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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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augusteischen Schichten, in der 45 n. Chr. in die Ebene<br />

verlegten Siedlung auf dem Magdalensberg, fanden<br />

sich zwei Statuetten des Merkur <strong>und</strong> des Herkules<br />

(Abb. 26,3.4); auch ein laufender Amor (Abb. 26,5)<br />

dürfte im späteren 1. Jahrh<strong>und</strong>ert v.Chr. unter die<br />

Erde gekommen sein 201<br />

. Eine weitere Herkulesstatuette<br />

(Abb. 26,6) kam in dem frühkaiserzeitlichen,<br />

an der holländischen Küste gelegenen Militärhafen<br />

Velsen 1 zum Vorschein, der um 35 n. Chr. aufgehoben<br />

wurde 202<br />

. Die Ausgrabungen in dem 70 n.Chr. zerstörten<br />

Legionslager von Xanten/Vetera I erbrachten<br />

Statuetten des Merkur (Abb. 26,7), der Fortuna<br />

(Abb. 26,8), eines Laren (Abb. 26,9), eines Genius<br />

(Abb. 26,10) <strong>und</strong> einer nicht sicher zu deutenden<br />

männlichen Figur (Abb. 26,11) 203<br />

. Aus nicht militärischem<br />

Zusammenhang, nämlich <strong>aus</strong> einem um die<br />

Mitte des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts bei der Insel Cavallo südlich<br />

von Korsika gesunkenen Handelsschiff, stammt<br />

eine Jupiterstatuette (Abb. 26,12), die zusammen mit<br />

einer Bronzelampe zur Ausstattung gehörte oder aber<br />

privater Besitz eines Besatzungsmitglieds war 204<br />

.<br />

Vergleichen wir diese mehrheitlich wohl in der<br />

ersten Hälfte des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts in Italien gefertigten<br />

Bronzestatuetten untereinander, so fällt vor allem ihre<br />

stilistische Uneinheitlichkeit auf. Der grössere Merkur<br />

<strong>aus</strong> Haltern wie auch der laufende Amor vom Magdalensberg<br />

stehen noch deutlich in hellenistischer Tradition.<br />

Der in Xanten gef<strong>und</strong>ene Lar ist wohl eher das<br />

Produkt einer norditalischen als einer gallorömischen<br />

Werkstatt. Zum Merkur vom Magdalensberg sind<br />

nahe Parallelen <strong>aus</strong> Campanien (Abb. 20,6) <strong>und</strong> <strong>aus</strong><br />

Gallien 205<br />

bekannt. Den Jupiter vom Wrack Cavallo I<br />

<strong>und</strong> den Herkules <strong>aus</strong> Velsen hätte man ohne Kenntnis<br />

ihres F<strong>und</strong>zusammenhangs kaum so früh datiert.<br />

Angesichts der stilistischen Vielfalt der frühen italischen<br />

Statuetten scheint es ein schwieriges Unterfangen,<br />

von ihnen sicher gallorömische Erzeugnisse<br />

abzugrenzen <strong>und</strong> zu bestimmen, von wann an in<br />

Gallien figürliche Bronzen hergestellt worden sind.<br />

Aus gr<strong>und</strong>sätzlichen Überlegungen wäre anzunehmen,<br />

dass in der um 120 v. Chr. unterworfenen Gallia<br />

Narbonensis die lokale Produktion früher eingesetzt<br />

hat als in den r<strong>und</strong> siebzig Jahre später eroberten<br />

Provinzen Lugdunensis <strong>und</strong> Belgica, doch fehlen<br />

entsprechende festdatierte F<strong>und</strong>e. Anderseits spielt<br />

gerade bei der Gattung der Statuetten, die wohl<br />

grösstenteils in <strong>Lararien</strong> verwendet wurden, ein<br />

wichtiger Faktor auf religionsgeschichtlicher Ebene<br />

mit: es scheint, dass erst die augusteische Neuorganisation<br />

des privaten Kults die Herstellung <strong>und</strong> Verbreitung<br />

grosser Mengen von <strong>Götter</strong>statuetten <strong>aus</strong>löste<br />

(s. unten mit Anm. 617f.). Aufgr<strong>und</strong> der oben<br />

zusammengestellten Anhaltspunkte gehen wir wohl<br />

nicht fehl in der Annahme, dass Bronzestatuetten in<br />

Gallien <strong>und</strong> der Germania Superior spätestens vom<br />

mittleren 1. Jahrh<strong>und</strong>ert an hergestellt worden sind.<br />

Da sich die überwiegende Mehrheit der in diesem<br />

Gebiet erhaltenen Statuetten von durchschnittlicher<br />

Qualität stilistisch nicht gr<strong>und</strong>sätzlich von den durch<br />

ihre F<strong>und</strong>umstände in die frühe Kaiserzeit datierten<br />

italischen Exemplaren (Abb. 145-174) unterscheidet,<br />

scheint es gerechtfertigt, sie ebenfalls eher der früheren<br />

als der späten Kaiserzeit zuzurechnen.<br />

Wenn wir nun im engeren regionalen Bereich nach<br />

den Anfängen lokaler Produktion von Statuetten<br />

fragen, so gilt es, den Einfluss der Armee, insbesondere<br />

des nur r<strong>und</strong> 40 km von <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> entfernten<br />

Militärlagers Vindonissa in die Überlegungen miteinzubeziehen,<br />

wo zwischen 17 <strong>und</strong> 101 n. Chr. nacheinander<br />

drei Legionen - in der Frühzeit vorwiegend<br />

italischer Herkunft - stationiert waren 206<br />

. Die Präsenz<br />

von mehreren t<strong>aus</strong>end Armeeangehörigen zog nicht<br />

nur vielfältige Importgüter nach sich, sondern muss<br />

sich auch auf die handwerkliche Produktion des zivilen<br />

Umlandes <strong>aus</strong>gewirkt haben; anderseits erforderten<br />

Unterhalt, Ausrüstung <strong>und</strong> Bedarf der Truppen<br />

militäreigene Handwerksbetriebe aller Art 207<br />

. Gerade<br />

die Tätigkeit bronzeverarbeitender Werkstätten ist<br />

recht gut bekannt, indem ein Teil der in Vindonissa<br />

gef<strong>und</strong>enen figürlich verzierten Waffen <strong>und</strong> Ausrüstungsgegenstände<br />

<strong>aus</strong> der ersten Hälfte des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

sicher am Ort hergestellt wurde 208<br />

; einen<br />

weiteren Produktionsort, Lyon, nennt die Inschrift auf<br />

einem mit Tierkampfgruppen verzierten Schwertscheidenblech<br />

209<br />

. Der Hersteller des Blechs ist ein<br />

römischer Bürger ohne militärische Chargen, was<br />

zeigt, dass es offenbar keine strikte Trennung zwischen<br />

zivilen <strong>und</strong> militärischen Werkstätten gab. So liegt<br />

es nahe anzunehmen, dass auch ein im Lager tätiger<br />

Bronzehandwerker nicht nur Gegenstände des militärischen<br />

Bedarfs, sondern auch <strong>Götter</strong>statuetten für<br />

militärische wie für zivile Abnehmerkreise anfertigte.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erstaunt es nicht, dass<br />

als Produktionsort einer Gruppe von Messergriffen<br />

des mittleren 1. Jahrh<strong>und</strong>erts aufgr<strong>und</strong> der F<strong>und</strong>konzentration<br />

<strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> oder Vindonissa in<br />

Frage kommen (vgl. oben «Werkstätten»). Für die<br />

201 Deimel (wie Abbildungsnachweis zu Abb. 7,12) 13-18.<br />

113-115 Taf. 1,1; 2,1; 3.<br />

202 S. M. E. van Lith, Een bronzen beeldje van Hercules bibax uit<br />

Velsen. Westerheem 32, 1983, 347-350 Abb. 1. 2; Stupperich<br />

(wie Anm. 200) 180. Zur Datierung von Velsen 1 vgl. W. J. Th.<br />

Peters, Die Datierung der in den Niederlanden gef<strong>und</strong>enen<br />

Bronzestatuetten des Herkules <strong>aus</strong> vorrömischer <strong>und</strong> römischer<br />

Zeit. In: Mols u.a. 1995,309.<br />

203 N. Hanel, Vetera I. Die F<strong>und</strong>e <strong>aus</strong> den römischen Lagern auf<br />

dem Fürstenberg bei Xanten. Rheinische Ausgrabungen 35<br />

(Köln, Bonn 1995) 82-84 Kat. B 422-426 Taf. 14; 15,2. - Es ist<br />

nicht möglich, bei dieser stilistisch so uneinheitlichen Gruppe<br />

importierte von lokal gefertigten Bronzen zu unterscheiden.<br />

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die sicher am Ort<br />

hergestellte, spätestens flavische Lunastatuette <strong>aus</strong> dem Militärlager<br />

vom Hunerberg bei Nijmegen (s. oben Anm. 29).<br />

204 M. Corsi-Sciallano, B. Liou, Les épaves deTarraconaise à chargement<br />

d'amphores Dressel 2-4. Archaeonautica 5, 1985,<br />

127-129 Abb. 102.<br />

205 Menzel 1970,231 Abb. 22.<br />

206 Zu Lager <strong>und</strong> Vicus von Vindonissa vgl. M. Hartmann, Vindonissa.<br />

Oppidum-Legionslager-Castrum (Brugg 1986); zusammenfassend<br />

Drack/Fellmann 1988,537-550. Zum Einfluss<br />

von Vindonissa auf Augst vgl. auch Peter (in Vorbereitung).<br />

Prinzipiell gelten die hier gemachten Überlegungen auch für<br />

die in <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> selbst stationierten Truppen (vgl. unten<br />

Teil II, «Militaria»); vgl. v. Gonzenbach 1995,13—16 (dazu die<br />

Einschränkungen unten mit Anm. 521f.).<br />

207 Vgl. Hartmann (wie Anm. 206) 84.101-103.<br />

208 Vgl. E. Ettlinger, H. W. Doppler, Nochmals Schwertscheiden-<br />

Fragmente <strong>und</strong> verwandte Stücke <strong>aus</strong> Vindonissa. Jber. GPV<br />

1986,5-28 Abb. 1-18; Deschler-Erb u. a. 1991,26.<br />

209 E. Ettlinger, M. Hartmann, Fragmente einer Schwertscheide<br />

<strong>aus</strong> Vindonissa <strong>und</strong> ihre Gegenstücke vom Grossen St. Bernhard.<br />

Jber. GPV 1984,5-46 Abb. 1-3.

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