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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Vorbemerkungen zur Stadtgeschichte<br />

<strong>und</strong> zum topographischen Teil<br />

Wie wir <strong>aus</strong> der Grabinschrift des Lucius Munatius<br />

Plancus erschliessen können, wurde die Colonia<br />

<strong>Raurica</strong>, wohl noch im Auftrag Caesars, im Sommer<br />

44 v.Chr. gegründet 212<br />

. Da die ältesten römischen<br />

F<strong>und</strong>e im Gebiet der heutigen Gemeinden Augst<br />

(Kanton Basel-Landschaft) <strong>und</strong> Kaiseraugst (Kanton<br />

Aargau) jedoch nicht über das zweite Jahrzehnt<br />

v.Chr. hinaufreichen 213<br />

, ist anzunehmen, dass es infolge<br />

der Wirren nach Caesars Tod damals nicht zu<br />

einer faktischen Gründung gekommen ist; diese wurde<br />

nach Ausweis zweier fragmentarisch erhaltener<br />

Bronzeinschriften in augusteischer Zeit von einem<br />

nicht weiter bekannten, als nuncupator bezeichneten<br />

Lucius Octavius vorgenommen 214<br />

. Die Bronzetafeln<br />

nennen auch den (unvollständig erhaltenen) Namen<br />

der Koloniestadt: Colonia [Paterna?]/[Munatiafelix?]/<br />

[Apolli]naris/[<strong>Augusta</strong> E] merita/[Raur] ica 215<br />

. In der<br />

neugegründeten Stadt nahmen hauptsächlich Veteranen<br />

unterschiedlicher Herkunft - wahrscheinlich auch<br />

mit dem römischen Bürgerrecht bedachte Rauriker -<br />

<strong>und</strong> peregrine Einheimische ihren Wohnsitz.<br />

Politisch gehörte die Koloniestadt zunächst zur<br />

Provinz Gallia Belgica, vom späteren 1. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

an dann zur Germania Superior; nach der diokletianischen<br />

Neuordnung war sie Teil der Provincia<br />

Maxima Sequanorum, mit Schwerpunkt im Castrum<br />

Rauracense.<br />

Topographisch gliederte sich die Siedlung in eine<br />

Oberstadt (auf dem Gebiet des heutigen Augst) mit<br />

den wichtigsten öffentlichen Bauten <strong>und</strong> <strong>aus</strong>gedehnten<br />

Wohn- <strong>und</strong> Handwerkerquartieren sowie in eine<br />

Unterstadt (Gemeinde Kaiseraugst), die auf den<br />

Rhein <strong>aus</strong>gerichtet war <strong>und</strong> neben bescheideneren<br />

Wohn- <strong>und</strong> Gewerbequartieren auch Lager- <strong>und</strong><br />

Handelshäuser umfasste <strong>und</strong> die in spätrömischer<br />

Zeit das Castrum Rauracense beherbergte (vgl. Plan<br />

Abb. 27). Die wohl um 80 n.Chr. begonnene Stadtmauer<br />

blieb unvollendet, wohl weil keine äussere<br />

Notwendigkeit dafür bestand 216<br />

. Die wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> kulturelle Blütezeit der Stadt dauerte bis um die<br />

Mitte des 3. Jahrh<strong>und</strong>erts; eine damals eingetretene<br />

Katastrophe - vermutlich ein Erdbeben - scheint<br />

vorübergehend zum Zusammenbruch der öffentlichen<br />

Ordnung geführt zu haben 217<br />

. In den Jahren nach 270<br />

wurde die Stadt von kriegerischen Ereignissen, im<br />

Zusammenhang mit den Alamanneneinfällen an der<br />

Rheingrenze oder mit den inneren Wirren des gallischen<br />

Sonderreiches, heimgesucht; danach blieben<br />

nur noch einzelne Quartiere der Oberstadt von der<br />

Zivilbevölkerung bewohnt.<br />

Obwohl die Stadt als Zivilsiedlung angelegt war,<br />

Hessen sich mehrmals in ihrer Geschichte vorübergehend<br />

Truppen nieder. In tiberischer Zeit wurde,<br />

offenbar als Teil des Defensivsystems am Oberrhein,<br />

in der Unterstadt ein Holz-Erde-Kastell angelegt, das<br />

r<strong>und</strong> eine Generation lang belegt war. Danach sind<br />

erst wieder vom späteren 3. Jahrh<strong>und</strong>ert an feste<br />

militärische Anlagen nachzuweisen: in gallienischer<br />

Zeit scheint im Areal des späteren Castrum ein<br />

Auxiliarkastell bestanden zu haben, um 270 n.Chr.<br />

wurde das Kastelen-Plateau befestigt, <strong>und</strong> um 300<br />

begann man mit dem Bau des grossen Castrum<br />

Rauracense 218<br />

.<br />

Wenn man die <strong>aus</strong> Augst <strong>und</strong> Kaiseraugst bekannten<br />

Kleinf<strong>und</strong>e überblickt, so könnte leicht der Eindruck<br />

aufkommen, <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> sei die wichtigste römische<br />

Koloniestadt nördlich der Alpen gewesen:<br />

etwa 3000 Fibeln stehen r<strong>und</strong> 400 Exemplaren <strong>aus</strong><br />

Lauriacum <strong>und</strong> 230 Exemplaren <strong>aus</strong> Martigny gegenüber<br />

219<br />

; ähnlich frappant ist etwa das Verhältnis<br />

zwischen den in Augst <strong>und</strong> in Avenches erhaltenen<br />

Münzen 220<br />

. An bronzenen <strong>Götter</strong>statuetten schliesslich<br />

kennt man je 25 bis 30 Exemplare <strong>aus</strong> Avenches<br />

<strong>und</strong> <strong>aus</strong> Lyon, immerhin dem Zentrum der très<br />

Galliae 22<br />

\ r<strong>und</strong> dreimal soviel dagegen <strong>aus</strong> <strong>Augusta</strong><br />

<strong>Raurica</strong>! Für dieses Missverhältnis, das offensichtlich<br />

nicht die ursprünglich vorhandenen Mengen an<br />

Objekten widerspiegelt, sind zur Hauptsache zwei<br />

Gründe verantwortlich: das Gelände der Römerstadt<br />

<strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> war in nachantiker Zeit, im Gegensatz<br />

etwa zu Avenches <strong>und</strong> Lyon, nur spärlich besiedelt,<br />

so dass sich viele Objekte im Boden erhalten<br />

konnten; erst recht spät in unserem Jahrh<strong>und</strong>ert, zu<br />

einer Zeit, als das dokumentarische Erfassen von<br />

212 Zur Stadtgeschichte vgl. <strong>aus</strong>führlicher Martin-Kilcher 1987,<br />

15-18; Laur/Berger 1988, 11-22; Furger 1994. Hier wird nur<br />

neuere Literatur zu <strong>aus</strong>gewählten Fragen angeführt.<br />

213 Furger 1985; ders., JbAK 9,1988,157.<br />

214 H. Lieb, Zur zweiten Colonia <strong>Raurica</strong>. Chiron 4,1974,415-423;<br />

Schwarz/Berger (in Vorbereitung a). Vgl. unten Insula 20 D4.<br />

215 Zur Diskussion um den «Rufnamen» der Kolonie vgl. Lieb<br />

(wie Anm. 214) 423; Fellmann 1992,17 Anm. 13.<br />

216 M. Schaub, Das Osttor <strong>und</strong> die Stadtmauer von <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong><br />

(Grabung 1993.52). JbAK 15,1994,73-114 bes. 112ff.<br />

217 Deschler-Erb/Schwarz 1993,180; Furger 1994,36.<br />

218 Schwarz 1992 bes. 70f.; V. Vogel Müller, U. Müller, Eine Grabung<br />

im Innern des Kastells Kaiseraugst (1993.03). Neue Hinweise<br />

zur Bauzeit des Kastells Kaiseraugst <strong>und</strong> zur Existenz<br />

eines älteren Auxiliarkastells? JbAK 15, 1994, 151-176 bes.<br />

158; Peter (in Vorbereitung).<br />

219 Riha 1994,46 Anm. 85.<br />

220 Avenches: r<strong>und</strong> 6500 Münzen (Auskunft F. Koenig,Avenches);<br />

Augst: r<strong>und</strong> 20 000 Münzen (Peter 1996).<br />

221 Diese Zahl umfasst die im Musée de la civilisation gallo-romaine<br />

in Lyon sowie die <strong>aus</strong>wärts aufbewahrten Exemplare<br />

mit gesicherter F<strong>und</strong>ortangabe; vgl. Boucher/Tassinari, Lyon<br />

<strong>und</strong> Liste ebd. S. VI <strong>und</strong> VII. Das Musée des beaux-arts in Lyon<br />

dagegen enthält r<strong>und</strong> 120 <strong>Götter</strong>statuetten ohne bekannten<br />

F<strong>und</strong>ort <strong>aus</strong> alten Sammlungen; unter ihnen befinden sich sicher<br />

auch Exemplare <strong>aus</strong> Lyon, die aber nicht mehr als solche<br />

zu identifizieren sind.

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