seine Privatmeinung<br />

gesagt“ habe. Dies sei umso bedauer-<br />

strategie steht eine Aufarbeitung der Geschichte<br />

hier noch aus.“<br />

„Es ist eine Legende,<br />

<strong>das</strong>s die Bevölkerung damals neutral war“<br />

Hans Mommsen stellte in seiner 60-minütigen<br />

Ansprache gleich zu Beginn fest, <strong>das</strong>s es für ihn<br />

selbst ein Wagnis sei, bloß eine Stunde über dieses<br />

Thema zu referieren. Doch die Anspannung<br />

hatte er nach einer kurzen Anlaufphase abgelegt.<br />

Beginnend bei der Orientierungsphase in der<br />

Nachkriegszeit, in der die Deutschen ein neues<br />

Nationalgefühl entwickelt hätten, erklärte<br />

Mommsen die verschiedenen Dimensionen der<br />

Aufarbeitung. Er wies darauf hin, <strong>das</strong>s die deutsche<br />

Bevölkerung sich eine Zeitlang als passives<br />

Mitglied der nationalsozialistischen Vergangenheit<br />

angesehen habe. Mommsen erläuterte, <strong>das</strong>s<br />

die Schuld auf die Repräsentanten der Nazi-Zeit<br />

projiziert worden sei. „Es ist eine Legende, <strong>das</strong>s<br />

die Bevölkerung damals neutral gewesen sei“, so<br />

der 80-jährige. Er verwies hierbei auf den Adolf<br />

licher, als Tarr vom ungarischen Staat<br />

„bedeutende Unterstützung zur Verwirklichung<br />

seiner Filme“ erhalten habe.<br />

„Erfolg des Films“<br />

beschmutzt<br />

Als Reaktion auf die heftige Kritik,<br />

sagte Tarr gegenüber der Nachrichtenagentur<br />

MTI, er sehe sich<br />

gezwungen, sich von dem Interview<br />

zu distanzieren. Dessen Stil sei<br />

nicht sein Stil: „Ich pflege auf diese<br />

Art weder zu kämpfen noch zu diskutieren<br />

oder zu argumentieren. Ich<br />

halte es für sehr erniedrigend, <strong>das</strong>s<br />

dies alles die Aufnahme und den Erfolg<br />

des Films beschmutzt und ihn<br />

auf <strong>das</strong> Niveau der Tagespolitik heruntersetzt.“<br />

Tagesspiegel-Journalist<br />

Jan Schulz-Ojala, der <strong>das</strong> Interview<br />

mit Tarr geführt hatte, sagte im<br />

Namen seines Blattes gegenüber<br />

der BUDAPESTER ZEITUNG, <strong>das</strong>s<br />

„wir keinen Anlass haben, uns von<br />

der Aufzeichnung zu distanzieren“.<br />

Tarr gilt als einer der bedeutendsten<br />

zeitgenössischen ungarischen<br />

Regisseure. Filme wie Satanstango<br />

und Werckmeister Harmonien sind<br />

schon jetzt Klassiker. Die Drehbücher<br />

zu den meisten Tarr-Filmen<br />

schrieb der namhafte Schriftsteller<br />

László Krasznahorkai.<br />

PETER BOGNAR<br />

BZT / Aaron Taylor<br />

Eichmann-Prozess, der mit der Forderung einher<br />

ging, einen Schlussstrich zu ziehen. Ab jenem<br />

Zeitpunkt sollten keine Straftäter mehr verfolgt<br />

werden.<br />

Historikerstreit<br />

1986<br />

Als einen Meilenstein bei der Aufarbeitung der<br />

Nazi-Vergangenheit, definierte Mommsen den<br />

Historikerstreit 1986, als Ernst Nolte den Nationalsozialismus<br />

als Gegenreaktion zum Bolschewismus<br />

bezeichnet hatte. In Anbetracht dieser<br />

unmöglichen Gleichsetzung nahmen Institutionen<br />

<strong>das</strong> Thema auf und <strong>das</strong> Interesse war wieder<br />

geweckt. Was folgte, war eine umfangreiche Aufklärung<br />

an den Schulen. „Dabei ist es immer<br />

wichtig zu erklären, nicht zu verurteilen“, fügte<br />

der in Marburg geborene Mommsen hinzu.<br />

Kritik am<br />

Auswärtigen Amt<br />

Gegen Ende seines Vortrages hob Mommsen,<br />

dessen Urgroßvater Theodor 1902 der erste<br />

deutsche Literaturnobelpreisträger war, den<br />

Zeigefinger: „Die moralisierende Interpretation<br />

dieser Zeit durch die Medien ist ein Rückfall in<br />

die 50er Jahre.“ Dabei kritisierte er die Fokussierung<br />

auf Hitler. Auch erneuerte er seine Kritik<br />

am Auswärtigen Amt und an dessen in Auftrag<br />

gegebenem Buch „Das Amt und die Vergangenheit“:<br />

„Es ist ein Versuch, Geschichte auszulöschen.<br />

Ein Rückschlag in der Aufarbeitung der<br />

NS-Zeit“. Dabei verwies er auf die ausschließliche<br />

Untersuchung des Holocausts in der Zeit<br />

zwischen 1933 bis 1945 in dem Buch. Zudem sei<br />

Vorsicht geboten, <strong>das</strong>s sich die Regierung nicht<br />

zu sehr einmische. Dies betreffe vor allem auch<br />

den Drittmitteleinfluss. „Anscheinend hat die<br />

neue Generation der Historiker vergessen, was<br />

die Generation vor ihnen gemacht hat.“ Dieser<br />

Seitenhieb richtete sich gegen die Verfasser des<br />

Buches, die es unterließen, die vorangegangenen<br />

Studien in ihrer Arbeit zu erwähnen. Dass nun<br />

wieder bei null angefangen werde, erklärte sich<br />

Mommsen damit, <strong>das</strong>s die staatliche Finanzierung<br />

ja irgendwie gerechtfertigt werden müsse.<br />

Am Ende seines Vortrags hatte der Historiker<br />

noch einen Rat parat: „Regierungsnahe Institutionen<br />

beauftragen gezielt Historiker. Ich würde<br />

diese Initiative besser der freien Forschung überlassen“.<br />

DOMINIK KRANZER<br />

Distanziert sich von seinen Aussagen: Béla Tarr.

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